Die Krypta - Michael Meisegeier - E-Book

Die Krypta E-Book

Michael Meisegeier

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Beschreibung

In zahlreichen alten Kirchenbauten befindet sich unter dem Chor eine Krypta. In manchen Kirchen findet man sogar zwei Krypten. Mit dem Ende der Romanik endet relativ abrupt auch der Bau von Krypten. Über die Bedeutung, das Alter und den Zweck dieses Kirchenraums existieren selbst in der Forschungsliteratur aus Sicht des Autors meist irrige Vorstellungen. Der Autor bestreitet z. B. die konventionelle Datierung vieler dieser Bauten in das frühe Mittelalter. Er bestreitet auch die Meinung, dass die romanischen Hallenkrypten vorwiegend dem Heiligenkult dienten. Der Autor bietet dagegen eine alternative Sicht auf die Krypta als Teil des Kirchenraums romanischer Kirchen.

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Der Autor wurde 1950 in Erfurt geboren. Er studierte in Weimar Bauingenieurwesen und schloss das Studium 1977 mit der Promotion ab. Danach war der Autor bis zum Eintritt in den Ruhestand im Jahr 2015 in einem Erfurter Planungsbüro tätig.

Seit fast 50 Jahren beschäftigt sich der Autor mit romanischer und vorromanischer Kunst sowie mit der Geschichte des frühen Kirchenbaus vom frühchristlichen Kirchenbau bis zum Kirchenbau des 13. Jahrhunderts.

Inhaltsverzeichnis

Vorbemerkungen

Vorarbeiten

Die manipulierte Chronologie nach HEINSOHN und BEAUFORT

Geschichte und Quellen des Mittelalters

Kirche, Papsttum, Kirchenbau

Expansion der römischen Kirche

Die Krypta - Stand der Forschung

Probleme und Neuansatz

Die christliche Zeitrechnung

Die A.D.-Zeitrechnung

Eine nachträgliche Korrektur der A.D.-Zeitrechnung um 95 Jahre

Die Ostertafeln

Die Konvertierung der Datierungen früher Kirchenbauten

Die Entwicklung der Krypta

Die Grabkrypta

Die Confessio

Die Datierung der Ringkrypten

Die stadtrömischen Ringkrypten

Rom, San Pietro in Vaticano (Alt-St. Peter)

Rom, San Crisogono

Rom, San Pancrazio

Rom, Santa Susanna

Rom, Santa Prassede

Rom, Santa Cecilia

Rom, San Marco

Rom, Santi Quattro Coronati

Rom, San Saba

Ringkrypten in Italien (außerhalb der Stadt Rom)

Ravenna, Sant'Apollinare in Classe

Ravenna, Sant'Apollinare Nuovo

Santa Maria della Lode in Vescovio

Ringkrypten außerhalb Italiens

St. Maurice d'Agaune (Frankreich)

Chur, St. Luzi (Schweiz)

Saint-Denis (Frankreich)

Nivelles, Sainte-Gertrude (Belgien)

Seligenstadt, St. Marcellinus und Petrus

Regensburg, St. Emmeram, Emmeramskrypta

Werden, St. Ludger, Ludgeruskrypta (Ringkrypta)

Köln, Dom St. Petrus

Halberstadt, Dom St. Stephan und St. Sixtus, Ringkrypta

Canterbury, Kathedrale (England)

Von der Ringkrypta abweichende Bauformen der Grabkrypten

Sankt Gallen, Abteikirche St. Maria und Gallus (Schweiz)

Köln, St. Pantaleon

Quedlinburg, St. Servatius, sog. Confessio

Quedlinburg, St. Wiperti

Säckingen, St. Fridolinsmünster

Zürich, St. Felix und Regula (Fraumünster)(Schweiz)

Konstanz, Münster Unserer Lieben Frau

St-Philbert-de-Grand-Lieu, Abteikirche (Frankreich)

Soissons, St. Medard (Frankreich)

St-Quentin (Frankreich)

Trier, St. Maximin

Corvey, St. Stephanus und St. Vitus, Winkelgangkrypta

Auxerre, St-Germain (Frankreich)

Verbreitung, Datierung und Ende des Baus von Grabkrypten

Die Chorbühnen-Krypta

Die Kammerkrypta

Das Ende der Chorbühnen-Krypta

Gernrode, Damenstiftskirche St. Cyriakus, Ostkrypta

Rohr, St. Michael

Quedlinburg, St. Marien auf dem Münzenberg

Reichenau-Oberzell, St. Georg

Braunschweig, Dom St. Blasii

Augsburg, Dom Mariä Heimsuchung

Essen, ehem. Damenstiftskirche (heute Dom)

Sonderfälle? Ausnahmen?

Steinbach bei Michelstadt, Einhardsbasilika

Grenoble, Saint-Laurent, Krypta Saint-Oyand (Frankreich)

Hexham, St. Andreas und Ripon, St. Peter und St. Wilfrid (England)

Lyon, Saint-Irénée (sog. Irenäuskrypta)(Frankreich)

Die Außenkrypta - ein fehlinterpretierter Bautypus

Die Chorscheitelkapelle - Ort der Marienverehrung

Auxerre, St-Germain, Chorscheitelkapelle (Frankreich)

Flavigny-sur-Ozerain, Abteikirche St-Pierre (Frankreich)

Dijon, St-Bénigne (Frankreich)

Hildesheim, Dom St. Mariä Himmelfahrt

Reichenau-Mittelzell, Münster St. Maria und Markus

Regensburg, St. Emmeram, sog. Ramwoldkrypta

Werden, St. Ludger, sog. Ludgeridenkrypta

Corvey, St. Stephanus und St. Vitus, Marienkapelle

Halberstadt, Dom St. Stephan und St. Sixtus, sog. Außenkrypta

Koblenz, St. Kastor

Neuweiler (Neuwiller-lès-Saverne), St. Peter und Paul (Frankreich)

