Die Mondfähre - Günter Dönges - E-Book

Die Mondfähre E-Book

Günter Dönges

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Beschreibung

Exzellent – das ist er im wahrsten Sinne des Wortes: einzigartig, schlagfertig und natürlich auch unangenehm schlagfähig. Wer ihn unterschätzt, hat schon verloren. Sein Regenschirm ist nicht nur sein Markenzeichen, sondern auch die beste Waffe der Welt. Seinem Charisma, Witz und Charme kann keiner widerstehen. Der exzellente Butler Parker ist seinen Gegnern, den übelsten Ganoven, auch geistig meilenweit überlegen. In seiner auffallend unscheinbaren Tarnung löst er jeden Fall. Bravourös, brillant, effektiv – spannendere und zugleich humorvollere Krimis gibt es nicht! Parker und die »Mondfahre« Josuah Parker trug seine abgewetzte schwarze Reisetasche aus Leder in den kleinen Bungalow des Motels und schloß die Tür hinter sich. Er schaltete das Licht ein und sah sich prüfend um. Nach einer langen Autofahrt wollte er sich ein wenig entspannen. Stundenlang war er mit seinem hochbeinigen Monstrum unterwegs gewesen. Hier in der Nähe von Daytona Beach wollte er bis zum Morgen warten, um sich dann mit seinem jungen Herrn zu treffen. Die Prüfung des Motel-Bungalows fiel zu seiner Zufriedenheit aus. Der Wohnraum mit dem angrenzenden Bad und der kleinen Diele war sauber und modern möbliert. Es gab eine breite Bettcouch, Wandschränke, dicke Wollteppiche und tiefe, bequem aussehende Sessel. Der Butler stellte seine Reisetasche ab und reckte sich diskret. Anschließend nahm er die schwarze Melone ab und entledigte sich seiner schwarzen Zwirnhandschuhe. Dann schritt er würdevoll hinüber in das Bad, um sich zu erfrischen. Er genoß die Vorfreude eines Wannenbades. Duschen waren ihm verhaßt. Sie ließen seiner bescheidenen Ansicht nach keine Bequemlichkeit aufkommen. Parker streifte seinen schwarzen Zweireiher ab und knöpfte sich die gestreifte Weste auf. Als ordentlicher Mensch wollte er diese Kleidungsstücke selbstverständlich über einen Bügel hängen. Er ging also hinüber zu dem großen Einbauschrank, der die Stirnseite des Wohnraums einnahm. Er öffnete eine der Türen und blieb unbeweglich stehen, als er in das Gesicht eines Mannes sah, der stocksteif im Schrank stand. »Ich erlaube mir, Ihnen einen guten Abend zu wünschen«

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Der exzellente Butler Parker – 103 –

Die Mondfähre

Günter Dönges

Parker und die »Mondfahre«

Roman von Günter Dönges

Josuah Parker trug seine abgewetzte schwarze Reisetasche aus Leder in den kleinen Bungalow des Motels und schloß die Tür hinter sich. Er schaltete das Licht ein und sah sich prüfend um. Nach einer langen Autofahrt wollte er sich ein wenig entspannen. Stundenlang war er mit seinem hochbeinigen Monstrum unterwegs gewesen. Hier in der Nähe von Daytona Beach wollte er bis zum Morgen warten, um sich dann mit seinem jungen Herrn zu treffen.

Die Prüfung des Motel-Bungalows fiel zu seiner Zufriedenheit aus. Der Wohnraum mit dem angrenzenden Bad und der kleinen Diele war sauber und modern möbliert. Es gab eine breite Bettcouch, Wandschränke, dicke Wollteppiche und tiefe, bequem aussehende Sessel.

Der Butler stellte seine Reisetasche ab und reckte sich diskret. Anschließend nahm er die schwarze Melone ab und entledigte sich seiner schwarzen Zwirnhandschuhe. Dann schritt er würdevoll hinüber in das Bad, um sich zu erfrischen. Er genoß die Vorfreude eines Wannenbades. Duschen waren ihm verhaßt. Sie ließen seiner bescheidenen Ansicht nach keine Bequemlichkeit aufkommen.

