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Ein Hauch von Hollywood in Wümmerscheid-Sollensbach!
Es ist Frühling und der kleine Ort zwischen Rhein und Mosel in heller Aufregung: Im Dorf sollen Dreharbeiten stattfinden, und mehr als einer der Einwohner träumt vom Ruhm. Allein die hochschwangere Sophie bewahrt einen kühlen Kopf. Sie genießt den Frühling und freut sich, dass alle ihre Freunde sie in Tante Dottis Bistro unterstützen so gut es geht. Doch dann droht ein Geist aus der Vergangenheit alles zu zerstören, was Sophie sich aufgebaut hat. Wird sie gemeinsam mit ihren Freunden das Bistro retten können? Und was hat es mit dem mysteriösen Lattenlurch auf sich?
Nach "Winterzauber im kleinen Café an der Mühle" bietet auch der dritte Band der Reihe wieder viel Humor, warmherzige Charaktere und jede Menge Liebe.
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Seitenzahl: 290
Cover
Weitere Titel der Autorin
Über dieses Buch
Über die Autorin
Titel
Impressum
Zitat
Widmung
Vorwort: Willkommen in Wümmerscheid-Sollensbach
Ende Januar in Dottis Bistro
Sophies Tagebuch – Sonntag, 27. Januar
Irgendwo in der Nähe von Frankfurt
Hochzeitsfieber
Leonie soll nicht allein bleiben
Jawort mit Kick
Spaziergang am Meer
Die Überraschung
Eine Wohnung in Frankfurt
Vereine
Nicht mehr sein Haus
Eine seltsame Begegnung
Taufe à la Wümmerscheid
Schnittchen für achtzig
Die Bar im Marriott
Schön bunt
Die Möhnensitzung
Der Spion
Brieffreundinnen – Freitag, 1. März
Dafür sind Freunde da
Auf Amors Spuren
Eigentlich sollte ich nur den Wein hochbringen
Brieffreundinnen – Dienstag, 12. März
Einkaufstour
Zwei Telefonate
Eine Kneipe in der Nähe des Koblenzer Bahnhofs
Darf ich bitten?
Sophies Tagebuch – Sonntag, 17. März
Und vermeiden Sie Stress
Rita hat Stil
Warum bist du so fröhlich?
Brieffreundinnen – Montag, 25. März
Der Ripper im Weinberg
Telefonat mit Miri
The Mad Creek
Brieffreundinnen – Sonntag, 31. März
Ein sehr spezieller Gast
Hans-Werner Knese
Sophies Tagebuch – Montag, 1. April
Ich dachte, dein Herz wäre frei
Sophie macht sich Sorgen
Im Eichenkrug
Jan sucht Rat
Leonie zweifelt
Ein tiefer Fall
Ein dreifaches Hoch auf
Tante Dottis Bistro
Abendessen mit Gutenachtgeschichte
Michels falsches Spiel
Höre immer auf dein Herz
Ganz neue Ideen
Hochzeitsglocken
Danksagung
Flammkuchen-Rezepte
Flammkuchen mit Ziegenkäse und Honig
Flammkuchen mit Krabben
Flammkuchen à la AnkerBuch
Gewinner-Rezepte
Flammkuchenrezept von Sonja Werkowski von Sonjas Bücherecke
Flammkuchen mit Walnüssen und Rucola von Stephanie T.
Flammkuchen mit Camembert und Wildpreiselbeeren von Tim J.
Das kleine Café an der Mühle
Sommerzauber auf der kleinen Insel
Winterzauber im kleinen Café in der Mühle
Es ist Frühling und der kleine Ort zwischen Rhein und Mosel in heller Aufregung: Im Dorf sollen Dreharbeiten stattfinden, und mehr als einer der Einwohner träumt vom Ruhm. Allein die hochschwangere Sophie bewahrt einen kühlen Kopf. Sie genießt den Frühling und freut sich, dass alle ihre Freunde sie in Tante Dottis Bistro unterstützen so gut es geht. Doch dann droht ein Geist aus der Vergangenheit alles zu zerstören, was Sophie sich aufgebaut hat. Wird sie gemeinsam mit ihren Freunden das Bistro retten können? Und was hat es mit dem mysteriösen Lattenlurch auf sich?
Andreas J. Schulte ist freier Journalist und Autor. Christine Schulte hat bereits in ihrer Schulzeit zusammen mit einer Freundin ihren ersten Roman verfasst und arbeitet heute als technische Redakteurin. Das Ehepaar lebt mit seinen beiden Söhnen seit 25 Jahren in einer alten Scheune zwischen Andernach und Maria Laach. Unter dem Pseudonym Barbara Erlenkamp schreiben sie zusammen moderne, humorvolle Frauen- und Unterhaltungsromane. 2018 ist ihr erster Roman »Das kleine Café an der Mühle« erschienen.
Barbara Erlenkamp
Originalausgabe
»be« – Das eBook-Imprint der Bastei Lübbe AG
Copyright © 2020 by Bastei Lübbe AG, Köln
Textredaktion: Clarissa Czöppan
Lektorat/Projektmanagement: Anna-Lena Meyhöfer
Covergestaltung: Maria Seidel, atelier-seidel.de unter Verwendung von Motiven von iStockphoto: © pialhovik und © firinas
Illustration Tulpenstrauß: © shutterstock / Aluna1
eBook-Erstellung: 3w+p GmbH, Rimpar (www.3wplusp.de)
ISBN 978-3-7325-8744-5
www.be-ebooks.de
www.lesejury.de
»Höre immer auf dein Herz, denn dein Verstand kann dich nicht glücklich machen.«
Unbekannter Autor
Für unsere Freundin Gertrud
Wer die beiden Romane Das kleine Café an der Mühle und Winterzauber im kleinen Café an der Mühle gelesen hat, kennt Wümmerscheid-Sollensbach und kann jetzt getrost weiterblättern. Oder sich hier über ein kurzes Wiedersehen mit alten Bekannten freuen.
