Kein frühchristlicher Kirchenbau in Nordafrika - Michael Meisegeier - E-Book

Kein frühchristlicher Kirchenbau in Nordafrika E-Book

Michael Meisegeier

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Beschreibung

Mehr als 200 nordafrikanische Kirchenbauten sind der Forschung bekannt, die alle der Zeit vom frühen 4. Jh. bis in das 7. Jh. vor der arabischen Invasion zugeordnet werden. Der Autor behauptet, dass die Kirchenbauten in der großen Mehrzahl nach der byzantinischen Zeit errichtet wurden, im 11. bis 13. Jh. Er sieht entgegen der aktuellen Forschungsmeinung eine afrikanische Romanik, die parallel zur europäischen Romanik existierte. Das vorliegende Buch ist der Versuch, die tatsächliche Ereignisgeschichte und die Geschichte des Kirchenbaus Nordafrikas zu rekonstruieren.

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Der Autor wurde 1950 in Erfurt geboren. Er studierte in Weimar Bauingenieurwesen und schloss das Studium 1977 mit der Promotion ab. Danach war der Autor bis zum Eintritt in den Ruhestand im Jahr 2015 in einem Erfurter Planungsbüro tätig.

Seit mehr als 40 Jahren beschäftigt sich der Autor mit romanischer und vorromanischer Kunst sowie mit der Geschichte des frühen Kirchenbaus vom frühchristlichen Kirchenbau bis zum Kirchenbau des 13. Jahrhunderts.

Veröffentlichungen des Autors zum Thema:

"Frühe Kirchenbauten in Mitteldeutschland. Alternative

Rekonstruktionen der Baugeschichten"

2. überarbeitete und ergänzte Auflage

Im Anhang: Frühe Geschichte Mitteldeutschlands - Versuch

einer Rekonstruktion 2019, 302 S., BoD-Books on Demand, Norderstedt

ISBN: 9783749454624

"Der frühchristliche Kirchenbau - das Produkt eines

Chronologiefehlers. Versuch einer Neueinordnung mit Hilfe der HEINSOHN-These"

Im Anhang u. a. Exkurs: Die Erschaffung der karolingischen und ottonischen Baukunst

2017, 280 S., BoD - Books on Demand, Norderstedt

ISBN: 9783848256686

"Das Heilige Grab in Gernrode - alles klar, oder? Eine alternative Baugeschichte"

Im Anhang Exkurs: Die "Reliquienkammer" in der Ostkrypta der Stiftskirche in Gernrode

2018, 60 S., BoD-Books on Demand, Norderstedt

ISBN: 9783746097381

"Die ottonischen Kirchen St. Servatii, St. Wiperti und St.

Marien in Quedlinburg. Eine notwendige Revision"

2018, 104 S., BoD-Books on Demand, Norderstedt

ISBN: 9783752824902

"Frühe Kirchenbauten in Deutschland - alle zu früh datiert.

Kirchenbau ohne Karolinger, Ottonen, Salier, Staufer"

Im Anhang: Exkurs: Schweizer Beispiele

2019, 284 S., BoD - Books on Demand, Norderstedt

ISBN: 9783749483129

"Frühe Kirchenbauten in Frankreich. Alternative

Rekonstruktionen der Baugeschichten"

Im Anhang: Frühe Kirchenbauten in Deutschland und in der Schweiz - eine Nachlese

2020, 204 S., BoD - Books on Demand, Norderstedt

ISBN: 9783750436848

"Frühe Kirchenbauten in Italien. Alternative Rekonstruktionen der Baugeschichten"

2020, 308 S., BoD - Books on Demand, Norderstedt

ISBN: 9783751934053

"Frühe Kirchenbauten in England, Schottland und Irland.

Alternative Rekonstruktionen der Baugeschichten"

2020, 260 S., BoD - Books on Demand, Norderstedt

ISBN: 9783752689587

"Frühe Kirchenbauten in Spanien und Portugal. Alternative

Rekonstruktionen der Baugeschichten"

2021, 444 S., BoD - Books on Demand, Norderstedt

ISBN: 9783754321416

Inhaltsverzeichnis

Vorwort zur 2. Auflage

Vorbemerkungen

Chronologische Verwerfungen - die HEINSOHN-These

Die Reichskirche und das Papsttum

Seit wann gibt es Kirchen?

Kirchenbau im Westen

Das römische Nordafrika - Geschichtliches

Die kirchliche Entwicklung in Africa

Donatistenstreit

Tertullian, Cyprian von Karthago, Augustinus von Hippo

Märtyrer- und Reliquienkult

Eine afrikanische Ära

Die materielle Hinterlassenschaft und ihre Erschließung

Probleme bei der Datierung der christlichen Monumente

Die "afrikanische Basilika"

Byzantinische Basiliken?

Eine afrikanische Romanik

Ausgewählte Kirchenbauten

Castellum Tingitanum (Orléansville, al-Asnam, Chlef), Basilika

Karthago, Drei Friedhofsbasiliken im Norden

Karthago, Basilika von Bir Ftouha

Tipasa, Große Basilika ("grande basilique" (cathédrale))

Cuicul (Djémila), sog. Bischofsgruppe

Cuicul (Djémila), Kirche IV oder Kirche des westlichen Viertels

Sitifis (Sétif), sog. Kirchen A und B

Rusguniae (Matifou), Basilika

Iomnium (Tigzirt), Kirche I, sog. Große Basilika sowie die Kirchen II bis IV

Thamugadi (Timgad), Kirchen I bis XI

Hippo Regius (Hippone), Basilika

Theveste (Tebessa), sog. Pilgerheiligtum

Bulla Regia (Hammam-Darraji), Kirchen I und II

Sicca Veneria (El Kef), Kirche St. Peter (oder Dar el Kous)

Belalis Maior (Henchir el-Faouar), Kirchen I und II

Thuburbo Maius (Henchir Kasbat), Kirche

Ammaedara (Haïdra), Kirche I (Melleus-Kirche) und Kirche II (der Märtyrer)

Demna (Oued el Ksab), sog. Kirche des Priesters Felix

Uppenna (Henchir Chegarnia, Henchir Fraga)

Siagu (Ksar ez Zit), Kirche I

Thelepte (Medinet-el-Kedima), Kirchen I und III

Sufetula (Sbeitla), die sog. Bischofsgruppe

Sufetula (Sbeitla), Kirche VI, sog. Kirche der Heiligen Silvanus und Fortunatus

Iunca oder Macomades Minores (Borj Yonga), Kirchen I und III

Karthago, Rund-Monument

Karthago, sog. Basilika von Carthagenna

Karthago, Die Basiliken Dermech I und II

Mactaris (Makthar), sog. Hildeguns-Kirche

Literaturverzeichnis:

Vorwort zur 2. Auflage

Die 2. Auflage beseitigt die mir im Zusammenhang mit der Bearbeitung der französischen Ausgabe aufgefallenen Schreib-, Transformations- und Übersetzungsfehler.

Da mein Französisch nur lückenhaft ist, hatte ich für die Übersetzung vom Französischen ins Deutsche als auch umgekehrt die kostenlose Version des Programms DeepL Übersetzer (https://www.deepl.com/de/translator) genutzt. Darüber hinaus mussten für die Nutzung des Übersetzungsprogramms analog vorliegende Texte digitalisiert werden, d. h. zuvor gescannt bzw. fotokopiert und danach mit einer OCR-Software bearbeitet werden.

Dieser gesamte Prozess der Aufbereitung ist natürlich einigermaßen fehleranfällig, was mir zunächst nicht so aufgefallen war. Dadurch hatten sich einige Fehler eingeschlichen, die ich bei der Schlussdurchsicht leider nicht bemerkt habe.

Die Summe der inzwischen bekannt gewordenen Fehler hat mich veranlasst, eine korrigierte Neuauflage herauszubringen. Sollte der Leser noch weitere solche Fehler entdecken, so bitte ich diesbezüglich um Nachsicht.

Vorbemerkungen

Das Hauptaugenmerk meiner bisherigen Veröffentlichungen galt den frühen Kirchenbauten auf dem Gebiet des ehemaligen Weströmischen Reichs, wobei ich bewusst das weströmische Territorium in Nordafrika bisher weitgehend außen vor ließ.

In meinem 2017 veröffentlichten Buch über den frühchristlichen Kirchenbau hatte ich jedoch auch einige Kirchenbauten des Ostreichs und ein herausragendes nordafrikanisches Denkmal, das angeblich frühchristliche Pilgerheiligtum von Tebessa im heutigen Algerien, näher betrachtet und letztendlich in das 12./13. Jh. u. Z. datiert - wie ich generell den vermeintlich frühchristlichen Kirchenbau in romanischer Zeit sehe.

Nunmehr möchte ich die Lücke schließen und den angeblich frühchristlichen Kirchenbau in Nordafrika aus der Sicht der HEINSOHN-These, deren Gültigkeit ich bei allen meinen Untersuchungen voraussetze, etwas näher betrachten.

Da ich mich bisher kaum mit den von der Forschung als frühchristlich eingeordneten Denkmälern in Nordafrika befasst habe, war die Beschäftigung mit den einzelnen Denkmälern jedes Mal für mich eine spannende Unternehmung.

Leider ist die Quellenlage zu den nordafrikanischen Kirchen m. E. insgesamt nicht sonderlich günstig. Bei Wikipedia sind nur zu einigen sehr bekannten Bauten einige Informationen verfügbar. Darüber hinaus sind im Internet erfreulicherweise einige, vorwiegend jüngere Arbeiten zu finden. Hauptquelle für mich waren aber die Inventare der christlichen Basiliken Nordafrikas für Algerien und Tunesien, die den aktuellen Forschungsstand zusammenfassen.

Verantwortlich für den schlechten Informationsstand sind verschiedene Faktoren. So ist kein einziger Bau unversehrt erhalten. Die meisten sind zumindest als Ruinen noch sichtbar, einige aber auch nicht mehr.

Die archäologischen Grabungen, die im 19. und zu Beginn des 20. Jh. z. T. durch Laien durchgeführt wurden, und deren Auswertung genügten in keiner Weise den Anforderungen einer modernen Archäologie, zumal der Fokus damals eher nicht auf die Rekonstruktion der Baugeschichte gerichtet war. Später erfolgte Nachgrabungen führten sicher zu einem zusätzlichen Informationsgewinn, konnten aber sicher den Schaden durch die unsachgemäße Ausgrabung nicht wieder wettmachen.

