Einladung in die kleine Pension im Weinberg - Barbara Erlenkamp - E-Book
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Einladung in die kleine Pension im Weinberg E-Book

Barbara Erlenkamp

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Beschreibung

Eine Pension zum Verlieben

Katie geht in ihrer Rolle als Gastgeberin der kleinen Pension vollkommen auf. Ihre zweite große Leidenschaft ist der Garten, den sie genau nach ihren Wünschen und Träumen umgestaltet. Winzer Oliver wollte sie dabei unterstützen. Aber während der Weinlese bleibt ihm kaum Zeit für Katie, was die gerade erst aufkeimenden Gefühle zwischen den beiden empfindlich stört. Und auch Katies Mitarbeiter und guter Freund Theo wirkt zunehmend unglücklicher. Bald schon findet Katie heraus, dass Theos Ehe gescheitert ist und er plötzlich ohne Wohnung dasteht. Sie hilft ihm sofort - doch so kommt es zu einem folgenschweren Missverständnis zwischen Katie und Oliver ...

Der zweite Band der herzerwärmenden Feel-Good-Reihe von der Erfolgsautorin der »Das kleine Café an der Mühle«-Romane. Ein kurzweiliges Leseerlebnis in den romantischen Weinbergen an der Mosel - für eine kleine Auszeit vom Alltag!

Die Moselpension-Reihe ist in sich abgeschlossen und für sich lesbar. Fans der Café-Liebesromane von Barbara Erlenkamp können sich aber auf ein Wiedersehen in Wümmerscheid-Sollensbach freuen und werden vielen liebgewonnenen Figuren begegnen.

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Seitenzahl: 344

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Inhalt

Cover

Grußwort des Verlags

Über das Buch

Titel

Widmung

Septembermorgen

Frühstückszeit

Zwei Freundinnen

Cabrio, Cappuccino und ein Yogi

Das Trio

Im Kleinen Café an der Mühle

Die bittere Wahrheit

Oliver und Enno

Freitagabend

Das Rote Waldvöglein

Der Beginn einer Suche

Bob

Und jetzt noch mal nach Plan

Rede mit ihr, Theo

Eine für alle und alle für eine

Erwischt

Starnight

Alles eine Frage der Disziplin

Der Fremde

Katerfrühstück

Taten sagen mehr als Worte

Wir machen das jetzt einfach

Tourist mit Interesse am Handwerk

Das Unwetter

Es geht um viel Geld

Ein neuer Morgen

Pinnwand

Polizei im Haus

Emma weiß mehr

Somebody to love

Konkurrenz im Spiel

Maurice

Ein verdächtiger, dicker, kleiner Mann

Die Polizei fragt nach

Zefa Lantera

Ein spannender Abend

Yogastunde

Der Plan

Zwei Sturköpfe

Der Blockschwanznatter auf der Spur

Helene

Kein Spaß im Moor

Oliver

Fotokünstler

Die Aussprache

Zwei bemerkenswerte Anrufe

Bob sucht Rat

Das Hoffest

Epilog

Anhang: Katies Gartentipps für Kräuterbeete

Danksagungen

Über die Autorin

Weitere Titel der Autorin

Impressum

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Über dieses Buch

Katie geht als Gastgeberin in ihrer kleinen Pension vollkommen auf! Ihre zweite große Leidenschaft ist der Garten, den sie genau nach ihren Wünschen und Träumen umgestaltet. Winzer Oliver wollte sie dabei unterstützen. Aber während der Weinlese bleibt ihm kaum Zeit für Katie, was die gerade erst aufkeimenden Gefühle zwischen den beiden empfindlich stört. Und auch Katies Mitarbeiter und guter Freund Theo wirkt zunehmend unglücklicher. Bald schon findet Katie heraus, dass Theos Ehe gescheitert ist und er plötzlich ohne Wohnung dasteht. Sie hilft ihm sofort – doch so kommt es zu einem folgenschweren Missverständnis zwischen Katie und Oliver ...

Barbara Erlenkamp

Einladung in die kleine Pension im Weinberg

Für Anja, weltbeste Freundin

Freunde sind die Rosen im Garten des Lebens.

Helene Milberg

Septembermorgen   

Klar und kühl war dieser taufeuchte Morgen. In der Luft lag eine Mischung von nächtlicher Kälte und spätsommerlicher Sonnenwärme. Selbst jetzt, so früh am Morgen, konnte man schon ahnen, dass es ein herrlicher Tag werden würde. Katie Sheridan beugte sich vor, um die Laufschuhe fester zu schnüren.

Sie atmete tief durch. Jetzt noch die passende Musik. Katie setzte die Kopfhörer auf. Sie liebte es, beim Laufen ihre Lieblingssongs zu hören. Nur kurz überlegte sie und hatte dann bald ihre Wahl getroffen, das hier war genau richtig: Autumn Leaves. In Gedanken übersetzte sie für sich den Text: „Ich vermisse dich am meisten, mein Liebling, wenn im Herbst die Blätter fallen.“ Von Autumn Leaves gab es unzählige Interpretationen. Obwohl Katie eigentlich auf die groovige Musik der 70er Jahre stand, gehörte die Aufnahme der unvergleichlichen Eva Cassidy zu ihren Lieblingsstücken. Leise, melancholisch und ein klein wenig unwirklich perlten die Gitarrenklänge aus den Kopfhörern. Perfekt.

Vor Katie breitete sich ein herrliches Panorama aus. Die Weinberge, die sich aus dem Morgennebel über dem Fluss erhoben, dazwischen die schroffen Schieferfelsen und über allem ein klarer blauer Himmel. Ende September hoch über dem Moseltal. Die Traubenlese hatte vor zwei Tagen begonnen. Katie wusste das, weil Oliver seit zwei Wochen von nichts anderem mehr sprach. Und sie freute sich darauf, denn schon im nächsten Jahr würde sie in ihrer Pension den ersten eigenen „Gutshof-Moselthal-Riesling“ verkaufen können. Was für ein Glück, dass ihr direkter Nachbar ein Winzer war!

Katie fand mit ihren Nordic-Walking-Stöcken den richtigen Rhythmus. Mit weit ausholenden Schritten lief sie über den schmalen Fußweg, der oberhalb ihres Weinbergs entlangführte.

Oliver wird auch hier bald mit der Traubenlese beginnen, dachte sie zufrieden, bald geht es los. Die Weinblätter an den Rebstöcken rechts und links von ihr waren saftig-grün, hatten sich noch nicht bunt verfärbt, aber die morgendliche Kühle ließ erahnen, dass der Herbst schon in den Startlöchern stand, um den Spätsommer abzulösen.