Für alle anderen: Wümmerscheid-Sollensbach liegt irgendwo zwischen Mosel und Eifel. Auf der Landkarte sucht man den kleinen Ort allerdings vergeblich, er ist frei erfunden.
Wer wohnt in Wümmerscheid-Sollensbach?
Sophie von Metten ist noch ziemlich neu im Ort. Sie hat das kleine Café an der Mühle von ihrer Tante Dotti geerbt und betreibt es jetzt mit riesigem Erfolg als Tante Dottis Bistro. Mit ihrer freundlichen, zupackenden Art und vielen kreativen Einfällen hat sie in kurzer Zeit die Herzen der Dorfbewohner erobert und ist aus ihrer Mitte nun gar nicht mehr wegzudenken. Vor Kurzem hat sie erfahren, dass sie und ihr Freund Peter ein Kind erwarten. Schon im Frühjahr wollen die beiden standesamtlich heiraten, im Sommer dann eine große kirchliche Hochzeit feiern.
Peter Langen ist der glückliche werdende Vater und Sophies Ehemann in spe. Außerdem Marketingfachmann, Problemlöser für Sophie und Besitzer eines knuffigen, braun gelockten Hundes, der auf den seltsamen Namen Herr Württemberg hört.
Rita, fröhliche Society-Lady, Heidi, früher eine berühmte Sterneköchin, und Karin, eine ruhige, herzliche Bankerin, treffen sich regelmäßig zur Pokerrunde in Tante Dottis Bistro. Alle drei sind um die sechzig und waren mit Dotti eng befreundet. Nach Dottis Tod haben sie Sophie sozusagen adoptiert.
Leonie Bernard ist die Tochter von Heidi. Sie hat sich kürzlich von ihrem Mann getrennt und ist mit ihrer kleinen Tochter, der süßen fast 6-jährigen Marie nach Wümmerscheid-Sollensbach gezogen.
Jean-Pierre Garbon ist ein begnadeter Koch aus Frankreich und ein alter Freund von Heidi. Die Anfangszeit im kleinen Café an der Mühle hat er mit begleitet, Sophie hat er beigebracht, was sie über das Kochen wissen muss, und bei seinem letzten Besuch in Deutschland hat er sich endlich ein Herz gefasst und Heidi seine Liebe gestanden. Chefkoch im Restaurant ist inzwischen sein Neffe Louis Garbon.
Was wäre ein Ort ohne seine eigene alteingesessene Metzgerei? Im Ortsteil Wümmerscheid spielt die Metzgersfamilie Braubart daher eine wichtige Rolle. Hetti Braubart ist eine verlässliche Quelle für jede Art von Dorfklatsch, aber auch eine Stütze des Mütterkreises. Ach, und die feine Leberwurst mit Kräutern nach dem Geheimrezept ihres Gatten Johannes …
Im Ortsteil Sollensbach sind die Weibolds und ihre Tischlerei eine Institution. Seit vor zwei Jahren Klaus-Jürgen Weibold und Jennifer Braubart geheiratet haben, sind die beiden Familien eng miteinander verbunden.
Was muss man sonst noch über Wümmerscheid-Sollensbach wissen? Nicht viel. Es ist einer von diesen Orten, in denen zwei bis dahin eigenständige Dörfer zu einem werden sollten. Bisher mit mäßigem Erfolg. Kein Wunder, dass die Bewohner der beiden Orte einander spinnefeind sind. So war es jedenfalls bislang. Nach den Ereignissen vor Weihnachten im vergangenen Jahr ist vieles anders, ja, geradezu idyllisch geworden. Oder etwa nicht …?
Sophie von Metten zog ihren flauschigen weißen Bademantel enger vor der Brust zusammen. Draußen, vor den großen Fenstern des Bistros, wollte es einfach nicht richtig Tag werden. Es war ein windiger, kalter Morgen Ende Januar. Schnee lag auf dem Hof, Peter hatte in den letzten Tagen immer wieder Wege von der Einfahrt hin zum Eingang des Mühlenhofes, in dem Sophie ihr Bistro betrieb, freigeschaufelt. Bis vor zwei Wochen hatte auf dem Vorplatz noch der große, stattliche Tannenbaum gestanden, der, bunt geschmückt und beleuchtet, Weihnachtsstimmung verbreitet hatte. Zuerst war Sophie ein wenig traurig darüber gewesen, den Baumschmuck abzunehmen und wegzuräumen. Aber dann war der eine Tag gekommen, an dem der Wind milde Luft vor sich hergetrieben und einen beginnenden Frühling versprochen hatte. Dass es danach noch einmal geschneit hatte, empfand Sophie wie einen Verrat an diesem Versprechen. Nein, jetzt ist es lange genug Winter gewesen, dachte sie. Jetzt soll endlich der Frühling kommen. Sie wollte Wärme, Sonnenlicht – sie sehnte sich den Sommer herbei.
