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Katie ist voller Vorfreude: Endlich kommt ihre Tochter Emma aus England zu Besuch. Doch die anfängliche Wiedersehensfreude löst sich schnell in Luft auf. Denn Emma steckt mitten in der Pubertät und zwischen Mutter und Tochter kriselt es gewaltig. Damit nicht genug schleicht sich auch noch die Eifersucht in Katies Beziehung zu Oliver. Wie soll Katie bei all dem Trubel die Blumen in ihrem Garten genießen oder ihr Versprechen einlösen und dem Pensionsgast Ronald Willem über seine Schaffenskrise als Maler hinweghelfen?
Band drei der herzerwärmenden Feel-Good-Reihe von der Erfolgsautorin der »Das kleine Café an der Mühle«-Romane. Ein kurzweiliges Leseerlebnis in den romantischen Weinbergen an der Mosel - für eine kleine Auszeit vom Alltag!
Die Moselpension-Reihe ist in sich abgeschlossen und für sich lesbar. Fans der Café-Liebesromane von Barbara Erlenkamp können sich aber auf ein Wiedersehen in Wümmerscheid-Sollensbach freuen und werden vielen liebgewonnenen Figuren begegnen.
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Seitenzahl: 316
Cover
Grußwort des Verlags
Über dieses Buch
Titel
Widmung
Fotomotiv gesucht
Eine neue Homepage
Alles in Ordnung?
Eine halbe Stunde
Osterhase und Cordhut
Der falsche Moment
Vollkommen leer
Happy Birthday
Langweilig
Ich muss hier raus
Eine schreckliche Nacht und ein neuer Morgen
Eine Skizze
Der neue Gast
Panoramablick
Blumen zum Start in den Tag
Mein Mädchen
Typisch Teenager
Theo hat den Blues
Hier gibt es keine Haushälterin
Emmas erster Schultag
Schuluniform 2.0
Mehr als eine Flasche Riesling
Rotwein und Inspiration
Alles eine Frage des Stils
Die Kunst des Zeichnens
Heimweg mit Insiderwissen
Emma: ein besonders nerviger Teenager
Emma: eine zauberhafte junge Erwachsene
Bleib ganz ruhig
Ein Pastis, bitte
Der Druck steigt
Ein Fan
Licht und Schatten
Eine Verabredung
Der Württemberg-Zyklus
Süß wie Sahneeis
Wie es wirklich war
Mama
Ein Schuss vor den Bug
Sommercamp-Fightclub
Die Rose ist eine Zicke
Ist das Kunst?
Ein väterlicher Ratschlag
Und wie sieht die Zukunft aus?
Zwei E-Mails an Brian
Achtzehn Meisterwerke
Auf zu neuen Ufern
Probelauf für den Dinner-Club
Zwei für Katie
Operation »Ausgetrickst«
If you don't know me by now
Anhang: Katies Gartentipps für einen Rosengarten
Danksagungen
Über die Autorin
Weitere Titel der Autorin
Impressum
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Katie ist voller Vorfreude: Endlich kommt ihre Tochter Emma aus England zu Besuch. Doch die anfängliche Wiedersehensfreude löst sich schnell in Luft auf. Denn Emma steckt mitten in der Pubertät und zwischen Mutter und Tochter kriselt es gewaltig. Damit nicht genug schleicht sich auch noch die Eifersucht in Katies Beziehung zu Oliver. Wie soll Katie bei all dem Trubel die Blumen in ihrem Garten genießen oder ihr Versprechen einlösen und dem Pensionsgast Ronald Willem über seine Schaffenskrise als Maler hinweghelfen?
Barbara Erlenkamp
Wiedersehen in der kleinen Pension im Weinberg
Für Nicole
Freundin, Lieblingsbuchhändlerin und unser Anker an der Mosel
Ein Kind großzuziehen, ist ein Abenteuer. Es gehen zu lassen, ein Wagnis. Es für immer zu lieben, deine Aufgabe.
Barbara Erlenkamp
Ein gelber Schmetterling. Glücklich seufzte Katie. Seit sie als Kind die Mumin-Bücher gelesen hatte, wusste sie: Der erste Schmetterling, den man im Frühling sah, konnte einem verraten, wie der Sommer werden würde. Und wenn es ein gelber Schmetterling war, bedeutete das, dass man sich auf einen sehr guten Sommer freuen durfte. Auch wenn es nur eine Geschichte aus einem Kinderbuch war – warum sollte es nicht wahr sein? Der Zitronenfalter auf der violetten Blüte sah jedenfalls wunderschön aus. Die Flügel hatte er fast vollständig zusammengelegt, wohl, um ein Sonnenbad zu nehmen. Die feine gelbe Oberfläche, durch die die Morgensonne schimmerte, die hauchdünnen Fühler – das Ganze wirkte so zart und vergänglich.
Katie zoomte den Bildausschnitt noch etwas näher heran. Perfekt! Sie richtete sich wieder auf und bewegte vorsichtig die verkrampften Schultern. Uaah! Der ziehende Schmerz eines Muskelkaters war das sichere Zeichen dafür, dass sie sich in den letzten Tagen zu viel zugemutet hatte.
Vielleicht nicht zu viel, korrigierte sie sich im Stillen, aber zumindest war es eine ungewohnte Arbeit gewesen. Sie hatte gemeinsam mit Oliver eine große Weinlieferung für die USA verpackt. Und weil sie sich vor ihrem Freund keine Blöße hatte geben wollen, hatte sie mindestens genauso viele Kisten die Treppe aus dem Weinkeller hochgetragen wie Oliver. Die ersten Kisten waren ihr noch leichtgefallen, schwer waren die Flaschen erst geworden, als sie bei der fünfzehnten Kiste angekommen war. Egal, das Abendessen, das Oliver als Dankeschön danach gekocht hatte, war die Mühe wert gewesen. Das Essen und die anschließende Nacht zu zweit ...
