Die kleine Wolke Fuji - Medra Yawa - E-Book

Die kleine Wolke Fuji E-Book

Medra Yawa

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Beschreibung

In ihrem ersten Leben war die kleine Wolke Fuji ein Kind, das die Welt in schwarz und weiß sah. Aber was, wenn wahres Vertrauen, wahre Hoffnung und wahre Liebe woanders zu finden sind?

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Kapitelübersicht

Die kleine Wolke Fuji

Fujis Auferstehung

Fujis Zeitreise

Fujis Wunsch

Fujis Erde

Fujis Unglauben

Fujis Sonne

Fujis Sabine

Fujis endloser Morgen

Fujis Alpe

Fujis Reise

Fujis zweite Sabine

Fujis Verzweiflung

Fujis zerbrochenes Versprechen

Fujis Seelenverwandte

Fujis Unwissenheit

Fujis Überraschung

Fujis Entschluss

Danksagung

Weiteres von der Autorin

Die kleine Wolke Fuji

Es war einmal eine kleine Wolke. Sie war plötzlich da. Entstand einfach. Wusste nicht, woher sie kam oder wohin sie sollte …

»Nun denn«, entschied diese kleine Wolke, als sie die bunte Welt unter sich erblickte, »Ich möchte überall hinfliegen. Ich möchte groß träumen. Und niemand wird mich aufhalten!«

Sobald die kleine Wolke die Worte ausgesprochen hatte, erklang eine ältere Stimme. Rau und grummelig hallte sie in den Ohren der Wolke wider.

»Haha. Unwissender Jüngling«, bemerkte die Sonne, »Das Leben ist bitter. Träume nicht zu viel – du wirst nur enttäuscht werden. Ziele nicht zu hoch – du wirst eh nur fallen. Versuche am besten nichts zu erreichen – du wirst es eh nicht schaffen!«

»Woher willst du das wissen?«, bemerkte die kleine Wolke trotzig, wenngleich sich Zweifel in ihr Herz geschlichen hatten.

»Der, der am höchsten steht,«, entgegnete die Sonne, als sie den Horizont küsste, »fällt am tiefsten.«

Damit verschwand sie. Und nahm das Licht mit.

Sofort veränderte sich der Himmel: Dunkelheit. Stille. Einsamkeit. Die neuen Gefühle suchten die kleine Wolke heim. Allein schwebte sie durch die Finsternis. Ein, zweimal flog beinahe ein Vogel in die kleine Wolke und verschwand kurz darauf mit einem genervten: »Wo hast du denn Fliegen gelernt? Aus dem Weg!«

Und so entschied sich die kleine Wolke, dass der Himmel gruselig war. Die Nacht war gruselig. Das Leben war gruselig! Sie wollte hinfort. Alles hinter sich lassen. Vergessen werden. Verschwinden!

»Warum so einsam? Apathie hat noch niemandem geholfen«, echoten fremde Stimmen durch die Nacht. Stimmen, die verspielt umherhallten. Stimmen, deren Ursprung die kleine Wolke erst nicht zu finden vermochte. Bis sie nach oben sah.

Da! Dort oben waren sie! Kleiner als Glühwürmchen, aber viel heller. Viel herzlicher. Viel beruhigender …

»Wer seid ihr?«, fragte die kleine Wolke vorsichtig.

»Wir sind die, die du bewunderst. Wir sind die, die du sein willst. Wir sind von gestern und strahlen für morgen. Wir sind die Sterne.«

»Wenn ihr von gestern seid,«, überlegte die kleine Wolke laut, als das Licht ihre Angst verjagte und eine Frage in ihr weckte, »dann wisst ihr auch, wo ich herkomme, oder? Warum bin ich hier? Was soll ich hier? Erst wollte ich überall hin, dann hatte ich ganz viel Angst und nu-nun …«

Stockend hielt sie inne. Obwohl die Sterne über ihr leuchteten, fühlte sie sich verlassen. Unschlüssig.

»Sei nicht traurig, kleine Wolke. Deine Antworten sind nah. Aber wir dürfen sie dir nicht geben. Es obliegt jedem selbst, seinen Weg, seine Bedeutung zu finden«, antworteten sie und schwebten hinfort.

Fort in die kalte Nacht.

Die kleine Wolke wollte nach ihnen rufen. Sie zurück bitten. Aber dann bemerkte sie einen Schimmer.

Wurde es wieder heller?

»Yay! Das ist so ein Spaß! Ich liebe, liebe, liebe es!«, schrie die Sonne über den Himmel, als sie über den Horizont schielte und dabei kaum ihrer Vorgängerin glich, »Oh! So schön! Diese Welt ist einfach unglaublich! Und seht! Seht! Ich bin die Größte von euch allen!«

Die kleine Wolke wusste es kaum zu glauben. Die Sonne, die so griesgrämig auf ihren Träumen herumgehackt hatte. Sie war zurück? Und sie war so… so lebhaft? Was war passiert?

Die kleine Wolke würde die Sonne beobachten müssen, wenn sie diesen Wandel verstehen wollte…

Und so beobachtete die kleine Wolke alles. Die kleine Wolke beobachtete den Aufgang. Die kleine Wolke beobachtete den Zenit. Und die kleine Wolke beobachtete den Untergang.