Trotz der Kühle begann Katie zu schwitzen, während sie, ohne das Tempo zurückzunehmen, den steilen Anstieg emporlief. Ich vermisse dich am meisten, wenn die Blätter fallen ... Katie schluckte einmal trocken. Sie dachte an ihre Tochter Emma, die in England bei ihrem Vater, Katies Ex-Mann, lebte. Im Moment schien England für Katie von der Mosel unendlich weit entfernt zu sein. Wie gerne würde sie Emma dieses Morgenpanorama zeigen, wie gerne würde sie hier mit ihr zusammen durch den Morgen laufen. Immerhin, vor mehr als zwei Monaten hatte Emma angefangen, auf die Briefe zu antworten, die Katie ihr beinahe täglich schrieb. Sie wollte, dass ihre Teenager-Tochter an ihrem Leben teilnahm, dass Emma erfuhr, was sie freute, worüber sie sich Sorgen machte, welche Pläne sie hatte. Die jahrelange Funkstille zwischen ihnen war schrecklich für sie gewesen. Die stumme Ablehnung hatte Katie tief verletzt. Die Briefe, die Emma in den letzten Wochen nach Deutschland geschickt hatte, waren für Katie deshalb besonders wertvoll.

Katie erreichte das Ende des steilen Weges. Von hier oben sah der Gutshof Moselthal, der Ort, wo sie ihre Pension betrieb, wie ein Puppenhaus aus. Ein ausgesprochen schmuckes Puppenhaus, dachte Katie stolz. Ihr neues Zuhause. Die weiß getünchten Hauswände strahlten in der Morgensonne. Die leuchtend roten Fachwerkbalken bildeten einen hübschen Kontrast zu den weißen Wänden und dem dunklen Schieferdach. Mit ein bisschen Wehmut betrachtete Katie das Storchennest auf dem Dach. Für ihre Gäste waren die großen Vögel im Sommer eine Attraktion gewesen, aber bereits im August hatte sich das Storchenpaar auf den langen Flug in Richtung Süden gemacht. Wenn man den Naturschützern in Brennerbach glauben durfte, würden die Tiere schon im Februar wieder zurückehren. Katie lächelte bei dem Gedanken. Seit sie sich an der Mosel niedergelassen hatte, fühlte sie sich mit der Natur viel mehr verbunden als in der englischen Stadt, in der sie die vergangenen zehn Jahre gelebt hatte. Ja, es war die richtige Entscheidung gewesen, nach Deutschland zurückzukehren, in die Heimat ihrer Mutter. Hier hatte sie ihre Kindheit verbracht, ihre Kochausbildung absolviert und auch gearbeitet. Und nach all den beruflichen Wanderjahren, in denen sie mehrmals zwischen Deutschland, Frankreich und England gewechselt hatte, war der Zeitpunkt gekommen, etwas zu verändern. Sie hatte den Gutshof gekauft, die Pension aufgebaut und sich ein Heim geschaffen.

Katie gab sich einen Ruck und lief weiter, den Weg hinunter und zurück zum Gutshof. Auf sie warteten eine heiße Dusche, ein Frühstück und ein Tag voller Arbeit.

Frühstückszeit   

„Na, Manni, wie schaut es mit unserem Frühstück aus? Kann ich die ersten Tische bedienen?“, fragte Katie ihren Küchenhelfer, als sie die Pensionsküche betrat.

Der grinste zufrieden und deutete auf ein Dutzend Tabletts. „Ist alles fertig, Chefin, du kannst loslegen.“

Katie hatte sich bewusst dafür entschieden, kein Frühstücksbüfett anzubieten. Ihre Pensionsgäste konnten am Vorabend auf einer Bestellkarte ankreuzen, was sie zum Frühstück haben wollten: würziges Bauernbrot, selbstgebackene Brötchen, Käse, Wurst und alle Speisen, die man sich zum Frühstück nur vorstellen konnte. Katie hoffte, indem sie nicht alles auf einem Büfett anbot, weniger Lebensmittel wegwerfen zu müssen. Falls sich die Gäste einmal vertan und zu wenig bestellt hatten, war das kein Problem. Hier sollte niemand hungrig vom Tisch aufstehen. Und die letzten Wochen gaben ihr recht, ihr Plan ging auf, und die Gäste waren gleichermaßen zufrieden und begeistert. Die Küche selbst hatte Katie als gelernte Köchin so geplant und bauen lassen, dass man hier auch leicht mit einer ganzen Küchenbrigade hätte arbeiten können. Doch außer Katie und Manni gab es in der Küche nur noch Elke und Lotte, zwei Mitarbeiterinnen, die sich vornehmlich um die Zimmerreinigung und ab und an auch um den Service kümmerten.

„Und wie sieht es mit den zusätzlichen Brötchen aus?“, fragte Katie.

Manni deutete auf den Backofen. „Alles vorbereitet, werden gleich gebacken und stehen dann ofenwarm als Nachschub zur Verfügung. Ich wusste ja nicht, wie lange du heute bei deiner Laufrunde unterwegs bist, da habe ich schon mal weitergemacht.“

„Klasse, Manni, und heute Abend ...“

„Gibt es Mannis fantastische Bratkartoffeln. Die mache ich eigentlich zwar immer dienstags, aber die frisch geernteten Kartoffeln sind gerade so lecker.“

Katie lächelte zufrieden und warf ihrem Mitarbeiter eine Kusshand zu. „Die Gäste werden sie lieben.“

Manni hat sich wirklich unglaublich entwickelt, dachte Katie. Ihr Küchenhelfer hatte wechselvolle Berufsjahre hinter sich, unter anderem auf einer Ölplattform vor der schottischen Küste und in einem Nachtclub in Köln. Manfred Sachs war Mitte vierzig, mittelgroß und besaß einen Brustkorb wie ein Eichenfass. Jedes Küchenmesser, jeder Kochlöffel schien in seinen riesigen Händen förmlich zu verschwinden. Mit seinen raspelkurzen Haaren und einer Narbe am linken Auge sah er in Katies Augen wie ein ehemaliger Preisboxer aus. Sein Äußeres aber war Katie herzlich egal, was zählte, war seine Hingabe für alles, was mit dem Kochen zusammenhing. Er saugte ihr Wissen auf wie ein Schwamm, war begierig dazuzulernen, und – das zeigte sich jetzt wieder einmal bei den Frühstücksbrötchen – er dachte mit. Mittlerweile konnte sich Katie blind auf ihn verlassen, und er war längst in der Lage, mehr als nur sein Leibgericht Bratkartoffeln zuzubereiten. Dass er in der Küche des Gutshofs Moselthal gelandet war, verdankte Manni seinem alten Schulfreund Theo Engels, Katies rechter Hand in der Pension. Was hatte sie nur für ein Glück. Nach solchen Mitarbeitern würden sich manche Chefs die Finger lecken.