Traurig stimmt auch, dass das bedeutende historische Erbe in den betreffenden Ländern offenbar zumindest in der Vergangenheit nicht die Wertschätzung erhielt, die es aus unserer Sicht verdient hätte. Diesen, heute islamischen Ländern ist eigentlich kein Vorwurf zu machen, dass sie dieses christliche Erbe nicht als ihr Erbe sehen. Die Römer kamen damals als Eroberer und vernichteten die einheimische punische Kultur. Die Vandalen werden als Eroberer wahrgenommen, die Byzantiner nicht weniger. Das besondere Interesse der Kolonialmächte an diesem Erbe dürfte auch nicht zu mehr Begeisterung geführt haben, bekräftigte dieses doch eher die Vorurteile.

Sicher hat der Tourismus und die Einordnung als Weltkulturerbe, beides mit finanziellen Einnehmen und Arbeitsplätzen verbunden, heute in diesen Ländern zu einem ersten Umdenken geführt, wobei es bis zu einer wirklichen Verinnerlichung dieses Erbes anscheinend noch ein weiter Weg ist. Leider ist es für viele Denkmäler offenbar schon heute fast zu spät.

Für die Übersetzung der fremdsprachiger Texte habe ich vorwiegend die kostenlose Version von www.DeepL.com/Translater verwendet. In den Zitaten evtl. vorhandene Quellenangaben habe ich weggelassen. Interessenten mögen diese bei Bedarf aus den von mit zitierten Quellen entnehmen.

Chronologische Verwerfungen - die HEINSOHN-These

Die uns heute bekannte und allseits anerkannte, sozusagen sakrosankte Chronologie der geschichtlichen Ereignisse gibt es eigentlich erst seit dem ausgehenden 16. Jh., aufgestellt von einem der größten Gelehrten des ausgehenden 16. Jh., Joseph Justus Scaliger.

Für eine kleine, jedoch nur kurz andauernde Erschütterung, zumindest in Deutschland, sorgte ca. 1990 ILLIG mit seiner Phantomzeitthese, nach der er die Zeit von 614 bis 911 als Phantomzeit ansieht und ersatzlos streicht und damit Karl den Großen und seine Zeit in das Reich der Märchen verbannt. Reale Bauten, die traditionell dieser Zeit zugeordnet werden, datiert er entweder vor 614 bzw. nach 911.

Nach einem kurzen medialen Hofieren im TV folgte ein Shitstorm von der Fachwelt wie von Laien und danach ein völliges Ignorieren (Totschweigen) seiner offenbar unbequemen These, womit man glaubt, diese damit aus der Welt zu schaffen. ILLIG vertritt bis heute seine These. Für meine Begriffe greift jedoch ILLIGs These zu kurz.

Seit etwa 2013 wird die von Gunnar HEINSOHN erarbeitete These der radikalen Verkürzung der traditionellen Chronologie des ersten Jahrtausends auf ca. 300 Jahre in einem begrenzten Personenkreis diskutiert. Wohlweislich vermied HEINSOHN bisher den großen Auftritt, vermutlich um nicht ähnlich wie ILLIG zu enden.

Ich möchte an dieser Stelle nur kurz auf die HEINSOHN-These eingehen, die ich prinzipiell für zutreffend erachte. Das habe ich bereits in meinen früheren Veröffentlichungen getan, z. B. [MEISEGEIER 2017, 12ff] und [MEISEGEIER 2019-1, 252ff].

HEINSOHN, der seine These vorwiegend stratigraphisch begründet, sieht die Zeitabschnitte der Jahre 1 - 230 in Westrom und 290 - 520 in Ostrom bzw. Byzanz sowie Anfang 8. Jh. - 930 im Norden und Nordosten zeitgleich. Er sieht jeweils am Ende dieser Zeitabschnitte, d. h. um 230 in Westrom, um 520 in Byzanz und um 930 im Norden/Nordosten eine größere Naturkatastrophe, die derzeit als drei einzelne Katastrophen erscheinen, die jedoch für ihn eine globale Naturkatastrophe darstellen.

HEINSOHN gibt auf der Webseite www.q-mag.org/gunnar-heinsohns-latest.html unter dem Artikel "The Creation of the First Millenium" eine Kurzvorstellung seiner Hauptthesen.

Weiterhin ist eine 70-seitige englische Kurzfassung des rund 700-seitigen deutschen Manuskriptblocks von WIE LANGE WÄHRTE DAS ERSTE JAHRTAUSEND? unter http://www.q-mag.org/gunnar-heinsohn-the-stratigraphy-of-rome-benchmark-for-the-chronology-of-the-first-millennium-ce.html zu finden.

Bei der Erstellung der Chronologie wurden diese an sich zeitgleichen, nur regional realen Zeitabschnitte hintereinander gesetzt, womit zwangsläufig eine Verlängerung der Chronologie einherging.

Die letzte Konsequenz aus der HEINSOHN-These ist, dass die Chronologie eine ca. 700 Jahre währende Phantomzeit enthält, womit sich die reale Dauer des ersten Jahrtausends auf 300 Jahre reduziert.

Von der "Region Westrom" aus gesehen, sind die Jahre 230 - 930 Phantomzeitjahre, von der "Region Byzanz" die Jahre 0 - 230 und 520 - 930 sowie von der "Region Norden und Nordosten" die Jahre 0 - 700.

Diese wurden nachträglich - vielleicht erst im Zusammenhang mit der Schaffung der Chronologie im 16. Jh. - gefüllt - mit realer Ereignisgeschichte, die falsch datiert ist, und frei erfundener "Geschichte".

So erscheint heute z. B. die reale Geschichte des spätantiken Byzanz um 284 Jahre zu Westrom versetzt.

Natürlich ist ein einfaches Streichen der o. a. Phantomzeit-Abschnitte aus der Geschichte nicht möglich. Zuvor wäre die reale Ereignisgeschichte aus der Phantomzeit herauszulösen und "richtig" einzuordnen.

Eine weitere, schwer zu durchschauende Komplikation ergibt sich daraus, dass insbesondere Ereignisse der weströmischen Antike, die es in die byzantinische Geschichtsschreibung "geschafft" haben, infolge der nachträglichen, spätantiken Bearbeitung nicht weströmisch, sondern spätantik datiert sind.

Das betrifft insbesondere die Datierung aller römischer Kaiser von Nerva (trad. 96-98) bis (vermutlich) Phokas (trad. 602610).

Die römischen Kaiser vor Nerva, d. h. von Augustus (trad. 27 v. Chr.-14 n. Chr.) bis Domitian (trad. 81-96), sind möglicherweise fiktiv. Sie füllten die durch die erste chronologische Verschiebung entstandene Lücke (siehe unten) und stellten somit den personellen Anschluss an die Republik her. HEINSOHN hatte in "Wie lange währte das Erste Jahrtausend" (Version 2017, S. 208) für die Kaiser Augustus bis Severus Alexander (diese als Romherrscher) die traditionelle Datierung beibehalten und diese parallel zu den Kaisern Diokletian bis Anastasios (diese außerhalb Rom herrschend) gesetzt. Der Gedanke, dass die römischen Kaiser bis Nerva zu verschieben sind, stammt von Jan BEAUFORT. Ich schließe mich dieser Idee an. Insbesondere die nordafrikanische römische Siedlungsgeschichte unterstützt nach meiner Auffassung diesen Ansatz.

Dabei darf jedoch nicht vergessen werden, dass die Liste der römischen Kaiser einschließlich ihrer Herrschaftszeiten konstruiert ist und nicht die Realität widerspiegelt. Das hat ARNDT in seiner jüngsten Veröffentlichung [ARNDT 2021] deutlich gemacht. Ich gehe jedoch davon aus, dass zumindest die Herrscherliste von Nerva (ab 96 n. Chr., korr. 188 v. Chr.) bis Phokas (bis 610, korr. 1028 u. Z.) der Wirklichkeit am nächsten kommt, auch wenn sie zweifellos in diesem Zeitraum ebenfalls konstruiert ist und sicher auch überzählige Herrscher enthält. Die Kaiser vor Nerva und nach Phokas dürften sämtlich erfunden sein. Das traditionelle Ende von Byzanz 1453 halte ich für ein Konstrukt. Endete Byzanz eventuell bereits lange vorher, z. B. nach der Plünderung Konstantinopels 1204 durch die Kreuzfahrer des Vierten Kreuzzuges und der Gründung des sog. Lateinischen Kaiserreichs, das bis 1261 existiert haben soll? (vielleicht ist letzteres ebenfalls nur ein Konstrukt)

Da die Numismatik sich unmittelbar an die Kaisergeschichte anlehnt, sind Münzen i. d. R. immer spätantik datiert.

Im Erkennen der realen Ereignisgeschichte liegt die eigentliche Schwierigkeit. Bei der Beschäftigung mit der Geschichte sind wir generell auf verlässliche Quellen angewiesen, seien es Schriftquellen oder auch materielle Zeugnisse wie weitgehend erhaltene oder archäologisch gesicherte Denkmäler, wobei Schriftquellen gefälscht und materielle Zeugnisse fehlinterpretiert sein können - ein unendliches Feld für potentielle Irrtümer.

Zur Entstehung dieses Chronologiephänomens hier nur so viel dazu: Anscheinend gab es im ersten Jahrtausend zwei Veränderungen in der Chronologie der Ereignisgeschichte. (Diese Überlegung, die ich noch heute für zutreffend erachte, stammt ursprünglich von Jan BEAUFORT im Zusammenhang mit der Diskussion der HEINSOHN-These.)

Eine erste mit der allgemein bekannten, mit dem Namen Dionysius Exiguus verbundenen Einführung der Zeitrechnung nach Christi Geburt unter Justinian I. im 6. Jh., bei der wahrscheinlich die weströmische Antike gegenüber der Spätantike um 284 Jahre in die Vergangenheit verschoben wurde. Etwa ein Jahrhundert später erfolgte eine nochmalige Korrektur des Zeitpunktes der Geburt Christi. Byzanz wähnte sich nicht im 7. Jh. n. Chr., sondern bereits im 11. Jh. n. Chr., womit eine weitere Verschiebung der gesamten bisherigen Ereignisgeschichte in die Vergangenheit um 418 Jahre stattfand. Initiator kann nur das byzantinische Kaiserhaus gewesen sein. Diese zweite Verschiebung blieb offenbar nach außen unbemerkt, genauso ist ihr Motiv unbekannt (Byzanz hatte sicher kein Interesse daran, diese Verschiebung wem auch immer bekannt zu machen. Wer hätte sie sonst publik machen können?). Mit dieser zweiten Verschiebung entstand unsere aktuelle Zeitrechnung nach u. Z., die nach meiner Auffassung jedoch erst mit den Kreuzzügen nach Europa kam, also frühestens im 12. Jh., und die erst in der Folgezeit sukzessive übernommen wurde.

