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Götz Aly

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Beschreibung

Die NS-Vernichtungspolitik wäre ohne administrative Erfassungs- und Sortiertechniken nicht möglich gewesen. Götz Aly und Karl Heinz Roth konfrontieren den Leser mit der paradoxen Erkenntnis, daß der Rückfall in die Barbarei mit den Methoden einer modernen Bürokratie vorbereitet wurde.

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Götz Aly | Karl Heinz Roth

Die restlose Erfassung

Volkszählen, Identifizieren, Aussondern im Nationalsozialismus

FISCHER E-Books

Inhalt

Vorwort zur NeuausgabeEinleitungWissenschaftliche Soldaten des neuen ReichsStatistik im AufbruchVom Zählblättchen zur VolkszähltabelliermaschineInventurDie Volkszählung 1939 – Zahlenkolonnen für den FührerDie StatistikerFriedrich ZahnFriedrich BurgdörferRichard KorherrMelden, erfassen, sortierenDer deutsche TurmDie ReichsmeldeordnungDie VolkskarteiAusweiszwangJuden-StatistikSonderauszählungDas Individuelle in der StatistikRassejuden, Halb- und VierteljudenBibliothekare als ZuarbeiterKirchenbücher geben AuskunftSippenforschungDie Partei – am Beispiel des Dr. Fritz Arlt1938/39Die VolkszählungDie Reichskartei der deutschen JudenJudenzählungen in EuropaDer Wert des MenschenSiegfried KollerEin Rockefeller-Stipendium für ErbstatistikErbbiologie – von der Einzelerfassung zur BestandsaufnahmeDie Gesamtbeobachtung des LebensVernichtung der »Gemeinschaftsunfähigen«Siegfried Koller und das Statistische BundesamtVon der Volkskartei zur Reichspersonalnummer*Die sprechende ZahlDas Maschinelle BerichtswesenDie »Asozialen im Betrieb«Die Personal-EinzelerfassungModell-ProjekteKollers ZentralarchivAnsbach – die Erfassung einer StadtDer letzte VersuchMethoden des modernen StaatesAbkürzungenAnmerkungenEinleitungWissenschaftliche Soldaten des neuen ReichesMelden, erfassen, sortierenJuden-StatistikDer Wert des MenschenSiegfried KollerVon der Volkskartei zur ReichspersonalnummerBildnachweis

Vorwort zur Neuausgabe

Dieses Buch entstand 1983 aus Anlaß des politischen und juristischen Streits um die damals vorgesehene, dann vom Bundesverfassungsgericht aufgeschobene Volkszählung. Wir recherchierten und schrieben es innerhalb von sechs Monaten. Aber trotz dieses geringen Zeitaufwandes, trotz der aktuellen Zweckbindung hat sich unsere Arbeit als haltbar erwiesen. Alle unsere späteren Forschungen zur NS-Zeit, so verschieden sie gewesen sein mögen, haben diese Ergebnisse immer wieder bestätigt. Wir verstehen das nun neu aufgelegte, geringfügig gekürzte Buch nach wie vor als eine nur in den Grundzügen ausgeführte, durchaus nicht vollständige Darstellung, die auch dazu anregen soll, die bürokratisch-rationale Struktur des nationalsozialistischen Deutschland besser zu erforschen. Auch die politische Fragestellung des Buches – was darf der Staat, was dürfen Statistiker über den einzelnen Menschen wissen? – hat an Aktualität nichts verloren.

Im Jahr 1939 wurden die deutschen Juden und »jüdischen Mischlinge« bei Gelegenheit der Volkszählung und in Absprache mit dem Reichssicherheitshauptamt namentlich erfaßt. Ihre im vorgeblichen Schutz des Statistikgeheimnisses gemachten und mit Strafandrohung beförderten Angaben über die Religionszugehörigkeit der vier Großeltern übertrugen deutsche Beamte – sofern die Religion auch nur eines Großelternteils als »jüdisch« angegeben wurde – sofort in die Spalte »Abstammung« der polizeilichen Melderegister. Aus dem Urmaterial der Volkszählung legten deutsche Archivare – im Geheimen Preußischen Staatsarchiv – eine Reichskartei der deutschen Juden an. Im besetzten Polen wurden schließlich die Urmaterialien früherer Volkszählungen rückwirkend individuell ausgewertet, um anhand der Merkmale »Religion und Sprache« einzelne Juden herauszufinden. Das statistische Reichsamt erfaßte im Mai 1939 auch alle »arischen« Erwachsenen nach den erlernten Berufen. Dieses Material wurde ausschließlich individuell verwertet und sofort der Wehrmachtsführung übergeben, um für den bevorstehenden Krieg jeden Mann und jede Frau an den richtigen Platz beordern zu können, um nicht darauf angewiesen zu sein, was der einzelne aus Opportunitätsgründen als berufliche Qualifikation angeben würde oder nicht.