Katie hob den Kopf und ließ sich mit geschlossenen Augen die Sonne ins Gesicht scheinen. Ihre deutsche Oma hatte immer gesagt: Katie – du bist ein Glückskind. Vielleicht hatte Oma ja recht gehabt, zumindest stimmte es, seit sie hier in Wümmerscheid-Sollensbach lebte. Irgendwo sang eine Drossel. Eine Hummel brummte. Katie schlug die Augen wieder auf und blinzelte in die helle Frühlingssonne. Ob sie sich ein Weilchen drüben auf die alte Holzbank setzen sollte? Verführerisch war der Gedanke schon, doch stattdessen gab sie sich einen Ruck. Schluss mit dem Herumtrödeln, es war noch mehr als genug zu tun.
Mit dem Handy in der Hand schaute sich Katie nach weiteren Fotomotiven um. Was fehlte jetzt noch? Die Nahaufnahme von dem Zitronenfalter auf der violetten Blüte in ihrem Garten war schon mal ein Knaller – so viel stand fest. Zu schade, dass sie ihre Fotos aus ihrem alten Zuhause in England nicht verwenden konnte. Dort hatten sich Kletterrosen um den Eingang zu ihrem Cottage gerankt, eine rosa, eine weiß, und zur Blütezeit hatte immer ein wunderbarer süßer Rosenduft in der Luft gelegen. Sie seufzte. Ihre englischen Rosen, die vermisste sie wirklich, seit sie in Deutschland lebte. Aber auch hier würde sie nicht lange suchen müssen, um weitere herrliche Bilder zu machen. Der Frühlingshimmel über dem Moseltal, die schroffen Felsen, die taufeuchten Rebstöcke, die unmittelbar hinter ihrem Garten in langen Reihen den Berg hinunter standen, der alte Gutshof mit seinen leuchtend roten Fachwerkbalken und dem Storchennest auf dem Dach ... an jeder Ecke wartete ein noch schönerer Anblick.
Katie war an diesem Morgen unterwegs, um neue Fotos für die Website ihrer Pension zu machen. Es sollten keine beliebigen Standardbilder sein. O nein, sie wollte Aufnahmen, bei denen man direkt Lust bekam, ein Zimmer in ihrer Pension zu buchen. Wobei ihre Pension Gutshof Moselthal nicht unter einem Mangel an Gästen litt, im Gegenteil, mittelweile mussten größere Reisegruppen schon Wochen vorher ihre Zimmer reservieren. Katie achtete strikt darauf, dass immer zwei, drei Zimmer für spontane Übernachtungen freigehalten wurden, denn dafür hatte sie schließlich ihre Pension vor einem knappen Jahr ins Leben gerufen: für Menschen, die sich für eine kurze Zeit eine Auszeit vom Alltag gönnen wollten und die dann bei ihrer Abfahrt glücklicher waren als bei ihrer Ankunft.
Menschen glücklich machen – schwer war das nicht an einem Ort wie diesem. Die ganze Umgebung strahlte Entschleunigung pur aus. Katie machte noch zwei Aufnahmen von ihrer Lieblingsbank aus, fotografierte einen kleinen Käfer, der es eilig hatte, über den Stängel einer Narzisse zu klettern, und eine Amsel, die Katies Fotoaktion mit schiefgelegtem Kopf vom Rand der Trockensteinmauer aus beobachtete.
Vom Haus her wehten Stimmen und Gelächter zu ihr herüber. Eine kleine Gruppe von Menschen in bunter Sportkleidung schlenderte über den Rasen in ihre Richtung. Natürlich – Enno würde gleich mit seinem Yoga-Unterricht im Weinberg beginnen. Was im letzten Herbst als Verlegenheitslösung angefangen hatte, weil Ennos Yoga-Schule noch umgebaut werden musste, hatte sich zu einer Erfolgsstory entwickelt. Selbst während der eisig kalten Wintertage hatte ein harter Kern von Yoga-Begeisterten es sich nicht nehmen lassen, ihre Yoga-Übungen im Freien zu machen. Zu diesen Dauerschülern kamen immer wieder interessierte Gäste aus der Pension hinzu, die für ein oder zwei Unterrichtsstunden das Thema Yoga kennenlernen wollten.
Katie schaute auf ihre Uhr. Es wurde Zeit, ins Haus zu gehen, in Kürze würden alle Gäste ihr Frühstück haben wollen. Vielleicht sollte sie in der Küche noch ein paar Detailaufnahmen von den ofenwarmen Brötchen und Croissants machen, die dort jeden Morgen frisch gebacken wurden. Stichwort: Wohlfühlen. Dass dazu auch frische Brötchen am Morgen gehörten, stand ja wohl außer Frage.
Katie schob das Handy in die Jackentasche und verließ ihren Garten. Oliver hatte ihr zu Weihnachten neben einem wundervollen Paar Ohrringe auch ein selbst getischlertes Gartentor geschenkt. Weiße Holzlatten, schwarze Beschläge und ein englisches Emailleschild mit dem Hinweis Please close the gate, das er extra im Internet bestellt hatte. Katie liebte dieses Gartentor, es schaffte den perfekten Durchgang zwischen zwei Hecken und sah aus, als wäre es schon immer an Ort und Stelle gewesen. Sie schickte einen zärtlichen Gedanken an Oliver und verschloss sorgfältig das fast brusthohe Tor.
»Un, deux, trois, quatre ... un, deux, trois, quatre.«
Die Stimme, die da laut auf Französisch bis vier zählte, unterbrochen von erschöpften, atemlosen Schnaufern, ließ Katie herumfahren. Das Erste, was Katie wahrnahm, war eine elastische Laufjacke mit Reißverschluss, die immer wieder zwischen den Weinstöcken hervorblitzte. Dieses Neongelb hätte man auch im Dunkeln kaum übersehen können. Ein stämmiger, nicht besonders großer Mann lief mit hochrotem Gesicht den schmalen, steilen Weg zwischen den Weinstöcken entlang. Die Spitzen seiner Nordic-Walking-Stöcke rammte er mit verbissener Anstrengung im Rhythmus seiner eigenen Anfeuerungsrufe in den weichen Boden. Er sah aus wie ...
Jetzt hatte der Mann sie gesehen, hielt inne und ging langsam zu ihr hinüber. »Bonjour, Katie, was für eine herrlische Morgen.« Seine schnaufenden Atemzüge straften diesen Satz allerdings Lügen.