Die Zeitgleichheit von Antike, Spätantike und Frühmittelalter erfordert jedoch zum Verständnis der Ereignisgeschichte eine Vereinbarung zur Korrektur der Datierung.

Hilfsweise kann man sich vorstellen, dass im antiken Westrom, in Byzanz und im Norden/Nordosten (West- und Mitteleuropa) unterschiedliche, zueinander versetzte Zeitrechnungen bzw. Datierungen existierten.

Aus der HEINSOHN-These folgt unausweichlich, dass chronologisch auf die römische Antike unmittelbar das Mittelalter folgt.

Die Geschichte des Frühmittelalters ("Region Norden und Nordosten"), die HEINSOHN samt den Karolingern und Karl dem Großen in die Antike verortet (wobei ich mit ihm diesbezüglich im Dissens verblieben bin), kann bei dem hier gewählten Thema unberücksichtigt bleiben.

Ich arbeite im Weiteren aus rein praktischen Gründen konsequent mit den Katastrophenjahren 238, 522 und 940 und den Differenzjahren der spätantiken Datierung zur weströmisch-antiken Datierung von -284 Jahren bzw. zur heutigen Datierung nach u. Z. von +418 Jahren, auch wenn andere Autoren, die mit der HEINSOHN-These arbeiten, geringfügig abweichende Jahreszahlen für die Katastrophenjahre und die Differenzjahre verwenden. Für mein spezielles Anliegen spielt die jahrgenaue Datierung eine untergeordnete Rolle.

Die Reichskirche und das Papsttum

Die traditionelle Forschung schreibt die Begründung der römischen Reichskirche Kaiser Theodosius I. (trad. 379-395) zu, wogegen die neuere Forschung, u. a. auch BEAUFORT, eher Justinian I. diesbezüglich als Protagonisten sieht. Ich habe ich mich der neueren Forschungsmeinung angeschlossen, wonach Kaiser Justinian I. (trad. 527-565) den Katholizismus zur Reichsreligion erhob und die römische Reichskirche begründete. In [MEISEGEIER 2017, 9ff] habe ich dazu etwas mehr ausgeführt.

Der Katholizismus war damals eine von mehreren nebeneinander existierenden, christlichen Glaubensrichtungen, die sich u. a. z. B. in der Christologie und den Trinitätsvorstellungen vom Katholizismus unterschieden.

Mit der Auswahl des Katholizismus durch Justinian I. wurden die anderen christlichen Glaubensrichtungen als Irrlehren eingeordnet und unter dem Sammelbegriff "Arianismus" verketzert.

Justinian I. gründete zur Organisation der von ihm gegründeten Reichskirche fünf Patriarchate, neben Konstantinopel, Alexandria, Jerusalem und Antiochia im Oströmischen Reich auch eines auf dem Gebiet des ehemaligen Weströmischen Reichs - Rom.

Die korrigierten Herrscherdaten von Justinian I. sind 945-983 u. Z., d. h. er herrschte im späten 10. Jh.

Wikipedia: "Die Patriarchate waren untereinander ranggleich und standen zueinander in einer festen Ehrenordnung, deren Spitze Rom mit den Gräbern der Apostel Petrus und Paulus als Primus inter pares bildete." [https://de.wikipedia.org/wiki/Patriarchat_(Kirche)]

Nach meiner Auffassung ist die Ranggleichheit mit dem Vorrang von Rom eine spätere Interpretation der römischen Kirche. Das Patriarchat Konstantinopel, wo sich die Residenz Justinians I. befand, dürfte die Oberhoheit zunächst innegehabt haben.

Die Keimzelle des Papsttums war das von Justinian gegründete Patriarchat Rom.

Schon wenige Jahrzehnte nach dessen Gründung bemühte sich die römische Kirche, die Vormundschaft Konstantinopels abzuschütteln. Rom nahm für sich in Anspruch, die Herrschaft über die Christen im Westen auszuüben.

Im sogenannten Streit um den Ostertermin ging es in Wirklichkeit um die Befreiung aus dieser Vormundschaft. Dieser Befreiungsschlag gelang letztendlich 1054 mit der Trennung von Ost- und Westkirche. Der Patriarch von Rom und Bischof von Rom "firmiert" seit dieser Zeit als Papst

Meine Sicht der Entstehung des Papsttums im 11. Jh. widerspricht scheinbar der schriftlichen Überlieferung, z. B. dem Liber Pontificalis. Der Liber Pontificalis ist eine chronologisch geordnete Sammlung von Biographien der Päpste und entstand nach traditioneller Auffassung in seiner ersten Ausgabe um 530 mit Felix III. (526-530) als letzten Papst [https://de.wikipedia.org/wiki/Liber_Pontificalis].

"Der Liber Pontificalis wurde im 6. Jahrhundert in mehreren Stufen aktualisiert und ab dem 7. Jahrhundert mehr oder weniger regelmäßig nach dem Ableben eines Papstes aktualisiert. Der ältere Text bricht im 9. Jahrhundert mit dem Pontifikat von Stephan V. (Papst) ab. Eine Neuredaktion des Buches begann im 12. Jahrhundert durch Kardinal Boso." [ebd.]

Den Liber Pontificalis in seiner ersten Ausgabe halte ich für eine weitgehend zuverlässige Quelle. Der o. a. Widerspruch lässt sich leicht auflösen. Mit der Verschiebung der Antike zuerst um 284 Jahre und dann noch einmal um 418 Jahre in die Vergangenheit (in Summe 702 Jahre) wurde auch die Auflistung der Päpste mit verschoben, da der Liber Pontificalis bereits in der Antike beginnt (nach https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_Päpste ist Anterus 235/236 "der erste historisch eindeutig gesicherte Bischof von Rom"). Da der Liber Pontificalis keine direkten Jahreszahlen aufführt, sondern nur die Päpste und die Dauer der Pontifikate, wurde der gesamte Block verschoben. Die heute bekannten Datierungen der Pontifikate in der Papstliste sind später erfolgt. Die tatsächlichen Datierungen der Pontifikate - bezogen auf unsere gültige Chronologie - erhält man, indem man jeweils 702 Jahre hinzuzählt. Damit endet die erste Ausgabe des Liber Pontificalis im Jahr 1232.

ARNDT hat sich u. a. auch mit dem Liber Pontificalis befasst. Er kommt zu dem beachtenswerten Ergebnis, "dass die Papstliste von 685-1455 AD ganz offensichtlich aus Kopien vorangegangener Abschnitte sowie Konstruktionen besteht" [ARNDT 2015, 194]. Nach ihm scheint der Teilabschnitt 314532 der von Fälschungen am wenigsten betroffene zu sein. Davor und danach sieht ARNDT eindeutige Indizien für eine "Konstruktion".

Die Päpste des 4. Jh. und großen Kirchenbauten Roms wie die Laterankirche und Alt-St.Peter (traditionell Anfang 4. Jh.) gelangen damit in das 11. Jh. (siehe dazu [MEISEGEIER 2017]).

Seit wann gibt es Kirchen?

Dieser Abschnitt ist im ersten Teil im Wesentlichen eine Übernahme der Einleitung aus meinem Buch zum frühchristlichen Kirchenbau [MEISEGEIER 2017, 9ff].

Der Beginn des monumentalen Kirchenbaus wird traditionell mit der Regierungszeit von Kaiser Konstantin I. verbunden. Als markantes politisches Ereignis gilt die berühmte Mailänder Vereinbarung von 313 (das sog. Toleranzedikt), in der durch Konstantin und Licinius „allgemeine Religionsfreiheit, namentlich für das corpus Christianorum, d. h. für die christliche Gemeinde, und die Rückgabe des ihr in der Verfolgung entzogenen Eigentums“ [DEMANDT, 42] bestätigt wird.

Konstantin I. soll bereits 312, also zeitlich vor der Mailänder Vereinbarung, die Lateranbasilika für den Bischof von Rom gestiftet haben. 324 bis 326 folgen die Petersbasilika und die Umgangsbasilika für Marcellinus und Petrus [ebd, 42]. „Nicht nur in Rom und Konstantinopel, sondern im ganzen Reich hat der Kaiser den Kirchenbau gefördert…Insbesondere im Heiligen Lande entstanden monumentale Kirchenbauten, so die Basilika von Mamre, sowie die Geburtskirche in Bethlehem und die Himmelfahrtskirche auf dem Ölberg…Die Grabeskirche nahe der Schädelstätte wurde mit besonderem Aufwand errichtet und zu den Tricennalien des Kaisers am 17. September 335 eingeweiht.“ [ebd, 51].

Doch es regen sich Zweifel. Das so genannte Toleranzedikt kann kaum der Auslöser für den angeblich von Konstantin initiierten monumentalen Kirchenbau gewesen sein. Eine sozusagen übergangslose Errichtung solch monumentaler und repräsentativer Kulträume, für die gar kein, den riesigen Räumlichkeiten entsprechender Kult bestand, steht im Widerspruch zum damaligen Entwicklungsstand des Christentums. Ein dazu gehörender gestiegener Repräsentationsanspruch und ein entsprechend ausgestalteter Kult, aus denen solche neuen Anforderungen an die Räumlichkeiten und die Ausschmückung der Kulträume resultieren können, sind zum damaligen Zeitpunkt noch lange nicht vorhanden.

Erst mit der Erhebung des Christentums zur Reichsreligion und der Schaffung der Reichskirche entsteht das große Repräsentationsbedürfnis, dem natürlich die Kulträume durch Monumentalität und Ausschmückung entsprechen mussten. Die Errichtung monumentaler Kirchenbauten ist für mich mit der Begründung der Reichskirche untrennbar verbunden. Vorher kannte das Christentum dieses Bedürfnis noch nicht, weshalb seine christlichen Versammlungsräume noch recht bescheiden daherkamen.