Literaturverzeichnis

Vorbemerkungen

In meinem Buch zum frühchristlichen Kirchenbau [MEISEGEIER 2017, 269ff] hatte ich mich schon einmal kurz mit dem Thema Krypta befasst. Dort hatte ich bereits aufgrund der Kürzung der Chronologie zwar die traditionelle Auffassung von der Entwicklung der Krypta in Zweifel gezogen, aber die traditionelle Einteilung in frühe Krypten, die noch dem accessus ad confessionem dienten (Ringkrypten, Gangkrypten, Kammerkrypten und Umgangskrypten als auch die Vierstützenkrypten), und die späteren Hallenkrypten übernommen.

Die weitere intensive Beschäftigung, insbesondere mit dem deutschen und den französischen Kirchenbau, hat auch zu einer veränderten Sicht auf den Kryptenbau geführt.

Da selbst die neuere Fachliteratur keine neuen Denkanstöße bot, habe ich mich dem Thema neu gewidmet.

Hinzu kamen zwei, m. E. wichtige Aspekte, die eine Neubetrachtung der Baugeschichte der frühen Kirchenbauten und ihrer Krypten erforderten; das sind:

der hochmittelalterliche Einschub von 95 phantomzeitlichen Jahren in die antike Chronologie, der praktisch den Zeitraum vom Jahr 1000 bis 1250 verzerrte und zwangsläufig damit die Bautätigkeit in dieser Zeit. (These)

die Erkenntnis, dass traditionelle Datierungen in den Schriftquellen, die in der Phantomzeit liegen, möglicherweise doch über eine Konvertierung zu richtigen Datierungen führen können.

Die in meinen bisherigen Veröffentlichungen enthaltenen alternativen Rekonstruktionen der Baugeschichten behalten im Großen und Ganzen weiter ihre Gültigkeit, können jedoch mit der neuen These in einigen speziellen Fällen möglicherweise konkretisiert werden.

In einigen wenigen Fällen musste ich meine damalige Rekonstruktion der Baugeschichte grundsätzlich korrigieren.

Im Zusammenhang mit der Bearbeitung der Krypten bin ich auf einige Kirchenbauten gestoßen, denen ich mich bisher noch nicht gewidmet hatte. Bei diesen musste ich zwangsläufig die Baugeschichte etwas ausführlicher beleuchten.

Ich muss den Leser vorwarnen. Aufgrund meiner von der traditionellen Sichtweise grundsätzlich abweichenden Auffassung zur tatsächlichen Ereignisgeschichte haben meine Ausführungen zwangsläufig teils spekulativen Charakter. Genauso sind diesbezügliche Zirkelschlüsse unvermeidlich.

Ich sehe das nicht als Nachteil. Gegenüber der großflächigen Konstruktion (Fälschung) der antiken und mittelalterlichen Geschichte sehe ich das als vernachlässigbare Sünde.

Fremdspachige Zitate werden - entgegen den akademischen Regeln - in der Übersetzung wiedergegeben, um die Verständlichkeit des Textes beizubehalten.

Für die Übersetzung der fremdsprachiger Texte habe ich vorwiegend die kostenlose Version von https://www.deepl.com/de/translator verwendet. In den Zitaten evtl. vorhandene Quellenangaben habe ich weggelassen. Interessenten mögen diese bei Bedarf aus den von mir zitierten Quellen entnehmen.

Fotos ohne Quellenangabe sind eigene Fotos.

Die Krypta - Stand der Forschung

An sich ist die Bezugnahme auf die Wikipedia in der Fachwelt verpönt. Im Zeitalter des Internet kommt man jedoch um diese Webseite kaum herum. Da ein Framing bzw. eine bewusste Desinformation bei meinem gewählten Thema eigentlich nicht zu befürchten ist - obwohl Architektur grundsätzlich auch eine politische Komponente innehat - soll als Einstand ein Blick in die Wikipedia erlaubt sein. Dieser offenbart sofort die nach meiner Auffassung völlig unzulängliche Erschließung des Themas.

"Eine Krypta (altgriechisch κρύπτη krýptē, deutsch ‚verborgener Gang, Gewölbe, Gruft‘), manchmal auch als Unterkirche bezeichnet, ist ein unter dem Chor (Apsis) oder unterhalb des Altars christlicher Kirchen befindlicher Raum, der in der Regel für Heiligengräber (auch Reliquienschreine) und Altäre diente. In der Krypta befanden sich anfänglich nach frühchristlichem Brauch die Reliquien eines Märtyrers." [https://de.wikipedia.org/wiki/Krypta]

Es folgt der Hinweis auf die Katakomben Roms als Vorläuferbauten.

Differenziert wird noch zwischen Stollenkrypta, wozu man auch die Ringkrypta zählt, welche erstmals um 590 in Alt-St. Peter auftaucht, und Hallenkrypta, die sich aus der Ringkrypta mit Außenkrypta entwickelt haben soll.

Angeblich machte die Höhe der Krypta es erforderlich, den Chor anzuheben.

"Mit dem Aufkommen der Gotik verschwand die Krypta, da nun Märtyrer und deren Reliquien in Schreinen verwahrt und oberirdisch in Umgangschören offen zur Schau gestellt wurden und die fürstliche Memorialkultur jetzt in öffentlicheren Bereichen des Kirchenbaus stattfand. Kirchen der Reform- und Bettelorden verfügen in der Regel nicht über Krypten, da sie nicht über Heiligengräbern errichtet wurden, das Gleiche gilt fast ausnahmslos für einfache Pfarrkirchen." [ebd.]