Katie stellte die ersten Tabletts auf einen Servierwagen und schob den Wagen aus der Küche. Gerade als sie in den Frühstücksraum einbiegen wollte, kam Theo um die Ecke. Theo. Noch so ein Glücksfall, schoss es Katie durch den Kopf. Schließlich war er ein weitgereister Marketingexperte. Zehn Jahre lang war er auf Weltreise gewesen, hatte in Europa, den USA und Asien mehr als nur einen Beruf ausgeübt. Als sie ihn eingestellt hatte, hatten sie sich auf eine sehr allgemeine Arbeitsplatzbeschreibung geeinigt, die irgendwo zwischen Concierge, Haustechniker und Verwalter lag. Inzwischen war er längst unentbehrlich für sie geworden.

Sie blieb stehen und legte leicht eine Hand auf seinen Oberarm. „Guten Morgen, Theo. Ist alles in Ordnung?“, fragte sie besorgt. Katie war nicht entgangen, dass der sonst stets zufriedene Theo mit geistesabwesendem Gesichtsausdruck beinahe in ihren Servierwagen gelaufen wäre.

„Was? Oh ja, natürlich. Sorry, ich war nur gerade in Gedanken. Doch, doch, alles in Ordnung. Aber wo ich dich gerade sehe: Wenn du den beiden Frauen aus den Zimmern 11 und 12 das Frühstück servierst, dann kannst du noch ein Gedeck dazu auflegen. Die Freundin der beiden, Hélène Milberg, hat gerade angerufen. Sie wird in spätestens zehn Minuten da sein. Sie hat gefragt, ob wir auch eine Garage für ihr Cabrio hätten. Ich habe ihr erklärt, dass sie ihr Auto gerne in der alten Kelterhalle unterstellen kann. Viel will sie übrigens nicht frühstücken.“

Katie zog amüsiert eine Augenbraue hoch. „Lass mich raten. Cappuccino und allenfalls ein Croissant?“

„Bingo.“ Jetzt grinste Theo von einem Ohr zum anderen. „Als ich sie gefragt habe, was wir ihr servieren dürfen, hat sie genau das bestellt. Das heißt, nicht ganz, sie hätte gerne auch noch frisches Obst.“

„Gut, dann weiß ich Bescheid. Die nächsten Brötchen und Croissants kommen gleich aus dem Ofen, wir haben also von allem reichlich da. Und jetzt werde ich mich beeilen, damit unsere Gäste ihr Frühstück bekommen.“

Ein energischer Ruck von Katie genügte, um den Servierwagen in Richtung Frühstücksraum zu bewegen. Außer dem leisen Klirren von Geschirr hörte man nichts, so leicht rollten die dicken gummibereiften Räder über die alten Steinplatten. Erst zwei Tische waren besetzt. Hinten am Fenster, mit Blick auf Terrasse und Garten, saßen die beiden Frauen, deren Freundin gleich eintreffen würde. Weiter vorne an einem runden Tisch hatte ein Pärchen aus Stuttgart Platz genommen, von dem Katie wusste, dass sie morgen schon weiter nach Frankreich fahren wollten. Elke oder Lotte hatten die Gäste bereits mit Getränken versorgt. Zehn weitere Tische warteten noch auf die Frühstücksgäste. Ja, wir sind so gut wie ausgebucht, dachte Katie stolz, und das außerhalb der Schulferien.

„Guten Morgen, ich hoffe, Sie hatten eine angenehme Nacht. Hier kommt Ihr bestelltes Frühstück. Wenn Sie noch einen Wunsch haben, melden Sie sich bitte einfach kurz bei mir.“ Katie stellte dem Stuttgarter Pärchen die beiden Tabletts auf den Tisch und freute sich über die begeisterten Gesichter der beiden.

Genau so hatte sie es sich immer vorgestellt: Lauter glückliche Gäste, die sich in ihrem Haus wohlfühlten.

Zwei Freundinnen   

„Und, Wiebke, fühlst du dich wohl, bist du glücklich?“ Jule musterte ihre alte Schulfreundin über den Rand der Tasse hinweg, während sie auf ihren Kräutertee pustete, um ihn ein wenig abzukühlen.

Wiebke zuckte zusammen und schaute von ihrer Kaffeetasse hoch, in die sie gerade einen gehäuften Teelöffel Zucker hatte rieseln lassen. Sie ließ den Löffel sinken und stammelte: „Was? Ich?“

Jule lachte. „Mensch, Wiebke, jetzt guckst du genau so wie früher, wenn uns der Lehrer in Mathe beim Abschreiben erwischt hat. Ohne dich wäre ich wegen dem Fach wahrscheinlich in der achten Klasse sitzen geblieben. Weißt du noch? Herr Braun? Der konnte ganz schön fies werden. Dabei wollte ich doch nur wissen, ob es dir gut geht. Ich versuch’s einfach noch mal von vorne. Und? Wie geht es dir?“

Wiebke nahm noch ein wenig mehr Zucker und antwortete beiläufig, während sie umrührte: „Och schon. Wirklich, ich fühl mich wohl. Das heißt, die Nacht war ziemlich ruhig, zu ruhig. Weißt du, ich habe mich an Thomas‘ Schnarchen so gewöhnt, dass es mir regelrecht gefehlt hat. Und glücklich? Ja, glücklich bin ich auch, weil wir hier zusammensitzen. Nach all den Jahren, ich kann es gar nicht glauben. Kein bisschen hast du dich verändert.“

Jule lachte trocken auf, und das Lachen ging in ein Husten über. Als sie wieder zu Atem kam, klang ihre tiefe Altstimme immer noch heiser. „Von wegen, kein bisschen verändert. Du hättest mich mal vor einem Jahr sehen soll. Da war ich so was von am Arsch.“

Wiebke verzog kurz das Gesicht. „Ausdrücke hast du.“

„Wenn es doch wahr ist. Ich möchte bloß wissen, ob Helene es heute irgendwann noch zu uns schafft.“ Jule schaute auf ihre Armbanduhr, eine klobige schwarze Taucheruhr für Männer, die ihr blasses Handgelenk noch schmaler wirken ließ. „Mir hat sie gestern geschrieben, dass sie wahrscheinlich zum Frühstück da sein wird.“

„Komm, mach dir keine Gedanken. ‚Zum Frühstück‘ – das ist doch Auslegungssache. Helene konnte schon damals in unserer WG morgens ewig lange schlafen. Und dann hat sie eben um zwölf Uhr mittags gefrühstückt. Wobei ein bisschen Obst und ein Glas Sekt kein wirkliches Frühstück waren.“