»Jean-Pierre, was treibst du denn hier? Heidi hat doch geschrieben, dass ihr erst in einer Woche aus Frankreich zurückkommen werdet.«
Jean-Pierre Garbon stützte sich auf seine Stöcke und grinste über das ganze Gesicht.
»Wenn meine geliebte ´eidi tagelang ´eimweh nach die Mosel ´at, werde isch doch nischt widersprechen. Eine kluge Mann weiß die Zeischen zu deuten. Eine weitere Woche in Frankreisch, in die Kreise meiner Onkel, Tanten, Cousinen, Neffen und Nischten, und ´eidi wäre todunglücklisch geworden. Voilà, wir sind in die Nacht zurückgekommen. Nebenbei, merci für die Heizen und Lüften von unsere ´aus. Es war ein angenehmes Ankommen in die Nacht.«
Katie hatte den Gutshof Moselthal von Heidi Schwarzbeck vor fast zwei Jahren gekauft. Heidi war das Haus zu groß geworden, deshalb war sie mit Jean-Pierre in das kleine Haus des ehemaligen Kellermeisters gezogen. Doch weil Jean-Pierre noch verschiedene geschäftliche Angelegenheiten in Frankreich klären musste, hatten die beiden fast zwei Monate in Bordeaux verbracht. Bei dem Gedanken, dass Heidi wieder in Wümmerscheid-Sollensbach war, wurde Katie ganz warm ums Herz. Als junge Frau hatte sie bei ihr kochen gelernt, die Sterneköchin war dabei so etwas wie eine mütterliche Freundin für sie geworden. Während Katies Jahren in England war der Kontakt eingeschlafen, umso intensiver war die Freundschaft geworden, seit Katie wieder in Deutschland lebte. Sie hatte Heidi vermisst.
Zufrieden strich sich Jean-Pierre über seinen mächtigen Walross-Schnäuzer. »Mir scheint, du ´ast uns vermisst, meine liebe Katie. Das freut misch aber sehr.«
»Natürlich habe ich euch vermisst, was denkst du denn? Ich hätte in den letzten Monaten mehr als einmal euren Rat gebraucht, das kannst du mir glauben.«
»Nun, jetzt wir sind wieder da und stehen für alle Fragen zur Verfügung.«
»Na, da kann ich gleich mal fragen, was du hier überhaupt tust? Seit wann machst du Frühsport? Ich dachte immer, du würdest dich an Winston Churchills Motto ›Sport ist Mord‹ halten?«
»Was immer man über die alte Engländer sagen kann, da sprischt er die Wahr´eit. ´eidi aber fand, eine wenig Bewegung würde misch auf andere Gedanken bringen und mir guttun. Und sie ´atte rescht. Isch bin auf die Gedanke gekommen, die Erfinder von diese Dinger ´ier«, der kleine Franzose hob anklagend die beiden Stöcke hoch, »die dürren Hals umzudrehen. Niemand kann doch bei Verstand die Laufen durch die steile Weinberge für entspannend finden. Aber isch dachte mir, eine Versuch ist es wert.«
»Wir können ja in den nächsten Tagen mal zusammen laufen gehen«, bot Katie an.
»Abgemacht. Isch nehme disch bei die Wort.«
»Na dann. Bestell Heidi bitte Grüße, ich werde mich später bei ihr melden.«
»Werde isch tun. Au revoir, Katie.«
Katie schaute ihrem Freund hinterher. Jean-Pierre machte Frühsport, das hätte sie nie für möglich gehalten.
»Un, deux, trois, quatre.«
Jean-Pierres Stimme hallte durch den Frühlingsmorgen und war selbst auf der Terrasse der Pension noch zu hören, als Katie ins Haus zurückging.
Willkommen in der Pension Gutshof Moselthal oder, wie manche Gäste liebevoll sagen, in der kleinen Pension im Weinberg. Gönnen Sie sich bei uns eine Auszeit vom Alltag. Wir sorgen dafür, dass Sie sich hier, oberhalb des Moseltals, entspannen können. Unsere Chefin Katie Sheridan hat von ihrer deutschen Mutter gelernt, dass ein knuspriger Auflauf nicht nur satt macht, sondern auch die Seele wärmt. Und von ihrem englischen Vater, dass ein Haus nur dann ein Heim wird, wenn es Freunde beherbergt.
Und so ist die Pension Gutshof Moselthal mehr als nur ein Dach über dem Kopf, sie ist ein Ort, an dem man sich wohlfühlt. Überzeugen Sie sich selbst ...
»Also, Theo, ich weiß nicht, der Satz mit dem Auflauf und Dads Spruch ... hmm ...« Katie, die den Text auf dem Monitor aufmerksam gelesen hatte, schaute ihren Mitarbeiter zweifelnd von der Seite an.
Theo Engels war längst zu ihrer rechten Hand in der Pension geworden, mehr Freund als Mitarbeiter. In seinem abwechslungsreichen Arbeitsleben hatte Theo unter anderem längere Zeit in einer Marketingagentur gearbeitet. Für Katie war es selbstverständlich gewesen, ihm das Update ihrer Website anzuvertrauen.