Es gibt viele ähnliche Beispiele, und dennoch ist das nur die eine Seite des Problems. Auch die Nazis haben statistische Daten nicht in erster Linie mißbraucht, sondern in der üblichen anonymen Weise gebraucht. Das informationelle Selbstbestimmungsrecht, wie es das Bundesverfassungsgericht 1983 definierte, ist eben, wenn man die Gefahren der Statistik richtig analysiert, nicht nur dann berührt, wenn statistische Daten reindividualisiert, also wieder einer einzelnen Person zugeordnet werden, sondern auch, wenn individuelle Daten zu statistischen Zwecken ausgewertet werden. Erst durch die anonymisierende Arbeit der Statistiker werden Menschen zum Teil eines »Problemfeldes«, mit eigener sogenannter Fruchtbarkeitswahrscheinlichkeit, mit eigener Scheidungswahrscheinlichkeit, eigenem Sozialverhalten etc. Auf diese Weise werden Menschen katalogisiert, durch Merkmalsprofile, die fast unendlich differenziert und vor allem beliebig kombiniert werden können. Erst so kann es gelingen, Menschen im Prozeß von Sozial- und Bevölkerungspolitik immer weiter zu unterteilen, in immer kleinere Gruppen. Auf diese Weise ist es möglich, daß für immer kleinere Gruppierungen von Menschen Gesetze, Verordnungen und Richtlinien erlassen werden, die für das einzelne Subjekt immer unüberschaubarer werden.

 

Berlin/Bremen, Januar 2000

Götz Aly

Karl Heinz Roth

Plakat der Deutschen Hollerith Maschinen Gesellschaft von 1933[Bildnachweis]

Einleitung

»Abzählen! … Rascher! Nochmals von vorne anfangen! … Abzählen!« Diese deutsch gesprochenen Befehle eines Nazifeldwebels beherrschen die Komposition »A Survivor from Warsaw« von Arnold Schönberg. Das Melodram für »1 Sprecher, Männerchor und Orchester« wurde 1948 in den USA, wo Schönberg im Exil lebte, uraufgeführt. Die Zuhörer waren nach dem letzten Ton erstarrt, und nach Minuten des Schweigens begann das verwirrte Ensemble, das 99taktige Opus 46 zu wiederholen. Wann immer engagierte Nachkriegsdirigenten dieses Stück in die Matthäus-Passion plazierten oder an den Freudenchor der 9.Symphonie angehängt hatten, waren Pfiffe die Antwort des deutschen Publikums gewesen. »Abzählen!« Schönberg hatte die merkwürdige Genauigkeit hinter den monströsen Naziverbrechen thematisiert. Doch kaum einer hat seine Interpretationen nazistischer Sozialtechnik aufgegriffen und untersucht, wie aus Menschen »Karteiträger« wurden, wie die bürokratische Abstraktion sie entmenschlichte und in eine neue Realität überführte, die des Todes.

Dabei war es nicht die Ideologie von Blut und Boden, auch nicht das bis Ende 1944 durchgehaltene Prinzip von Kanonen und Butter, mit denen die Nationalsozialisten ihre Macht festigten und ihre Verbrechen bewerkstelligten – es waren nackte Zahlen, Lochkarten, statistische Expertisen und Kennkarten. Jede Marsch- und Arbeitskolonne existierte zunächst als Zahlenkolonne, jeder Vernichtungsaktion ging die Erfassung voraus, die Selektion an der Rampe beendete die Selektion auf dem Papier. Figuren wie Heinrich Himmler und Reinhard Heydrich sollten nicht nur als blutrünstige Führer, sondern auch als rationale Menschen erkannt und dargestellt werden, als Leute, die auf der Grundlage sehr genauer Überlegungen gehandelt haben.

Der Präsident der Deutschen Statistischen Gesellschaft, Friedrich Zahn, stellte damals fest: »Schon ihrem Wesen nach steht die Statistik der nationalsozialistischen Bewegung nahe.« Und weiter: »Die Bevölkerungspolitik erfreut sich des besonderen Staatsinteresses. Sie ist nicht mehr bloß quantitative Bevölkerungspolitik, sie hat sich zur qualitativen und psychologischen Bevölkerungspolitik entwickelt, verlangt dementsprechend von der Statistik vermehrte und vertiefte Erkenntnis, die dann mit der unserem Führer eigenen Energie in die Tat umgesetzt werden kann.«[1] Für das »deutsche Aufbauwerk«, dem die Statistik diente, waren Individualität und subjektiv widersprüchliches Handeln nur Störfaktoren. Um sie auszuschalten, galt es, möglichst weitgehend in das private und das gesellschaftliche Leben der Menschen einzudringen, es zu registrieren, nach Merkmalen aufzugliedern und Menschen nach einzelnen Merkmalen zu isolieren.