„Stimmt. Und Miss Modebusiness wird sich sicher nicht so verändert haben. Weißt du eigentlich, was sie mittlerweile macht?“

Wiebke nickte eifrig. „Ich habe eine Dokumentation im Fernsehen gesehen, da wurde Helene sogar interviewt. Sie ist so etwas wie die Chefeinkäuferin und der Talentscout eines großen Pariser Modedesigners. Ich würde sagen, unsere alte Freundin lebt ihren Traum von der internationalen Modewelt. Paris, Mailand, New York. Fotoshootings an der französischen Riviera und in der Karibik. Sie arbeitet mit den großen Fotografen und mit den Topmodels zusammen. Uiuiui, ich sag dir, Thomas hat sich gar nicht mehr eingekriegt, als ich ihm erklärt habe, dass ich Helene seit der Schulzeit kenne und mit ihr zusammengewohnt habe. Der hat sich glatt an seinem Feierabend-Bierchen verschluckt.“

Jule lächelte und schwieg. Gerne hätte sie ihrer alten Freundin erklärt, dass sie deren Ehemann Thomas für einen schrecklichen Spießer hielt. Aber wer war sie, dass sie sich über ein anderes Leben ein Urteil erlauben durfte? Thomas Bauer arbeitete im Vertrieb eines Münchener Unternehmens, Wiebke in der Verwaltung einer Versicherung. Die beiden hatten sich ein Leben geschaffen, in dem Sektfrühstück um zwölf und Fotoshootings mit Topmodels in der Karibik so wenig vorkamen wie ein Flug zum Mond.

„Guten Morgen, wer von Ihnen hat das Vollkornbrot bestellt?“

Die hochgewachsene blonde Chefin der Pension war an den Tisch getreten. Jule hob kurz die Hand. „Vollkorn und Müsli gehen an mich, Frau Sheridan, die ungesunden, leckeren Sachen bekommt meine Freundin.“

„Sie können mir glauben, dass unser Vollkornbrot und das Müsli auch lecker schmecken.“

„Oh Gott, so war das nicht gemeint. Ist bloß der Neid, aber meine Ärztin besteht auf einer gesunden, ballaststoffreichen Ernährung.“

„Ich kann Ihnen morgen früh auch Dinkelvollkorn-Croissants backen.“

„Wirklich? Das wäre himmlisch. Na, das sind doch mal gute Nachrichten.“

„Ach übrigens, Ihre Freundin, Hélène Milberg, wird jeden Moment eintreffen.“

Jule und Wiebke wechselten einen erstaunten Blick. Katie Sheridan hatte den Vornamen französisch ausgesprochen. Die beiden Freundinnen warteten, bis Katie Sheridan den Frühstücksraum verlassen hatte. Nur mühsam gelang es ihnen, ein lautes Lachen zu unterdrücken.

„Hat sie gerade wirklich ‚Eh-länn‘ gesagt?“, fragte Wiebke und begann zu kichern.

Jule grinste breit. „Ich fürchte, unserer guten Helene ist das Modebusiness zu Kopf gestiegen. Mein lieber Herr Gesangsverein, in ihrer Welt war ein süddeutsches ‚Helene‘ wohl zu schlicht und altbacken.“

„Also, ich fand den Vornamen immer toll. Dagegen ist ein friesisches Wiebke in Bayern ja nun wirklich selten. In der Schule fand ich es manchmal ganz schön anstrengend, das Lästern der anderen, meine ich.“

„Was erwartest du? Deine Eltern sind aus Friesland nach Bayern gezogen. Hätten die dich noch im Kindergartenalter umtaufen lassen sollen? In der Schule haben dich doch alle geliebt, weil sie bei dir abschreiben durften.“

„Schon, aber wie gesagt, Helene hat mir als Name immer gut gefallen. Warum es jetzt diese affige französische Variante sein muss, verstehe ich nicht.“

„Das kannst du sie gleich selber fragen. Ich wette ꞌnen Knopf gegen Gold, dass da gerade unsere alte Freundin durch die Halle gerauscht ist, oder sollte ich besser sagen, gestöckelt? Gute Güte, diese Absätze sind bestimmt waffenscheinpflichtig.“

Wiebke drehte sich um und erhaschte nur noch einen kurzen Blick auf eine Frau mit langen blonden Haaren, die einen hellbraunen Rollkoffer aus Leder hinter sich herzog.

„Blond? Seit wann ist Helene blond?“, fragte Wiebke erstaunt. Die blonde Frau war jetzt aus ihrem Blickfeld verschwunden, vermutlich stand sie an der Rezeption.

Jule lachte glucksend. „Vermutlich, seit die Gute sich für Hélène als Vornamen entschieden hat.“

Cabrio, Cappuccino und ein Yogi   

Katie überflog gerade die Mails am Rezeptionscomputer, als die Haustür geöffnet wurde. Die Frau, die durch die Halle auf sie zukam, trug ein extravagantes Outfit. Overknee-Stiefel aus hellbraunem Wildleder mit schwindelerregend hohen Absätzen, dazu cremefarbene Lederleggings, eine weiße Tunika mit breitem Gürtel und ein großes sandfarbenes Umschlagtuch über den Schultern. Während sie mit der einen Hand einen teuer aussehenden Rollkoffer aus Leder hinter sich herzog, schob sie sich mit der anderen lässig eine große Sonnenbrille ins Haar.

Sie sieht Heidi Klum täuschend ähnlich, dachte Katie und ahnte, wer da auf sie zukam. Cabrio, etwas Obst und ein Cappuccino ... das passte in ihren Augen so sehr zu diesem Auftritt, dass Katie beschloss, einen Versuch zu wagen und mit einem charmanten Lächeln sagte: „Herzlich willkommen im Gutshof Moselthal, Frau Milberg. Ihre Freundinnen warten bereits im Frühstücksraum auf Sie.“

Die Frau stutzte einen Moment, bevor sie antwortete: „Sie kennen mich?“ Ihre Stimme klang tief und ein wenig heiser, so, wie es häufig bei Frauen der Fall war, die jahrelang viel geraucht hatten.