Sophie ließ sich auf einen Stuhl sinken, nippte an ihrem Becher Kaffee. In Momenten wie diesem wünschte sie sich ein eigenes Wohnzimmer. Zuerst hatte es sie gar nicht gestört, dass es im Mühlenhof nur ihr kleines Arbeitszimmer als privaten Rückzugsort gab. Aber morgens mit einem Becher Kaffee im Gastraum zu sitzen, war doch nicht das Gleiche, wie sich in einen Wohnzimmersessel zu kuscheln, die Beine unter sich zu ziehen und vielleicht noch zwei, drei Kissen um sich herum zu haben … Sophie seufzte sehnsuchtsvoll. Ja, ein bisschen mehr Platz wäre schon gut. Dabei war ihr vor knapp zwei Jahren das Haus ihrer verstorbenen Tante Dotti so geräumig und weitläufig vorgekommen. Unten gab es die große Küche, den Gastraum und die Gästetoiletten. Und oben das Schlafzimmer, das Bad, ihr Arbeitszimmer und ein Gästezimmer. Kein Wohnzimmer. Und bald auch kein Gästezimmer mehr, denn das würde sie demnächst zu einem Kinderzimmer umgestalten. Gedankenverloren strich sie sich über den Bauch. Nicht genug Platz im Haus. Draußen die Dunkelheit und die Kälte. Drinnen noch nicht mal ein eigenes Wohnzimmer. Der Frühling noch in weiter Ferne. Tränen des Selbstmitleids stiegen Sophie in die Augen. Sie schluckte, blinzelte zwei, drei Mal und atmete tief durch. Das mussten die Hormone sein. Sie war jetzt im vierten Monat schwanger, und es gab Momente, da hätte sie schwören können, erste zaghafte Bewegungen in ihrem Unterleib zu spüren. Momente voller Freude. Aber es gab eben auch diese Augenblicke, wo alles traurig und schwierig schien.
»Sophie, das Frühstück ist fertig. Ich habe schon in der Küche den Tisch gedeckt und den richtigen Sender im Radio gesucht.« Dankbar über die Unterbrechung ihrer trübseligen Gedanken schaute Sophie hoch und sagte lächelnd: »Peter!«
»Komm mit. Wir wollen doch nicht verpassen, wie im Radio über dein Bistro berichtet wird.« Peter trat hinter sie und hielt für einen kleinen Moment inne, während seine Hände auf ihren Schultern ruhten.
»Puh, was für ein scheußliches Wetter. Ist das da draußen etwa Schneeregen? Am besten hörst du auf, aus dem Fenster zu gucken.«
Sophie seufzte. »Geht es dir auch so, dass du dir an einem solchen Morgen wünschst, es würde bald Sommer?«
Statt einer Antwort drückte Peter Sophie einen Kuss auf den Scheitel.
Sie lehnte sich zurück und schmiegte sich an seine Brust. »Dieser Schnee da draußen ist völlig unnötig. Hoffentlich ist das nur ein letztes Aufbäumen.«
»Na ja, im Februar kann es schon noch kalt werden, aber vielleicht haben wir ja Glück und müssen nicht mehr so oft Schnee schaufeln. Komm, ich glaube, es geht gleich los.«
In der Küche standen Marmelade, Honig und Käse auf dem Tisch. Der Duft von frisch gebackenen Brötchen lag in der Luft. Peter drehte, nach einem prüfenden Blick auf die Küchenuhr, das Radio lauter.
»Gleich 9 Uhr und 40 Minuten. Zeit für unsere Beitragsreihe Ziele in meiner Region. Heute möchten wir Ihnen das schöne Wümmerscheid-Sollensbach ans Herz legen.«
Schweigend hörten sich die beiden den kurzen Beitrag im Radio an. Als dann wieder Musik lief, fragte Peter: »Sag mal, der wievielte Radiobeitrag über dich und das Bistro ist das eigentlich schon?«
Sophie schnitt ein Brötchen auf und zuckte unsicher mit den Schultern. »Ganz ehrlich? Ich habe den Überblick verloren. Am Anfang habe ich ja noch alles mitgeschnitten und auf dem PC gespeichert. Und alle Kritiken aus den Zeitungen gesammelt und in mein Album geklebt.« Ihr Blick schweifte kurz zu dem Bord, auf dem sie ihre Kochbücher aufbewahrte. Dazwischen stand auch ein hübsches Sammelalbum. Auf dem rot eingebundenen Rücken hatte sie liebevoll mit Schreibschrift den Namen Tante Dottis Bistro angebracht.
Peter lachte. »Und, machst du das immer noch?«
»Nö. Mittlerweile liegen die Artikel in dem großen Karton oben im Arbeitszimmer. Und wie oft wir mit dem Bistro im Radio waren, weiß ich gar nicht so genau. Ich glaube, dass es mindestens schon zwölf Sendungen waren, aber ganz sicher bin ich mir nicht.«
»Ist dir das nicht alles zu viel? Der Erfolg? Der ganze Rummel?«
Sophie schüttelte den Kopf und lächelte Peter an. »Nein, im Gegenteil. Ich habe immer noch das Gefühl, wenn ich hier mit dir zusammen bin, ist das alles ein einziger schöner Traum. Und wenn sie unser Bistro loben wollen, sollen sie das ruhig tun – ich kann das gar nicht oft genug hören.«
Dotti! Es ist zum Verrücktwerden. Zum ersten Mal seit Wochen habe ich Zeit, in mein Tagebuch zu schreiben. Und was ist? Mir kommen nur trübe Gedanken in den Sinn.
Vielleicht liegt es ja daran, dass es draußen Bindfäden regnet, ich kann von meinem Ohrensessel aus nicht einmal das Ende des Gartens erkennen. Außerdem werde ich viel schneller müde. Oft springt schon Peter beim Servieren ein, ich schaff das nicht mehr.
Meine Frauenärztin sagt, das sei ganz normal, daran müsse ich mich gewöhnen. Aber ich will mich nicht gewöhnen. Kann ich nicht einfach im Bistro arbeiten wie vorher, nur ein wenig langsamer? Muss es denn gleich die Entscheidung zwischen Bistro und Ohrensessel sein?
Wie gerne würde ich jetzt mit dir, Dotti, hier sitzen und reden. Was kann man bei so einem Wetter hier draußen auf dem Land tun, wenn einem die Decke auf den Kopf fällt?