Unter Anleitung der Polizei, der Gesundheits- und Sozialverwaltung und des Statistischen Reichsamts entstand nach 1933 in wenigen Jahren ein bizarres und zugleich effizientes System verschiedener Karteien, Zählungen, Meldegesetze und Kennkarten. Es diente der restlosen Erfassung und Klassifizierung der Bevölkerung; für die als deutschblütig Klassifizierten galten 1940 vier Kategorien: hochstehend bzw. hochwertig, durchschnittlich, tragbar und tiefstehend bzw. minderwertig.

Die Volkszählungen 1933 und 1939 waren längst nicht die einzigen Erfassungsaktionen: Das Arbeitsbuch (1935), das Gesundheitsstammbuch (1936), die Meldepflicht (1938), die Volkskartei (1939) und zuletzt die Personenkennziffer (1944) waren die bürokratischen Voraussetzungen für ein abgestuftes System von Lohn und Strafe, für »Auslese« und »Ausmerze«. Mit dem Urmaterial der Volkszählung von 1939 wurde in Berlin-Dahlem die Volkstumskartei angelegt, eine Kartei aller Nichtarier im Deutschen Reich; sie enthielt Namen, Geburtstag, Geburts- und Wohnort, Beruf und Mischlingsgrad … Das Rassenpolitische Amt der NSDAP begann seit 1934/35 in einzelnen seiner Gauämter mit dem Aufbau von »Asozialenkarteien«, 1935/36 folgte die Sonderregistrierung der Juden, Zigeuner und sonstiger »Fremdvölkischer«. Verkartet wurden seit 1934 auch die als erbkrank Angesehenen von den Gesundheitsämtern. Die Reichsstelle für Sippenforschung wurde mitsamt ihren Vorläufern zur Durchgangsstelle für den immer häufiger eingeforderten Nachweis der »Deutschblütigkeit« und »Erbgesundheit«. Seit 1936 beteiligten sich Gestapo und Kriminalpolizei immer intensiver an dem Verkartungsboom und starteten mit der »Zigeunererfassung« ein Pilotprojekt, das die Erfassung der Juden qualitativ ergänzte. All diese Einzelinitiativen speisten die zentralen Aktivitäten und radikalisierten sie.

»Karteiführer« im Erfassungswesen der SS. 1938 unterstanden dem SS-Erfassungsamt 3198 »Erfassungsstellen«, 160 »Obererfassungsstellen« und 18 »Haupterfassungsstellen«.[Bildnachweis]

Schon vor dem Krieg überschritt die nationalsozialistische Statistik die Reichsgrenzen: 1938 hatten die deutschen Statistiker die Rohstoff- und Arbeitskräftesituation in sämtlichen später besetzten osteuropäischen Ländern durchgerechnet. Im Sommer 1939 war eine Studie des 1938 aus dem Statistischen Reichsamt vorübergehend ausgegliederten Reichsamts für wehrwirtschaftliche Planung über die Stellung ethnischer Minderheiten in Polen abgeschlossen worden: die Analyse der sozialen Spannungen zwischen den einzelnen Bevölkerungsgruppen und deren alten, noch offenen Rechnungen war eine Grundlage für die spätere Besatzungsherrschaft, die durch Ausrottung ebenso gekennzeichnet ist wie durch die systematisch geförderte Kollaboration »hilfswilliger« Völker.

Unbekanntes jüdisches Mädchen mit Judenstern und Evakuierungsnummer, fertig zum Transport [Bildnachweis]

In seiner von Hitler ausdrücklich befürworteten Niederschrift »Einige Gedanken über die Behandlung der Fremdvölkischen im Osten« schreibt Himmler: »Bei der Behandlung der Fremdvölkischen im Osten müssen wir darauf sehen, so viel wie möglich einzelne Völkerschaften anzuerkennen und zu pflegen, also neben den Polen und Juden, die Ukrainer, die Weißrussen, die Goralen, die Lemken und Kaschuben. Wenn sonst noch irgendwo Volkssplitter zu finden sind, auch diese.« Die Bevölkerung des Ostens müsse in möglichst »viele Splitter zergliedert« werden, und auch die einzelnen Völkerschaften selbst seien »in unzählige kleine Splitter und Partikel aufzulösen«.2

Entsprechend wurde seit Herbst 1939 in den neu annektierten Ostgebieten jeweils mit besonderer Intensität gezählt, so am 17. Dezember 1939 in Oberschlesien und im »Warthegau«. In Prag wurde 1939 das Statistische Amt für das »Reichsprotektorat Böhmen und Mähren« geschaffen, ein Jahr später das Statistische Amt in Krakau, für den »Generalgouvernement« genannten Teil des besetzten Polens. Die Publikationsstelle in Berlin-Dahlem, die dem SD eng verbunden war und von 1943 an direkt der SS unterstand, stellte seither fortlaufend Zahlenmaterial über alle neu unterworfenen Völker zur Verfügung – für den Dienstgebrauch.