„Nein, ich habe einfach nur gut geraten. Ich bin Katie Sheridan, die Inhaberin dieser Pension, herzlich willkommen bei uns. Ein Mitarbeiter hatte mich schon darüber informiert, dass Sie in Kürze eintreffen würden. Wenn Sie möchten, können Sie Ihr Gepäck gerne hier bei mir an der Rezeption stehen lassen, ich bring es dann später auf Ihr Zimmer. Sie möchten vielleicht direkt zu Ihren Freundinnen?“

„Das wäre wirklich nett, ich wollte ja eigentlich schon gestern Abend herkommen, aber dann wurde ich aufgehalten. Ich komme direkt vom Flughafen Frankfurt, mein Abflug heute früh in Paris ... Gott, wie sehr ich es hasse, so zeitig aufzustehen, ich fühle mich ganz zerschlagen. Für einen starken Cappuccino würde ich jetzt morden.“ Die Frau fischte aus einer kleinen Umhängetasche einen Autoschlüssel und legte ihn auf die Theke der Rezeption. „Wenn Sie sich um mein Gepäck kümmern würden, wäre ich Ihnen wirklich dankbar, dann muss ich meine Freundinnen nicht länger warten lassen. Die übrigen Koffer sind noch im Cabrio. Die Wettervorhersagen waren so unterschiedlich, dass ich ein wenig mehr eingepackt habe.“

„Ich werde dafür sorgen, dass alles in Ihr Zimmer gebracht wird“, versicherte Katie, „und den großen Cappuccino bringe ich Ihnen gleich an den Tisch. Da drüben ...“ Katie wies in Richtung Frühstücksraum.

Hélène Milberg nickte dankbar und ging in die Richtung, die Katie ihr gezeigt hatte. Katie schaute ihr hinterher. Sie selbst war groß, fast eins achtzig, was sie nie daran gehindert hatte, hohe Absätze zu tragen. Katie war das Laufen mit hohen Absätzen also gewöhnt, trotzdem bewunderte sie die Anmut und Leichtigkeit, mit der Hélène Milberg durch die Halle ging. Es wirkte, als würde sie in einer Modenschau über den Catwalk schreiten.

Eine interessante Frau. Wie passte so jemand zu den beiden anderen Frauen, die sie gerade im Frühstücksraum bedient hatte? Die zwei wirkten im Vergleich zu Hélène Milberg so bodenständig, ganz und gar durchschnittlich. Da steckt bestimmt eine längere Geschichte dahinter, dachte Katie, man darf gespannt sein.

„Vor der Kelterhalle steht ein Cabrio. Ich vermute, dass Frau Milberg eingetroffen ist?“ Theo kam die Treppe hinunter, in den Händen einen Karton mit Werbebroschüren. Er stellte den Karton hinter der Rezeption ab.

„Richtig vermutet, Sherlock. Frau Milberg hat noch ihre Sachen im Auto. Könntest du den Wagen in die Kelterhalle fahren und das Gepäck später auf ihr Zimmer bringen? Sie hat Zimmer Nummer 8. Dieser Rollkoffer gehört auch dazu. Hier ist der Autoschlüssel.“

„Mach ich. Ach – und Katie, bevor ich es vergesse: Oliver Körten-Buschmeier hat angerufen und darum gebeten, dass du ihn zurückrufst. Am besten ist er heute Vormittag mobil erreichbar.“

„Hat er gesagt, was er wollte?“

„Nee, er hatte es aber auch eilig.“

„Gut, ich ruf ihn vom Büro aus an.“ Katie schloss die Bürotür hinter sich. Die Tür war ein richtiges Schmuckstück, ganz schlicht und glatt aus mattweiß lackiertem Holz gearbeitet. Nur das untere Drittel war aus massivem Holz, der Rest war der Länge nach geteilt und durch zwei klare Glasscheiben ausgefüllt, die lediglich am Rand eine kleine eingeschliffene Linie als Verzierung aufwiesen.

Sie wollte ungestört sein, wenn sie Oliver anrief. Es musste ja nicht jeder, der sich zufällig in der Eingangshalle aufhielt, ihr Telefonat mithören. Durch die beiden Glasscheiben hatte sie die Eingangshalle und die Rezeption trotzdem gut im Blick.

Oliver Körten-Buschmeier war im Grunde ihr nächster Nachbar. Auch wenn sein Weingut unten im Moseltal und damit mehrere Kilometer vom Gutshof entfernt lag, grenzten seine Weinberge doch unmittelbar an das Grundstück des Gutshofs. Zu Beginn des Sommers hatte Katie ihn auf den Mond gewünscht. Während sie einen Garten hatte anlegen wollen, hatte er ihr Steine in den Weg gelegt und ihr das Leben auf jede erdenkliche Art schwer gemacht – aber das war jetzt Geschichte. Ihre Streitigkeiten hatten sie beigelegt, und mehr noch, Oliver hatte sich in den zurückliegenden Wochen als hilfreicher Freund und guter Nachbar erwiesen. Obwohl sie beide genug zu tun hatten, hatten sie schon mehrmals die Zeit gefunden, sich abends zu treffen. Katie hatte diese gemeinsamen Abende genossen. Oliver war viel herumgekommen, bevor er das Weingut an der Mosel gekauft hatte. Er hatte wie sie viele Jahre im Ausland gearbeitet, das gab genug Stoff für Unterhaltungen. Er war aufmerksam, charmant und ein guter Zuhörer. Wenn Katie ehrlich zu sich selber war, musste sie sich eingestehen, dass Oliver der erste Mann seit einigen Jahren war, der sie wirklich interessierte, auch wenn zwischen ihnen ein Altersunterschied von gut zehn Jahren lag.

Sie griff nach dem Telefon und wählte Olivers Mobilnummer. Auswendig, ohne die eingespeicherten Kontakte zu verwenden. Katie lächelte ein wenig, als ihr das auffiel. Es gab nicht viele Telefonnummern, die sie im Kopf hatte ... Schon nach dem zweiten Klingeln nahm er den Anruf an.

„Hi, Katie, danke für den Rückruf.“

„Guten Morgen, Oliver. Was kann ich denn für dich tun?“

„Ich möchte dich etwas fragen.“

„Klar, gerne, schieß los.“

„Also eigentlich ist es eher eine Bitte ... Ich muss ein bisschen weiter ausholen. Du hast doch meinen Nachbarn Jürgen Koeller neulich kennengelernt. Jürgens Sohn hat lange in Norddeutschland gelebt, aber jetzt will er zurück an die Mosel kommen. Enno Koeller heißt er. Ich habe ihn in den letzten Jahren bei verschiedenen Gelegenheiten getroffen, Enno ist ein netter Kerl. Er hatte zusammen mit einem Partner eine Yoga-Schule gegründet. Das lief zwei Jahre gut, doch dann gab es wohl Streit. Enno will hier an der Mosel einen Neuanfang starten.“

„Okay, wenn es um das Thema Neuanfang geht, bist du bei mir richtig.“

Katie hörte, wie Oliver lachte. Gleichzeitig war im Hintergrund Vogelgezwitscher zu hören. Er ist wahrscheinlich im Weinberg, dachte sie mit einem Anflug von Neid. Während ich hier drinnen hocke.