Viel oberflächlicher geht es kaum.

Die französische Wikipedia ist zwar etwas ausführlicher, am Ende aber nicht wirklich besser:

"Eine Krypta ist ein konstituierendes Element christlicher Kirchen, das sich besonders mit der Karolingischen Architektur entwickelte. Es handelt sich entweder um eine Gruft, die als Grabstätte dient und unterhalb des Chors liegt, durch einen Gang zugänglich ist oder einfach durch Fensteröffnungen oder Okuli sichtbar ist, oder um eine echte untere Kapelle, die um ein Martyrium oder eine Glaubensbekenntnis herum organisiert ist oder auch nicht." [https://fr.wikipedia.org/wiki/Crypte_(architecture_religieuse)]

Als Funktionen sind aufgeführt:

Sepulcrum, die Reliquienverehrung und Bestattungen,

Liturgie und der Zugang

architektonische Rolle.

Der Grund für das Ende des Kryptenbaus:

In der Gotik wurde der Reliquienkult in der Oberkirche wiederbelebt, indem immer mehr Reliquienschreine und Altäre in den Strahlenkapellen des Chorumgangs aufgestellt wurden." [ebd.]

Im Endeffekt gibt die Wikipedia zum Thema nicht viel her.

Es gibt eine Unzahl an Veröffentlichungen zum Thema "Krypta", wobei die meisten Einzeldenkmale behandeln. Auf nur einige dieser näher einzugehen, würde den Umfang dieser Veröffentlichung sprengen.

Darüber hinaus gibt es einige Arbeiten, die sich mit vermeintlichen Gruppen von Kryptenanlagen befassen.

Zu nennen sind hier CLAUSSEN, die sich mit den karolingischen Umgangskrypten im sächsischen Gebiet befasste, ROSNER, der die ottonische Krypta untersuchte, auch LOBBEDEY, der sich ebenfalls mit der ottonischen Krypta befasst, und VERBEEK, der sich die Außenkrypten vornahm.

Eine Entwicklungsgeschichte des Bautyps "Krypta" sieht BUSCHOW (1934).

Er vermutet den Ursprung der Kryptenanlagen in alten keltischen Kultstätten, aus denen die ersten iro-schottischen Krypten hervorgegangen sein sollen, die von der römischen Kirche zu Krypten mit römischen Charakter zur Verehrung römischer Heiliger umgewandelt worden seien.

Diese Krypten mit römischen Charakter sind für ihn die römischen Confessioanlagen mit Ringstollen, die sog. Ringkrypten.

"Die ringförmige Confessio war also eigentlich ursprünglich kein Kultraum, sondern sie diente hauptsächlich zur Schaustellung und Repräsentation eines Heiligengrabes. ... Zunächst schien man also auch nördlich der Alpen noch an der römischen Confessio mit halbkreisförmigem Ringstollen festzuhalten. Dieser Typ war jedoch für eine Weiterentwicklung nicht brauchbar. Man war zu sehr vom Kirchengrundriß abhängig und mußte zu viel Rücksicht auf die Chorapsis nehmen. Es lag daher sehr nahe, zu einer confessioartigen Anlage mit geraden Stollen überzugehen. Jetzt war man frei vom Kirchengrundriß, konnte die Anlage großzügiger gestalten und hatte auch die Möglichkeit einer Weiterentwicklung." [BUSCHOW, 7]

Als Beispiel führt er den Klosterplan von St. Gallen an. Die Krypta von Steinbach hätte bereits kapellenartige Erweiterungen.

"Die Confessio vor dem Grab hat sich hier zum erstenmal zu einem regelrechten Kultraum, einer kleinen Hallenkrypta entwickelt. Die Krypta in der Kathedrale zu Konstanz ... bildet mit ihrer Hallenkrypta und den beiden kryptenartigen Nebenräumen den Höhepunkt und zugleich den Abschluß in der Reihe der Stollenkrypten.

Was gab den Anlaß, die Confessio zu einer Hallenkrypta weiter zu entwickeln? Man schien sich mit der Prozession am Grabe des Heiligen vorbei nicht mehr zu begnügen, sondern wollte länger am Grabe verweilen, um hier Gebete verrichten zu können. Die schmale durchgangsartige Confessio war dazu jedoch zu klein. Man benötigte vor der Grabkammer einen regelrechten Kultraum, die Confessio wurde daher zu einer kleinen Hallenkrypta erweitert." [ebd., 8]

"Die große Seltenheit der Stollenkrypta mit erweiterter Confessio läßt darauf schließen, daß diese Lösung noch nicht allgemein befriedigend war.

Brauchte man die Hallenkrypta für den Reliquienkult, und wurden die beiden Zugänge für die reibungslose Prozession benötigt, so waren die verhältnismäßig langen Zugangsstollen nicht mehr notwendig. ... Es ist also ganz erklärlich, daß man auf eine Anlage kam, die für den Reliquienkult genügte und die zwei Zugänge für die Prozession besaß. Jetzt entstand sehr bald der typ der regelrechten Hallenkrypta, wie er für normale Verhältnisse in der nächsten Zeit allgemein zur Ausführung gekommen ist.