In einer Zeitschrift für werdende Mütter, die mir Peter mitgebracht hat, habe ich gelesen, dass die Gefühle während der Schwangerschaft Achterbahn fahren. Hielt ich zunächst für Quatsch, mittlerweile sehe ich das anders. Seit ich schwanger bin, muss ich immer an meine Mama denken. Damals, kurz nach dem Abi, als ich noch mit Jörn zusammen war, hat sie mal gesagt, dass ich erst mein Studium abschließen solle, bevor es an die Kinderplanung gehe. Ach, Dotti, zum Glück konnte ich mir damals Jörn nicht als Vater vorstellen. Mir war das Gespräch ein bisschen peinlich, weil eine eigene Familie für mich ungefähr so weit entfernt war wie der Mond. Schwanger zu werden, das kam mir mit neunzehn wie der Super-GAU vor.
Eines aber ist mir auch in Erinnerung geblieben: ihr Satz, dass sie irgendwann einmal sehr gerne Enkel haben wolle. Tja, jetzt wird es bald so weit sein. Wie gerne hätte ich das mit meiner Familie geteilt. Stattdessen sitze ich hier ganz alleine, ohne Mama und Papa, und ohne dich, meine liebste Tante Dotti.
Jetzt will ich mich aber zusammenreißen, sonst werde ich noch ganz rührselig.
Ihr seid immer in meinem Herzen, und wahrscheinlich freut ihr euch gerade mit mir. Ich habe gelernt, dass traurig zu sein keine Schande ist. Man muss nicht einmal verbergen, dass man traurig ist. Das gehört zum Leben dazu. Ohne die dunklen Tage in meinem Leben wäre ich heute nicht die, dich ich geworden bin. Ich werde mich von meinem Kummer nicht unterkriegen lassen. Jawohl!
Jetzt, wo es schwarz auf weiß dasteht, fühle ich mich schon ein bisschen besser.
Ich habe in einer Zeitschrift einen tollen Spruch gelesen: Es sind nicht die Jahre deines Lebens, die zählen. Was zählt, ist das Leben innerhalb der Jahre. Abraham Lincoln soll das gesagt haben. Ist das nicht schön? Gerade in den letzten Monaten habe ich das Gefühl, dass ich ein ganz besonderes Leben führen darf. Und das, weil es Mama und Papa und dich, Dotti, gegeben hat.
»Liebste Constanze, du weißt gar nicht, wie viel mir das bedeutet. Dass du dies alles für mich auf dich nimmst, ist das größte Geschenk, das du mir machen kannst.«
Constanze Beierbach winkte bescheiden ab. »Ich bitte dich, Alexander, das ist doch nur eine Kleinigkeit, und ich weiß, wie schlimm es für dich sein muss, in dieser schwierigen Zeit einen klaren Kopf zu bewahren.«
Alexander Graf von Sandhausen seufzte, bevor er Constanze einen sanften Kuss auf die Wange hauchte. »Wie recht du hast. Und wie gut du mich schon verstehst. Du machst mich zu einem sehr glücklichen Mann, geliebte Constanze.«
Er steckte den Umschlag in die Innentasche seines Jacketts und stand auf. Beiläufig strich er sich eine widerspenstige Haarsträhne aus der Stirn und prüfte noch einmal mit einem schnellen Blick in den Spiegel hinter der Bar den tadellosen Sitz seines Anzugs.
»Constanze, ich verspreche dir, es wird nicht lange dauern. Der Notar meines verstorbenen Onkels wartet bereits mit allen Urkunden. Deine bescheidene Summe wird die Gebühren begleichen. Und bereits morgen früh werden wir gemeinsam zum Comer See fahren, um die Villa meines Großonkels anzusehen. Ich hoffe doch, dass meine Bank mir bald Ersatz für die verlorenen Bankkarten schickt. Wie ärgerlich, dass ausgerechnet gestern dieser Dieb zuschlagen musste.«
Constanze himmelte ihren Alexander verliebt an. »Ich bitte dich, Alexander, sei froh, dass der Dieb nur deine Brieftasche mit dem Geld und den Kreditkarten gestohlen hat. Nicht auszudenken, was hätte passieren können. Stell dir vor, er wäre handgreiflich geworden und dir, Liebster, wäre etwas zugestoßen. Gesundheit ist durch Geld nicht zu ersetzen.«
Graf Alexander schaute auf seine TAG-Heuer-Armbanduhr, ein Geschenk von Constanze zu seinem Geburtstag. »Gott, ich werde mich noch verspäten, wenn ich weiter mit dir plaudere. Warte nicht mit dem Abendessen, geh bitte hier ins Restaurant. Ich werde dann später in unsere Suite kommen. Dort darfst du aber gern auf mich warten.« Graf Alexander zwinkerte Constanze zu und erntete dafür ein unterdrücktes Kichern.
Draußen vor dem Hotel Kaiserhof stieg Graf Alexander in seinen Porsche. Das heißt, eigentlich war es gar nicht sein Auto, sondern lediglich ein Mietwagen, den er recht günstig für zwei Tage bekommen hatte. Aber der Wagen war perfekt für diesen Auftritt, genauso wie sein teurer Anzug – übrigens der einzige Anzug, den er besaß. Nun, das konnte er jetzt ja ändern. Die zwanzigtausend Euro, die in großen Scheinen in der Innentasche seines Jacketts raschelten, waren doch kein schlechter Lohn für gerade mal drei Wochen Arbeit. Zwanzigtausend, plus die Uhr an seinem Handgelenk, die sicher auch noch drei Mille gekostet hatte.