Parker streifte seinen schwarzen Zweireiher ab und knöpfte sich die gestreifte Weste auf. Als ordentlicher Mensch wollte er diese Kleidungsstücke selbstverständlich über einen Bügel hängen. Er ging also hinüber zu dem großen Einbauschrank, der die Stirnseite des Wohnraums einnahm. Er öffnete eine der Türen und blieb unbeweglich stehen, als er in das Gesicht eines Mannes sah, der stocksteif im Schrank stand.

»Ich erlaube mir, Ihnen einen guten Abend zu wünschen«, sagte Parker, der sich seine Überraschung selbstverständlich nicht anmerken ließ. »Sind Sie nicht auch der Meinung, daß es im Schrank auf die Dauer recht unbequem sein dürfte?«

Der Mann starrte ihn an, antwortete aber nicht.

»Vielleicht benutzen Sie einen Sessel«, schlug der Butler weiter vor. »Hoffentlich bin ich nicht im falschen Bungalow!? Das wäre mir ungemein peinlich.«

Der Mann im Wandschrank war mittelgroß, schlank und hatte ein hageres, ovales Gesicht, holte tief Luft, um dann langsam in sich zusammenzurutschen. Dabei fiel er ein wenig nach vorn und gab den Blick auf das schwere Wurfmesser frei, das in seinem Rücken stak.

»Mir scheint, daß Sie meine bescheidene Hilfe brauchen«, sagte Parker, fing den Mann auf und zog ihn vorsichtig aus dem großen Einbauschrank. Es zeigte sich, über welche Kräfte der Butler verfügte. Ohne jede Anstrengung schaffte er den Mann zur nahen Schlafcouch hinüber und bettete ihn vorsichtig nieder.

Der Mann lebte, doch sein Puls ging bereits verzweifelt schwach. Parker sah sich das Messer etwas genauer an. Zu seiner ehrlichen Überraschung blutete die Wunde kaum. Das Blut war von der Kleidung aufgesogen worden. Daher fehlten wohl auch die Spuren auf dem dicken Wollteppich.

Parker wollte das Messer instinktiv aus der Wunde ziehen, doch dann unterließ er es. Schon zu oft hatte er gehört, daß gerade dann entsprechende Wunden heftig zu bluten begännen. Er beugte sich zum Gesicht des Mannes hinunter, dessen Gesichtsfarbe immer blasser wurde.

»Union-Union …«, flüsterte der Mann mit ersterbender Stimme.

»Wie bitte …?« fragte Parker.

»Union-Pacific …!« hauchte der sterbende Mann, »schnell …!«

»Wer hat das Messer geworfen?« forschte der Butler eindringlich. »Verstehen Sie mich? Wer hat das Messer geworfen …?«

»Union-Pacific …«, war die schon sehr leise Antwort, »schnell …«

»Eldorado …!«

Parker hätte liebend gern mehr gehört, doch der Mann lebte bereits nicht mehr.

Der Butler richtete sich auf und prägte sich die wenigen Worte ein, die der Sterbende gesagt hatte. Im Grunde hatte es sich nur um zwei Begriffe gehandelt. Und die lauteten ›Union-Pacific‹ und »Eldorado«. Natürlich wußte Parker überhaupt nicht, was diese Worte bedeuten sollten. Er nahm sich aber vor, diese beiden Begriffe vorerst nicht zu vergessen. Es ging darum, den Mörder dieses Unglücklichen zu finden.

Er schaute auf den Toten hinunter.

Das bleiche, hagere Gesicht wirkte jetzt entspannt und ruhig. Parker sah zum breiten Fenster hinüber. Die dicken Vorhänge waren noch nicht geschlossen. Sie gaben den Blick frei auf die Nacht mit den wenigen Lichtern, die hier draußen am Rande der Stadt zu sehen waren.

Natürlich mußte er die Polizei verständigen. Daran kam er nicht vorbei. Parker ging hinüber zum Telefon, das auf einem Beistelltisch stand. Als er den Hörer aus der Gabel nahm, hörte er von der Tür her ein schwaches Geräusch.

Er dachte nicht im. Traum daran, sich nach der Tür umzuwenden, wie es ein Laie vielleicht getan hätte. Nein, Josuah Parker blieb entspannt und ruhig vor der Wand stehen, doch er nahm seine unförmig aussehende Zwiebeltaschenuhr aus der Weste und ließ den Sprungdeckel aufspringen. Eine unverfängliche Bewegung. Parker wollte die Zeit feststellen, mehr auf keinen Fall. So wenigstens sah es für einen Nichteingeweihten aus. In Wirklichkeit aber warf der Butler einen prüfenden Blick in den Spiegel, der sich auf der Innenseite des Sprungdeckels befand.