„Also, Enno braucht, denke ich, keine Beratung für den Start in die Selbstständigkeit, seine Yoga-Kurse waren unglaublich erfolgreich – wenn man das glauben darf, was mir sein Vater voller Stolz erzählt hat. Aber Enno möchte gerne, solange das Wetter mitspielt, ein paar Unterrichtsstunden im Freien abhalten. Am liebsten irgendwo in der Nähe meines oberen Weinbergs. Achtsamkeit zwischen Reben – so etwas in der Art.“ Er gluckste leise und vergnügt. „Da oben beginnt aber dein Grundstück. Ich dachte mir, er könnte seine Kurse auf der Wiese neben deinem Garten geben. Hättest du etwas dagegen?“

Katie wusste genau, worüber Oliver sich so amüsierte. Genau um diesen Bereich ihres Grundstücks war es bei ihren Streitigkeiten damals gegangen. Und diese Wiese gehörte ihr, hundertprozentig sicher. Oliver tat gut daran, das im Kopf zu behalten. „Nein, warum sollte ich?“, sagte sie großzügig. Katie dachte kurz nach. „Ich würde sogar noch einen Schritt weitergehen. Vielleicht würde Enno seinen Kurs auch für meine Pensionsgäste öffnen, sozusagen als Schnuppereinstieg in das Thema. Das heißt, natürlich nur, wenn sie auch für absolute Anfänger geeignet sind.“

„Das ist eine großartige Idee. Ich denke, er ist Profi genug, um so einen Kurs richtig zu gestalten. Ich sehe Enno heute Abend, da kann ich ihm direkt davon erzählen. Er wollte nämlich bei mir vorbeischauen.“

„Dann kommt doch beide zu mir und wir besprechen die Idee. Ich mache uns etwas zu essen. Du wirst ja sicher noch den ganzen Tag im Weinberg arbeiten, da bleibt keine Zeit zum Kochen, und irgendwann musst du doch mal was Richtiges essen.“

„Du hast mit beidem recht: Ich werde den ganzen Tag arbeiten, und auf mich wartet am Feierabend nur eine Tiefkühlpizza. Die Einladung nehme ich gerne an. Ich weiß nur nicht, ob Enno zum Essen bleiben kann, er hatte davon gesprochen, dass er nur kurz mit mir reden wollte.“

„Du bist herzlich eingeladen, auch ohne deinen persönlichen Yogi bei mir zu essen.“

„Alles klar, dann werden wir so gegen halb acht bei dir sein.“

„Ich freu mich darauf – bis dann.“

Sie freute sich wirklich, das hatte sie nicht einfach nur so dahergesagt. Und – Katie lächelte still in sich hinein – sie freute sich auch, dass Enno nur kurz dabei sein würde und sie mit Oliver den Rest des Abends zu zweit verbringen konnte.

Das Trio   

„Mensch, Helene, du siehst unglaublich schick aus“, sagte Wiebke.

„Hélène bitte, Helene hat mich schon seit Jahren niemand mehr genannt. Wenn jemand Helene sagt, fühle ich mich gar nicht angesprochen.“

Wiebke und Jule tauschten einen Blick. Wiebke zog dabei die Augenbrauen hoch, was Helene nicht entging. Sie beeilte sich hinzuzufügen: „Wisst ihr, das ist keine Marotte oder so, sondern die Pariser haben einfach keine Lust, sich ausländische Namen zu merken, also habe ich mich angepasst. Versteht ihr doch?“

„Naja, ich war schon so ziemlich überall zwischen Vietnam und der Arktis unterwegs. Und ich heiße immer noch Jule, einfach Jule“, brummte Jule in ihren Teebecher hinein.

Helene ging auf Jules spitze Bemerkung nicht weiter ein. Wiebke dagegen schüttelte missbilligend den Kopf. „Nun hör auf herumzubrummeln, Jule. Wenn ‚Eh-länn‘ doch ihr neuer französischer Vorname gefällt. Ich weiß allerdings nicht, ob ich mir das so schnell merken werde. Helene ist mir einfach vertrauter.“ Sie lächelte strahlend. „Gott, ist das schön, dass wir wieder mal zusammen sind. Was wollen wir alles unternehmen? Jule, sag, hast du eine Idee?“

„Nicht direkt. Ich würde aber gerne heute Abend nett essen gehen.“

„Ja, klasse. Am besten etwas, was wir zu Fuß erreichen können, dann muss niemand von uns auf Wein oder Prosecco verzichten“, stimmte Wiebke begeistert zu. „Soll ich mal bei Frau Sheridan nachfragen, ob sie uns etwas empfehlen kann?“

„Mach das, Wiebke“, sagte Helene. „Ich hatte ganz vergessen, wie energiegeladen du immer bist. Ich dagegen fühle mich im Moment wie durchgekaut und ausgespuckt. Ich sehe bestimmt schrecklich aus, weil ich in der vergangenen Nacht kaum ein Auge zugemacht habe. Die letzten Tage waren unglaublich stressig.“

„Okay, Mädels, dann schlage ich vor, dass Jule noch eine Zeit lang in ihrem Kräutertee brummt, du dich ein bisschen ausruhst, und ich werde mal sehen, wo wir heute Abend essen können.“ Wiebke stand auf und ging zur Rezeption.

„Und wieder einmal übernimmt Wiebke, unsere alte Klassensprecherin, die Planung“, sagte Helene und trank ihren Cappuccino aus.

„Ich glaube, sie ist die Einzige von uns dreien, die sich gar nicht verändert hat“, sagte Jule. „Ich freue mich übrigens auch über unser Treffen, nur mal so fürs Protokoll. Ich hätte nie gedacht, dass es so kurzfristig möglich sein würde.“

„Das war ein reiner Glückstreffer. Es ist tatsächlich mein erstes freies Wochenende seit einem Vierteljahr, und in der kommenden Woche gibt es auch nur ein einziges Online-Meeting. Was für ein Luxus. Aber normalerweise ... Wahnsinn, ich weiß nicht, das Business hat noch mal an Tempo zugelegt.“

„Aber dafür siehst du, und hier gebe ich unserer Wiebke unumwunden recht, wirklich klasse aus. Blond steht dir.“

„Danke. Da steckt aber viel Arbeit drin. Früher konnte ich die Nacht durcharbeiten oder auch feiern, und am nächsten Morgen habe ich nur einen Becher Kaffee und ein bisschen Wimperntusche gebraucht, um mich wieder wie ein Mensch zu fühlen. Das ist schon lange nicht mehr so, ich bin einfach älter geworden. Ich spüre die Jahre vor allem in dem Aufwand, den ich mittlerweile betreiben muss, um den Status quo zu erhalten.“