»Sieh mal, Katie, das ist ja nur ein Textentwurf. Das Ganze ist noch nicht online. Wir können alles anpassen und ändern«, erklärte Theo, »aber ich fand die beiden Zitate deiner Eltern zu gut, um sie nicht zu verwenden. Außerdem erzählt der Text etwas von dir, von deinem Leben in Deutschland und England.«
»Will ich das? Ich meine, interessiert es unsere potenziellen Gäste, was meine Mutter oder mein Dad gesagt haben? Es ist ja nicht so, dass ich hier im Mittelpunkt stehe, sondern es geht um die Pension, um das ganze Team.«
»Jetzt stell mal dein Licht nicht unter den Scheffel. Du hast diese Pension gegründet, du hast das Haus gekauft. Du hattest eine Vision, und die ist Wirklichkeit geworden. Die Hotels der großen anonymen Ketten, die in jeder Stadt, ach was, in jedem Land gleich aussehen, solche Hotels gibt es genug. Davon habe ich bei meiner Weltreise einige kennengelernt, und glaub mir, ich bin nicht der Einzige, der sich dort nicht wohlfühlt. Die Menschen sehnen sich nach etwas Besonderem, nach etwas, das aus der Masse heraussticht.«
»Und woran hast du dabei gedacht?«
»Wir könnten zum Beispiel erwähnen, dass du in mehreren großen Sternerestaurants gekocht hast.«
»Auf keinen Fall! Das hier ist eine ganz normale Pension und kein Restaurant. Ich will nicht, dass die Leute Sterneküche erwarten.«
»Dass du bei Heidi gelernt hast, solltest du aber trotzdem einflechten, finde ich. Heidi Schwarzbeck ist wirklich vielen bekannt, allein schon wegen ihrer tollen Kochbücher. Die künftigen Gäste sollen direkt wissen, dass wir eben nicht nur eine einfache Pension sind.«
»Okay, okay, schon kapiert. Nimm es mit einem Körnchen Salz ... ach nee, das heißt auf Deutsch anders ... ähm.«
»Ich soll das alles nicht so ernst nehmen?«
»Genau. Mit den deutschen Redewendungen komm ich immer durcheinander.« Theo sah immer noch ein wenig gekränkt aus, daher beeilte sich Katie weiterzusprechen. »Du hast dir solche Mühe beim Texten gegeben, und ich mäkele nur an den Sätzen herum. Weißt du was? Wir machen einfach einen Test. Wir zeigen den Text dem Rest des Teams, und wenn sie Mamas Auflaufspruch und Dads Zitat zum Haus gut finden, stellen wir den Text online.«
»Abgemacht. Ich drucke den Text aus, und du kannst die drei nach ihrer Meinung fragen. Aber nicht schummeln.«
»Bäh.« Katie lachte und streckte Theo blitzschnell die Zunge raus. »Was denkst du denn von mir?«
»Nur das Beste, Katie, nur das Beste. Du bist doch kein Spielverderber.« Theo wirkte rundum zufrieden. Sein breites Lächeln und die wuscheligen blonden Haare ließen ihn viel jünger aussehen als Mitte dreißig. Dabei hatte es vor einem halben Jahr eine Zeit gegeben, da hatte Katie befürchtet, dass er nie wieder so lächeln würde. Damals hatte Theo seine Frau bei einer Affäre mit einem anderen Mann erwischt und erfahren, dass sie ihn schon monatelang betrogen hatte. Theo war tief verletzt aus dem gemeinsamen Haus ausgezogen, hatte für ein paar Wochen in Katies Gästezimmer gewohnt, um schließlich nach und nach wieder ins Leben zurückzufinden. Mittlerweile hatte er eine hübsche geräumige Dachgeschosswohnung ganz in der Nähe des Rathauses von Wümmerscheid-Sollensbach bezogen. Katie hoffte für ihn, dass es bald auch wieder eine Frau in seinem Leben geben würde, aber dafür schien Theo noch nicht bereit zu sein. Ein Schritt nach dem anderen, dachte Katie, es ist jedenfalls schön, ihn wieder so gelöst und fröhlich zu sehen.
»Sag mal, ich unterbreche ja nur ungern deine Gedankengänge, bei denen du dieses milde Lächeln im Gesicht hast, aber wann kommt eigentlich Emma? Ich würde meinen Dienst so einteilen, dass du genug freie Zeit hast, um sie am Flughafen abzuholen«, sagte Theo.
»Emma? Ach, das dauert noch. Sie wollte mit meinem Ex-Mann darüber sprechen.« Katies Tochter Emma lebte in England bei Brian und dessen zweiter Frau. »Musst du das jetzt schon wissen? Ich kann nachfragen.«
»Normalerweise wäre es keine große Sache, aber bei mir zu Hause gibt es Probleme mit der Heizung, und ich muss mit dem Handwerker aus Brennerbach einen Vor-Ort-Termin vereinbaren.«
»Ich glaube, Brian hat Emmas Flug für Mitte April gebucht, also in gut zwei Wochen. Das bekommen wir doch hin mit deinem Dienstplan.«
»Ach so, na bis dahin wird wohl mein Heizungsfritze mal Gelegenheit gehabt haben vorbeizuschauen. Wobei man bei Handwerkern ja nie weiß. Am kommenden Osterwochenende bin ich auf jeden Fall hier.«
»Nein, darüber hatten wir doch schon gesprochen. Du musst auch mal freimachen«, widersprach Katie.
»Ach was, zu Hause sitze ich nur rum. Meine Kumpels sind Ostern alle mit ihren Familien beschäftigt. Das Sportstudio hat übermorgen geschlossen, weil Karfreitag ist. Und wir haben hier weiß Gott genug zu tun, allein schon wegen der ganzen Pensionsgäste, die sich für den Osterbrunch am Sonntag angemeldet haben.«
»Na ja, du hast schon recht. Ruhig wird es in den nächsten Tagen nicht, aber ...«
»Nix aber. Gönn mir den Spaß und lass mich arbeiten. Wie gesagt, ich nehme mir dann stattdessen frei, wenn ich mich mit den Handwerkern treffen muss, und vielleicht gönne ich mir mal ein langes Wochenende nach Ostern.« Theo holte ein Blatt aus dem Laserdrucker und reichte es Katie. »Hier ist der Text. Ich bin gespannt, was die anderen sagen werden.«
»Ich gehe gleich in die Küche und fange dort an. Die anderen werde ich morgen fragen. Und Theo ...«
»Ja?«
»Danke für die ganze Arbeit.«
»Ich mache das gern, Katie.«
Auf dem Weg zur Küche dachte Katie noch mal über Theos Frage nach. Mehrere Jahre hatte zwischen ihr und Emma Funkstille geherrscht. Katie hatte sich zwar um Kontakt bemüht, war aber von Emma abgewiesen worden. Erst nach und nach hatten die beiden wieder zueinandergefunden: in Briefen, Chats und Telefonaten. Und jetzt würde Emma nach Deutschland kommen, um bis zum Sommer in Brennerbach die Schule zu besuchen. Mitte April begann in England der neue Term, denn anders als in Deutschlands bestand in England ein Schuljahr nicht aus zwei Halbjahren, sondern aus drei Trimestern. Für Katie war Emmas Deutschlandbesuch ein riesengroßes Geschenk.