Er sah, was er bereits vermutet hatte.

In der geöffneten Tür stand ein breitschultriger Mann mit einem knochigen Gesicht. Er trug einen hellen Sommeranzug und hatte eine langläufige Pistole in der Hand, auf deren Mündung ein Schalldämpfer aufgeschraubt war.

Parker klappte den Sprungdeckel seiner Uhr wieder zu und ließ sie zurück in die Westentasche gleiten. Dann langte er nach einem der vielen Kugelschreiber, die sich in den oberen Westentaschen befanden. Spielerisch nahm er ihn in die linke Hand, um damit die Nummer auf der Drehscheibe des Telefons zu wählen.

»Flossen weg …«, kam es in diesem Augenblick von der Tür her.

Parker drehte sich schnell um, wie es ein überraschter Mann getan hätte.

»Flossen weg …!« kommandierte der Mann, der die Tür nun vorsichtig hinter sich schloß.

»Wie bitte?« erkundigte sich Parker. »Falls Sie tatsächlich meine bescheidene Wenigkeit meinen, muß ich Ihren rüden Umgangston tadeln.«

Der Mann war mißtrauisch. Er ließ den Butler nicht aus den Augen, als er die Vorhänge schloß. Dann ging er mit schnellen, kraftvollen Schritten auf den Toten zu. Er beugte sich kurz über ihn und murmelte wütend etwas, was der Butler nicht verstehen konnte.

»Darf ich höflichst fragen, ob das, was Sie in der Hand halten, eine Handfeuerwaffe ist?« fragte Parker gekonnt naiv und umständlich.

»Mann, Sie haben vielleicht Nerven«, meinte der Breitschultrige und schüttelte überrascht den Kopf, »sieht das Ding etwa wie’n Bohnerbesen aus?«

»In der Tat, nein …!« Parker schüttelte den Kopf. »Müßte man nicht die Polizei verständigen? Dieser Mann da ist tot!«

»Ich hab’ doch keine Knöpfe vor den Augen«, gab der Breitschultrige mürrisch zurück. Dann kam er mit schnellen Schritten auf den Butler zu und baute sich breitbeinig vor ihm auf, »was hat er gesagt, bevor er abgekratzt ist?«

»Ihre Ausdrucksweise ist, gelinde gesagt, ungewöhnlich«, stellte der Butler tadelnd fest. »Um aber auf Ihre Frage zurückzukommen. Der Sterbende war nicht mehr in der Lage, etwas zu sagen. Ich muß also bedauern.«

»Mann, dir werd ich Beine machen«, brauste der Breitschultrige wütend auf, »ich hab’ doch vom Fenster aus gesehen, daß er noch gequasselt hat. Raus mit der Sprache …! Was hat er gesagt?«

»Die wenigen Wortfetzen waren leider nicht zu verstehen«, sagte Parker, »ich muß bedauern! Darf ich bei dieser Gelegenheit fragen, ob Sie ihn umgebracht haben?«

»Mit ’nem Messer?« gab der Breitschultrige fast verächtlich zurück.

»Man kann nie wissen«, entgegnete der Butler. »Darf ich noch einmal an die Polizei erinnern? Sie müßte informiert werden.«

»Ich will wissen, was er noch gesagt hat«, wiederholte der Breitschultrige, »oder muß ich erst Druck machen, he?«

»Was verstehen Sie unter Druck?« erkundigte sich der Butler höflich, »ich lasse mich gern aufklären!«

»Das hier …«, gab der Mann grinsend zurück und wollte urplötzlich mit dem langen Lauf der Pistole zuschlagen.

Doch er hatte nicht mit dem Kugelschreiber in Parkers Hand gerechnet. Er hatte ihn während der ganzen Zeit völlig übersehen. Er wurde jäh daran erinnert, als Parker den Festhalteclip nach unten drückte.