Den Zusammenhang zwischen Erfassen und gewalttätigem Unterdrücken dokumentiert ein Fernschreiben Heydrichs:

»Betr. Räumung der neuen Ostprovinzen

Auf grundsätzlichen Befehl des Reichsführers SS wird die Räumung von Polen und Juden in den neuen Ostprovinzen durch die Sicherheitspolizei durchgeführt (…) Die Räumung nach dem Fernplan erfolgt nach den Unterlagen der Volkszählung. Nach dieser besitzen alle Personen in den neuen Provinzen ein Exemplar. Das Volkszählungsformular gilt als vorläufiger Ausweis, der zum Aufenthalt berechtigt. Daher müssen vor dem Abtransport allen Personen diese Formulare abgenommen werden. Der Aufenthalt nach der Volkszählung ohne dieses Formular wird in den neuen Provinzen auf Befehl des RFSS (=Reichsführer SS, d. Verf.) mit Erschießen bedroht. Durch diese Maßnahme wird es möglich sein, die Rückkehr der ausgesiedelten Personen zu verhindern, nachdem eine wirksame Grenzkontrolle zum Gouvernement praktisch kaum voll erreichbar erscheint. Voraussichtlich wird die Volkszählung am 17.12.1939 stattfinden, so daß der große Räumungsplan erst nach diesem Zeitpunkt, also etwa ab. 1.1.1940 beginnen kann.«3

Allein aus dem »Warthegau« sollten in einem ersten Schritt über eine halbe Million Menschen in das Generalgouvernement deportiert werden. Aber nicht irgendwelche. »Für die Berechnung der Evakuierungszahlen aus den einzelnen Kreisen ist die volkstumsmäßige Gliederung, die politische Zusammensetzung und die wirtschaftlich-soziale Struktur ausschlaggebend. An Unterlagen stehen hierfür statistische Angaben (Volkszählungslisten usw.) aus deutschen und polnischen Quellen, die Ermittlungsergebnisse der Sicherheitspolizei und des Sicherheitsdienstes und die Erhebungen der Landräte zur Verfügung.« SS-Sturmbannführer Rapp schloß diesen Bericht mit der Bemerkung: »Dabei bleibt zu berücksichtigen, daß es sich nicht um eine wahllose Massenabschiebung handelt, sondern ein individuell bestimmter Personenkreis erfaßt und abtransportiert werden muß.«4 Jede Evakuierungskarte durchlief zum Zweck dieser individuellen Prüfung die Volksdeutsche Kartei, die Rückstellungskartei, die Ukrainer- und Russenkartei und die Transportkartei. Schließlich wurde die Karte noch einer Volksdeutschen Prüfungskommission vorgelegt und erst dann über die Abschiebung entschieden.

Auf dem Kongreß »Naziverbrechen gegen die Menschlichkeit in Polen und Europa« in Warschau erzählte uns der damalige Verfassungsrichter Martin Hirsch am 16. April 1983 strahlend, das Bundesverfassungsgericht habe die geplante Volkszählung ausgesetzt. Wir haben uns am selben Abend noch entschieden, die gerichtlich verfügte Pause zu nutzen, um diesen historischen Beitrag zu einem aktuellen Thema zu recherchieren und zu schreiben. Auffällig war auf dem Warschauer Kongreß: Über die Mordtaten wurde viel gesprochen, über die differenzierte und effiziente Methodik der Herrschaftsausübung so gut wie nicht.

Wir haben uns auf zwei unserer Meinung nach entscheidende Teilbereiche konzentriert: erstens die Methoden, die der Erfassung der Gesamtbevölkerung dienten; und zweitens einige herausragende Sonderaktionen, die die Selektion besonders stigmatisierter Minderheiten vorbereiteten. Nicht nur der im gewöhnlichen Verwaltungsalltag betriebene Datenmißbrauch, sondern gerade der gesetzliche Gebrauch des Zahlenmaterials ist bedenklich. Das scheint uns das entscheidende (von der Datenschützerdiskussion abweichende) Resultat unserer Beschäftigung mit dem Nationalsozialismus zu sein. Liegt nicht schon in der Abstraktion des Menschen zur Ziffer ein fundamentaler Angriff auf seine Würde? Ist die Versuchung nicht gegeben, den einmal zum Merkmalsprofil geronnenen Menschen zu begradigen, zu bereinigen, wie die Statistiker es nennen? Zählungen fördern die Macht des Objektiven, die Rationalität der Willkür. Auch ohne Mißbrauch. Die verschiedenen Erfassungstechniken sind von den Nationalsozialisten benutzt, weiterentwickelt und nur selten »pervertiert« worden. Es ist unmöglich, die Auswüchse zu beseitigen, ohne den gesamten methodischen Ansatz aufzugeben.