Nach der traditionellen Darstellung der Geschichte des Christentums entsteht die Reichskirche mit dem Edikt von 391, in dem Kaiser Theodosius I. die heidnischen Kulte verbietet. Dieser Auslegung der antiheidnischen Gesetze Theodosius I. widerspricht z. B. ERRINGTON. Er weist nach, dass die angeblich so bedeutenden antiheidnischen Gesetze von Kaiser Theodosius I. den zeitgenössischen Autoren (Ambrosius, Augustinus, Orosius, Rufinus, Sokrates, Theodoret, Philostorgius, Sozomenos) entweder unbekannt waren oder weitgehend unbeachtet blieben. Die Gesetze waren entweder an einen eng begrenzten Personenkreis gerichtet oder Entscheidungen betreffend einzelner regionaler Ereignisse, z. B. die Zerstörung des Sarapeion in Alexandria. Den o. a. Autoren – die an sich an einer Auslegung als reichsweit gültiges Edikt das größte Interesse gehabt haben müssten - war dies offensichtlich klar, weshalb sie auf diese Gesetze kaum eingingen [ERRINGTON, 435]. Die griechischen christlichen Autoren Sokrates, Sozomenos und Theodoret haben mehr als vierzig Jahre später (nach 391) noch keine konkrete Kenntnis von Theodosius’ antiheidnischen Gesetzen – oder ignorierten diese [ebd. 402f]. Es scheint offensichtlich: Es gab keine reichsweite Verfügung durch Theodosius zur Zerstörung von heidnischen Tempeln. Die Darstellung der meisten modernen Historiker, dass durch die Gesetze Theodosius’ I. die Reichskirche begründet wurde, ist nicht zutreffend.

Die neuere Forschung sieht die Gründung der Reichskirche erst unter Justinian I. im 6. Jh. Nach BEAUFORT setzte Kaiser Justinian dem apostolischen Christentum "seine eigene katholische Reichskirche entgegen." [BEAUFORT, 319] BEAUFORT formuliert weiter: "Von nun an war die katholische Reichskirche als einzig wahre Repräsentantin des von Jesus begründeten Christentums anzuerkennen. Abweichende Lehren ... wurden als Ketzerei verboten und deren Anhänger verfolgt." [BEAUFORT, 319f]

„Justinian I. war es, der ein ganz besonders ausgeprägtes Verständnis der besonderen Bedeutung der Kaiserinstitution, ihrer Aufgaben und ihrer ideologischen Verankerung hatte und so die Entwicklung des Verhältnisses von Kaiser und Kirche in Byzanz wesentlich bestimmte.“ [WINKELMANN, 131]

Nach meiner Auffassung ist der Beginn des monumentalen Kirchenbaus erst im 6. Jh. mit der Begründung der Reichskirche durch Kaiser Justinian I. anzusetzen, d. h. sämtliche konventionell früher datierten Kirchenbauten sind falsch datiert.

Verschiedene im Abschnitt genannte Datierungen sind spätantik und sind entsprechend zu korrigieren. So datiert das Toleranzedikt von 313 real in das Jahr 29 n. Chr., das Edikt von Theodosius I. von 391 in das Jahr 107 n. Chr. und Kaiser Justinian I. nicht in das 6., sondern das 10. Jh.

Dagegen sind die Datierungen der römischen Bauten weströmisch und gelangen damit in das 11. Jh. u. Z. (siehe [MEISEGEIER 2017, 24ff]).

Entgegen der Auffassung von HEINSOHN, der monumentale christliche Basiliken bereits im 1. und 2. Jh. sieht, schließe ich generell einen vorkatastrophischen monumentalen Kirchenbau aus.

Die obigen Ausführungen gelten natürlich auch für Nordafrika als ehemalige Provinz des Weströmischen Reichs.

In den vermeintlich antiken Schriftquellen werden schon sehr früh, d. h. ab dem frühen 3. Jh., vermutlich auch für Nordafrika Kirchenbauten erwähnt.

Bekannt ist Tertullians Äußerung angeblich vom Anfang des 3. Jh., "daß die Versammlungsstätten der Christen als hochaufragende Bauten zu erkennen seien" [BRANDENBURG, 11].

"Einer der frühesten Berichte über den Bau eines christlichen Tempels stammt aus der Zeit des afrikanischen Kaisers Alexander Severus (222-235), der in einem Streit darüber, was auf einem wertvollen Stück Land gebaut werden sollte: eine Kirche oder ein Gasthaus, zugunsten der Christen entschied: "Es ist besser, diesen Ort auf irgendeine Weise der Gottheit zu widmen, als ihn den Priestern zu überlassen"." [URBANOVICH, 8]

Weiter URBANOVICH: "Eusebius stellte fest, dass die Christen vor dem Erlass Diokletians, der anordnete, die Kirchen "überall dem Erdboden gleichzumachen", "begonnen hatten, in allen Städten große Kirchen zu bauen ". Lactantius, der die Zerstörung des christlichen Tempels durch ein Dekret des Diokletian beschreibt, stellt fest, dass die Kirche (Nikodemus) ein ziemlich großes Gebäude war, das sich zu einer beträchtlichen Höhe erhob und von öffentlichen Gebäuden umgeben war." [ebd.]

"Die Briefe des Augustinus erwähnen mindestens 12 Basiliken heiliger Märtyrer in Karthago und fünf in Hippo ..." [URBANOVICH, 15].

Die o. a. Passage von Tertullian halte ich für eine Nachbearbeitung, d. h. eine Fälschung.

Kaiser Alexander Severus ist traditionell spätantik datiert und regierte realiter von 62 - 49 v. Chr. Die o. a. ihm zugeschriebene Äußerung ist zweifellos ebenso eine spätere Ergänzung bzw. Fälschung.

Die Kirchengeschichte des Eusebius von Caesarea hatte ich schon in [MEISEGEIER 2017, 26] als Pseudepigraph bezeichnet.

Lactantius (trad. * um 250; † um 320) , nach https://de.wikipedia.org/wiki/Lactantius "ein aus der römischen Provinz Africa stammender lateinischer Rhetoriklehrer und christlicher Apologet" ist spätantik datiert und lebte tatsächlich von um 34 v. Chr. bis um 36 n. Chr. Auch die ihm zugeschriebene o. a. Aussage ist zweifellos ein Pseudepigraph, also eine Falschzuschreibung.

Augustinus lebte im 1./2. Jh. n. Chr. (siehe unten) Der betreffende Brief (und weitere Briefe?) ist mit Sicherheit eine Fälschung.

Da die etablierte Forschung die vermeintlichen Aussagen der antiken Schriftsteller (mit deren falscher Datierung - siehe unten) als real ansieht, sucht (und findet) sie Kirchenbauten in einer Zeit, die solche überhaupt noch nicht kennt. Solange die Forschung an der vermeintlichen unbedingten Wahrhaftigkeit der Schriftquellen festhält, wird sie der realen Geschichte des Kirchenbaus nicht näher kommen.

Bei der Frage nach den Versammlungsräumen der Christen vor dem monumentalen Kirchenbau verweist die traditionelle Forschung auf die sog. Hauskirchen - für den christlichen Kult umgenutzte Wohnräume bzw. -häuser.

Für die frühe Zeit des Christentums, vielleicht im ersten vorchristlichen und denkbar noch im 1. Jh. n. Chr. mag das zutreffen. Mit dem steten Anwachsen der Zahl der Christen ist die Nutzung von Wohnräumen nur schwer vorstellbar; noch etwas schwerer nach der globalen Naturkatastrophe 238 n. Chr., in der die bestehende Bausubstanz, somit auch die Wohnbauten, weitgehend zerstört wurde.

Ich denke, dass die Christen sich in dieser späteren Zeit geeignete Räumlichkeiten am Rande der Städte schufen. Z. B. gab es in Aquileia, in der äußersten Südostecke der römischen Stadt, ein frühchristliches (vorkatastrophisches) Zentrum, bestehend aus zwei Kultsälen, das der Ursprung des späteren Kirchenkomplexes war (siehe [MEISEGEIER 2017, 118ff]).

Ein weiteres Beispiel sehe ich in Köln. Dort, in der Nordostecke der römischen Stadt und unmittelbar an der römischen Stadtmauer, hat es möglicherweise ein (vorkatastrophisches) christliches Zentrum mit einem Baptisterium lange vor dem Dombau gegeben (siehe [MEISEGEIER 2019-2, 98ff]).

Ich glaube, in Nordafrika möglicherweise christliche Komplexe identifiziert zu haben, die nicht als Hauskirchen bezeichnet werden können, aber womöglich zeitlich vor dem monumentalen Kirchenbau einzuordnen sind (hier vielleicht nachkatastrophisch?).

So sind vermutlich für die Kirchen I und III in Iunca solche ältere Bauten der Ursprung. Diese ummauerten Komplexe am Rand der antiken Stadt bestanden aus einem Gebäude mit einem zentralen Kultraum und einem anschließenden Hof, der ggf. von einem Säulengang umgeben war (siehe (siehe Abschnitt Ausgewählte Kirchenbauten: Iunca oder Macomades Minores (Borj Yonga), Kirchen I und III).

Kirchenbau im Westen

In meinen bisherigen Veröffentlichungen habe ich den Kirchenbau auf dem Gebiet des ehemaligen Weströmischen Reichs behandelt. Nur Nordafrika, das außer Ägypten und dem Nordosten Libyens (Cyrenaica) auch zu Westrom gehörte, blieb bisher von mir unbearbeitet.

Bemerkenswert ist, dass, obwohl das Weströmische Reich nicht mehr existierte, doch überall auf dem Gebiet des vergangenen Weströmischen Reichs - zeitnah zur Begründung der Römischen Reichskirche im letzten Drittel des 10. Jh. - meist ab dem ausgehenden 11. Jh. erste Kirchen erbaut werden.

Das Christentum war in diesen Gebieten schon während der römischen Herrschaft in größerem Umfang präsent. Die Merowinger, die bis um die Mitte des 11. Jh. im Frankenreich herrschten, besaßen als Foederaten offenbar weiterhin enge Beziehungen zu Ostrom, das als Erbe des Weströmischen Reichs in den Foederatenvertrag eingetreten sein dürfte. Die Gründung der fränkischen Landeskirche dürfte noch auf die merowingische Herrschaft zurückgehen.

Möglicherweise liegen ähnliche Umstände für die Gründung von Kirchenorganisationen in England und auf der Iberischen Halbinsel vor. In England waren die Sachsen und Angeln und auf der Iberischen Halbinsel die Westgoten jeweils als Foederaten zum Schutz der römischen Bevölkerung nach dem Abzug der römischen Truppen verpflichtet worden.