Vielleicht werde ich die Uhr sogar erst einmal behalten, dachte er, während er den Wagen stadtauswärts steuerte. Etwas zu protzig, aber er hatte sich an sie gewöhnt. Die Erbin der Beierbach-Werke würde – natürlich auf ihre eigenen Kosten – einen netten Abend in einem guten Restaurant verbringen, danach allerdings vergeblich auf ihren Grafen warten. Graf Alexander von Sandhausen würde noch heute Nacht aufhören zu existieren. Ihn hatte es ohnehin nur drei Wochen lang gegeben. Er schaltete das Autoradio ein und pfiff zufrieden einen alten Hit der Hollies mit. Der Moderator sprach in die letzten Takte der Musik hinein: »Es ist 17 Uhr 20. Heute früh haben die Kollegen in der Morgensendung die aktuelle Ausgabe von Ziele in meiner Region präsentiert. Seitdem stehen die Telefone hier im Sender nicht mehr still. Deswegen, auf vielfachen Wunsch von Ihnen, liebe Hörerinnen und Hörer, wiederholen wir hier noch einmal unseren Tipp. Also: Wir möchten Ihnen das schöne Wümmerscheid-Sollensbach ans Herz legen. Dieser kleine Ort oberhalb der Mosel hat eine ganz besondere Attraktion: das ehemalige Mühlencafé, das heute Tante Dottis Bistro heißt.«
Der Mann, der sich vorhin noch Graf Alexander genannt hatte, hörte interessiert zu.
»Inhaberin dieses Bistros ist Sophie von Metten, die seit mehr als anderthalb Jahren den Betrieb leitet. Frau von Metten, wie kamen Sie auf die Idee zu Ihrem Bistro?«
»Tatsächlich kam das Bistro zu mir, wenn man das so sagen kann. Meine verstorbene Tante Dorothee von Metten hat mir dieses Haus vererbt. Sie selbst hat hier früher ein Café betrieben, war damit aber nicht besonders erfolgreich. Ich habe dann ein neues Bistrokonzept entwickelt, und meine regionale deutsch-französische Küche ist von Anfang an richtig gut angekommen.
»So weit Sophie von Metten. Der Erfolg gibt ihr recht. Restaurantkritiker loben die Landhausatmosphäre im Bistro, die liebevolle Dekoration und die hervorragende Küche. Tante Dottis Bistro ist einen Besuch wert. Weitere Informationen und einen Link zur Webseite des Bistros finden Sie auf unserer Homepage www.swr.de. Und jetzt weiter mit Musik.«
Money, money, money von ABBA erfüllte den Innenraum des Autos. Der Mann stellte das Radio aus. Das Lied der schwedischen Gruppe hätte zwar großartig zu dem gepasst, was ihm gerade durch den Kopf geschossen war, aber zum Nachdenken brauchte er Ruhe. Dorothee von Metten, wer hätte gedacht, dass er diesen Namen einmal im Radio hören würde. Gute alte Dorothee, er hatte gar nicht gewusst, dass ihre Freunde sie Dotti genannt hatten. Nun, er war ja auch nie ein Freund gewesen, aber das brauchte niemand zu erfahren. Schade, dass Dotti schon tot war. Aber ihre Nichte hatte auch eine süße Stimme gehabt. Er ließ das Seitenfenster herunter und genoss den kalten, frischen Fahrtwind. Money, money, money – war das Leben nicht wundervoll?
Früher hatte Sophie manchmal darüber nachgedacht, wie sie sich wohl am Morgen ihrer eigenen Hochzeit fühlen würde. Hätte sie jemand danach gefragt, ihre Antwort wäre gewesen: Aufgeregt, nervös, glücklich, zufrieden, vor allem aber: verliebt! Niemals wäre sie auf die Idee gekommen, dass ihre Reaktion tatsächlich sein würde: »Entsetzlich. Mir ist speiübel.« Aber genau so fühlte sie sich gerade. Sie kniete vor der Toilettenschüssel und würgte. Mit einem Stück Toilettenpapier wischte sie sich den Mund ab. Himmel, hörte das denn gar nicht auf?
»Sophie, Liebling, ist alles in Ordnung?« Peters besorgte Stimme klang durch die Badezimmertür. Nichts war in Ordnung! Das heißt – so stimmte das nun auch nicht. Sie war glücklich, unendlich glücklich und verliebt. Nur gehörte sie offensichtlich zu den Schwangeren, die nicht nur in den ersten Wochen von morgendlichem Brechreiz heimgesucht wurden. Hochzeit hin oder her, ihr Magen fuhr Achterbahn, und heute hatte er ein paar besonders spektakuläre Loopings im Programm.
Jetzt klopfte Peter an die Badezimmertür. »Sophie, bitte, sag doch was. Sophie!«
Mit einem Seufzen stemmte sich Sophie hoch. Auch darüber schwiegen sich die meisten Schwangerschaftsratgeber aus. Wer hatte eigentlich entschieden, dass man das Deckmäntelchen des Schweigens darüberbreiten musste, dass man schon in der achtzehnten Schwangerschaftswoche die Leichtfüßigkeit einer Galapagosschildkröte hatte? Wie sollte es erst werden, wenn der Babybauch so richtig groß wurde?
»Sophie …«
»Augenblick! Sekunde!« Sie putzte sich rasch die Zähne und spülte sich den Mund aus, dann öffnete sie die Badezimmertür.