Gerade aufgrund der geschichtlichen Erfahrung erscheinen Volkszählungen und -kataster mit ihren scheinbar objektiven Daten und behördlichen Entscheidungshilfen als gegen die gesellschaftliche Phantasie gerichtete Angriffe. Die Zahlenwalze rollt auf die Menschen los. Es geht aber nicht um Bedarfsziffern, es geht um Bedürfnisse. Ein Grundbedürfnis, das wir während unserer Recherchen immer intensiver verspürten, war das nach der Gleichheit unter den Menschen. Das fortschreitende Zählen und Abspalten der jeweils Schwächsten und derer, die in bestimmten sozialpolitischen Konstellationen isoliert sind, dient der systematischen Vertiefung von Ungleichheit, und es löst das gesellschaftliche Leben administrativ auf – in Splitter und Partikel.

 

Januar 1984

Wissenschaftliche Soldaten des neuen Reichs

Statistik im Aufbruch

Ende Januar 1933 bestand für die große Mehrheit der Statistik-Experten des Weimarer Staates kein Zweifel, daß jetzt ihre Stunde gekommen sei. Die Zeiten, in denen sie als stille Sozialtechniker der politischen Macht zugearbeitet hatten, waren vorbei: Sie fühlten sich berufen, selbst Hand anzulegen. Es galt, mit Hilfe immer neuer Techniken die soziale und demographische Zusammensetzung der Bevölkerung zu erfassen und nach den Intentionen der neuen Herren und den neuesten Erkenntnissen der Wissenschaft, der Erb- und Rassenhygiene, umzugestalten.

»Die Stellung der Statistik im neuen Reich« ist die Überschrift eines Aufsatzes aus dem Jahr 1934, verfaßt von Johannes Müller, dem Präsidenten des Thüringischen Statistischen Landesamtes. Müller, dessen vorgesetzter Landesinnenminister schon seit 1930 der Nazi Wilhelm Frick war, bedankt sich darin für »die große Stärkung der Statistik gegenüber früher« – die Aufträge und Anfragen hätten sich seit »der grundlegenden Änderung aller Dinge in Deutschland« außerordentlich gehäuft. »Die Zeiten, in denen die wissenschaftlichen Statistiker in erster Linie Wissenschaftler waren, sind vorbei.« Die Statistiker haben, so führt Müller weiter aus, nun nicht mehr wie früher »zahlenmäßige Grundlagen allgemeiner Art« zu liefern, sondern sie stehen »mitten in den politischen Problemen mit all’ ihrer Unruhe und Unsicherheit«: »Dies im einzelnen näher zu belegen, erscheint überflüssig, es seien daher nur wenige Stichworte wie Arbeitsbeschaffungsprogramm, Fett- und Futtermittelbewirtschaftung, Bewirtschaftung von Industrierohstoffen, Preisüberwachung, Geburtenpolitik, Erbhöfe, Rassenpolitik u. a. m. angeführt, alles Aufgaben, die von den Verwaltungsbehörden nur unter umfassender Verwendung statistischer Angaben haben in Angriff genommen werden können.«1

Wenn wir den Statistikern glauben wollen, dann war der Nationalsozialismus in seiner Quintessenz statistische Wissenschaft und Sozialtechnik. Ein Autor, der sich schon 1934 mit der Rassenstatistik befaßte, behauptete sogar, erst mit der statistischen Verwissenschaftlichung verlasse die Rassenbiologie den bis dahin schwankenden völkischen Boden und gewinne so nationalsozialistisches Profil.2 Und der Präsident der Deutschen Statistischen Gesellschaft, Friedrich Zahn, schwärmte im Jahre 1941 über jene Zeiten des Aufbruchs:

»Wie der Führer als Ziel der nationalsozialistischen Bewegung die kühle Wirklichkeitslehre schärfster wissenschaftlicher Erkenntnisse aufstellte, so verlangte seine Regierung neben körperlicher Tüchtigkeit, charakterlicher Festigkeit und Disziplin gebrauchsfertiges Wissen, forderte nicht bloß politische und wirtschaftliche, sondern auch wissenschaftliche Soldaten. Sie braucht einwandfreie Erkenntnisse in weitem Umfange und große Vielseitigkeit, die zum guten Teil nur auf dem Weg der Statistik zu beschaffen sind, um vom Wissen zum Können, vom Rat zur Tat bei dem in Angriff genommenen gigantischen Aufbauwerk … zu gelangen.«3

Die Statistiker verstanden sich als »wissenschaftliche Soldaten« des Nationalsozialismus. Aber hören wir Friedrich Zahn noch ein Stück weiter zu:

»Sie (die nationalsozialistische Staatsführung, d. Verf.) hat ebenfalls den Menschen jetzt noch mehr als bisher in den Vordergrund ihrer Betrachtungsweise gerückt, nicht den Menschen als freies Individuum, sondern den Menschen, wie er in der Gemeinschaft biologisch, sozial, wirtschaftlich, kulturell gebunden ist.