Darüber hinaus ist natürlich nicht zu übersehen, dass die Gründung einer Kirchenorganisation den jeweiligen Herrschern als Oberhaupt neue Möglichkeiten der Herrschaftsausübung und der Bereicherung bot, sicher eines der hervorragendsten Motive für den Aufbau einer Kirchenorganisation.

Italien

Den frühen Kirchenbau in Italien habe ich in [MEISEGEIER 2020-2] behandelt. Die vermeintlich frühchristlichen Kirchen in der Stadt Rom, in Mailand, in Ravenna sowie in Aquileia, Neapel, Cimitile/Nola und Perugia waren bereits zuvor in [MEISEGEIER 2017] Gegenstand der Bearbeitung.

In Italien sind zwei Phasen des Kirchenbaus zu unterscheiden: eine erste Phase (bis ca. 1000 u. Z.) unter der Oberhoheit der Kirche Konstantinopels und eine zweite Phase (ab etwa der 2. Hälfte des 11. Jh. u. Z.) unter der Oberhoheit der römischen Kirche.

Die Bauten der ersten Phase sind byzantinische Zentralbauten, also eine importierte Bauform, die römischen Bauten dagegen ausschließlich Longitudinalbauten.

Das römische Patriarchat geriet schon bald nach der Gründung der Reichskirche in Konflikt mit Konstantinopel, der 1056 zur Trennung von Ost- und Westkirche führte. Rom beanspruchte die Oberherrschaft über die Westkirche für sich. Der Streit führte letztendlich zum Bruch mit Byzanz und der Verdrängung von Byzanz von der Apeninnenhalbinsel. Die letzten byzantinischen Gebiete wurden um 1100 aufgegeben.

Byzanz war durch die notwendige Abwehr äußerer Feinde im Osten des Reichs nicht in der Lage, den Angriffen Roms entgegenzutreten.

Bauten der Phase 1 sind nur in geringer Zahl auf uns gekommen, der bekannteste ist San Vitale in Ravenna. Die überwiegende Zahl aller erhaltenen frühen Kirchenbauten sind der Phase 2 zuzurechnen. Dazu gehören auch die angeblich frühchristlichen Kirchen in Rom und in Ravenna (außer San Vitale).

Wichtig ist die generelle Aussonderung der sog. stadtrömischen Umgangsbasiliken als reine Zömeterialbauten aus dem Kreis der Kirchenbauten, unabhängig davon, ob an deren Stelle später doch eine Kirche errichtet wurde.

Deutschland, Frankreich

Siehe [MEISEGEIER 2019-1], [MEISEGEIER 2019-2] und [MEISEGEIER 2020-1].

Auch in Deutschland und Frankreich sehe ich eine zweiphasige Entwicklung des Kirchenbaus: eine erste Phase ab der zweiten Hälfte des 11. Jh. bis in die erste Hälfte des 12. Jh., die noch der Landeskirche zuzurechnen ist und nach dem Eigenkirchenwesen organisiert war, und eine zweite Phase ab etwa 1100, in der das Eigenkirchenwesen zugunsten dem Patronatsrecht, das der römischen Kirche die Erträge aus der Kirchenorganisation sicherte, zunehmend verdrängt wurde. Dieser Vorgang dürfte in der zweien Hälfte des 12. Jh. i. W. abgeschlossen gewesen sein.

Der sog. Investiturstreit ist m. E. diese durch die römische Kirche umgedeutete Auseinandersetzung zwischen der bestehenden Landeskirche und der feindlichen Übernahme durch Rom.

Leider sind die Kirchenbauten der beiden Phasen nicht so deutlich zu unterscheiden, wie die oströmischen und römischen Bauten in Italien, da auch die Kirchen der Phase 1 Longitunalbauten waren.

In Einzelfällen sind Bauten der ersten Phase z. B. an älteren Bauformen der Krypta (Stollen- und Kammerkrypten, Vierstützenräume) noch erkennbar. doch auch hier ist Vorsicht geboten, da auch noch im 12. Jh. Umgangskrypten als Zugang zu Heiligengräbern errichtet wurden.

Natürlich existieren die sog. karolingischen, ottonischen, salischen und staufischen Kirchenbauten nur in den späteren, gefälschten Schriftquellen.

England, Irland und Schottland

Siehe [MEISEGEIER 2020-3].

Auch auf den britischen Inseln sind wie auf dem Kontinent relativ deutlich zwei Kirchenbauphasen unterscheidbar.

Auch hier handelt es sich bei der Kirchenorganisation in der ersten Phase um eine lokale Kirche, die denkbar vom Kontinent inspiriert und die vermutlich noch keine Landeskirche, da ich in England des 11./12. Jh. noch keine Zentralgewalt in Form eines übergreifenden Königtums sehe.

Auch handelt es sich bei dieser Kirchenorganisation nicht um eine angelsächsische Kirche. Die Angeln und Sachsen, die im 2. Jh. n. Chr. als Foederaten auf die Insel gelangt sind, haben sich im Laufe der Zeit und über die globale Naturkatastrophe des 10. Jh. hinweg in der ansässigen Bevölkerung assimiliert.

Einige frühe Kirchen gehen aus dem Umbau von ehemaligen befestigten Herrschaftssitzen hervor, wobei oftmals der bestehende Wehrturm als Glockenturm weiterverwendet wurde, z. B. Earls Barton.

Die zweite Phase, ab dem fortgeschrittenen 12. Jh., ist wieder durch die Übernahme durch die römische Kirche, durch die Gründung von Bistümern und die Ansiedlung von Ordensgemeinschaften geprägt.

Irland war nie römisch. Die Christianisierung Irlands erfolgte durch die römische Kirche im 12. Jh.

Die sog. frühmittelalterlichen Klöster in Irland sind m. E. eine Fehlinterpretation durch die Forschung. Die befestigten Siedlungen sind frühe Herrschaftssitze, entstanden im späten 11. und frühen 12. Jh. Die Errichtung von bescheidenen Eigenkirchen innerhalb der befestigten Siedlungen ist natürlich damit nicht ausgeschlossen.

Schottland war wie Irland nie römisch. Es wurde erst im 12. Jh. von England erobert. Die traditionelle Kirchengeschichte Schottlands ist ein Konstrukt. Vermutlich wurde Schottland erst im 12. Jh. von der römischen Kirche christianisiert.

Eine iroschottische bzw. auch angelsächsische Mission auf dem Kontinent gab es nie.

Spanien und Portugal

Siehe [MEISEGEIER 2021].

In Bezug auf den nordafrikanischen Kirchenbau werden von der Forschung Spanien und Portugal als beispielgebend angeführt, da auf der Iberischen Halbinsel aufgrund der arabischen Besetzung angeblich ähnliche Bedingungen herrschten wie in Nordafrika vor der arabischen Invasion.

Nach meiner Auffassung war - entgegen der Forschungsmeinung - allein der Süden, etwa das heutige Andalusien, von der arabischen Invasion betroffen. Die Verdrängung der Araber erfolgte ab dem 13. Jh. sukzessive. Mit der Einnahme des Emirats von Granada 1492 soll die arabische Besetzung endgültig beendet worden sein.

551/552 (korr. 969/970 u. Z.), unter der Herrschaft von Justinian I., wurde der Süden der Iberischen Halbinsel, der zuvor angeblich von den Westgoten beherrscht war, vom Römischen Reich (Byzanz) "zurückerobert". Das eingenommene Gebiet wurde zur oströmischen Provinz Spania.

Die oströmische Herrschaft endete 625 (korr. 1043 u. Z.) angeblich durch die Westgoten, nach meiner Auffassung jedoch durch die arabische Invasion.

Während der Herrschaft Ostroms in Südspanien dürfte die von Justinian I. begründete römische Reichskirche dort installiert worden sein. Etwaige byzantinische Kirchenbauten (Zentralbauten) sind durch die arabische Herrschaft in diesem Gebiet nicht erhalten und auch nicht bekannt. Dass es solche gegeben hat, ist anzunehmen, da in der Folgezeit - wenn auch wenige - Zentralbauten in der Mitte und im Norden Spaniens errichtet wurden und erhalten sind.

Wie nördlich der Pyrenäen entstanden auch südlich der Pyrenäen lokale Kirchenorganisation, die dem Eigenkirchenwesen zuzurechnen ist. Diese entwickelten sich zunächst ohne römische Einmischung.

Die sog. westgotischen und mozarabischen Kirchen als auch die asturischen Kirchen zähle ich zu dieser Phase.

Etwa ab Mitte des 12. Jh. intervenierte die römische Kirche auch auf der Iberischen Halbinsel. Bis etwa Mitte des 13. Jh. verstand sie es, die bestehenden Eigenkirchen und Kirchenorganisationen unter ihre Oberherrschaft zu bringen.

Auf der Iberischen Halbinsel ist also diesselbe Vorgensweise der römischen Kirche zu verzeichnen wie in Deutschland und Frankreich sowie den britischen Inseln.

Auch in Spanien waren römische Zivil- und Zömeterialbauten auszusondern.

Das römische Nordafrika - Geschichtliches

Die römische Provinz Africa wurde nach dem Ende des Dritten Punischen Krieges 146 v. Chr. gegründet, in dem Rom das karthagische Reich endgültig besiegte. Die Provinz beschränkte sich zunächst auf das ehemalige Kernland des karthagischen Reichs.

Doch war die Gründung der Provinz Africa nicht der Anfang der römischen Intervention in Nordafrika, abgesehen von den beiden vorhergehenden Punischen Kriegen - sofern diese kein Konstrukt sind.

Schon nach dem Ende des Zweiten Punischen Krieges 202 v. Chr. "lag Karthago am Boden und sah sich faktisch auf den Status eines römischen Vasallenstaates." [https://de.wikipedia.org/wiki/Punische_Kriege]

In Numidien, dem westlichen Nachbarkönigreich von Karthago, war Massinissa zunächst König der östlichen Numidier und wurde 201 v. Chr. König von ganz Numidien. Während Massinissa im Zweiten Punischen Krieg noch auf der Seite Karthagos kämpfte, paktierte er ab 206 v. Chr. mit den Römern.

"Während des 1. Jahrhunderts v. Chr. stand Numidien unter römischer Vorherrschaft."