»Alles in Ordnung, Peter, unser Baby hat nur dafür gesorgt, dass ich mich kurz von meinem Brötchen und dem Milchkaffee verabschieden musste.«
Peter nahm Sophie zärtlich in den Arm und küsste sie. »Du Arme, soll ich dir die Magentropfen holen, die Frau Dr. Schwolle verschrieben hat?«
Sophie schmiegte sich an Peter. In seinen alten Bademantel hinein murmelte sie. »Niemand hat mir gesagt, dass mir während der gesamten Schwangerschaft morgens schlecht sein würde. Immer. Sogar heute, wo wir doch heiraten. Außerdem finde ich es ungerecht, dass du in deinem besten Anzug vor den Standesbeamten treten kannst, während ich mein Kostüm schon umarbeiten lassen musste.«
»Also, für mich bist du die Schönste weit und breit.«
Sophie schluckte. »Ach, das sagst du nur, weil du schon im Hochzeitsfieber bist. In Wirklichkeit sehe ich aus wie eine fette Kuh.« Tränen stiegen ihr in die Augen.
»Ach, Liebste. Das ist nicht wahr. Und wenn es dich tröstet: Der Termin auf dem Standesamt heute ist doch nur der erste Teil der Hochzeit. Wenn wir dann im Sommer in der Kirche heiraten, sind wir schon Eltern, und du bist wieder rank und schlank. Du wirst schon sehen.«
Unter Tränen lächelte Sophie. »Aber vorher werde ich erst mal jeden Tag dicker. Ich kann es gar nicht abwarten, bis ich aussehe, als hätte ich einen Medizinball verschluckt. Wahrscheinlich kann ich demnächst nur noch ausgeleierte Umstandshosen und alte Oberhemden von dir anziehen.«
Peter lachte und hielt Sophie mit ausgestreckten Armen von sich, um sie vom Scheitel bis zur Sohle zu mustern. »Du bist wunderschön. Deine Augen strahlen, dein Haar glänzt magisch, und du hast den verführerischsten Babybauch, den ich mir vorstellen kann.«
»Du bist ganz klar verblendet.«
Er trat einen Schritt zurück und zuckte mit den Schultern. »Na prima, da kann man ja sagen, was man will, es wird einem nicht geglaubt.« Er kniete sich vor Sophie auf den Boden. »Sophie von Metten, wollen Sie heute meine Frau werden? Wenn ja, dann könnte ich es einrichten, Sie zum Standesamt zu bringen.«
»Das hast du aber schön gesagt.« Sophie strahlte. »Ich hab zwar deinen Antrag schon vor Weihnachten angenommen, aber bei dir sage ich immer wieder Ja. Doch wenn ich mich jetzt nicht beeile, wird das mit dem Standesamt nichts mehr, und wir verpassen noch unseren Termin.«
Peter sprang wieder auf die Beine und küsste Sophie stürmisch. »Du machst mich zum glücklichsten Menschen in Wümmerscheid-Sollensbach.«
»Na, darauf kann ich mir was einbilden.« Lachend schloss sie die Tür, um sich in Ruhe anziehen zu können.
Fünf Minuten später war ihr das Lachen vergangen. Sie bekam den Kostümrock, den sie vor zwei Wochen vom Schneider in Cochem abgeholt hatte, nicht mehr zu. Bauch einziehen, tief ausatmen – auf diese Art bekam sie den Verschluss so gerade eben eingehakt, den Reißverschluss aber konnte sie vergessen. Die Nähte knirschten bedrohlich. Sophie öffnete schnell den Verschluss wieder, damit der Stoff nicht einriss. Unmöglich. Sie konnte nicht zwei Stunden lang die Luft anhalten. So ein Mist! Also improvisieren. Sophie kramte in der Kommodenschublade, wo sie ihr Nähzeug aufbewahrte. Ja, da waren sie: Große Sicherheitsnadeln. Sie fummelte eine der Nadeln auf und …
»Autsch!«, quietschte sie und steckte den Zeigefinger in den Mund, auf dem sich im Null Komma nichts ein kleiner Blutstropfen gebildet hatte. So ein Dreck! Klappte denn heute gar nichts?
»Sophie? Brauchst du Hilfe?« Ein zaghaftes Klopfen an der Tür.
»Augenblick, Miri.« Sophie öffnete die Tür. Ihre alte Freundin, noch aus Studienzeiten, trat ins Zimmer. Sie war schon gestern aus Hamburg angereist, und als ihre Trauzeugin würde sie während der Trauung und den ganzen restlichen Tag für Sophie da sein.
Miri legte den Brautstrauß, den sie mitgebracht hatte, zur Seite und musterte Sophie besorgt. »Was ist los? Hast du dich verletzt?«
»Nein, eigentlich ist es nur ein kleiner Pikser«, nuschelte Sophie mit dem Finger im Mund, »ich will nur nicht, dass ein Blutfleck auf das Kostüm kommt.«
»Warte«, Miri drehte sich um, verschwand im Badezimmer und kam wenige Augenblicke später mit einem schmalen Pflaster zurück. »So, das kleben wir jetzt auf den Finger, und in einer halben Stunde können wir es wieder abnehmen, dann sieht man nichts mehr.«
Vor der Frisierkommode stand ein kleiner weißer Polsterstuhl. Missmutig ließ sich Sophie auf den hellblau gestreiften Sitz sinken und starrte in den Spiegel. Ihre Blicke trafen sich.
»Nichts geht, Miri. So hatte ich mir das nicht vorgestellt.«
»Was hast du denn für ein Problem?«
»Der Kostümrock geht nicht mehr zu.«
Jetzt verstand Miri, warum das Nähkästchen geöffnet vor Sophie stand. »Na, die Idee mit den Sicherheitsnadeln war doch nicht so übel, aber besser, du überlässt das mal mir.«
Geschickt kettete Miri zwei Nadeln zusammen und half Sophie dann, den Rock zu verschließen.