Daher sind wichtige bevölkerungs- und medizinalstatistische Aufgaben auf dem Gebiet der Familie, Sippe, Rasse, Vererbung (Erbbiologie, Genealogie), Heimatkunde, des Volkstums (und Volkszugehörigkeit, Mundart, Sprache, Familienname) alsbald in Angriff genommen worden.

So hat bereits die Volkszählung von 1933 entsprechend der – seit Jahrzehnten von Bevölkerungspolitikern und Bevölkerungsstatistikern zwar geforderten, aber erst im Dritten Reich eingeleiteten – Familienpolitik ein eingehendes familienstatistisches Programm durchgeführt und hat die Volkszählung von 1939 dieses Programm noch weiter fortgebildet, die biologische Gestaltung der Einzelfamilie wird jetzt durch ein kombiniertes System von Bestands- und Bewegungsstatistik gut erfaßt. Ergänzt werden diese statistischen Erkenntnisse durch die biologischen Bestandsaufnahmen, wie sie in den Musterungsergebnissen der Wehrmacht, in den Untersuchungsergebnissen für das Jungvolk und den Jungmädelbund, in den Spezialuntersuchungen von Gesundheitsämtern, Universitätsinstituten, Betriebsärzten usw. für besondere Personenkreise, für besondere Gebietsteile vorliegen. Auch die statistische Auswertung der Ergebnisse der Reichsberufswettkämpfe darf nicht unerwähnt bleiben. Alle die genannten Quellen ermöglichen mit der Zeit einen allgemeinen Gesundheitskataster, eine volksbiologische Diagnose, ein klares Bild von der Lebensqualität des deutschen Volkes, von den Erbgesunden und den Erbkranken, ermöglichen wichtige Unterlagen zur Förderung der guten, zur Verhinderung der schlechten Erbmasse, zur erbbiologischen Gesundung des Volkskörpers.

Plakat der IBM-Tochterfirma Dehomag von 1934[Bildnachweis]

In weiterer Ergänzung dieser Fortbildung unserer Bevölkerungsstatistik verdienen die Betriebsuntersuchungen der Deutschen Arbeitsfront (Amt für Volksgesundheit) Hervorhebung, ihre statistischen Fragestellungen dienen der Gesunderhaltung und Leistungssicherung der lebenden Generation, sie bezwecken die Erhaltung der Leistungsfähigkeit des einzelnen bis ins Alter sowie die Nutzbarmachung seiner Höchstleistung für die Volksgemeinschaft.«4

Vom Zählblättchen zur Volkszähltabelliermaschine[2]

Gegen Ende des 19. Jahrhunderts beschäftigte sich im US-Census-Office, das die amerikanische Bevölkerung seit 1790 im Abstand von 10 Jahren zählte, der deutschstämmige Ingenieur Hermann Hollerith mit der Vereinfachung des Auswertungsverfahrens. Bis dahin waren die Angaben von den Fragebögen auf Zählblättchen übertragen worden. Für jede mögliche Antwort war ein Feld vorgesehen; bei der Auszählung eines Merkmals mußten dann nur die jeweiligen Felder beachtet werden. Dieses Verfahren setzte eine weitgehende Formalisierung, aber auch eine begrenzte Anzahl möglicher Antworten voraus.

Die Idee, die systematisierten Merkmale auf dem Zählblättchen statt mit einem Strich durch ein Loch zu kennzeichnen, soll Hollerith bei einer Bahnfahrt gekommen sein, als er einen Schaffner beim Lochen der Fahrkarten beobachtete. Er entwickelte eine Maschine, die auf elektromagnetischem Wege Löcher identifizieren konnte: Elektrische Kontaktbürsten tasteten die Karten ab und registrierten jede mögliche Lochung auf einem eigenen Zähler. Bereits 1890, bei der 11.amerikanischen Volkszählung, verarbeiteten die neuen Maschinen ca. 56 Millionen Lochkarten. Die Geschwindigkeit, mit der die ersten Zählergebnisse vorlagen, war beeindruckend und die amerikanische Bevölkerung weniger zahlreich als allgemein erwartet: Nach der Zählung waren es 62622250 statt der geschätzten 75 Millionen.

Hollerith sicherte sich weitreichende Patente, auch im Ausland. Er gründete 1896 ein eigenes Unternehmen, das er 1911 an die Computing-Tabulating-Recording-Company (CTR) verkaufte, 1924 in International Business Machines (IBM) umbenannt. In Deutschland gründete Willy Heidinger 1910 die Deutsche Hollerith Maschinen Gesellschaft (Dehomag) in Berlin-Lichterfelde. Die Dehomag agierte als selbständige Gesellschaft auf der Grundlage von Hollerith-Lizenzen.5

Die Zahl der Informationen, die auf einer Lochkarte untergebracht werden kann, ist durch die Größe der Karte begrenzt. Es galt daher, die Informationen mit Hilfe einer Lochschrift möglichst weitgehend zu formalisieren. Diese Lochschrift basiert auf dem Dezimalsystem und übersetzt Begriffe für Personen, Leistungen, Zeiten etc. in Zahlen. Der Katalog möglicher Antworten wird durchnumeriert und die entsprechende Kennzahl in die Ziffernlochkarte gestanzt. Diese Karte hatte zunächst 45 Spalten. 1928 brachte IBM (1930 Dehomag) eine Ziffernlochkarte mit rechteckigen statt runden Löchern heraus, die 60 oder 80 Spalten faßte.