[https://de.wikipedia.org/wiki/Numidien]

Numidien war nach dem Zweiten Punischen Krieg sozusagen das Aufmarschgebiet der Römer in Vorbereitung des Dritten Punischen Kriegs. Das erklärt möglicherweise die überlieferte Gründung einiger römischer Militärstationen/Städte auf numidischen Gebiet schon zur Zeit Nervas(?), Trajans und Hadrians, die nicht von 96-138 n. Chr., sondern realiter von 188-186 bzw. 186-167 bzw. 167-146 v. Chr. im Römischen Reich herrschten.

Das römische Nordafrika. Entnommen von

[https://crc-internet.org/our-doctrine/national-restoration/algerian-war/1-roman-land-christian-land.html]

Schon 105 v. Chr., nach dem Sieg über den numidischen König Jugurtha, wurden der Osten und der Süden des Königreichs Numidien in die Provinz eingegliedert. 46 v. Chr. wurde dann der Rest von Numidien zwischen Rom und dem maurischen Königreich aufgeteilt. Das römische Ost-Numidien wurde zur neuen Provinz Africa nova. Die alte Provinz Africa hieß ab jetzt Africa vetus.

[https://fr.wikipedia.org/wiki/Province_d'Afrique]

27 v. Chr. wurden die Provinzen Africa vetus und Africa nova zur Provinz Africa proconsularis vereint.

Unter Septimus Severus wurde die Provinz Numidia herausgelöst. Um 300 unter Kaiser Diokletian (trad. 284-305, korr. 1-21 n. Chr.) wurde die Provinz Africa proconsularis geteilt in die Provinzen Africa proconsularis, Byzacena und Tripolitania.

Karte der römischen Provinzen Numidia und Africa. Entnommen von [https://de.wikipedia.org/wiki/Numidien]

Mauretanien wurde 33 v. Chr. römisch. Angeblich vermachte der König von Mauretanien Bocchus II. sein Königreich an Oktavian, der es zum ager publicus, zum Eigentum des römischen Volkes, machte.

Doch schon lange vorher, schon nach den Jugurthinischen Krieg (111-105 v. Chr.), war das Königreich Mauretanien unter König Bocchus (110-80 v. Chr.) ein amicitia-Verhältnis ("Freundschaft") mit Rom eingegangen [https://de.wikipedia.org/wiki/Mauretanien_(Antike)]. Bocchus hatte seinen Schwiegersohn, den Numiderkönig Jugurtha, der nach seiner Niederlage nach Mauretanien geflohen war, an Sulla, und damit an Rom, ausgeliefert.

Ab 41 n. Chr. erfolgte die Aufteilung in die römischen Provinzen Tingitanien und Caesarea. Unter Diokletian wurde Mauretania Sitifensis aus der Provinz Caesarea (Mauretania Caesariensis) herausgetrennt. Tingitanien wurde der Präfektur von Spanien angegliedert. [ebd.]

Das spätrömische Nordafrika bestand nun aus den sechs Provinzen: Africa proconsularis, Byzacena, Tripolitania, Numidien, Mauretania Sitifensis und Mauretania Caesariensis.

Seit der Reichsteilung von 395 (= 111 n. Chr.) gehörten die o. a. Provinzen zum Weströmischen Reich.

Das ehemalige römische Nordafrika entspricht territorial dem heutigen nördlichen und südöstlichen Tunesien sowie einem Teil des heutigen Algeriens und Libyens.

Das Verwaltungszentrum war anfangs Utica, ab 27 v. Chr. die an der Stelle des früheren Karthago gegründete Colonia Iulia Concordia Carthago.

Die höchste Blütezeit des römischen Karthagos fiel nach https://de.wikipedia.org/wiki/Africa ins 2. und frühe 3. Jahrhundert; eine erneute Blüte begann angeblich um 300 und hielt bis ins 5. Jahrhundert (= 2. Jahrzehnt des 2. Jh./Anfang 3. Jh. n. Chr.) an.

Diese zweite Blütezeit deckt sich nach Korrektur der spätantiken Datierung weitgehend mit der ersten. Eine zweite Blütezeit entfällt damit. Karthago galt als die zweitgrößte Stadt Westroms gleich nach Rom.

Die Vandalen in Nordafrika

Im spätantiken Jahr 429 (= 145 n. Chr.) setzten die Vandalen von der Iberischen Halbinsel nach Nordafrika über. Sie sollen 431 (= 147 n. Chr.) Hippo Regius und 439 (= 155 n. Chr.) Karthago eingenommen haben [HATTLER, 189f].

435 (= 151 n. Chr.) sollen die Römer mit Geiserich, König der Vandalen, einen Friedensvertrag geschlossen haben, der jedoch von Ravenna nicht ratifiziert wurde. 442 (= 158 n. Chr.) wurden den Vandalen in einem neuen Vertrag die Kerngebiete des römischen Nordafrika ohne Gegenleistung überlassen. "Im Jahre 442 entstand ... erstmals auf römischem Boden ein souveräner, von Barbaren beherrschter Staat ..." [ebd., 191].

In der traditionellen Geschichte ist die Eroberung und zweiwöchige Plünderung Roms durch die Vandalen im Jahr 455 (= 171 n. Chr.) ein markantes Ereignis.

"Der Einbruch der Vandalen war in der Tat ... für das Land eine Katastrophe, vor allem durch den allerdings mit der allgemeinen Entwicklung übereingehenden Rückgang der wirtschaftlichen Beziehungen zu den anderen mediterranen Ländern." [CHRISTERN 1976, 2]

Verantwortlich für den Rückgang der wirtschaftlichen Beziehungen zu den anderen mediterranen Ländern dürfte der weitgehende Rückzug Roms aus den afrikanischen Provinzen gewesen sein - nicht die Vandalen.

Aus dem Vorwort des Generaldirektors des Institut National du Patrimoine de Tunisie, Fathi Béjaoui: "Unsere Kenntnisse im Hinblick auf die Gegenwart der Vandalen auf dem gegenwärtigen Territorium Tunesiens und hauptsächlich in der Africa proconsularis und der Byzacena beruhen in erster Linie auf literarischen und hagiografischen Quellen (Victor von Vita, Fulgentius von Ruspe oder auch Prokop von Caesarea und Corippus), außerdem auf archäologischen Beweisen, bei welchen es sich im Wesentlichen um Schmuckstücke handelt (Karthago und Thuburbo Maius), sowie des Weiteren auf einigen fragmentarischen Texten (Epitaphe von Maktar und Haïdra, Gedichte der Thermen von Tunis ...) oder Statuen und Mosaiken (Meninx, Karthago ...). Diese Unausgewogenheit der materiellen Hinterlassenschaft, etwa im Vergleich mit der byzantinischen Periode, die durch üppigere archäologische Funde belegt ist, scheint sich , wenigstens teilweise, durch den Zufall der Überlieferung zu rechtfertigen." [HATTLER, 13]

"Aus der Zeit ihrer Herrschaft in Nordafrika, vom Jahr 430 bis zum Jahr 533, stammen fast ausschließlich Quellen aus feindlicher Perspektive, wie die Schriften von Victor von Vita und von Prokop, die mit der Vandalenherrschaft scharf ins Gericht gingen." [ebd., 15]

Es ist also um die Quellenlage der vandalischen Herrschaft nicht gut bestellt.

Das Reich der Vandalen in Nordafrika soll durch den oströmischen Vandalenfeldzug unter Führung des Generals Belisar 533/34 (= 951/52 u. Z.) beseitigt worden sein.

Angeblich sah Justinian die Thronbesteigung des vandalischen Königs Gelimer als Usurpation. Der Feldzug soll als Strafexpedition vorgesehen gewesen sein und hätte die Wiedereinsetzung König Hilderichs als Ziel gehabt. Die Intervention eines Bischofs und eine Traumvision sollen Justinian zu dieser Unternehmung bestärkt haben. Justinian soll keineswegs von Beginn an beabsichtigt haben, das Vandalenreich zu erobern. [MEIER, 62]

Prokop berichtet in seiner Kriegsgeschichte u. a. über diesen Feldzug unter dem Kommando Belisars, der angeblich unerwartet und durchschlagend erfolgreich verlief [ebd., 63f].

"Das neu eroberte Gebiet wurde noch 534 als praefectura praetorio Africae zivil und militärisch neu organisiert, die kirchliche Neuordnung erfolgte 535." [ebd., 65]

Die traditionelle Geschichte der Vandalenherrschaft, des Reichs der Vandalen in Nordafrika und dessen Ende erachte ich für ein Konstrukt, einschließlich der Eroberung und Plünderung Roms im Jahr 455.

Ich halte die zwar umstrittene Darstellung, dass die Vandalen von den Römern als Foederaten "eingeladen" wurden, für durchaus glaubhaft, jedoch nicht die traditionelle Darstellung durch den römischen General Bonifatius, wie Prokopios berichtet [https://de.wikipedia.org/wiki/Vandalen].

In Gallien wurden in der zweiten Hälfte des 5. Jh. (= Mitte 2. Jh. n. Chr.) die Salfranken/Merowinger als Foederaten mit dem Schutz der gallorömischen Bevölkerung beauftragt.

Ein ähnliches Szenario dürfte auch für Nordafrika zutreffen. Ich denke, dass die Vandalen um die Mitte des 2. Jh. n. Chr. planmäßig zum Schutz der provinzialrömischen Bevölkerung um Karthago angesiedelt wurden. Die vandalischen Führungsschichten haben sich vermutlich im Laufe der Zeit mit der einheimischen Führungsschicht vermischt und sich als römische Bürger verstanden.

"Während Vandalen und Alanen ihren homöischen Glauben beibehielten, glichen sie sich in Sprache und Kultur rasch und vollständig den Romanen an, so dass in den Städten und auf den Friedhöfen in Nordafrika sowie auf den Mittelmeerinseln nur geringe archäologische Spuren ihrer fast hundertjährigen Herrschaft zu fassen sind." [UNTERMANN, 21]

Durch den Niedergang des Weströmischen Reichs im 2. Jh. n. Chr. infolge der Germaneneinfälle und dessen politisches Ende mit der Absetzung des letzten weströmischen Kaisers 476 (= 192 n. Chr.) durch Odoaker war die ehemaligen weströmischen Provinzen in Nordafrika zunehmend auf sich allein gestellt.