Die frühen Hallenkrypten sind verhältnismäßig klein und liegen gewöhnlich nur unter dem Chor der Kirche. In der Regel sind sie dreischiffig und schon mit Kreuzgewölben überspannt. In den westlichen Feldern der Längswände befinden sich die beiden Zugänge, die dann meistens rechtwinklig nach Westen abbiegen und in die Seitenschiffe der Kirche münden. ... Die Grab- oder Reliquiennische befand sich meistens in der Mitte der Westwand." [ebd., 9]

"... befand sich ursprünglich in der Confessio kein Altar. Ein Altar war auch hier garnicht nötig, denn der Hauptaltar der Oberkirche war ja liturgisch mit dem Heiligengrab verbunden. ... In späterer Zeit, ..., wurde die Confessio geräumiger angelegt und auch mit einem Altar ausgestattet. Da sich die Confessio mit Ringstollen stets östlich vor der Grabkammer vorbeizog und der Altar dem Heiligengrabe zugekehrt sein sollte, so wurde der Altar in der Confessio zunächst nach Westen gerichtet. Er stand meistens in einer kleinen Nische der Westwand, direkt vor dem Grabe des Heiligen. ... Der Altar der Hallenkrypta aber hatte seinen Platz gewöhnlich vor oder in einer kleinen Nische der Ostwand, er war also nach Osten gerichtet. ... daß nicht mehr das Heiligengrab, sondern der Altar jetzt der wichtigere Teil der Krypta war.

Diese Schlußfolgerung deutet darauf hin, daß die von der römischkatholischen Kirche als Stätten der Reliquienverehrung erbauten Krypten mehr und mehr den Charakter unterirdischer Kulträume annahmen und mehr der stillen Andacht und Versenkung, als der Reliquienverehrung dienten." [ebd., 9f]

"In der spätromanischen Bauperiode hat die Entwicklung der Krypta ihren Höhepunkt erreicht. Für jede bedeutendere Kirche schien sie jetzt eine Notwendigkeit zu sein. Ihre architektonische Ausgestaltung war zu einer feinen künstlerischen Reife gelangt. In ihren Ausmaßen hat sie es teilweise zu einer gewissen Monumentalität gebracht, die jedoch in keinem Verhältnis zu ihren kultischen Erfordernissen stand. Man denke nur an die großen Krypten in Regensburg, Straßburg, Speyer und Bamberg.

... Die Reformen der Cluniacenser und der Hirsauer ... verboten den Bau von Krypten. ... die Reliquien, die in den oft feuchten Krypten gelitten hatten, wurden nun im Chor hinter dem Hochaltar beigesetzt." [ebd., 12]

CLAUSSEN hat 1950 ihre Dissertation zu den Heiligengräbern im Frankenreich eingereicht. Diese wurde 2016 von LOBBEDEY posthum als Buch mit einem von ihm verfassten Vorwort herausgegeben.

In ihrer Arbeit, in der sie sich u. a. zum frühen Kryptenbau äußert, kommt CLAUSSEN zu einigen bemerkenswerten, generellen Schlussfolgerungen.

"Immer noch überaus dunkel sind für uns die Anfänge und Ursprünge frühmittelalterlichen Kryptenbaus. ... doch fehlt bis heute — jedenfalls auf weite Strecken — eine auch wirklich im Einzelnen kritische Untersuchung ..." [CLAUSSEN 2016, 119]

"Allmählich gewinnt die Erkenntnis Raum, daß offenbar nicht der gesamte Kryptenbau nördlich der Alpen in den römischen Märtyrergrüften gründet, und doch ist es bisher zweifellos nicht gelungen, die alte römische These durch eine wirklich überzeugende neue zu ersetzen.

Auch unsere Untersuchung kann keineswegs eine endgültige Klärung des wirklich sehr schwierigen und vielschichtigen Kryptenproblems bringen." [ebd., 120]

"In den Quellen der Merowingerzeit hören wir in einem einzigen Falle von einer allem Anschein nach echten Krypta. Diese Krypta befand sich unter der Peterskirche von Bordeaux. Gregor von Tours, unser Gewährsmann, schildert die Anlage ..." [ebd., 126]

"Im Merowingerreich erscheint nach unserer bisherigen Kenntnis der Monumente und Schriftquellen die Bordeauxer Anlage als vollkommener Einzelfall. Weder im sechsten noch in den folgenden Jahrhunderten merowingischer Herrschaft können wir die Erbauung auch nur einer einzigen echten Chorkrypta nachweisen. — Wir hätten daher allen Grund, im Falle der von Gregor beschriebenen Bordeauxer Anlage einfach an der Richtigkeit unserer Interpretation zu zweifeln, wüßten wir nicht ganz sicher, daß es zur Zeit Gregors eben doch schon echte Krypten gegeben hat, Krypten, die nicht seinem Jahrhundert, sondern einer noch früheren Epoche entstammen." [ebd., 127]

"In keinem Falle läßt sich nachweisen, daß man in spätrömischen oder merowingischen Jahrhunderten Kirchen mit echten Grabkrypten geschaffen, daß man also, wie es in späterer karolingischer Zeit geschah, die Chöre neuerrichteter Kirchen mit zugänglichen Grufträumen ausgestattet hätte, um dann dort verehrten Heiligen den endgültigen Ruheplatz zu geben.

Kein einziges Mal — und das ist wohl der sicherste Beweis gegen die ältere Auffassung, daß die Krypten in merowingischen Jahrhunderten die bevorzugtesten Stätten des Grabkults gewesen wären - hören wir in den zahlreichen Translationsschilderungen der Merowingerzeit, daß man einen Heiligen in eine Krypta transferiert hätte. Stets wird nur von Übertragungen an den Ehrenplatz hinter dem Altar der Oberkirche berichtet“. [ebd.,130]

"Während bezeichnenderweise nie von der Translation in eine Krypta berichtet wird, hören wir verschiedentlich, daß man in merowingischen Jahrhunderten Heiligenkrypten aufgab, um an ihrer Statt lieber dem Heiligen ein Prunkmonument in der Oberkirche zu errichten." [ebd.,131]

"... in keinem Falle läßt sich an Hand von Funden oder zuverlässigen Quellen nachweisen, daß die Franken der Merowingerzeit Krypten in unserem Sinne geschaffen hätten. Sie waren, wie eine Reihe von Nachrichten zeigen, nicht einmal besonders um die Erhaltung überkommener Krypten bemüht, sondern haben verschiedentlich die ursprünglichen Grabkammern der Heiligen aufgegeben und sogar zugeschüttet. ...

