Erhalten Sie Zugang zu diesem und mehr als 300000 Büchern ab EUR 5,99 monatlich.
Eigentlich ist der Student aus Russland ein vielversprechender junger Mann, doch neigt er zu seltsamen Wahnvorstellungen. Ist der gepflegte ältere Herr in dem Pariser Café wirklich der Bettler, dem er vor zwei Jahren ein Almosen gab? Die beiden freunden sich an, und der Student besucht Pawel Alexandrowitsch und seine junge Geliebte fortan oft. Eines Abends überlegt er, ob es für seinen Freund nicht das Beste wäre, genau jetzt zu sterben, da er offenbar rundum glücklich ist. Am nächsten Tag wird der Freund ermordet aufgefunden. Und der einzige Zeuge, ein goldener Buddha, ist verschwunden … Ein dramatischer Krimi – und das Seelendrama eines Emigranten in der Zwischenkriegszeit.
Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:
Seitenzahl: 264
Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:
Eigentlich ist der Student aus Russland ein vielversprechender junger Mann. Wenn er nicht diese seltsamen Wahnvorstellungen hätte, die er von der Realität kaum unterscheiden kann. Eines Abends trifft er in einem Café in Montparnasse einen gepflegten älteren Herrn. Ist das wirklich der Bettler, dem er vor zwei Jahren ein Almosen gegeben hat? Die beiden freunden sich an, und der Student besucht Pawel Alexandrowitsch und seine junge Geliebte fortan oft. Auf dem Heimweg überlegt er eines Abends, ob es für seinen Freund nicht das Beste wäre, genau jetzt zu sterben, da er offenbar rundum glücklich ist. Am nächsten Tag wird Pawel Alexandrowitsch ermordet aufgefunden. Der Hauptverdächtige ist der junge Mann, der als Letzter bei ihm war, und der goldene Buddha, der einzige Zeuge, ist verschwunden …
Hanser E-Book
Gaito Gasdanow
Die Rückkehr des Buddha
Roman
Deutsch und mit einem Nachwort
von Rosemarie Tietze
Carl Hanser Verlag
Die Originalausgabe erschien erstmals
unter dem Titel Возвращение Будды in der
russischen Literaturzeitschrift Новый журнал
(The New Review) in New York
(Nr. 22, 1949, und Nr. 23, 1950).
ISBN 978-3-446-25187-8
Alle Rechte der deutschen Ausgabe
© Carl Hanser Verlag München 2016
Umschlag: Peter-Andreas Hassiepen, München © akg-images/IMAGNO/Austrian Archives
Satz: Gaby Michel, Hamburg
Unser gesamtes lieferbares Programm
und viele andere Informationen finden Sie unter:
www.hanser-literaturverlage.de
Erfahren Sie mehr über uns und unsere Autoren auf www.facebook.com/HanserLiteraturverlage oder folgen Sie uns auf Twitter: www.twitter.com/hanserliteratur
Datenkonvertierung E-Book:
Kreutzfeldt digital, Hamburg
Ich starb – lange habe ich nach Wörtern gesucht, mit denen ich es beschreiben könnte, um endlich einzusehen, dass keiner der Begriffe, die ich kannte und mit denen ich gewöhnlich operierte, es erfasst hätte, und das Wort, das mir noch am wenigsten ungenau erschien, gehörte nun mal in den Bereich des Todes – ich starb im Monat Juni, des Nachts, während eines der ersten Jahre meines Aufenthalts im Ausland. Ebenso unbegreiflich war allerdings, dass ich der einzige Mensch war, der von diesem Tod wusste, und sein einziger Zeuge. Ich sah mich im Gebirge; mit der absurden und unbedingten Notwendigkeit, wie sie typisch ist für Situationen, in denen die Überlegungen eines Menschen merkwürdigerweise keine Rolle mehr spielen, musste ich eine hohe und fast überhängende Felswand erklimmen. Hie und da sprossen aus der graubraunen Steinwand, unerfindlich wie, kleinere Dornensträucher, an einigen Stellen gab es sogar verdorrte Baumstämme und Wurzeln, die längs der Brüche und Risse im Stein senkrecht hinabkrochen. Unten, an der Stelle, von wo ich aufgestiegen war, zog sich ein schmaler Felsabsatz um die Wand, und noch weiter unten, da floss im düsteren Abgrund, unter fernem und dumpfem Tosen, ein Gebirgsbach. Lange schon kletterte ich aufwärts, tastete vorsichtig nach Vertiefungen im Stein und klammerte mich mit den Fingern bald an einem Strauch, bald an einer