"Mit dem Mord an Valentinian III. begann 455 die Zeit der sogenannten „Schattenkaiser“, die jeweils nur kurze Zeit regierten und trotz aller Mühen kaum noch aktiv werden konnten, um den zusammenbrechenden weströmischen Staat zu retten." [https://de.wikipedia.org/wiki/Weströmisches_Reich]

Die nachfolgende Beschreibung des Ausgräbers von Belalis Maior, Ammar MAHJOUBI, ist sehr beeindruckend, weshalb ich sie hier in großen Teilen zitieren möchte:

"Im 4. Jahrhundert (korr. 1. Jh. n. Chr. - MM) ... waren das Forum und die öffentlichen Einrichtungen, die es umgaben, immer noch Gegenstand der Aufmerksamkeit und der Fürsorge der Behörden. Insbesondere die Kurie, ein wichtiges Zentrum des politischen und sozialen Lebens, wurde restauriert, wie epigraphische Texte noch belegen, und zwischen den Jahren 317 und 324, unter der gemeinsamen Herrschaft von Konstantin und Licinius, wurden die Säulengänge rund um den öffentlichen Platz renoviert. Eine sechseckige Halle, bei der es sich aufgrund ihrer Form um das Tepidarium der Thermen gehandelt haben könnte, wurde ebenfalls wieder aufgebaut, und wie die Inschrift über dem Eingang der Kurie verdeutlicht, war es der Prokonsul, der Statthalter der Provinz, der den Vorsitz über die Restaurierungsarbeiten führte." [MAHJOUBI]

"Die wirklichen Veränderungen begannen im 5. Jahrhundert. Die Kulturlandschaft verfiel immer mehr, die baufälligen Gebäude wurden nicht mehr repariert und änderten bald ihren Zweck. Trennwände (die einen Raum in zwei Hälften teilten) unterteilten die verschiedenen Räume der Gebäude am Rande des Forums, die auf diese Weise anscheinend von ihrem früheren Zweck entfremdet und wahrscheinlich zu einer Gruppe prekärer Behausungen wurden. Der öffentliche Platz und die an ihn angrenzenden Gebäude erfüllten nicht mehr die Rolle, die ihnen zuvor zugedacht war ..." [ebd.]

Diese desolaten Verhältnisse im 5. Jh. (korrigiert 2. Jh. n. Chr.), die Ammar MAHJOUBI so eindrucksvoll schildert, werden allgemein allein den Vandalen angelastet. Ich schreibe sie jedoch ursächlich dem Abzug der römischen Truppen und dem Rückzug der römischen Verwaltung zu.

Als Folge wurden die Handelswege zunehmend unsicher und die öffentliche Infrastruktur verfiel. Die in hohem Maße arbeitsteilige, römische Wirtschaft funktionierte unter diesen Bedingungen nicht mehr und brach zusammen - mit verheerenden Folgen.

Der britische Althistoriker Bryan WARD-PERKINS (Trinity College Oxford), der auch als Archäologe arbeitete, beschreibt diese Vorgänge am Beispiel England nach dem Abzug der Römer um 410 (= 126 n. Chr.) in seinem Buch Der Untergang des Römischen Reiches und das Ende der Zivilisation, 2007 in Deutschland veröffentlicht, eindrucksvoll:

"In vielen Fällen ist der offensichtliche Niedergang erschreckend: von einer römischen Landschaft, die dicht besiedelt und kultiviert war, zu einer nachrömischen Welt, die nur sehr verstreut bewohnt zu sein scheint." [WARD-PERKINS, 147f]

"Die nachrömische Welt kehrte zu einem Niveau wirtschaftlicher Einfachheit zurück, das sogar niedriger war als das unmittelbar vorrömischer Zeit, mit wenig Bewegung von Gütern, armseligen Wohnstätten und nur elementarsten gewerblichen Erzeugnissen." [ebd., 144]

Möglicherweise sind bei der Beschreibung von WARDPERKINS schon die Folgen der globalen Naturkatastrophe von 238 n. Chr. inklusive.

Byzantinisches Africa

Das byzantinische Nordafrika erhellt sich in der traditionellen Geschichtsschreibung nach meiner Auffassung nur ungenügend.

Möglicherweise hat Justinian diese drastische Schwächung infolge der globalen Naturkatastrophe in Nordafrika, in Italien als auch in Hispanien ausgenutzt, um seine Rückeroberungspläne zu verwirklichen. Vielleicht ist die angebliche anfängliche Zurückhaltung Justinians nur ein später geschaffenes Narrativ.

Die Intervention Ostroms in Nordafrika verlief vermutlich deswegen so relativ problemlos, da zum einen die Naturkatastrophe die Städte und die Infrastruktur weitgehend zerstört hatten, womit die Funktionstüchtigkeit einschließlich der Wehrfähigkeit des Staats massiv beeinträchtigt war, und zum anderen sich die Bürger der ehemaligen römischen Provinzen in Nordafrika immer noch als Römer fühlten, weswegen sich der Widerstand in Grenzen hielt.

"Da nun die Byzantiner als "Römer" kamen, betrachteten sie sich als Befreier und nicht als Eroberer. Sie wurden auch dementsprechend von der Bevölkerung mit Jubel begrüßt, aber aus der Befreierrolle entstanden sofort Schwierigkeiten. Die Soldaten des Expeditionskorps, ein buntgemischter Haufen meist thrakischer oder germanischer Abkunft, wollten die eroberten Städte plündern oder sich mindestens den vandalischen Grund und Boden aneignen." [SIMON, 29]

"Im 6. Jahrhundert wurde Africa von dem oströmischen General Belisar im Auftrag Kaiser Justinians zurückerobert (533/34). Das Gebiet wurde anschließend einem eigenen magister militum per Africam unterstellt und von einem Prätorianerpräfekten verwaltet. ... Das Gebiet erlebte vielmehr noch einmal eine Nachblüte und wurde im späten 6. Jahrhundert als Exarchat von Karthago politisch-militärisch reorganisiert. Politisch, wirtschaftlich und kulturell blieb das oströmische Africa eng mit der Mittelmeerwelt verknüpft." [https://de.wikipedia.org/wiki/Africa]

"Nach der byzantinischen Rückeroberung Nordafrikas 533/34 unter Kaiser Justinian wurden die dortigen Provinzen reorganisiert und in das Oströmische Reich integriert. Neben einer neuen Provinzverwaltung, Renovierungs- und Kirchenbauprogrammen wurden auch eine Reihe neuer Festungen errichtet. Die wichtigsten Küstenstädte wurden bereits kurz nach dem Vandalenkrieg mit neuen Stadtmauern und Zitadellen versehen. Nach der Sicherung der Küstenregionen folgte die systematische Befestigung wichtiger Städte und Stützpunkte im urbanen Hinterland mit und die Errichtung neuer Forts abseits bestehender Siedlungen. Im Verlauf des 6. und 7. Jahrhunderts folgte der Bau kleinerer Türme und Festungen in weniger stark urbanisierten und ländlichen Regionen. Mit diesem Bauprogramm reagierte Konstantinopel auf die neuen politischen Realitäten, die die Vandalenherrschaft hinterlassen hatte. Die Grenzgebiete zu den berberischen Herrschaftsräumen im Süden oder Westen wiesen bereits unter der vandalischen Herrschaft Symptome einer Loslösung vom römischen Zentralstaat auf, die auch in byzantinischer Zeit weiter voranschritten. Der Wiedereingliederung in das Oströmische Reich folgten Jahrzehnte der Rebellionen und Aufstände durch vandalische, berberische und sogar byzantinische Truppen." [https://www.byzanz-mainz.de/forschung/a/article/die-fortified-region-thugga-im-spaetantiken-nordafrika-fortifikation-und-transformation-eines-urbane/]

"Wer Timgad besichtigt, wird erstaunt vor den riesigen Ruinen einer Festungsanlage stehen, die, 400 Meter von der Römerstadt entfernt, die weite Ebene nördlich des Aurès-Gebirges beherrscht. Dieses Fort ist eines der Zeugen der byzantinischen Herrschaft in Nordafrika, die von 533 bis 698 dauerte und die die Kultur des römischen Universalreichs fortsetzte bis an die Schwelle des Mittelalters. Und überall in Nordafrika finden wir Spuren jener oströmischen Epoche, in den mächtigen Stadtmauern von Tebessa, in herrlichen Mosaiken und in vielen Kirchenbauten." [SIMON, 27]

"Festungsbau allein muß noch keine kulturelle Leistung bedeuten, aber die Tätigkeit der Byzantiner beschränkte sich keineswegs darauf. Der Historiker Evagrius spricht von 150 Städten, die Justinian wieder aufbauen ließ; die Zahl scheint übertrieben, aber tatsächlich ist in jener Zeit viel gebaut worden, neben der Errichtung von Bastionen. Leptis Magna, fast ganz vom Sand verschüttet, erwachte zu neuem Leben, Sabratha erhielt neue Thermen, in Timgad wurde das Handwerkerviertel neu aufgebaut und das Forum wieder hergerichtet. Karthago wurde verschönert, der Markt erhielt einen doppelten Portikus, es wurden neue Thermen gebaut und viele Villen instandgesetzt. Auch neue Städte wurden gegründet wie Justinianopolis bei Mahdia. In Algerien und Tunesien findet man überall neben den Ruinen altchristlicher Kirchen aus der Römerzeit solche aus der byzantinischen Epoche, deren herrliche Mosaikböden zum Teil noch erhalten sind, so die Prima-Kirche (Basilika von Dermesch) im archäologischen Park von Karthago und eine Bischofskirche in Bulla Regia. Noch sehr gut erhalten sind die Kirchen Dar el Kous in Le Kef und in Haidra. Es handelt sich hier meist um kleinere dreischiffige Basiliken mit Narthex und gewölbter Apsis. Die großen sieben- und neunschiffigen Basiliken wie in Tipasa und Karthago freilich werden, soweit sie zerstört sind, nicht wiedererrichtet, höchstens wird ein Teil der Kirche als dreischiffige Basilika neu geweiht, wie dies in Karthago mit Damous el Carita geschah." [ebd., 36ff]

"Unter Justinian wurde die Stadt in Colonia Justiniana Carthago umbenannt und wurde ein wichtiges strategisches und wirtschaftliches Mitglied des byzantinischen römischen Reiches. Anstatt wie andere zeitgenössische westliche Städte zu de-urbanisieren, erlebte Karthago eine urbane Wiederbelebung, als die Stadt nach Norden wuchs und einen neuen "byzantinischen Bezirk" bildete. ... Die wichtigste monumentale Architektur dieses byzantinischen Bezirks waren seine christlichen Basiliken." [SALADIN]

"Das Exarchat von Karthago war neben dem Exarchat von Ravenna ein oströmisches Vizekönigtum, mit dessen Gründung der oströmische Kaiser Maurikios (582–602) den Folgen einer imperialen Überdehnung entgegenwirken konnte. ... bündelte Maurikios diese Befugnisse, als er 584 das Exarchat von Ravenna und 590 das Exarchat von Karthago gründete. Letzteres wurde für ein Jahrhundert zum Eckpfeiler oströmisch-byzantinischer Macht im westlichen Mittelmeerraum und erst 698 von den Arabern vernichtet." [https://de.wikipedia.org/wiki/Exarchat_von_Karthago]

"Das Gebiet fiel ab der Mitte des 7. Jahrhunderts an die islamischen Araber, die es Ifrīqiya nannten. Mit der Eroberung Karthagos 698 war die Geschichte der römischen Provinz Africa endgültig beendet; auch die römisch-christliche Kultur fand hier bald ihr Ende. Anders als die Ostkirchen (Kopten, Syrer, Armenier, Griechen), die jahrhundertelang unter islamischer Herrschaft fortbestanden, verschwand das nordafrikanische Christentum restlos." [https://de.wikipedia.org/wiki/Africa]

So die traditionelle Sichtweise.