Allerdings eines, das sie ganz kribbelig machte, schließlich hatte sie Emma seit Jahren nicht mehr so lange am Stück gesehen. Katie schnaubte. Sie durfte sich nicht selbst verrückt machen. Andere Mütter wurden schließlich auch mit ihren Teenager-Töchtern fertig. Nein, sie würde jede Minute von Emmas Aufenthalt genießen.
Jean-Pierre Garbon saß in seinem Ohrensessel, dessen dunkelbraunes Leder schon bessere Zeiten erlebt hatte, und ließ das Handy in den Schoß sinken. Nachdenklich fuhr seine Hand über die Schrammen, die die Zeit und der ständige Gebrauch auf der Sessellehne hinterlassen hatten. Der Sessel hatte ihn in den letzten Jahrzehnten an jeden Wohnort begleitet. Gekauft hatte er ihn bei einem Händler in Paris und war sich damals als junger Koch extravagant vorgekommen. Keiner seiner Freunde besaß einen Ohrensessel aus Leder, damals waren stylische Designerstühle mit viel Chrom angesagt. Glänzend, teuer und unbequem.
Jean-Pierre hatte in diesem Sessel für seine Abschlussprüfung gebüffelt, hatte die Businesspläne für sein erstes Bistro zusammengestellt, Speisekarten entworfen, geschlafen, gelesen, seine erste Frau geliebt.
»Wo hat es uns alles nur ´ingebracht, mon ami?«, murmelte Jean-Pierre. Wie armselig. Nach all diesen Jahren hatte er keinen anderen Gesprächspartner als seinen alten, treuen Ledersessel. »Wozu das alles? Warum bin isch nischt glücklisch?«
Er wusste keine Antwort, dabei hätte eigentlich alles klar sein müssen. Er hatte seine große Liebe gefunden. Heidi, die ihm immer zur Seite gestanden hatte, auch als es ihm wirklich dreckig gegangen war. Ihn verband so viel mit Heidi, nicht nur die Erinnerungen an die alten Zeiten und an gemeinsame Kolleginnen und Kollegen. Letztlich war da natürlich auch die Leidenschaft fürs Kochen und für gutes Essen. Heidi war die Frau, mit der er alt werden wollte.
Alt werden? Himmel, was für ein Blödsinn, es war längst passiert. Er war auf dem besten Weg, alt zu sein. Gerade jetzt, in diesem Augenblick, fühlte er sich, als wäre er bereits auf der Zielgeraden des Lebens eingelaufen. Er stöhnte. Das konnte es doch noch nicht gewesen sein? Da musste doch noch was kommen?
Den Entschluss, seine Bistro-Kette in Frankreich zu verkaufen und sich mit Heidi dauerhaft an der Mosel niederzulassen, bereute er nicht. Also so gut wie nicht, meistens jedenfalls. Gedankenverloren griff er nach dem Weinglas. Der trockene Merlot gehörte zu seinen Lieblingsweinen. Wie oft hatte er sich mit seinem Sous-Chef ein Gläschen gegönnt, während sie über die Neuerungen auf der Speisekarte diskutiert hatten. Normalerweise trank er keinen Wein mitten am Tag, aber die offene Flasche hatte in der Küche gestanden und die Erinnerungen ... der Wein passte zu seiner Stimmung.
Das Glas war leer. Er ging in die Küche und schenkte sich nach. Was war schon dabei? Ein kleines Schlückchen Wein würde ihn aufheitern. Und es war ja nicht so, als ob er irgendwelche Verpflichtungen hätte. Er war frei, vollkommen frei. In Frankreich kannte man ihn als den Spitzenkoch, der im Fernsehen mit seinen Kochshows den Massen die regionale Küche schmackhaft gemacht hatte. Millionen von Menschen hatten sich die Sendungen regelmäßig angesehen. Er hatte für die französische Fußball-Nationalmannschaft und für den Staatspräsidenten gekocht, war mit Orden geehrt worden. Sein erstes Bistro in einem Pariser Randbezirk, einer Arbeitergegend, war gleich mit zwei Sternen ausgezeichnet worden. Allen Kritikern zum Hohn, die den Standort für miserabel gehalten und das Projekt zunächst als wirtschaftlichen Selbstmord bezeichnet hatten.
Jean-Pierre nahm das Handy und scrollte durch die Website seiner Bistros oder besser gesagt, seiner ehemaligen Bistros. Doch, das sah ganz gut aus. Bei einigen Rezensionen und einem Auszug aus der Speisekarte schnalzte er missbilligend mit der Zunge, aber im Großen und Ganzen schien alles ohne ihn sehr gut weiterzulaufen.
»Alles in Ordnung mit dir, Schatz?«
Heidi kam ins Wohnzimmer und warf ihm einen prüfenden Blick zu. Sofort fühlte er sich ertappt. Dabei war es nun wirklich kein Verbrechen, sich über den Zustand der Restaurants zu informieren, die lange Zeit der Mittelpunkt seines Lebens gewesen waren.