„Entspann dich, jetzt bist du unter Freundinnen. Für uns musst du nicht toll aussehen. Ich verspreche dir, dass ich mir keine Gedanken über dein Styling machen werde.“

Helene lachte auf. „Jule, du bist die einzige Frau, die ich kenne, die nicht mal darüber nachdenken würde, wie man Styling schreibt.“

„Wozu auch“, gab Jule mit einem Grinsen zurück. „Wen sollte ich bei meinen Forschungsprojekten als Biologin beeindrucken? Den nächsten Eisbären? Wohl kaum. Außerdem finde ich es ganz entspannend, dass ich mich morgens nicht die erste halbe Stunde im Bad mit meinem Make-up herumschlagen muss.“

„Ich werde es mir merken. Und jetzt entschuldige mich bitte, sonst schlafe ich hier gleich im Sitzen ein. Wir sehen uns spätestens heute Nachmittag zum Kaffee, einverstanden?“

„Einverstanden. Das heißt, wenn Kaffee und Kuchen für dich okay sind?“

„Kann ich ja morgen früh wieder abtrainieren, also, sobald ich mit meiner Make-up-Sitzung fertig bin.“ Helene zwinkerte ihrer alten Freundin zu.

„Ups, bist du jetzt sauer auf mich? Wie lange du morgens für dein Styling brauchst, ist ganz allein deine Sache, das geht mich wirklich nichts an. Ich habe das vorhin nicht so gemeint, ich hoffe, das weißt du.“

„Ja, das weiß ich, Jule.“

„Gut. Ich werde dann schonmal mit Wiebke ein bisschen die Gegend erkunden. Und Hélène ...“

„Ja?“

„Schön, dass du gekommen bist, Süße. Ich freue mich, dass das alte Trio mal wieder zusammengekommen ist.“

„Ja, ich freue mich auch, Brummkopf.“

***

Katie sah durch die Glasscheibe, dass Wiebke Bauer an der Rezeption wartete. Sie hatte gerade damit begonnen, eine Einkaufsliste für das Abendessen mit Oliver und Enno aufzusetzen. Hähnchenfilet in Zitronen-Sahne-Sauce sollte es geben – so weit war sie mit ihren Überlegungen schon gekommen. Jetzt legte sie schnell den Kugelschreiber zur Seite. Die Beilagen konnte sie sich auch später ausdenken. Katie verließ ihr Büro und lief hinter die Rezeptionstheke.

„Frau Bauer, wie kann ich Ihnen helfen? Haben Sie noch einen Frühstückswunsch?“

„Nein, alles bestens, Frau Sheridan. So gut habe ich schon seit Wochen nicht mehr gefrühstückt. Die Brötchen waren hervorragend, Sie müssen einen tollen Bäcker in Wümmerscheid-Sollensbach haben.“

„Wir haben wirklich einen guten Bäcker im Dorf, aber die Brötchen backen wir in unserer Küche selber.“

„Tatsächlich? Ich dachte, Sie meinten das gar nicht ernst, als Sie Jule ... ähm ... ich meine, Frau Kannstadt ein Dinkel-Vollkorn-Croissant versprochen haben.“

„So etwas würde ich nie im Spaß sagen. Nein, ich bin ausgebildete Köchin, und ich backe für mein Leben gern. Ich meinte das so, wie ich es gesagt habe: Ich kann Ihrer Freundin gern morgen früh ein Vollkorn-Croissant backen.“

„Ach, wenn Sie Köchin sind, dann führen Sie hier auch ein Restaurant?“

„Nein, das ist mir zu aufwändig, dafür fehlt mir auch eine Küchenbrigade. Wir bieten unseren Gästen allerdings abends immer einen kleinen Imbiss an.“

„Vielleicht kommen wir darauf noch zurück. Heute Abend aber möchten wir drei gerne essen gehen. Hätten Sie einen Tipp für uns? Möglichst etwas, was wir zu Fuß erreichen können. Und ...“ Wiebke Bauer stockte kurz, als wäre ihr das, was sie als Nächstes sagen wollte, peinlich, „und vielleicht nicht gerade die örtliche Dorfgaststätte. Wissen Sie, Frau Kannstadt isst gerne vegetarisch. Und Frau Milberg ... da weiß ich gar nicht, ob die überhaupt etwas isst. Ich vermute, bei ihr wird deftige Hausmannskost auch nicht gut ankommen. Ich komme aus Bayern – also zum Beispiel der Gasthof Zum roten Eber bei uns daheim wäre für die beiden schon mal nichts. Riesige Fleischportionen, und ein Salatblatt kommt da höchstens als Deko auf den Tellerrand.“

Katie lächelte bei dem Gedanken an eine Hélène Milberg im Wümmerscheider Eichenkrug, sie würde auf jeden Fall für Gesprächsstoff im Dorf sorgen, keine Frage. Sie sagte: „Da habe ich genau das Richtige für Sie und Ihre Freundinnen, Frau Bauer. Oberhalb des eigentlichen Dorfes liegt Tante Dottis Bistro, keine zehn Gehminuten vom Dorfplatz entfernt, sozusagen im Niemandsland zwischen Wümmerscheid und Sollensbach. Eine Freundin von mir führt das Bistro, und das Essen dort ist wirklich bemerkenswert. Sophie von Metten, so heißt meine Freundin, hat oft Gäste, die sogar extra aus Luxemburg und Frankreich anreisen.“

„Oh, da werden wir wohl so kurzfristig keinen Platz bekommen.“

„Lassen Sie mich das mal versuchen. Augenblick, ich frage für Sie nach.“ Katie griff nach dem Telefon und wählte Sophies Nummer. „Sophie? Hi, ich bin’s, Katie. ... Ja, mir geht es gut. Ich habe hier drei Damen, die gerne bei dir heute Abend essen würden. Wäre das so kurzfristig noch möglich? Um wie viel Uhr? Augenblick.“ Katie schaute Wiebke Bauer fragend an. „Haben Sie sich eine bestimmte Uhrzeit vorgestellt, Frau Bauer?“