Für die deutsche Volkszählung 1933 begründete die Dehomag, warum sie für die Auswertung der Zählung 60spaltige und nicht die eigentlich ausreichenden 45spaltigen Lochkarten verwendete: »Es (ist) heute noch nicht zu übersehen, ob man sich (…) nicht noch entschließt, aus irgendwelchen staatspolitischen Erwägungen heraus weitere Angaben aus der Haushaltsliste auf die Lochkarte zu übernehmen. Die Verwendung der 45spaltigen Lochkarte würde dies nicht mehr gestatten« (Hollerith Nachrichten, Heft 28/1933). Solche »staatspolitischen Erwägungen« gab es tatsächlich, es waren die Sonderauszählungen der Juden und Ausländer.

Einen großen Fortschritt für die Verarbeitungsgeschwindigkeit von Lochkarten brachte die Einführung einer automatischen Kartenzuführung und die Entwicklung von Sortier- und Tabelliermaschinen.

Nehmen wir einen Begriff, zu dessen Erfassung drei Lochkartenspalten vorgesehen sind. Es gibt 1000 verschiedene dreistellige Zahlen (000–999), d. h., drei Lochkartenspalten lassen 1000 verschiedene Antworten auf eine Frage zu. Es kann sinnvoll sein, alle Lochkarten mit der gleichen Lochung zusammenzufassen, beispielsweise könnte dies bedeuten, alle Menschen mit der gleichen Nationalität auszusortieren. Dann sind nur drei Arbeitsgänge nötig, um alle Karten in aufsteigender Reihenfolge nach diesem Merkmal zu sortieren, so daß anschließend alle Karten mit der gleichen Schlüsselzahl direkt hintereinanderliegen.

Ensprechend wurden Tabelliermaschinen entwickelt, die automatisch bei der Änderung eines oder mehrerer vorher bestimmter Merkmale (»Gruppenwechsel«) Zwischensummen ausdruckten und wieder von vorne zu zählen anfingen.

Was die Sortiermaschinen konnten, beschrieben die Hollerith-Mitteilungen (Nr. 3) schon 1913:

»Absonderung der Abnormalen. In dem Statistischen Bureau in Kopenhagen unter Leitung des Herrn Direktors Koefoed wurde von dem Dezernenten der Hollerith-Abteilung Herrn Elberling eine sehr sinnreiche Vorkehrung getroffen, durch welche das Sortieren von 4,7 Millionen Karten gespart wurde. Es gab etwa 100000 abnormale Menschen in Dänemark, die in dreierlei Weise abnormal sein konnten, nämlich bezüglich Gebrechen, der Religion und des Militärverhältnisses. Bei der gewöhnlichen Sortierungsmethode hätte man die sämtlichen Karten dreimal sortieren müssen, um die drei Abnormalitäten abzusondern, und da Dänemark etwa 2½ Millionen Einwohner hat, etwa 7½ Millionen Karten durch die Sortiermaschine schicken müssen.

Es wurde nun ein Sortiermaschinenbürstenhalter angefertigt, welcher anstatt einer Bürste drei Bürsten enthielt, und zwar in solcher Stellung, daß die drei Spalten der Abnormalen berührt wurden. Da nun die Sortiermaschine immer nach demjenigen Loch sortiert, welches zuerst den Strom schließt, war die Folge dieser Anordnung, daß bei der einmaligen Sortierung der 2½ Millionen Karten diejenigen, welche keine Abnormalitäten hatten, also in den drei Reihen nicht gelocht waren, in das R-Loch fielen, während die anderen je nachdem in das eine oder andere Fach sortiert wurden.« (Abgedruckt in: IBM-Nachrichten 33 (1983), Heft 265 unter der Überschrift »Neues von Gestern«.)

Während des Ersten Weltkrieges war es der Dehomag nicht möglich gewesen, Lizenzgebühren an die CTR zu zahlen; da es sich um Dollarschulden handelte, machte die Inflation die Lizenzschulden unbezahlbar. In dieser Situation legte die CTR die deutsche Konkurrenz an die Zügel; CTR kaufte 192290 % der Firmenanteile auf und zwang die Dehomag, ihre Geschäfte auf Deutschland zu beschränken. Ende der 30er Jahre war die Dehomag die mit Abstand ertragreichste Tochtergesellschaft von IBM.6

Ebenso wie die Muttergesellschaft arbeitete die Dehomag gut mit staatlichen Stellen zusammen, denn dort war allein schon durch die Lochkartenverkäufe ein hoher Profit sicher. Als es der Dehomag 1937 gelang, mit der Abteilung Maschinelles Berichtswesen der Wehrmacht ins Geschäft zu kommen und dabei den einzigen Konkurrenten Powers (Remington) aus dem Feld zu schlagen, war ein weiteres zukunftsträchtiges Absatzfeld gesichert.