»Erledigt, du siehst wunderschön aus.«
Sophie warf einen prüfenden Blick in den Spiegel. Ihren Plan, die Bluse in den Rock zu stecken, konnte sie vergessen. Also umdisponieren. Offen über dem Rock getragen, verdeckte das gute Stück den provisorischen Verschluss und spannte auch nicht über dem Babybauch. »Na ja, so wird es wohl gehen.«
Miri unterdrückte ein Lächeln und versicherte ihrer Freundin: »Du kannst ganz beruhigt sein, es sieht super aus. Wer steckt denn heute noch die Bluse in den Rock?«
»Zum Glück ist sie ziemlich weit geschnitten, da wird es mit dem Bauch keine Probleme geben.«
»Und wenn es welche geben sollte, werden wir sie gemeinsam lösen. Welchen Schmuck willst du denn im Standesamt tragen?«
Aus ihrem Schmuckkästchen nahm Sophie eine Perlenkette und passende Ohrstecker. »Diese Kette hat mir Tante Dotti zum achtzehnten Geburtstag geschenkt, und die Ohrstecker waren ihr Geschenk zum Studienabschluss.«
Miri nickte anerkennend. »Eine gute Wahl!«
Ich liebe diesen Schmuck, Dotti, dachte Sophie, während sie die Kette anlegte. Gefällt es dir, dass ich ihn zu meiner Hochzeit trage? Für einen Moment schloss Sophie die Augen. Tief in ihrem Innersten spürte sie, dass ihre Tante irgendwie immer bei ihr war.
Noch einmal strich sie sich kurz mit der Bürste durch die Haare. Peter hatte recht: Seit sie schwanger war, hatten ihre braunen Haare einen fast unnatürlichen Glanz. Mit einem herrlichen Schwung fielen sie ihr offen über die Schultern. Wenigstens ein kleiner Ausgleich für die Morgenübelkeit!
»Komm, steh auf, ich helfe dir in die Jacke.« Miri nahm die Kostümjacke vom Bügel. »Probier erst gar nicht aus, ob du sie zuknöpfen kannst. Die Jacke sieht auch so gut aus. Und kombiniert mit deinen neuen Pumps wirst du sehr elegant vor den Standesbeamten schweben.«
Sophie kicherte. »Ach, Miri, ich fühle mich Lichtjahre vom Schweben entfernt. Aber ich bin froh, dass ich auf dich gehört habe, als du mir zu diesen Schuhen geraten hast. Und dass wir unsere Einkaufstour für die Hochzeit schon im Januar gemacht haben. Ehrlich, ich weiß nicht, ob ich jetzt noch die Energie dafür aufbringen würde.«
Miri hatte auf den extravaganten Pumps bestanden, Sophie dagegen hatte sich anfangs noch gesträubt. Seit sie in Wümmerscheid-Sollensbach wohnte, trug sie nur noch ganz selten hochhackige Schuhe. Im Bistro waren die einfach zu unbequem, und auf den mit Kopfsteinpflaster belegten Straßen im Dorf völlig fehl am Platz.
»Ich muss nur aufpassen, wenn ich mich setze. Hoffentlich halten die Sicherheitsnadeln.«
»Das wird schon klappen. Die werden doch nur Augen für die strahlende Braut und für den Brautstrauß haben. Hier, nimm ihn mal.« Miri trat einen Schritt zurück und musterte zufrieden ihre Freundin. »So wie du aussiehst, wirst du jedenfalls allen Männern den Kopf verdrehen.«
»Ja, sicher«, Sophie lächelte. »Wümmerscheid-Sollensbach ist schließlich weit über seine Grenzen hinaus für seinen Junggesellenverein bekannt. Nicht zu vergessen die Sollensbacher Jagdbläser, die Freiwillige Feuerwehr und die Wümmerscheider Goldkehlen 1903. Die gut aussehenden Männer sind überall!«
»Uhh, die Aufzählung macht mir Angst«, kurz verzog Miri das Gesicht in gespielter Abscheu, »aber beschwer dich nicht, deinen Peter hast du schließlich auch hier kennengelernt. Du kannst froh sein, dass ich ihm damals beim Renovieren des Mühlenhofes nicht auch schöne Augen gemacht habe.«
»Wofür ich dir ewig dankbar sein werde, deswegen darfst du heute auch unsere Trauzeugin sein«, gab Sophie zurück. Sie hatte ganz vergessen, wie schön es war, mit Miri herumzualbern. Die Entfernung zwischen Wümmerscheid-Sollensbach und Hamburg war einfach zu groß, um mal schnell übers Wochenende vorbeizuschauen. Aber Miri ist trotzdem immer da, wenn man sie braucht, dachte Sophie dankbar.
Sophie hakte sich bei ihrer Freundin unter. »Die Blumen sind wirklich wunderschön.«
»Ja, und schau mal hier: Zu den roten Rosen habe ich noch drei weiße hineinbinden lassen. Zum Gedenken an deine Mutter, deinen Vater und an Tante Dotti. Eine für jeden.«
Sophie schluckte und blinzelte eine Träne weg.
»Gut, dass es dich gibt, Miri«, flüsterte Sophie, während sie die Treppe hinunterstiegen.
***
Unten im Gastraum des Bistros war schon alles für das gemeinsame Mittagessen gedeckt. Sophie fragte sich einmal mehr, ob es eine kluge Idee gewesen war, die standesamtliche Trauung in den Februar vorzuverlegen. Für ihre Hochzeit hatte sie sich immer ein großes Gartenfest vorgestellt, mit allen Freunden, gutem Essen, vielen Kerzen, Musik und einer lauen Sommernacht.
»Wünschst du dir, dass schon Sommer wäre?«, fragte Peter sanft, während er ihre Hand ergriff.