„Nein, eigentlich nicht. So sieben, halb acht wäre schön.“

„Hast du gehört, Sophie? Sieben oder halb acht... mhmm ... Oh, das ist gut. ... Ja, mach das – genau, für drei Personen, auf den Namen Bauer. Alles klar. ... Was? Nein, ich habe unsere Verabredung nicht vergessen. Ich freue mich darauf. Und grüß Peter von mir.“ Katie beendete das Telefonat. „Also, im Bistro selbst sind schon alle Tische reserviert. Aber außer Tante Dottis Bistro betreibt meine Freundin noch in einem Nebengebäude das Kleine Café an der Mühle, und dort könnte sie Ihnen einen Tisch anbieten. Am Abend ist der Cafébetrieb geschlossen, und der Raum wird dann für größere Gruppen wie den Dorfverein genutzt, oder eben als Ausweichmöglichkeit, wenn das Bistro schon voll ist. Womöglich wären Sie heute mehr oder weniger allein dort.“

„Das macht uns gar nichts aus. Wir haben uns ja so viel zu erzählen. Ich werde jetzt mit Frau Kannstadt spazieren gehen, Frau Milberg will sich noch ausruhen. Danke, dass Sie für uns bei Ihrer Freundin einen Tisch organisiert haben, Frau Sheridan.“

„Das habe ich gerne gemacht. Ich gebe Ihnen später eine Wegbeschreibung, damit Sie das Bistro sofort finden. Sie werden den Abend nicht bereuen – versprochen.“

Im Kleinen Café an der Mühle  

Die drei hatten den Tordurchgang in der alten Bruchsteinmauer hinter sich gelassen. Vor ihnen erstreckte sich eine gekieste Auffahrt. Am Ende sah man ein altes Haus, ebenfalls aus Bruchstein gemauert. Im Licht der Außenlampen schimmerten die Steine in unterschiedlichen Grau- und Brauntönen. Mehrere hohe Windlichter mit flackernden Kerzen standen entlang der Auffahrt auf dem Boden.

„Mädels, ich glaube, hier sind wir richtig“, stellte Jule fest. Hinter ihnen wendete das Taxi, das sie von der Pension abgeholt hatte, und fuhr davon.

„Hast du etwas anderes erwartet?“, prustete Wiebke. „Da steht es doch geschrieben, groß und deutlich.“ Sie wies auf die Vorderseite des Gebäudes. Über einer grün gestrichenen Bank hing ein großes Holzschild an zwei Eisenringen. In roter Schrift stand dort Tante Dottis Bistro.

„Ach, du bist blöd“, wehrte Jule gutmütig ab. „Ich meinte doch nicht, was für ein Glück, dass der wahrscheinlich einzige Taxifahrer des Ortes in einem Dorf mit vielleicht tausend Einwohnern die richtige Adresse gefunden hat. Ich meinte das eher so: Hier sind wir richtig, hier könnte ich mich wohlfühlen.“

„Entschuldigung, ich wollte dich nur auf den Arm nehmen. Und du hast recht. Wenn das Essen genau so gut ist, wie das Haus gemütlich aussieht, dann kann heute Abend nichts schiefgehen“, sagte Wiebke.

„Mich erinnert das Ganze an ein Shooting in den britischen Cotswolds, wo ich letztes Jahr war. Da gab es fast ausschließlich solche Cottages“, sagte Helene. „Schön ist das.“

Die drei schlenderten auf das Haus zu. Aus den großen Fenstern des Gastraumes fiel warm-goldenes Licht auf den Kiesplatz. „Ich denke, wir melden uns erst einmal im Bistro selber“, schlug Wiebke vor, „unser Tisch soll in einem Nebengebäude sein, hat Frau Sheridan gesagt. Nur sehe ich hier gar kein anderes Gebäude.“

„Wahrscheinlich geht es hinter dem Haus noch weiter“, vermutete Jule.

„Kommt, wir gehen rein, mir wird langsam fröstelig.“ Helene verschränkte die Arme vor der Brust und rieb sich die Oberarme.

„Mal ehrlich, Hélène, für Ende September ist das vielleicht auch nicht das passende Outfit“, erwiderte Jule. Helene trug heute Abend weite Oversize-Cargohosen und weiße Boots mit dicken Blocksohlen. Die Schuhe allerdings waren kaum zu sehen, weil die überlangen Hosenbeine sie fast vollkommen verdeckten. Dazu hatte sie eine kurze, ärmellose, weiße Steppweste und ein schwarzes, eng anliegendes Oberteil kombiniert – beides bauchfrei, sodass man ihr silbernes Nabelpiercing auf dem gebräunten flachen Bauch gut sehen konnte.

„Was hast du gegen mein Outfit? Das ist aus unserer neuen Herbstkollektion. Ich habe sogar die passende Mütze aufgesetzt.“

Tatsächlich trug Helene eine dünne weiße Beanie-Mütze, der man allerdings ansah, dass sie kaum wärmen konnte, sondern allenfalls modisches Beiwerk zum Streetwear-Look war.

„Meine Oma hat immer gesagt: Willst du dem Frost ein Schnippchen schlagen, musst du eine Mütze tragen“, verkündete Wiebke, „und ich möchte ergänzen: Mein Tipp ist wirklich praktikabel – bedecke auch den Nabel.“

Wiebke kicherte, und Jule prustete los.

„Sehr witzig, Frau Bauer. Deine gereimten Witze habe ich ja seit Jahren vermisst“, maulte Helene in gespieltem Ernst.

Wiebke hakte sich bei ihr unter. „Wissen wir doch. Deswegen magst du uns auch so sehr.“

Helene lachte auf. „Du bist wirklich ein beklopptes Huhn. Nein, ich korrigiere mich, weil Jule-Brummbär sich gerade nicht mehr einkriegt vor Lachen – ihr seid beide bekloppte Hühner, aber ich habe euch lieb. So, und jetzt will ich ins Warme, was zu essen haben und viel Prosecco.“

***

„Guten Abend, mein Name ist Bauer, Wiebke Bauer. Frau Sheridan vom Gutshof Moselthal hat bei Frau von Metten einen Tisch für drei Personen bestellt. Also für mich und meine beiden Freundinnen da vorne an der Tür.“

Sophie legte das Geschirrtuch aus der Hand, mit dem sie gerade noch ein Weinglas hinter der Theke poliert hatte.

„Ja, natürlich, Frau Bauer. Sie bringen mir Katies Gäste, die kurzfristig einen Tisch gesucht haben. Ich bin Sophie von Metten – schön, dass Sie da sind. Herzlich willkommen in Tante Dottis Bistro. Wie Sie sehen, sind hier vorne im Bistro schon alle Tische besetzt. Ich habe aber hinten im Hof noch ein Nebengebäude, einen ehemaligen Pferdestall, den wir zum Café umgebaut haben. Dort habe ich einen Tisch für Sie gedeckt. Warten Sie bitte einen kurzen Moment, ich hole nur schnell drei Speisekarten, und dann führe ich Sie nach drüben.“

„Danke schön. Ich sage meinen Freundinnen Bescheid.“