Die Annahme jüngerer Forscher, daß es eine kontinuierliche Entwicklung des Kryptenbaus nördlich der Alpen von vorchristlichen Jahrhunderten bis ins Hochmittelalter gegeben habe, findet in den Quellen und Funden der Merowingerzeit keinerlei Bestätigung." [ebd.,135]

"Erst die frühe Karolingerzeit bringt den auffälligen Umschwung, ein ganz neues Interesse für Krypten. An verschiedensten Plätzen des Frankenreiches beginnt man nun plötzlich, Kirchen mit Chorkrypten auszustatten, entstehen in rascher Folge eine ganze Zahl von Heiligengrüften. ... Da die ältesten uns erhaltenen Anlagen Ringkrypten sind, ist kaum ein Zweifel möglich, daß zunächst römisches Vorbild maßgebend war. Wenig später, und damit kompliziert sich das Bild, begegnen wir nun aber neben diesen Ringanlagen römischen Musters Chorkrypten anderer Gestalt, unterirdischen Kulträumen, die aus sich kreuzenden Gängen oder Kammern bestehen. Sie lösen die Ringkrypten nicht ab, sondern werden eine Zeitlang neben jenen geschaffen. Ob auch diese Kammer- und Stollenkrypten von römischen Vorbildern —- von den Katakombengrüften — herzuleiten sind oder ob sie anderen Ursprung haben, ist die umstrittene Frage ..." [ebd.,136]

"Die Fuldaer Krypten sind somit die ältesten uns bekannten Hallenkrypten des Mittelalters. Allerdings darf man sicher nicht an weiträumige Hallenkrypten im Stile des elften Jahrhunderts denken ... Sogar noch bei den Hallenkrypten des späten neunten Jahrhunderts finden wir niemals mehr als vier Säulen. ... Ganz klar zeigt sich nun gerade hier in Fulda, daß schon im frühen neunten Jahrhundert Krypta und Heiligengrab keineswegs grundsätzlich zusammengehören. Die Fuldaer Krypten wurden offensichtlich nicht als Grabkrypten geschaffen und haben auch in der Folgezeit offenbar nicht Zwecken des Grabkultes gedient." [ebd.,142f]

"Da nun aber, nach allen uns bisher bekannten Zeugnissen zu urteilen, Ringkrypten stets nur für ganze Heiligenleiber, niemals aber für kleinere Reliquien angelegt wurden ..." [ebd.,148]

"Wir haben jedenfalls nicht den mindesten Anhaltspunkt dafür, daß man die Kammerkrypten des frühen neunten Jahrhunderts etwa als Nachfolger der Außenkrypten zu Begräbniszwecken angelegt hätte. — Die Chorkrypten, und das ist wohl bezeichnend für die ursprüngliche Unabhängigkeit beider Typen voneinander, haben die Außenkrypten nicht abgelöst, beide Typen begegnen nebeneinander. Erst verhältnismäßig spät, im Verlauf des neunten Jahrhunderts, kommt es tatsächlich zu einer gewissen Verschmelzung von Chor- und Außenkrypten. Allem Anschein nach war das Heiligengrab in der Chorkrypta, der Wunsch, im Tode in nächster Nähe des Heiligen zu ruhen, Ursache dieser engeren Verbindung." [ebd.,152]

"... die offenbar doppelte Wurzel mittelalterlichen Kryptenbaus, das zunächst unvermittelte Nebeneinander mehrerer Kryptentypen, die sich nicht nur, wie man gemeint hat, in der Form, sondern auch in der Zweckbestimmung grundsätzlich unterscheiden. ... Noch im späten neunten Jahrhundert finden wir neben Hallenkrypten, die nunmehr den älteren Kammertyp endgültig abgelöst haben, hie und da Ringkrypten, Schon seit der Jahrhundertmitte, und zwar zuerst im Westen, treffen wir aber auch Mischformen, kommt es zur Verschmelzung von Ringanlage und Halle." [ebd.,156]

"Nur eine Gruppe der frühmittelalterlichen Krypten, die Ringkrypten (die höchstwahrscheinlich von den Katakomben herzuleiten sind), dienen tatsächlich dem Grabkult. — Alle uns erhaltenen Krypten des achten und frühen neunten Jahrhunderts, die für die Gebeine gefeierter Heiliger angelegt wurden, waren Ringanlagen römischer Art. Die älteren unter ihnen sind in engem Anschluß an die römischen Vorbilder geschaffen worden ..." [ebd.,156]

"Was für die Ringkrypten gilt, deren Bestimmung als Prozessionsweg, unterirdischer Zugang zum Heiligengrab ja schon in ihrer ganzen Anlage zum Ausdruck kommt, gilt nun aber keineswegs für alle die anderen Formen von Chorkrypten, die uns im frühen neunten Jahrhundert begegnen. Ganz offenbar wurden weder die Kammer- und Stollenkrypten noch die Hallenkrypten als Stätten des Grabkults oder eines besonderen Reliquienkults errichtet." [ebd.,157]

"Daß tatsächlich weder die Stollen- noch die Kammer- noch auch die Hallenkrypten als Stätten des Grabkultes geschaffen wurden, kann nach allen genannten Zeugnissen nicht im mindesten zweifelhaft bleiben.