»Mhmmm. Bin ich so leicht zu durchschauen?«
»Du hast verträumt aus dem Fenster geschaut und danach bedauernd das Gesicht verzogen. War gar nicht so schwer zu erraten, woran du denkst. Pass auf, wir tun heute das Vernünftige und heiraten vor dem Standesbeamten. Unser Baby soll auf die Welt kommen und auf jeden Fall Eltern haben, die miteinander verheiratet sind. Selbst wenn es zu früh kommt. Und im August heiraten wir kirchlich, und dann bekommst du dein Gartenfest. Wir werden zu unserer Hochzeit die größte und schönste Gartenparty geben, die der Mühlenhof je gesehen hat – versprochen!«
»Versprochen?« Sophie drehte sich zu Peter und schaute ihm tief in die Augen.
»Versprochen, mein Schatz.«
»Mon dieu, da stehen sie und turteln, als wäre es nischt an die Zeit zu fahren in die Standesamt.«
Sophie und Peter lösten sich voneinander. Die Stimme war aus dem Flur gekommen. Jean-Pierre Garbon, seines Zeichens einer der bekanntesten Köche Frankreichs und ein guter Freund von Sophie, seit er mit ihr zusammen Tante Dottis Bistro zu einem Erfolg gemacht hatte, grinste unter seinem mächtigen Walross-Schnauzbart von einem Ohr zum anderen. Fast hätte Sophie ihren Freund nicht erkannt. Der elegante dunkelgraue Anzug, die Weste und die rote Fliege standen ihm zwar perfekt, aber Sophie kannte Jean-Pierre eben vor allem in Jeans und gestreiftem T-Shirt oder natürlich in seiner Kochjacke und mit der Kochmütze auf dem Kopf.
»Du siehst großartig aus, Jean-Pierre«, lobte Peter.
»Ja, ja, red du nur. Isch fühl misch, als würde isch die Präsident besuchen. Und diese Ding ’ier an meine ’als nimmt mir noch die Luft. Wahrscheinlisch werde isch nur erleben noch die erste Ja-Wort von deine strahlende Braut. Ach, Sophie, du siehst … magnifique aus.«
»Lieben Dank, aber du machst auch eine gute Figur. Was sagt denn Heidi zu deinem Anzug?«
»'eidi ist zufrieden, weil sie die Dinge ’at ausgesucht. Und wenn meine ’eidi zufrieden ist, bin isch es auch. ’eidi wartet übrigens draußen in die Auto. Sie ’at misch nur geschickt, um zu sagen, dass wir bereit sind. Sie will nischt über die ganze ’of mit die neuen Schuhe laufen.«
Tante Dotti hatte in Wümmerscheid-Sollensbach drei Freundinnen gehabt, die dann zu Sophies Freundinnen geworden waren. Heidi Schwarzbeck, die berühmte Sterneköchin, war eine von ihnen. Und Heidi wiederum hatte ihren alten Freund Jean-Pierre angerufen, um Sophie beim Start des Bistros zu unterstützen. Niemand hatte damals geahnt, dass der kleine Franzose sich einmal in seine alte Freundin Heidi verlieben würde. Aber Liebe hat eben ihre eigenen Regeln, dachte Sophie.
»Wir müssen wirklich los, Peter.« Sophie wollte schon zur Haustür gehen, als Peter sie am Arm zurückhielt.
»Augenblick, Liebling. Wegen deiner Traumhochzeit. Weißt du noch, dass du nicht nur ein Gartenfest wolltest? Da war noch mehr.«
Sophie blieb stehen und schaute ihren künftigen Ehemann fragend an. »Natürlich weiß ich das. Ich wollte ein Gartenfest mit allen meinen Freunden, und ich wollte gerne mit einem großen weißen Auto zur Kirche fahren. So wie in Pretty Woman.«
Draußen ertönte ein lautes Hupen. Peter schaute auf seine Armbanduhr und lächelte zufrieden. »Auf die Minute pünktlich, das muss man ihm lassen.«
Sophie runzelte die Stirn. »Wer ist pünktlich?«
Statt einer Antwort öffnete Peter schwungvoll die Tür. Eine weiße amerikanische Stretchlimousine fuhr den Zufahrtsweg hoch. Erstaunlich, dass die überhaupt durch die schmale Einfahrt in der Bruchsteinmauer gepasst hatte.
»Das ist meine Überraschung für dich, Sophie. Vorerst zwar keine Party, dafür wäre es im Februar draußen auch noch zu ungemütlich, aber immerhin dein Traumauto. Jan hat mir den Tipp gegeben, dass es in Koblenz einen Verleih für solche Fahrzeuge gibt. Ja, es hat viele Vorteile, wenn der eigene Trauzeuge eine Autowerkstatt hat. Allein schon für diesen Tipp.«
Sophie legte ihre Arme um Peter und küsste ihn zärtlich. Ihre Augen schwammen. Mit zitternder Stimme hauchte sie: »Dass du daran gedacht hast …«
Das große Auto bremste direkt vor der Haustür. Während der Fahrer ausstieg und die hintere Tür schwungvoll öffnete, half Peter Sophie in ihren Mantel.
»Na, das nenn ich mal ein standesgemäßes Gefährt«, staunte Miri, die eben noch schnell aus dem Gästezimmer ihre Handtasche geholt hatte.
»Natürlich ist unsere Trauzeugin herzlich eingeladen, mit uns zu fahren«, antwortete Peter mit einer leichten Verbeugung.
»Das lass ich mir nicht zweimal sagen. In so ein Auto wollte ich schon immer mal einsteigen. Ob die auch eine Bar an Bord haben? – Ich meine, für später, nach dem Standesamt.«
Peter zwinkerte Miri zu. »Ich habe extra Prosecco für die Trauzeugin und weißen Traubensaft vom Winzer für die werdende Mutter bestellt.«
»Das gibt reihenweise Pluspunkte auf dem Ehemann-Konto«, lobte Miri. »So, komm, Sophie, dann wollen wir uns doch mal das gute Stück von innen ansehen.«