»Doch ... ähm ... natürlisch. Isch ´abe nur ein wenig geschaut in die Netz, was ... ähm ... was isch anstelle von die Nordic-Walking tun könnte.«
Heidi setzte sich auf die Sessellehne und küsste ihn auf die Wange. Zärtlich streichelte ihre Hand seinen Nacken. »Ach herrje, gefällt dir das Laufen nicht?«
»Was soll isch sagen, Chérie, es ist ... nun, es ist nischt das, was ich will tun jeden Tag. Ah, nischt mal jede Morgen. Und wenn, dann ist es auch nur für die eine Stunde ...«
»Kann es sein, dass du dich langweilst?«, fragte Heidi. »Ist das der Mann, der mir vorgeschwärmt hat, was er alles tun würde, wenn er erst einmal Luft zum Durchatmen hätte?«
»Oh, isch weiß genau, was ich tun möschte. Also nischt in diese Moment, aber insgesamt. Da musst du misch nicht erinnern.«
»Gut, dann hoch mit dir, wir müssen nämlich noch einkaufen fahren, und Leonie hat uns gebeten, dass wir heute Abend auf Marie achtgeben. Ich habe zwar meiner Tochter erklärt, dass ein fast elfjähriges Mädchen keine gluckende Oma mehr benötigt, aber ich will mir auch nicht die Gelegenheit entgehen lassen, mit meiner Enkelin zusammen zu sein.«
»Dann zieh isch besser mal eine saubere ´emd an.« Jean-Pierre stand auf und küsste Heidi sanft. »Isch beeile misch.«
***
Heidi schaute ihm hinterher. Sein Handy lag noch im Sessel. Sie nahm es und legte es auf den kleinen Beistelltisch. Als sie das Gerät berührte, erschien auf dem Display eine Speisekarte. Heidi brauchte nur einen Sekundenbruchteil, um zu erkennen, was das für eine Speisekarte war. Rasch schaltete sie das Display wieder aus. Jean-Pierre sollte nicht glauben, dass sie ihm hinterherschnüffelte. Nachdenklich schaute sie auf das Handy, das jetzt nur noch eine schwarze Fläche zeigte. Hatte sie einen Fehler gemacht? War es ihre Schuld, dass Jean-Pierre unglücklich war? Hatte sie ihn womöglich zu etwas gedrängt, das er jetzt bereute?
Ihr war klar, dass andere Männer in Jean-Pierres Alter noch mitten im Berufsleben standen. Fast sechzig, das sollte doch die neue Vierzig sein, hatte sie vor kurzem erst in einer Zeitschrift gelesen. Zwischen Heidi und Jean-Pierre lagen knapp zehn Jahre Altersunterschied, aber das hatte sie und – davon war sie überzeugt – auch Jean-Pierre nie gestört. Aber es würde erklären, warum sie sich mit fast siebzig bereitwillig damit abgefunden hatte, nicht mehr aktiv einer Küchenbrigade vorstehen zu müssen, während er offenbar damit haderte. Jean-Pierre hatte schon so viel erreicht und so viel gearbeitet – genug für zwei Berufsleben. Genug gearbeitet, das klang erst einmal gut.
Versuchte sie gerade, sich zu rechtfertigen? Sie konnte nicht in seinen Kopf hineinschauen, wusste nicht, was sein Herz bewegte. Heidi seufzte. Auf dem Beistelltisch stand noch ein gebrauchtes Weinglas. Hatte sie vergessen, das Glas vom Abend wegzuräumen? Sie drehte das Glas zwischen den Fingern. Nein, der Rotweinrest war noch nicht eingetrocknet. Offenbar hatte Jean-Pierre sich ein Gläschen gegönnt. Rotwein mitten am Tag ...
»Mhmmm«, brummte sie nachdenklich. Erst jetzt fiel ihr auf, dass schon seit einigen Tagen immer ein offener Merlot in der Küche stand. Zwar pflegten sie abends zusammen ein Glas Wein zu trinken, aber dass Jean-Pierre stillschweigend allein trank, war ungewöhnlich.
»Eines ist sicher«, sagte Heidi zu sich selbst, »mangelnder Spaß am Nordic-Walking ist unser kleinstes Problem.«
Die Frühlingssonne kitzelte Katie im Gesicht. Sie warf einen Blick auf den Wecker. Zu früh, um aufzustehen, sie hatte noch eine halbe Stunde. Mit Schwung drehte sie sich im Bett herum und erntete dafür ein verschlafenes Grunzen von der anderen Bettseite.
»Brumm hier nicht herum, sondern übernimm deine Pflicht und kuschel dich an mich«, flüsterte sie. Zufrieden stellte sie fest, dass Oliver ihren Wunsch prompt erfüllte. Seine Wärme umfing sie, und eine Hand legte sich sanft auf ihren Bauch Sofort fühlte sich Katie geborgen und behaglich.
Als dann Bill Withers' Lovely Day die Zeit um Aufstehen ankündigte, war Katie überrascht, wie schnell die letzte halbe Stunde vergangen war. Sie musste in Olivers Armen noch einmal tief eingeschlafen sein.
»Mhmm, guten Morgen, Katie. Also in meinem Schlafzimmer rasselt ja immer nur so ein altmodischer Wecker.«
»Tja, Herr Körten-Buschmeier, dann bin ich doppelt froh, dass du gestern nicht mehr nach Hause fahren wolltest. Ein bisschen Soul der 70er ist mir nämlich tausend Mal lieber als das grässliche Rasseln des uralten Weckers, der sorgt bei mir jedes Mal für Herzrasen. Und abgesehen davon: Frohe Ostern.«
Oliver stützte sich auf einen Arm, strich ihr behutsam eine Haarsträhne aus der Stirn und küsste sie zärtlich. »Dir auch frohe Ostern. Ich werde gleich nach den Feiertagen losziehen und einen neuen Wecker kaufen, denn dass die Liebe meines Herzens nur vom Wecker und nicht von meinem Anblick Herzrasen bekommt, darf ich einfach nicht riskieren.«
»Ach du ...« Katie gab ihm spielerisch einen Klaps und sträubte sich nur zum Schein ein wenig, als Oliver sie näher an sich heranzog. Nach einem langen, leidenschaftlichen Kuss löste sich Katie von ihm. »Jetzt muss ich aber wirklich aufstehen. Der eingeplante Schmuse-Puffer ist aufgebraucht. Ich schaffe selbst jetzt nur noch eine Blitzdusche.«
»Ich wäre dabei.«
»Kommt überhaupt nicht infrage. Träum weiter, ich muss heute den Oster-Brunch auf die Beine stellen.«
»Sagt die Frau, die – ohne mein Wissen – bei der Weckzeit einen Schmuse-Puffer eingerechnet hat.«
»Was eine durchaus weise Entscheidung war, mein Lieber.« Katie zog sich rasch den Bademantel über und warf Oliver einen Luftkuss zu.