Baumwurzel, bald an einem scharfkantigen Vorsprung fest. Ich näherte mich allmählich einer kleinen Felsfläche, die mir von unten nicht sichtbar war, wo aber, wie ich merkwürdigerweise wusste, ein schmaler Pfad begann; und ich konnte mich nicht von dem bedrückenden und – wie alles, was da geschah – unverständlichen Vorgefühl freimachen, es wäre mir nicht mehr vergönnt, ihn zu sehen und noch einmal seinen engen Biegungen zu folgen, die sich unregelmäßig den Berg hinaufwanden und von Kiefernnadeln übersät waren. Später fiel mir ein, dass oben anscheinend jemand auf mich gewartet hatte, in dem ungeduldigen und brennenden Wunsch, mich zu sehen. Schließlich war ich fast ganz hinaufgestiegen, meine rechte Hand packte die Kante am Vorsprung der Felsfläche, in wenigen Augenblicken wäre ich schon dort, doch plötzlich brach unter meinen Fingern der harte Granit, und nun fiel ich mit unglaublicher Geschwindigkeit hinab, mein Körper prallte gegen den Fels, der vor meinen Augen aufwärts zu fliegen schien. Dann erfolgte ein heftiger, außerordentlich harter Stoß, wonach mir die Armmuskeln tödlich schmerzten, es verschlug mir den Atem – und ich hing, meine erstarrten Finger hielten sich krampfhaft am verdorrten Zweig eines toten Baumes fest, der sich irgendwann in einer waagrechten Felsspalte eingenistet hatte. Unter mir aber war Leere. Ich hing, blickte aus weit aufgerissenen, unbeweglichen Augen auf das kleine Stück Granit, das sich in meinem Blickfeld befand, und merkte, dass der Zweig sich unter meinem Gewicht langsam und sanft verschob. Eine durchsichtige kleine Eidechse tauchte für einen Moment oberhalb meiner Finger auf, ich sah deutlich ihren Kopf, ihre sich rasch hebenden und senkenden Flanken und ihren toten Blick, kalt und reglos, den Blick des Reptils. In einer kaum wahrnehmbaren, biegsamen Bewegung schoss sie aufwärts und verschwand. Dann hörte ich das satte Brummen einer Hummel, bald tiefer, bald höher und durchaus nicht frei von gewisser zudringlicher Melodik, so glich es einer dunklen Erinnerung des Gehörs, die sich demnächst klären müsste. Aber unter meinen Fingern senkte sich immer mehr der Zweig, immer tiefer durchdrang mich das Entsetzen. Und das ließ sich noch am allerwenigsten beschreiben; es überwog das Bewusstsein, dies seien die letzten Minuten meines Lebens, keine Macht der Welt könne mich noch retten, ich sei allein, vollkommen allein, und unten, in der schrecklichen Tiefe, die ich in all meinen Muskeln spürte, erwarte mich der Tod, und gegen ihn sei ich wehrlos. Nie hätte ich gedacht, dass diese Gefühle – Einsamkeit und Entsetzen – nicht nur seelisch, sondern buchstäblich auf der gesamten Körperoberfläche spürbar wären. Und obwohl ich noch am Leben war und meine Haut keinen einzigen Kratzer hatte, durchlief ich in überaus raschem Tempo, das nichts aufhalten, nicht einmal verlangsamen konnte, seelische Agonie, eiskalte Qual und unbesiegbaren Gram. Und erst in der allerletzten Sekunde oder im Bruchteil einer Sekunde empfand ich so etwas wie schmählich angenehme Erschöpfung, die seltsamerweise nicht zu trennen war von Qual und Gram. Und mir schien, wenn ich sämtliche Gefühle, die ich im Lauf meines Lebens empfunden hatte, zu einem Ganzen zusammenfassen könnte, so wäre die Macht dieser gebündelten Gefühle ein Nichts im Vergleich zu dem, was ich in diesen wenigen Minuten empfand. Aber das war mein letzter Gedanke: Der Zweig knackte und brach, und rings um mich wirbelten unerträglich rasch, wie in einem riesigen Schacht, Felsen, Sträucher und Vorsprünge, und schließlich, nach unendlich langer Zeit in der feuchten Luft, erschallte auf den Steinen am Bach der schwere Aufprall meines zerschellenden Körpers. Noch eine Sekunde lang stand mir, unaufhaltsam im Verschwinden begriffen, das Bild der steilen Felswand und des Gebirgsbachs vor Augen, dann war es weg, und nichts blieb zurück.
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!