Im gleichen Augenblick verwandelte der Kugelschreiber sich in eine zielsichere und nützliche Waffe. Aus der Spitze sprühte unter starkem Druck eine fein verteilte Flüssigkeit hervor. Dieses Spray, fast angenehm duftend, traf die Augen und die Nasenlöcher des Mannes, der daraufhin sofort in Luftschwierigkeiten geriet, schwankte, die Augen verdrehte und dann wie ein gefällter Baum zu Boden schlug.

Er hatte total vergessen, mit der Pistole zuzuschlagen, so beeindruckt war er.

Parker kümmerte sich nicht weiter um den Mann. Er wußte, wie gut und sicher das Spray wirkte. Er ging erst einmal hinüber zur Tür und riegelte sie ab. An weiteren, nicht angemeldeten Besuchern war er im Augenblick nicht interessiert. Erst dann kümmerte er sich um den Tascheninhalt des Mannes, der immer noch wie ein Toter schlief …

*

Josuah Parker hatte sich informiert und trat erneut ans Telefon. Als er den Hörer abhob, stellte sich heraus, daß die Leitung tot war. Sie schien entweder zufällig oder aber auch absichtlich unterbrochen worden zu sein.

Parker entschied sich für die zweite Möglichkeit. Es war ja durchaus möglich, daß der Breitschultrige nicht allein gekommen war. Das aber würde dann bedeuten, daß draußen in der Dunkelheit Gefahr lauerte. Da Josuah Parker keineswegs die Absicht hatte, sich in dieser Dunkelheit herumzuschlagen, suchte er nach einem gangbaren Ausweg.

Er fand ihn natürlich!

Parker löschte das Licht im Raum und ging dann auf Zehenspitzen hinüber in den Waschraum. Er stieg auf den Rand der Wanne und öffnete leise das kleine Fenster rechts neben dem Elektroboiler. Ohne Zögern stieg er dann geschickt nach draußen. Es verstand sich von selbst, daß Parker sich inzwischen wieder korrekt angekleidet hatte. Er hätte sich eine Nachlässigkeit in dieser Richtung niemals verziehen, selbst dann nicht, wenn man ihn verfolgt hätte.

Er blieb ungesehen, falls der Einzelbungalow tatsächlich bewacht wurde. Parker wechselte über den kurz geschorenen Rasen hinüber zu der nahen Strauchreihe und schritt dann würdevoll auf den Steinbau drüben an der Straße zu, in dem die Verwaltungsräume des Motels untergebracht waren. Parker betrat eine der drei Telefonzellen und verständigte die örtliche Polizei. Er teilte dem diensttuenden Beamten kurz und bündig, aber vollendet höflich mit, daß sich in seinem Motel-Bungalow die Leiche eines unbekannten Mannes befinde. Um unnötigen Fragen aus dem Weg zu gehen, legte er nach dieser Durchsage sofort wieder auf und schritt zurück zum Bungalow.

Die Lichter eines Autos kamen ihm entgegen.

Sie waren abgeblendet und gehörten zu einem Buick, der hart an dem Butler vorbeirollte. Parker hatte es sicherheitshalber vorgezogen, hinter einem Baumstamm in Deckung zu gehen. Als der Buick ihn passierte, prägte der Butler sich die Wagennummer ein. Solche Kleinigkeiten hatten sich in der Vergangenheit schon oft als recht segensreich erwiesen.

Er näherte sich dem Bungalow und ihm fiel sofort auf, daß die Eingangstür geöffnet war.

Parker wußte, daß sie geschlossen gewesen war. Wer hatte sie in der Zwischenzeit geöffnet? Der Breitschultrige etwa? Das war so gut wie ausgeschlossen. Die Spraydosis in dem Kugelschreiber war stark genug, einen ausgewachsenen, starken Mann für wenigstens eine gute halbe Stunde in einen Tiefschlaf zu versetzen.

Parker zog seine Pillendose aus einer der Westentaschen, entnahm ihr eine runde Pille aus Gelatine und warf sie durch die geöffnete Tür in den Bungalow hinein.

Mit einer erstaunlich grellen Stichflamme und einem dumpfen Knall zerplatzte die Pille.

Eine Reaktion im Wohnraum blieb aus, ein sicheres Zeichen dafür, daß keine zusätzlichen Gegner auf den Butler warteten. Sie hätten sonst so oder so reagiert.

Parker riskierte es daraufhin, den Wohnraum zu betreten.

Er schaltete das Licht ein und … blieb unbeweglich hart neben der Tür stehen.