Der ließ sich mit einem theatralischen Seufzer zurück in die Kissen fallen. »Also gut, dann eben eine Blitzdusche, danach helfe ich dir beim Brunch.«
»Das musst du nicht«, sagte Katie von der Schlafzimmertür aus.
»Nee, muss ich nicht, möchte ich aber. Erinnere dich bitte daran, dass du Papa ebenfalls eingeladen hast, ich bleibe also, da kann ich genauso gut helfen.«
»Gut, ich bin in fünf Minuten fertig, danach kannst du das heiße Wasser haben.«
»Oder wir nutzen das warme Wasser gemeinsam ...«
»Neiiin!«
Katie verließ einen breit grinsenden Oliver. Sein Grinsen sorgte auch bei ihr für gute Laune. Glücklich summend ging sie durch ihr Wohnzimmer. Viele Jahre hatte sie gedacht, dass sie sich nicht noch einmal verlieben würde. Das war ein Irrtum gewesen. Dass es aber ausgerechnet ihr Nachbar und Winzer Oliver Körten-Buschmeier sein würde, damit hätte sie – zumindest in den ersten Wochen nach ihrem Einzug – nie gerechnet. Zumal Oliver zehn Jahre älter als sie war, schon Mitte vierzig, und Katie hatte sich nach ihrer gescheiterten Ehe mit Brian geschworen, sich nie wieder in einen älteren Mann zu verlieben. Aber ihr Herz hatte wohl andere Pläne gehabt. Oliver brachte sie zum Lachen, er war warmherzig und zärtlich, er liebte seine Arbeit und die Landschaft, in der er seine Weine anbaute. Braun gebrannt, mit unzähligen Lachfalten um die Augen und muskulös wirkte er deutlich jünger, als er war. Vor allem aber – er hat mein Herz erobert, dachte Katie glücklich und schloss die Badezimmertür hinter sich ab. Nicht dass Oliver doch noch auf andere Ideen kam, denn dann wäre ihr Brunch wirklich gefährdet
Ein wenig erinnerte der Trubel in der Küche Katie an frühere Zeiten. Sicher, sie hatte die Küche der Pension großzügig geplant, falls nötig, konnte hier eine komplette Küchenbrigade arbeiten. Das alles aber hatte Katie nur deshalb umgesetzt, weil der Platz ohnehin vorhanden war und sie beim Ausbau der Pension von vornherein Nägel mit Köpfen hatte machen wollen. Sie wusste, dass ein nachträglicher Umbau – vor allem, wenn dieser im laufenden Betrieb erfolgen musste – deutlich aufwendiger war. Die damalige Entscheidung zahlte sich jetzt aus. Um alle Wünsche der Gäste beim Osterbrunch zu erfüllen, arbeiteten nicht nur Katie und ihr Koch Manni an diesem Vormittag in der Küche, sondern auch Theo, Elke und Lotte waren mit von der Partie. Manni hatte in den zurückliegenden Monaten enorm viel dazugelernt. Er war inzwischen in der Lage, einzelne Aufgaben an andere zu delegieren und die Arbeit daran im Blick zu behalten, während er selber etwas anderes erledigte.
»Theo, schneide den Räucherlachs bitte in feine Streifen, die nimmst du dann und schneidest sie quer noch einmal klein. Ja, genau so. Wenn du damit fertig bist, dann sag Bescheid, denn Katie muss das Lachstatar noch mit Limonensaft und Dill abschmecken, bevor er in die kleinen Gläser gefüllt wird«, sagte Manni und rührte währenddessen weiter in der Bärlauchcremesuppe, damit diese nicht anbrannte.
»Geht klar, Manni.«
Aus den Augenwinkeln beobachtete Katie, wie Theo sehr geschickt mit dem scharfen Kochmesser den Räucherlachs zerkleinerte. Wahrscheinlich hatte er bei seinen zahlreichen Jobs rund um den Erdball auch irgendwann mal in einer Küche gearbeitet. Sie nahm sich vor, Theo bei Gelegenheit danach zu fragen. Katies Aufgabe war klar definiert: Sie war für den Geschmack der Gerichte verantwortlich, während ihre Helfer die Zutaten vorbereiteten.
»Katie, du müsstest jetzt mal die Suppe abschmecken«, bat Manni.
»Und wenn du damit fertig bist, musst du die Frischkäsedips probieren. Ich habe lediglich Salz und Pfeffer verwendet«, rief Lotte von der anderen Seite der Küche.
»Der Backofen piepst, soll ich die Dinkelbrötchen rausnehmen? Und dann sollen sie wohl auf diesen Gittern da vorne auskühlen?«, fragte Elke.
»Um die Brötchen könnte ich mich kümmern«, bot Oliver an. Er war dabei, die Tabletts für jeden Tisch zusammenzustellen und zu prüfen. Für jeden Gast gab es einen Bestellzettel. Seine Aufgabe war es, die gewünschten Speisen auf den Zetteln abzuhaken, sobald sie fertig angerichtet, dekoriert und auf dem richtigen Tablett abgestellt waren.
»Ach ja, bitte hol doch die Brötchen heraus und nimm ein neues Blech aus dem Kühlschrank. Dann können wir gleich die nächsten Brötchen backen«, sagte Katie. »Elke, die Suppe ist auch fertig. Füll sie bitte in die kleinen Gläser, und dann servieren wir an den ersten Tischen das Essen.«
»Wird gemacht, Chefin.«
Katie probierte hier und würzte da noch etwas nach, korrigierte mit geübter Hand die Dekoration auf den Tellern und achtete darauf, dass alle Portionen gleich groß waren. Für einen Laien musste der ganze Betrieb wie ein einziges Durcheinander aussehen, aber Katie hatte alles im Griff, vergab weitere Aufgaben, lobte, spornte an – kurz, sie fühlte sich großartig.
Ich hatte ganz vergessen, wie viel Spaß diese Arbeit im Team macht, dachte sie glücklich. Das hier war zwar keine professionell ausgebildete Küchenbrigade, aber es waren Menschen, die tagtäglich miteinander arbeiteten. Ein Kreis von Kolleginnen und Kollegen, die sich mochten und schätzten. Und das merkte man bei allem, was sie taten. Katie freute sich darüber, dass alles so reibungslos verlief. Wenn jetzt noch die Gäste mit dem Osterbrunch-Angebot der Pension zufrieden waren, hatten alle ihr Ziel erreicht.