Da ich die traditionelle Darstellung der byzantinischen "Rückeroberung" als auch deren Ende mit der arabischen Eroberung für ein Konstrukt halte, möchte ich dieser ein alternatives Szenario entgegenstellen.

Natürlich kamen die byzantinischen Truppen nicht als "Befreier" und sie lösten mit Sicherheit keinen Jubel aus.

Ostrom kam als Eroberer und wollte die ehemals römischen Gebiete unterwerfen und gnadenlos ausbeuten. Ostrom brauchte u. a. neue Human-Ressourcen, um seine Truppen für die Kämpfe im Osten des Reichs aufzufüllen.

Die Reorganisation der Verwaltung diente nur diesen Zwecken.

Die den Byzantinern allgemein zugeschriebenen Bauten (Wehrbauten, zivile Bauten, Kirchen) sind nach meiner Auffassung nur in einem geringen Umfang der byzantinischen Herrschaft zuzuordnen. Diese Fehleinschätzung der Forschung ist darin begründet, dass sie das Ende der gesamten, derartigen Bautätigkeit mit der sog. arabischen Invasion Ende des 7. Jh. gleichsetzt.

Wie die gesamte traditionelle Darstellung der byzantinischen Herrschaft in Nordafrika halte ich auch deren überliefertes Ende für konstruiert.

Das Ende des Exarchats von Karthago wurde meines Erachtens nicht durch die Araber herbeigeführt. Ich gehe von einem ähnlichen Szenario aus wie in Italien. In [MEISEGEIER 2020-2, 40f] hatte ich meine These zum Ende der byzantinischen Herrschaft in Italien dargestellt. Dort wurde die byzantinische Herrschaft sukzessive hauptsächlich durch die römische Kirche verdrängt. Die letzten byzaninischen Gebiete in Italien wurden etwa um 1100 von den Byzantinern aufgegeben. Das Ende des Exarchats von Ravenna gehört zu diesen Kontext.

Die Beseitigung des Exarchats von Karthago 698 (= 1116 u. Z.) deckt sich zeitlich ziemlich genau mit den gleichartigen Ereignissen in Italien.

Ostrom war nicht in der Lage, die eroberten Gebiete sowohl in Italien als auch in Nordafrika, ausreichend militärisch zu unterstützen. Der Verlust des Nahen Ostens und von Ägypten endgültig an die Araber (637 Jerusalem, 642 Alexandria) schnitt die Provinz Africa auf dem Landweg von Byzanz ab, so dass nur noch eine Verbindung auf dem Seeweg bestand. Wie in Italien konnte die byzantinische Herrschaft zuletzt nur noch in einigen Küstenstädten aufrechterhalten werden, bis auch diese von den Byzantinern geräumt wurden.

"Byzantinische Kontrolle beschränkte sich ohnehin auf wenige schlecht verteidigte Küstenstützpunkte."

[https://de.wikipedia.org/wiki/Exarchat_von_Karthago]

An dieser Stelle ist anzumerken, dass in der traditionellen Geschichtsdarstellung auch das Ende des Exarchats von Ravenna einer Invasion von "Barbaren", dort den Langobarden, zugeschrieben wird. Es liegt auf der Hand, dass die maßgebliche Rolle der römischen Kirche dabei nicht offenbar werden sollte. Da die Geschichtsschreibung in der Hand der römischen Kirche lag, war das vermutlich kein großes Problem.

Ich denke, dass auch bei der Verdrängung der byzantinischen Herrschaft aus Nordafrika wie in Italien die Kirche als Hauptakteur in Erscheinung trat, hier natürlich nicht die römische Kirche, sondern die nordafrikanische Kirche. Dazu mehr unten.

Nachbyzantinisches (hochmittelalterliches?) Africa

Mit meiner Datierung der Kirche in Tebessa in das 12./13. Jh. (siehe [MEISEGEIER 2017, 150ff]) ist bereits klar, dass ich eine weitere nicht-arabische Entwicklung auch nach der angeblichen arabischen Invasion sehe, mindestens bis in das fortgeschrittene 13. Jh., also mehr als ein Jahrhundert nach dem unfreiwilligen Rückzug von Byzanz aus Nordafrika.

Es ergibt sich natürlich die Frage, wieso diese in den Quellen nicht auftaucht. Dazu weiter unten.

Mit der Verlängerung der Existenz der Provinz Africa bis in das Mittelalter hinein ergibt sich ein anderes Bild vom Baugeschehen in Nordafrika nach der byzantinischen Eroberung.

So dürfte der Bau von Festungen zur Sicherung der byzantinischen Stützpunkte in den Städten (oder zur Disziplinierung der Bürger?) weitgehend in die byzantinische Herrschaft gehören.

Dagegen lässt die Ummauerung der Städte an die ab dem 12. Jh. errichteten Stadtmauern in Europa denken. Ich halte auch die nordafrikanischen Stadtmauern nachbyzantinisch, d. h. hochmittelalterlich.

Die Errichtung "kleinerer Türme und Festungen in weniger stark urbanisierten und ländlichen Regionen" (siehe oben) ordne ich ebenso der nachbyzantinischen Zeit zu.

"Viele Einrichtungen dieser Festungswerke gehen schon weit über das hinaus, was man im antiken Festungsbau kannte, und leiten in die Fortifikationskunst des Mittelalters über." [SIMON, 35]

Den Kirchenbau in Nordafrika halte ich grundsätzlich für nachbyzantinisch und damit für romanisch.

Zwar hat Justinian I. die römische Reichskirche begründet und in seinem Herrschaftsbereich punktuell schon erste Kirchen bauen lassen, doch von einem flächendeckenden Kirchenbau kann sicher keine Rede sein.

Bei der Gründung der fünf Patriarchate durch Justinian I. blieb Africa unberücksichtigt. Vermutlich hatten militärische Belange auch bei den Bauaufgaben unbedingten Vorrang.

Die in der Literatur angeführte nachantike Blüte ist sicher nicht den Byzantinern zuzurechnen. Ich sehe diese in nachbyzantinischer Zeit.

Die traditionelle Datierung des byzantinischen Endes um die Mitte bis Ende des 7. Jh. (korr. 2. Hälfte des 11. Jh. bis um 1100 u. Z.) dürfte den Rückzug Ostroms kennzeichnen. Das Konstrukt oder Narrativ, dass dieser Rückzug durch die arabische Invasion ausgelöst wurde, sollte nach meiner Auffassung den Fakt verschleiern, dass das afrikanische Christentum die oströmische Kirche aus Nordafrika verdrängt hat. Dass die römische Kirche dieses Narrativ übernommen hat (und bis heute daran festhält), dürfte dem Umstand geschuldet sein, dass das afrikanische Christentum sich der römischen Kirche nicht unterordnen wollte. Für die römische Kirche war sozusagen das afrikanische Christentum nicht existent. Dass dieses später durch die Araber beseitigt wurde, spielte Rom in die Hände.

Wann und wie Nordafrika letztlich an die Araber gefallen ist, ist unbekannt. Die römischen Quellen schweigen dazu. Die arabischen Quellen entstammen erst dem Spätmittelalter. Da ich den Kirchenbau in Tebessa in das 12./13. Jh. datiert habe, würde ich das Ende der nichtarabischen Zivilisation in Nordafrika vielleicht im 14./15. Jh. annehmen.

Die kirchliche Entwicklung in Africa

Wie überall im Römischen Reich breitete sich die christliche Religion auch in den römischen Provinzen Afrikas aus. Dieses frühe Christentum war natürlich noch nicht der von Justinian als Reichsreligion bestimmte Katholizismus.

In vorjustinianischer Zeit existierte noch keine Kirche als hierarchische Organisation der Christen und es existierten nebeneinander mehrere, in bestimmten Fragen differierende christliche Glaubensrichtungen.

"Kaiser Justinian setzte dieser tendenziell von Persien aus beherrschten "nestorianischen" Kirche seine eigene katholische Reichskirche entgegen. ... Von nun an war die katholische Reichskirche als einzig wahre Repräsentantin des von Jesus begründeten Christentums anzuerkennen. Abweichende Lehren wie der "Nestorianismus" der Kirche des Ostens oder der "Arianismus" der Täuferchristen und der Shi'at 'Ali wurden als Ketzerei verboten und deren Anhänger verfolgt." [BEAUFORT, 319f]

Den frühen christlichen Glaubensgemeinschaften in der Provinz Africa standen - wie im gesamten Römischen Reich - sog. Bischöfe vor, die jedoch nicht mit den späteren, mittelalterlichen Bischöfen und Bistümern gleichgesetzt werden können. Die frühchristlichen Bischöfe hatten keinerlei territoriale Befugnisse. In größeren Ortschaften gab es durchaus auch mehrere Glaubensgemeinschaften, mit je einem Bischof als Vorsteher.

So wird auch folgende Beurteilung verständlich: "Bistümer wurden unter den Bekehrten gegründet, je nach Bedarf; sie wurden möglicherweise von Ort zu Ort verlegt und verschwanden, ohne eine Spur ihrer Existenz zu hinterlassen." [https://en.wikipedia.org/wiki/Christianity_in_the_Roman_Africa_province]