Ein besonders guter Kunde war das Statistische Reichsamt. Es verwendete Lochkartenmaschinen nicht nur zur Auswertung der Volkszählungen, sondern auch für die laufenden statistischen Aufbereitungen.

Erhebungsbogen für das Rassenamt der SS und dazugehörige Hollerith-Lochkarte. Dieses Amt gehörte zum Rasse- und Siedlungshauptamt, das sowohl die SS-Männer und ihre Familien rassendiagnostisch einstufte als auch später Zwangsarbeiter und -arbeiterinnen – vor allem dann, wenn sie trotz des strengen Verbots zusammen mit einem Deutschen oder, noch verbotener, mit einer Deutschen Väter oder Mütter wurden. Für beide Verfahren verwandte die SS im Prinzip gleiche Vordrucke, »Eignungsprüfer« und Lochkarten. Die ausgefüllte Karteikarte zeigt das von einem »Eignungsprüfer« Helmut Sewering diagnostizierte Todesurteil – »Sonderbehandlung« –, verhängt gegen einen Zwangsarbeiter, der eine deutsche Frau geliebt hatte, ohne die rassischen Voraussetzungen zu erfüllen. [Bildnachweise: 1, 2]

Auf Anregung des Reichsamtes entwickelte die Dehomag beispielsweise die Tabelliermaschine D11 weiter. Diese Maschine besaß eine automatische Papierzuführung, eine Stecktafelprogrammierung, war für alle vier Grundrechenarten ausgerüstet, konnte die Rechenergebnisse an beliebigen Stellen der Berechnung niederschreiben; ein Kartenlocher stanzte die Ergebnisse automatisch in Summenkarten, die dann für weitere Arbeitsgänge bereitstanden. Für die Volkszählung 1939 wurde die D11 zur Volkszähltabelliermaschine umgerüstet, die bis zu dreizehn Zählbegriffe in einem Kartendurchgang errechnete. Wenn diese Maschine nur zählte, erreichte sie eine Leistung von 12000 Kartendurchgängen in der Stunde.7

Zur Aufarbeitung der Volkszählung von 1939 stellte das Statistische Reichsamt 2000 Männer und Frauen als zusätzliches Personal ein, um das Urmaterial der Volkszählung zu bearbeiten, das mehr als 70 Eisenbahnwagen füllte. Die Dehomag richtete in dem Amt eine eigene Zweigstelle zur maschinellen Aufbereitung der Ergebnisse ein.

Spätestens ab 1942 war auch die SS Kunde der Dehomag und ließ die SS-Rassenerfassung auf Hollerith-Karten übertragen, 1943/44 auch die Daten zu KZ-Häftlingen.

Inventur

Volkszählungen hatten die einzelnen deutschen Staaten mit den nachnapoleonischen Verwaltungsreformen eingeführt. Preußen zählte seit 1816, der Deutsche Zollverein seit 1833 – im Turnus von drei Jahren, jeweils am 3. Dezember. Die erste allgemeine Volkszählung des Deutschen Reichs veranstaltete das Kaiserliche Statistische Reichsamt unmittelbar nach seiner Gründung am 1. Dezember 1871. Die nächste Zählung folgte 1875 und von da an bis 1910 im Rhythmus von fünf Jahren. Die Zählung von 1915 (bereits bis ins Detail als »große Volkszählung« mit einer neuartigen Familienstatistik geplant) mußte wegen des Krieges ausfallen. Die Zählungen der Jahre 1916, 1917 und 1919 zielten auf die Verwaltung des Krieges bzw. Nachkrieges – Lebensmittelrationierung, Berufs- und Betriebserfassung. Erst 1925 organisierte der neuernannte Abteilungsdirektor im Statistischen Reichsamt, Friedrich Burgdörfer, eine »wirtschafts- und sozialstatistische Bestandsaufnahme«8. Neu an dieser Volkszählung war, daß geistig und körperlich »Gebrechliche« erfaßt und im Anschluß daran, 1926, mit einem sehr detaillierten Fragebogen einer Sonderzählung unterworfen wurden.9

Die nächste Zählung, für 1930 geplant, hatten die letzten Regierungen der Weimarer Republik immer wieder wegen finanziell begründeter Einsprüche einzelner Länder verschoben – bis die neue Hitler-Regierung sich eilig darüber hinwegsetzte. Als eine ihrer ersten Taten ordnete sie die »Inventur« an.