»Gibt es vielleicht noch etwas, was ein alter Mann tun kann, um zu helfen?«, fragte eine Stimme von der Tür her. Katie musste zweimal hinsehen, denn fast hätte sie Olivers Vater nicht erkannt. An den meisten Tagen trug Erwin Körten-Buschmeier ausgebeulte Latzhosen und Gummistiefel. Und wenn er mal nicht im Garten unterwegs war, genügten ihm ein Flanellhemd und alte Cordhosen. Heute aber hatte er zur Feier des Tages einen beige-braunen Tweedanzug mit Hemd und Weste angezogen. Jacke und Weste spannten etwas über dem Bauch, aber das schmälerte nicht den eleganten Gesamteindruck. Worauf Erwin aber nicht verzichtet hatte, war sein obligatorischer speckiger Cordhut. Böse Stimmen im Dorf behaupteten, dass Erwin diesen Cordhut auch nachts im Bett trug. Katie hielt das für ein Gerücht, wobei ...
»Papa, du hast dich aber in Schale geworfen. Den Anzug kenne ich ja noch gar nicht«, rief Oliver quer durch die Küche.
Erwin strich mit den Händen über die Aufschläge des Jacketts. »Ich habe ihn neulich in Koblenz gekauft und dachte mir, dass heute ein guter Anlass wäre, ihn einmal zu tragen.«
»Du siehst toll aus. Erwartest du ein größeres Ereignis?«, fragte Katie.
»Nun ja, womöglich bekomme ich ja bald Gelegenheit, den Anzug in der Kirche zu tragen. Wo doch Oliver schon so Andeutungen wegen euch beiden gemacht hat. Ich freue mich jedenfalls wie ein Schneekönig darauf.«
Katie, die gerade ein Basilikumblatt auf einen der Teller legen wollte, hielt mitten in der Bewegung inne. Oliver und sie würden bald heiraten, und sie wusste noch nichts davon? Für einen Wimpernschlag schien es ihr, als würden alle in der Küche den Atem anhalten. Der Moment verging so schnell, wie er gekommen war. Manni ließ laut klirrend einen Löffel fallen, und Theo rief: »Au Mist, ist das heiß!« Katie taxierte Oliver. Unter ihrem Blick glühten seine Ohren plötzlich verdächtig rot.
»Ich kümmere mich mal kurz um ... äh ... die Weinflaschen, die stehen ja noch draußen«, murmelte Oliver und verließ die Küche durch den Ausgang zur Terrasse.
Katie zählte innerlich bis drei, dann drehte sie sich mit einem Lächeln zu Erwin um. Der schien von dem plötzlichen Stimmungsumschwung im Raum nichts mitbekommen zu haben.
Das war wohl auch besser so. Sie versicherte ihm: »Der Anzug steht dir wirklich hervorragend, Erwin. Und ja, du kannst gerne helfen. Die ersten Tabletts sind fertig. Auf jedem Tablett liegt eine Nummer. Die Tische drüben im Speiseraum sind ebenfalls nummeriert, da stehen Osterhasen mit einer Nummer zwischen den Pfoten. Du musst also lediglich das Tablett an den Tisch mit der entsprechenden Nummer tragen.«
»Den richtigen Osterhasen finden? Ha, das sollte ich wohl hinbekommen«, erwiderte Erwin, nahm das erste Tablett und trug es in Richtung Speiseraum.
Stille senkte sich über die Küche. Katie holte einmal tief Luft und sah reihum jeden einzelnen scharf an. Jeder reagierte auf seine Art. Manni grinste schief, und Theo hob lediglich eine Augenbraue. Elke und Lotte beugten sich tief über die Teller, die sie gerade anrichteten, waren sichtlich bemüht, möglichst unbeteiligt zu wirken, sie vermieden jeden Augenkontakt.
»Alles klar, wir machen weiter.« Sie klatschte in die Hände. »Endspurt, Leute, Erwin wird alles, was zum Frühstück gehört, servieren, und wir kümmern uns darum, dass die warmen Speisen auf die Tische kommen. Elke und Lotte, wir drei werden drinnen servieren, während Manni und Theo für Nachschub sorgen.«
Jetzt schauten endlich auch die beiden Frauen von ihrer Arbeit auf.
»Wird gemacht, Chefin.«
Gut, dass in der Küche so viel Trubel herrschte. Aber anders als vorher erfüllte der Trubel Katie nicht mit Freude. Wie kam Erwin auf die Idee, dass es bei ihr und Oliver bald etwas zu feiern geben würde? Oliver, da war sie ganz sicher, hatte zu ihr nichts gesagt, das einen neuen Tweedanzug rechtfertigen würde.
»Dein Osterbrunch war ein voller Erfolg. Ich habe nur zufriedene Gesichter gesehen und ganz viel Lob gehört. Selbst Papa hat seinen Spaß gehabt«, sagte Oliver, als er zusammen mit Katie am späten Nachmittag endlich die Treppe zu Katies Wohnung hochstieg.
»Mhmmm«, erwiderte Katie unbestimmt.
Sie öffnete die Wohnungstür, und als auch Oliver im kleinen Flur ihrer privaten Dachwohnung stand, schloss sie mit Nachdruck die Tür hinter ihm.
»Okay, Oliver, jetzt haben wir Zeit, und niemand hört uns zu.« In seinem Gesicht spiegelte sich blankes Unverständnis. Sie würde deutlicher werden müssen. »Was genau hast du dir dabei gedacht, als du deinem Vater erzählt hast, dass wir demnächst vor den Traualtar treten werden?« Katies Stimme zitterte. Mit zusammengepressten Lippen und funkelndem Blick musterte sie ihren Freund, der plötzlich sehr kleinlaut wirkte.
»Also, wirklich, Katie. Ich habe zu ihm überhaupt nichts Konkretes gesagt. Jedenfalls nicht so direkt.«