Ob alle diese Krypten, die anscheinend regelmäßig mit einem oder sogar mehreren Altären ausgestattet waren, überhaupt einen ganz speziellen Zweck hatten oder ob sie lediglich wie auch andere Nebenkapellen großer Kirchen der Verehrung irgend eines Heiligen dienten, der in der betreffenden Kirche besonderes Ansehen genoß und dessen Altar man daher in einem eigenen Raum unterzubringen wünschte, müssen wir einstweilen offenlassen, Spezielle Grabräume waren sie jedenfalls nicht." [ebd.,157]

Kurz zusammengefasst:

Die einzigen Grabkrypten, d. h. Krypten, die für die Unterbringung eines Heiligengrabes und den Zutritt der Gläubigen an das Grab des Heiligen eigens errichtet wurden, waren die Ringkrypten und einige spätere Abwandlungen.

Die Stollen- und Kammerkrypten und die Hallenkrypten wurden nicht für den Grabkult erbaut.

Die verschiedenen Kryptenarten haben nicht einander abgelöst, sondern alle nebeneinander existiert.

Es gibt keine merowingischen Grabkrypten. Zu der von CLAUSSEN genannten einzigen Ausnahme siehe nächsten Abschnitt.

KUBACH äußert sich 1986 zur Entwicklung der Krypten:

"Bei der Krypta können wir Entstehung und Entwicklung der Bauform in den Hauptzügen gut erfassen. Darüber hinaus sind auch die Ursachen dafür greifbar. ... Das Grab des wichtigsten Märtyrers, später auch anderer Heiliger oder Kirchengründer, wurde gern in einer gemauerten und gewölbten Kammer angelegt, einer sogenannten Confessio. Die Frömmigkeit der Zeit verlangte nach körperlicher direkter oder indirekter Berührung oder doch Sichtbarkeit der Grabstätte. So legte man einen halb oder ganz unterirdischen Gang an, durch den man das Grab oder die Confessio umschreiten konnte. ... Die sogenannte Gangkrypta war geschaffen. Diese Entwicklung ging bereits in altchristlicher Zeit vor sich und ist bis ins 4. Jh. zurückzuverfolgen. Aber der Typus hielt sich bis in karolingische Zeit. ... War der Altarraum rechteckig statt halbkreisförmig, so folgte die Gangkrypta auch dieser Form, indem sie sie umwinkelte.

Es kam der Brauch auf, in einer Kirche nicht einen Altar anzuordnen, sondern mehrere. ... Was lag näher, als auch im Scheitel des Ganges einen Altar zu errichten? Für ihn brauchte man Platz, eine größere Nische oder eine nach außen vorgebaute Kammer nahm ihn auf. ...

Bis zu diesem Punkt der Entwicklung sind die Krypten architektonisch wenig interessant - mehr kellerartiger Gang als Raum. ... Doch dann kann man, vorzugsweise im 10. Jh., beobachten, wie sich die Räume weiten, miteinander verbinden und wie sich weitere Räume angliedern. Der östliche Altarraum wird größer, durch Stützen unterteilt, die Gewölbe tragen; manchmal wird er sogar zweigeschossig ausgebildet. Er wird dann zur Außenkrypta ..., und diese gleicht sich oft der späteren Form der Innenkrypta, der Hallenkrypta, an." [KUBACH, 24ff]

"In anderen Fällen gehen von der gewinkelten Gangkrypta Gänge oder Kammern nach Osten und Westen. Man nennt diesen Typus Stollenkrypta ...

Der Erdblock unter der Kirche, den diese Gänge durchziehen, kann so weit ausgehöhlt werden, daß zwischen den Stollen nur noch schmale Streifen stehenbleiben, in denen dann naturgemäß Mauerwerk die Erde ersetzt. Werden diese Mauern von Öffnungen durchbrochen, so sind wir dem Gesamtraum der Krypta schon ganz nahe. Das ist in einer ganzen Reihe bekannter Krypten des 10. und frühen 11. Jhs. der Fall: ... Mag hier noch der Eindruck paralleler und sich kreuzender Gänge überwiegen, so ist auf der nächsten Stufe klar, daß Räume durch Arkaden getrennt werden: ... Man könnte bei diesen letzteren durchaus schon von Hallenkrypten sprechen." [ebd., 26f]

"Diese Stufe der Kryptaentwicklung wirkt noch weit ins 11. Jh. hinein nach. So finden wir Tonnen mit Stichkappen noch in der frühromanischen Ostkrypta des Trierer Doms und in der Abdinghofkrypta zu Paderborn ... Erst der nächste Schritt führt zur eigentlichen Hallenkrypta der Frühromanik." [ebd., 27]

"Die romanische Hallenkrypta, in vielen hundert Beispielen über ganz Europa verbreitet, steht Anfang des 11. Jhs. fertig ausgebildet vor uns, in der Form, in der sie noch wenig verändert bis ins 12. und 13. Jh. fortlebt." [ebd., 53]

"Es scheint, daß die Vertreter früherer, vorromanischer Entstehung auf dem Rückzug sind, wenigstens hat sich die oben geschilderte ausgebildete Form nicht vor 1000 sicher nachweisen lassen. Die italienische Forschung scheint allerdings daran festzuhalten, daß Krypten dieser Art schon in karolingischer, ja vorkarolingischer Zeit entstanden seien (z. B. Mailand, S. Giovanni in Conca; Pavia, S. Eusebio, S. Antimo). Dabei muß man bedenken, daß italienische Krypten meist ältere Säulen wiederverwenden, so daß mit den Kapitellen auch die beste Datierungsmöglichkeit entfällt." [ebd., 54]