Er war überrascht.

Was zu verstehen war, denn sowohl die Leiche als auch der Breitschultrige waren nicht mehr vorhanden. Sie schienen sich in Luft aufgelöst zu haben …

*

»Was soll der Unsinn?« fragte Lieutenant Melton eine Viertelstunde später und sah den Butler mißtrauisch an. »Wo ist hier eine Leiche? Sind Sie sicher, daß Sie nicht zuviel getrunken haben?«

»Vollkommen sicher, Sir«, gab der Butler würdevoll zurück. »Ich bedauere außerordentlich, Ihnen nicht mit einer Leiche dienen zu können, obwohl sie vor einer guten halben Stunde noch vorhanden war.«

»Was meinen Sie, Grove?« fragte Lieutenant Melton, sich an seinen Sergeant wendend, der wie ein Spürhund in dem Bungalow nach Spuren suchte.

»Keine Blutspuren«, gab Sergeant Grove zurück, ein untersetzter, stämmiger Mann von etwa fünfundvierzig Jahren, mit dem traurigen Gesicht einer Bulldogge.

»Wiederholen Sie noch mal, was passiert ist«, meinte Lieutenant Melton, der wie Grove Zivil trug. Lieutenant Melton mochte etwa fünfunddreißig Jahre alt sein, er war mittelgroß, hager und hatte eine Stirnglatze, die sein ansonsten durchschnittliches Gesicht beherrschte.

»Als ich den Wandschrank dort öffnete, stieß ich auf den sterbenden Mann, in dessen Rücken ein Wurfmesser stak«, erwiderte der Butler wahrheitsgemäß. »Ich nahm mir die Freiheit, ihn auf die Couch zu tragen. Anschließend informierte ich die Polizei.«

»Sonst ist nichts gelaufen?« schaltete Sergeant Grove sich in die Unterhaltung ein.

»Ich wüßte nicht, Sir«, gab der Butler zurück, der im Moment an einer akuten Gedächtnisschwäche litt, die sich auf den Zwischenfall mit dem breitschultrigen Mann bezog. »Sie suchen tatsächlich vergeblich nach Blutspuren. Sie waren und sind nicht vorhanden. Die Wunde blutete kaum, wie ich feststellen konnte.

»Ich denke, wir befassen uns erst mal mit Ihren Personalien«, schlug Lieutenant Melton grimmig vor. »Ich möchte wissen, woher Sie Witzbold kommen.«

»Auf keine Fall dorther, woher Sie kommen, Sir.«

»Wie – wie soll ich das verstehen?« fragte Melton mißtrauisch.

»Ich komme aus einer Landschaft, in der Höflichkeit groß geschrieben wird«, stellte der Butler fest. »Falls Sie es wünschen, lasse ich Sie gerne wissen, wie Sie dorthin kommen, zumal Sie noch einen gewissen Nachholbedarf an Höflichkeit zu haben scheinen.«

Sergeant Grove grinste sichtbar, während Lieutenant Meltons Gesicht sich leicht rot färbte. Er holte tief Luft, hatte gewiß die Absicht, den Butler anzubrüllen, doch dann sah er das glatte, undurchdringliche Gesicht Parkers und spürte eigentlich zum ersten Mal seit seinem Erscheinen, daß er es auf keinen Fall mit einem Witzbold zu tun haben konnte.

»Also, woher kommen Sie, wie heißen Sie?« erkundigte er sich grimmig.

Parker nannte seinen Namen, seine Adresse und verriet, welchem Beruf er nachging.

»Butler sind Sie also?« Lieutenant Melton nickte spöttisch. »So sehen Sie auch aus.«

»Das war und ist meine erklärte Absicht, Sir«, antwortete Parker würdevoll.

»Hat der Mann noch geredet?« fragte Sergeant Grove.

»Ich möchte es fast annehmen«, entgegnete der Butler zurückhaltend, »Einzelheiten waren allerdings nicht zu verstehen.«

»Was hat er gesagt?« fragte Lieutenant Melton scharf dazwischen.