Ohne sich bemerkbar zu machen, erblickte und belauschte sie alles stillschweigend. Selbst als die Sonne erneut hinter dem Horizont verschwand, horchte die kleine Wolke immer noch in den Himmel. Denn die Sonne durchlebte es immerzu: Geburt, Leben, Tod, Wiedergeburt …

»Wir leben, um zu sterben«, antwortete die kleine Wolke eines Nachts den Sternen, »Aber wir vergessen dabei die Schönheit und die Freude, die wir empfanden. Wir werden grummelig. Griesgrämig. Wir vergessen unsere Träume, unsere Hoffnungen, unsere-«, die kleine Wolke brach ab und wandte sich den Sternen zu.

Diesen Sternen, die ihn so bestätigend anstrahlten. Deren Licht ihn so wütend machte. Denn diese Antworten waren es nicht, die sich die kleine Wolke erhofft hatte. Das durfte nicht die Wahrheit sein!

»Nein. Mit mir wird es nicht so zu Ende gehen! Ich werde nicht frustriert sterben. Ich will von dieser Welt gehen, indem ich das Leben achte. Es schütze. Ihm helfe«, schwor sich die kleine Wolke.

»Nun denn, Fuji. Dann hast du deine Antworten gefunden«, entgegneten ihm die Sterne.

Lächelnd nahm er den Namen an. Fuji. Ja. Der Name, der ihm so bekannt, so vertraut erschien. Den er gewiss schon einmal getragen haben musste. Genauso wie die vielen Sonnen alle ein und dieselbe waren, vermochte er bestimmt auch schon mal existiert zu haben.

Und so flog er hinfort, um die Welt zu erkunden …

Es war ein warmer, nein, höllisch heißer Sommertag mehrere Jahre später, als er sich seufzend ergoss. Er ließ seine Tränen auf die brüchige Erde fallen. Hinab auf den kahlen Boden, auf die trockenen Pflanzen, die noch mit dem Überleben kämpften. Die kleine Wolke, die nun schon so vieles gesehen, so vieles erlebt und beobachtet hatte, löste sich auf.

Sie löste sich auf und schenkte der Welt unter ihr neues Leben.

Fujis Auferstehung

Manche Erinnerungen verblassen über Nacht – wie ein flüchtiger Traum, der durch die falsche Tür irrte. Andere vergehen langsam mit der Zeit – wie ein Baum, der seine Äste schläfrig in den Himmel reckt. Letztlich sind sie nur wirre Schatten, die zwischen unendlich vielen Gedanken umherschwirren. Befangen flattern sie durch einen jeden hindurch. Nehmen unklare Formen an. Stolpern über ein Déjà-vu. Lassen es im Winde vergehen. Schweben in Nostalgie, die sie nicht verstehen…

Das Leben ist zu kurz, um jedem Gedankennachzuhängen.

Die Wassertropfen schoben sich näher zusammen. Unruhig flogen sie durch die Atmosphäre – verzerrt von Wind und Wetter. Die kleine Wolke hatte sich erst vor Kurzem gebildet und wäre seitdem schon beinahe siebenmal von anderen verschluckt worden! Unwillkürlich traf sie stattdessen auf eine kleinere und verschmolz mit dieser.

Es krachte.

Gewaltig ragte eine finstere Wolke neben ihr auf und schwebte wortlos vorbei. Zwischen ihnen prickelte die Luft. Die Atmosphäre versuchte, sie zum Niesen zu bringen. Der Wind juckte. Die Sonne versteckte sich hinter einem Schleier grauer, dunkler Massen.

Das Bild eines freudigen Feuerballs schoss durch den Kopf der kleinen Wolke.

Dann war es wieder weg. Die Wolke wunderte sich, was diese Sonne sein sollte. Was war dieser Feuerball? Warum leuchtete er so? War das in Ordnung? Tat ihr das nicht weh?

Hastig schob der Wind die Wolke fort. Sie spürte, wie sich ein Strudel im Himmel bildete. Ein Teil von ihr riss fast ab und sie verglich den Schmerz damit, auseinanderzufallen. Zu zerbrechen. Auf den Boden zu stürzen. Auf diesen heißen Erdboden, der doch Wasser brauchte!

Ein Leuchten durchzuckte den Himmel. Dann ein weiterer Knall. Es ratterte. Steiniger Regen fiel durch sie hindurch. Erinnerungen spiegelten sich in den harten Tropfen, während sie durch die Wolke peitschten. Hinzu gesellten sich Ängste. Träume. Hoffnungen.

Er hatte der Welt Leben schenken wollen.

Ein neuer Lebenswille durchdrang die Wolke. Überrascht klammerte sich Fuji daran fest. Erinnerungen kehrten zurück.

Seine Erinnerungen.

Nein. Er durfte sich nicht hier ergießen. Nicht hinab fallen! Er hatte sich vorgenommen, Gutes zu tun. So etwas ging nicht, wenn er sich von dem Treiben der anderen Wolken hinreißen ließ. Er musste seinen eigenen Weg finden. Er musste den Ort finden, an dem er gebraucht wurde!

Entschlossen zog sich Fuji zusammen. Er konzentrierte sich. Kämpfte gegen den Wind an. Riss sich aus dem Unwetter. Fort aus dem Chaos. Weg von dem Zorn und dem Hass, den die anderen Wolken einander zuwarfen. Er entzog sich ihren Gefühlen, ihrem Einfluss. Wahrte Abstand. Flog weiter. Flog fort.

In die Freiheit des endlosen Himmels.

Hinter Fuji blitzte und donnerte es. Es war ein Sturm der Gefühle. Langsam wurde ihm klar, dass er sich unbewusst zusammengesetzt hatte. Die Wassertropfen in ihm hatten einander gesucht. Sie hatten zueinander gefunden. Sie hatten sich umarmt. Hatten sich an einander festgeklammert!