"Größe und Anlage der Krypta sind, wie selbstverständlich, von der zugehörigen Kirche abhängig. Zuweilen hat man den Eindruck, daß die Anordnung von Treppen in der Kirche, die Staffelung des Fußbodenniveaus, wichtiger wurde als der Kryptenraum. - Merkwürdigeweise wissen wir über Zweck und Nutzung der Krypta in ihrer ausgebildeten Former nur wenig. Gerade bei den großen Hallenkrypten fällt das Grab des Märtyrers oder eines heiligen Stifters meistens als Ursache dieser Anlage fort. Jede Krypta hat einen oder mehrere Altäre. Altardienst wurde also hier versehen. Die Gewinnung zusätzlicher Altarplätze könnte, ähnlich wie beim Chorumgang, ein Grund für Anlage und Ausdehnung von Krypten gewesen sein." [ebd., 54f]

"Oft wird sodann die Krypta in die Vierung (oder ins Ostjoch des Mittelschiffes) vorgezogen ... Es hat fast den Anschein, als ob auch in diesen Fällen mehr die »Bühne« in der Oberkirche als die Erweiterung der Krypta entscheidend gewesen wäre. ... In allen diesen Fällen wird die Krypta räumlich enger mit der Oberkirche verklammert. Am meisten ist dies aber da gegeben, wo die Krypta das ganze Querschiff ausfüllt." [ebd., 55]

WALLRATH hat nicht so sehr die Entwicklungsgeschichte der Krypta im Fokus, sondern hauptsächlich ihr "unverhofft plötzliches Verschwinden im endenden 12. und beginnenden 13. Jahrhundert" [WALLRATH, 273].

"Die Untersuchung über den Wandel der Reliquienverehrung verlangte breitesten Raum, da hier die ‚causa efficiens‘ für den Schwund der Krypten im Hochmittelaltar zu suchen ist." [ebd., 291]

"Die Entwicklungen des Reliquienkultes und der Krypta gehören in einer geschichtlichen Betrachtung eng zusammen; die Unterdrückung der Krypten und die Wandlungen der Reliquienverehrung bedingen einander.

Von hier fällt vielleicht auch noch ein Licht zurück auf die Bedeutung der Cluniazensisch-Hirsauischen Reform, die zum ersten Mal im Mittelalter die Krypta verneinte — viele Jahrzehnte vor der allgemeinen Aufgabe der Unterkirchen. Schon in den Reformklosterkirchen hatte sich der Altardienst in der Oberkirche ausgebreitet und in der vielfältigen Ausgestaltung der Ostpartie in Nebenchören und Chorkapellen seinen eigenen baukünstlerischen Ausdruck gefunden. Die in Frankreich schon rund 100 Jahre früher vorbereitete Umstellung in der Reliquienverehrung war hier sicher mitbestimmend." [ebd., 292]

SCHÜTZ/MÜLLER gehen auf die Entwicklungsgeschichte der Krypta nur kurz ein:

"Zu karolingischer Zeit entstand im Bereich des Sanktuariums noch ein weiterer Kultraum, die Krypta, die meist unterirdisch lag und der Reliquienverehrung, manchmal auch als Grabstätte diente. Damals setzte eine Entwicklung ein, die das Bild der Romanik entscheidend mitprägte. Ausgangspunkt war das Grab Petri in der römischen Peterskirche. Als dessen Zugang hatte Papst Gregor der Große um 600 einen ringförmigen Gang innerhalb der Apsis anlegen lassen; dieser führte zu einer rechteckigen Gebetskammer, der sog. „confessio“ mit der Kultstätte über dem Apostelgrab." [SCHÜTZ/MÜLLER, 24]

Nach ihnen brachte die karolingische Architektur vier Kryptentypen hervor [ebd., 24]:

Ringkrypta mit Confessio

Stollen- und Kammerkrypta

Außenkrypta

Hallenkrypta

"Dem vierten Kryptentypus karolingischer Zeit gehörte die Zukunft, der Hallenkrypta. Am Anfang der Entwicklung gab es zwei unterschiedliche Raumformen. Die erste entstand aus der Ringkrypta, indem die Trennmauer zwischen Umgang und Confessio durch Arkaden geöffnet wurde. ... Die zweite Raumform der Hallenkrypta war von Anfang an der Vierstützenraum, ein quadratischer Zentralraum, dem vier Säulen als Träger der Gewölbe eingestellt wurden. So entstanden insgesamt neun Gewölbeabschnitte, jedoch noch keine „Schiffe“, da dem Raum eine längsachsiale Ausrichtung fehlte." [ebd., 24]

"Seit spätottonischer Zeit wurde aus dem Vierstützenraum durch Verlängerung nun endlich die mehrschiffige, achsial ausgerichtete Hallenkrypta." [ebd., 25]

"Üblicherweise liegt die Hallenkrypta unter Sanktuarium und Apsis, doch wurde sie vielfach, manchmal auch erst nachträglich, bis unter die Vierung verlängert, ..." [ebd., 25]

"Voll ausgereift und zu einer Systemarchitektur weiterentwickelt war die Hallenkrypta in frühsalischer Zeit, so in den Ruinen von Hersfeld und Limburg an der Haardt, vor allem aber mit ungewöhnlich großen Abmessungen in St. Maria im Kapitol in Köln und den niederrheinischen Nachfolgebauten. Die großartigste aller Krypten und zugleich die größte ist die des Domes in Speyer, entstanden unter Konrad II. seit etwa 1030. Sie erstreckt sich als ausgedehnte Unterkirche bis in die Vierung und die beiden Querhausarme und besteht aus mehreren Vierstützenräumen, die durch gewaltige Pfeilerarkaden getrennt werden." [ebd., 25]

Die Dissertation von AHN (2004) folgt hinsichtlich der Entwicklung der Krypta BUSCHOW (siehe oben).