»Ich deutete schon an, daß kaum etwas zu verstehen war«, sagte Parker. »Sie müssen wissen, er befand sich bereits in Agonie. Zudem möchte ich fast annehmen, daß mir das, was er sagte, in der Aufregung nicht haften blieb. Ich bin schließlich ein müder, alter und relativ verbrauchter Mann.«

»Hören Sie, Parker, wenn Sie mich auf den Arm nehmen wollen, werden Sie was erleben«, erwiderte Lieutenant Melton scharf. »Ich hätte große Lust, Sie mit in mein Büro zu nehmen.«

»Wenn Sie sich davon etwas versprechen, Sir, stehe ich Ihnen gern zur Verfügung.«

»Halten Sie sich zu unserer Verfügung«, schnauzte Melton. »Wagen Sie es nur ja nicht, von hier abzuhauen, ohne mich zu verständigen. Haben wir uns verstanden?«

»Ihre Ausdrucksweise war schließlich plastisch genug«, stellte der Butler höflich fest. Er deutete eine knappe, würdevolle Verbeugung an, als die beiden Polizeidetektive hinüber zur Tür gingen. »Sollte ich Ihnen gewisse Unannehmlichkeiten bereitet haben, so bedauere ich dies ungemein.«

»Scheren Sie sich zum Teufel«, knurrte der schlechtgelaunte Detektivlieutenant.

»Wie Sie wünschen, Sir. Dazu müßten Sie mir allerdings sagen, welchen Weg ich wählen muß.«

Lieutenant Melton wollte eine Antwort geben, doch dann resignierte er. Vielleicht hatte er inzwischen selbst gemerkt, daß er sich ein wenig lächerlich gemacht hatte. Vielleicht bedauerte er sein schlechtes Benehmen.

Nachdem Lieutenant Melton und Sergeant Grove den Bungalow verlassen hatten, zündete der Butler sich eine seiner spezialgefertigten Zigarren an.

Er ließ sich in einem Sessel nieder und schaute versonnen den Rauchwolken nach. Er überdachte die Vorfälle und versuchte sie in ein System zu bringen.

Einige Stechmücken, die sich beim häufigen Öffnen der Tür eingeschlichen hatten und nur darauf warteten, einen Blutspender zu finden, versammelten sich auf der Gardinenleiste und nahmen Maß. Sie wollten endlich zu ihrem Nachtessen kommen.

Nach kurzer Verständigung bildeten sie zwei Angriffsspitzen und sirrten im Sturzflug hinunter auf den Butler, dessen Körperwärme sie ungemein animierte.

Die erste Angriffsstaffel durchquerte ahnungslos die Rauchwolken, die Josuah Parker gegen die Decke geblasen hatte. Prompt verloren die Moskitos die Orientierung. Sie hüstelten, sofern Moskitos dazu fähig waren, drehten ab und versuchten es mit einem zweiten Angriff.

Die zweite Moskitostaffel hatte einen weiten Halbkreis geflogen und steuerte im Direktflug auf den Nacken des Butlers zu.

Parker, der das giftige Sirren hörte, wendete sich halb herum und blies eine Dosis Zigarrenqualm in die Flugrichtung der Stechmücken.

Der Erfolg war frappierend.

Mit verdrehten Facettenaugen, taumelnd, hilflos und mit Luftschwierigkeiten kämpfend, drehten die Stechmücken ab, verloren stetig an Flughöhe und prallten dann in einer Notlandung auf den niedrigen Couchtisch. Mit letzter Kraft krabbelten sie in Deckung und verloren jeden Angriffswillen.

Die erste Staffel riskierte es ein zweites Mal.

Angeschlagen, leicht taumelnd, völlig überzogen, wie es in der Fliegersprache heißt, slippten sie auf die Stirn des Butlers zu, wurden von einer Rauchwolke getroffen und gerieten ins Trudeln. Sie landeten völlig entkräftet auf dem weichen Wollteppich und suchten anschließend zu Fuß das Weite. Hinter einer Ritze der Fußleisten gingen sie in Deckung und schnappten verzweifelt nach Luft.

Parker hatte von diesen Manövern kaum etwas mitbekommen. Er registrierte nur, daß das giftige Sirren der eingedrungenen Stechmücken nicht mehr zu hören war. Genußvoll sog er an der Zigarre und dachte nach.

Wer mochte die Leiche und den Breitschultrigen entführt haben? Was ging hier vor? Warum hatte der Sterbende die beiden rätselhaften Worte »Union-Pacific« und »Eldorado« ausgesprochen? Was hatte er damit noch sagen wollen?