"Für die Entwicklung der Krypta ist die Confessio mit Ringstollen besonders wichtig. Den äußeren Anlass zur Errichtung der ringförmigen Confessio gab die in der Mitte des 7. Jahrhunderts beginnende und immer stärker werdende Reliquienverehrung der in den Katakomben beigesetzten Märtyrer und die Übertragung ihrer Überreste aus den verfallenden Katakomben in die innerhalb der Stadt liegenden Kirchen. ... Um unabhängig vom Kirchengrundriss eine Weiterentwicklung zu ermöglichen, ging die Anlage zu einer confessioartigen Anlage mit geraden Stollen über." [AHN, 52]

"Überdies trat ihr Ursprung bald zurück und die architektonische Entwicklung zur geräumigen Hallenkrypta für verschiedene Verwendungszwecke wurde frei. Sie zog viele der Pastophorienfunktionen an sich; Reliquien wurden aufbewahrt, private Gebete vorgetragen, Bestattungen vorgenommen und ein Marienaltar aufgestellt. Sie wurde die vornehmste Privatandachtskapelle, weil Maria als die Hauptfürsprecherin gilt galt und Heilige in Gestalt der Reliquien anwesend waren ..." [ebd., 53]

"In der Regel wurden die Krypten unter dem Chor gebaut oder an den Chor angebaut, jedoch nicht ganz in den Boden versenkt, so dass sie noch aus kleinen Fenstern einiges Licht empfingen. Daraus ergab sich, dass der Boden des Chores gegenüber dem Langhaus erhöht wurde ..." [ebd., 53]

"Krypten wurden nicht mehr gebaut, nachdem die Reformen der Cluniacenser und der Hirsauer, die ganz neue Gedanken und Anschauungen in die damalige Geisteswelt brachten, den Bau der Krypten verboten ..." [ebd., 54]

Eine umfangreichere Arbeit wurde 2011 von KLEIN vorgelegt. Sie titelt ihre Arbeit "Funktion und Nutzung der Krypta im Mittelalter", wobei sie sich hauptsächlich auf italienische Hallenkrypten beschränkt. Andere Kryptenarten, wie die Ringkrypta, werden nur am Rande erwähnt.

KLEIN führt eine neue Kategorie an Krypten ein, die sie Aufwandsbauten nennt, also Bauten, die keine liturgische Funktion besaßen, sondern allein der Repräsentation dienten.

Zur Entwicklungsgeschichte der Krypta lässt sich KLEIN nicht aus, vielleicht aufgrund ihrer Beschränkung auf die Hallenkrypten Italiens.

Auszüge aus ihrer Zusammenfassung:

"Es konnte gezeigt werden, dass die Hauptaufgabe einer Krypta in der Aufnahme des Heiligengrabs gelegen hat ... Das Sepulchrum hat sich in nahezu allen überprüfbaren Fällen in einer vertikalen Achse unter dem Hauptaltar der Oberkirche befunden, wodurch ein enger Bezug zwischen dem Chor und der darunter liegenden Krypta entstand.

...

Neben ihrer kultischen Funktion lassen sich in der Kryptenarchitektur aber auch weitere Aufgaben feststellen. Die wichtigste ist die Vergrößerung der Grundfläche für den Bau der Oberkirche, also die Nivellierung von unebenem Gelände. Dafür bietet sich die Hallenkrypta an, da ihr Grundriss immer dem der Oberkirche folgt und ihr System aus kleinen Kreuzgratgewölben dem Bau mehr Stabilität gibt. Die Fülle an unterschiedlichen Lösungen zeigt deutlich, dass der Kryptenbau den individuellen, ortsgebundenen Anforderungen entgegenkommt. Diese Anforderungen ergeben sich zum einen aus der jeweils unterschiedlichen topographischen Situation, zum anderen aber auch aus dem Anspruch des jeweiligen Bauherrn. Die Krypta hebt den Chor oder vergrößert die Grundfläche der Kirche, sie rahmt durch ihre anspruchsvolle und kostbare Architektur mit Gewölben und Säulen das Heiligengrab und wertet die Kirche auf, deren Herr sich derartiges leisten kann.

Liturgische Anforderungen und die Nutzung für Prozessionen konnten nicht festgestellt werden. Gerade unter den Großbauten fanden sich Beispiele, die keine Krypta aufwiesen, obwohl sie bedeutende Reliquien besaßen (Montecassino und Como) und einen herrschaftlichen Anspruch zum Ausdruck bringen wollten (Pisa). An diesen Beispielen zeigt sich deutlich, dass keine liturgische Notwendigkeit für den Bau einer Krypta bestand, sondern dass vielmehr die Krypta Aufwandsarchitektur ist, die ihre Aussage hat — nämlich das Heiligengrab in einem entsprechenden Rahmen zu präsentieren. ... Im Verlauf des 12. und vor allem des 13. Jahrhunderts wird der Verzicht zur Regel — die Krypta verschwindet aus den Kirchen." [KLEIN, 82ff]

KLEIN spricht zwar die verschiedenen Seiten der Kryptenproblematik an, wie die Sepulkralfunktion, die liturgische Funktion und die architektonische Komponente, doch am Schluss bleibt der Leser m. E. ohne wirklichen Erkenntnisgewinn zurück. Es ist kein Fortschritt gegenüber der 60 Jahre älteren Dissertation CLAUSSENs zu erkennen, eher ein Rückschritt.