Die Schlangenkrieg-Saga 2 - Raymond Feist - E-Book

Die Schlangenkrieg-Saga 2 E-Book

Raymond Feist

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Beschreibung

Komplett überarbeitete Neuausgabe der New-York-Times-Bestsellersaga.

Roo kehrt als geachteter Kriegsheld aus der Schlacht gegen die Schlangen ins Zivilleben zurück. Er ist nun ein freier Mann und beschließt, sein Glück in der Hauptstadt Krondor zu versuchen. Roo strebt nach Reichtum und will eines Tages der mächtigste Händler Midkemias werden. Der Weg nach oben erweist sich als steinig und gefährlich, aber schließlich gelingt es ihm, in Krondor Partner des Händlers Grindle zu werden. Da wird dieser plötzlich tot aufgefunden, auf brutale Weise ermordet. Doch auch die Vergangenheit lässt Roo nicht los, denn der Krieg gegen die Smaragdkönigin ist noch nicht vorbei …



  • »Ein episches Leseabenteuer!« (San Diego Union-Tribune)
  • Heroische Fantasy in komplett überarbeiteter Neuaustattung.
  • Dieser Roman erschien bisher in zweigeteilter Ausgabe unter den Titeln »Die Händler von Krondor« und »Die Fehde von Krondor«.

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Buch

Roo kehrt als geachteter Kriegsheld aus der Schlacht gegen die Schlangen ins Zivilleben zurück. Er ist nun ein freier Mann und beschließt, sein Glück in der Hauptstadt Krondor zu versuchen. Roo strebt nach Reichtum und will eines Tages der mächtigste Händler Midkemias werden. Der Weg nach oben erweist sich als steinig und gefährlich, aber schließlich gelingt es ihm, in Krondor Partner des Händlers Grindle zu werden. Da wird dieser plötzlich tot aufgefunden, auf brutale Weise ermordet. Doch auch die Vergangenheit lässt Roo nicht los, denn der Krieg gegen die Smaragdkönigin ist noch nicht vorbei …

Autor

Raymond Feist wurde 1945 in Los Angeles geboren und lebt in San Diego im Süden Kaliforniens. Viele Jahre lang hat er Rollenspiele und Computerspiele entwickelt. Aus dieser Tätigkeit entstand auch die fantastische Welt seiner Romane: Midkemia. Die in den 80er-Jahren begonnene Saga ist bereits ein Klassiker des Fantasy-Genres, und Feist gilt als einer der wichtigsten Vertreter der Fantasy in der Tradition Tolkiens.

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Raymond Feist

Die

Schlangenkrieg-

Saga 2

Herr der Münzen

Deutsch von Andreas Helweg

Die Originalausgabe erschien 1996 unter dem Titel»Rise of a Merchant Prince (The Serpentwar Saga, Book 2)«bei Doubleday, New York.
Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.
Sollte diese Publikation Links auf Webseiten Dritter enthalten, so übernehmen wir für deren Inhalte keine Haftung, da wir uns diese nicht zu eigen machen, sondern lediglich auf deren Stand zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung verweisen.
Copyright der Originalausgabe © 1995 by Raymond Elias FeistCopyright der deutschsprachigen Ausgabe © Juni 2016 by Blanvalet in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH,Neumarkter Str. 28, 81673 München.Deutsche Erstveröffentlichung © 1997 by Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, Neumarkter Str. 28, 81673 München. unter den Titeln »Die Händler von Krondor« und »Die Fehde von Krondor«Redaktion: Peter ThannischCovergestaltung und -illustration: Isabelle Hirtz, InkcraftBL · Herstellung: samSatz: Buch-Werkstatt GmbH, Bad AiblingISBN 978-3-641-22737-1V002
www.blanvalet.de

Prolog Dämonia

Die Seele kreischte.

Das breite Maul des Dämons zeigte ein stetes Grinsen, und so verriet lediglich ein leichtes Zucken seiner Augen, die denen eines Hais glichen – schwarze Kreise, flach und leblos – sein wachsendes Vergnügen. Er betrachtete das Glas, seinen einzigen Besitz.

Diese Seele war besonders lebhaft, und der Dämon hatte Glück gehabt, sie zu finden und fangen zu können. Er klemmte das Glas unter das Kinn, schloss die Augen und spürte, wie die Energie aus dem Glas zu ihm überfloss. Die Kreatur kannte nichts, das so etwas wie Glück geähnelt hätte, nur ein Nachlassen der Angst oder der Wut. Aber das nun in ihm aufwallende Gefühl kam Glück so nahe, wie es bei einem Dämon möglich war. Jedes Mal, wenn sich die Seele in dem Glas wehrte, erfüllte es die Gedanken des Dämons mit neuen Ideen.

Als fürchte er plötzlich, einer seiner mächtigeren Brüder könne ihm sein Spielzeug entreißen, blickte sich der Dämon um. Die Halle, in der er sich befand, war eine von vielen im großen Palast von Cibul, der Hauptstadt des inzwischen ausgemerzten Volks der Saaur.

Dann fiel es dem Dämon wieder ein: ausgemerzt, bis auf jene, die durch das magische Portal geflohen waren. Er spürte, wie der Zorn zurückkehrte, sich dann jedoch rasch wieder in nichts auflöste. Als minderer Dämon war er nicht besonders klug, und er hatte nicht verstanden, weshalb man der Flucht dieses kleinen Teils jenes ausgelöschten Volkes eine solche Bedeutung zumaß. Doch dies war offensichtlich der Fall, denn die Dämonenherrscher versammelten sich in diesem Moment auf der Ebene im Osten der Stadt Cibul, um den mittlerweile geschlossenen Spalt, durch den die Saaur geflohen waren, abermals in Augenschein zu nehmen.

Die Lords des Fünften Zirkels hatten schon einmal das Portal geöffnet, und dabei hatte der winzige Dämon hindurchschlüpfen können, ehe das Portal in sich zusammengefallen war. Der Spalt zwischen den zwei Sphären war damit wieder versiegelt und der winzige Dämon auf der anderen Seite gestrandet. Die wichtigeren Dämonen berieten ausgiebig darüber, wie man den Spalt erneut öffnen und sich Zugang zu jenem anderen Reich verschaffen könnte.

Der Dämon wanderte durch die Hallen, ohne die Verheerungen um sich herum wahrzunehmen. Wandteppiche, an denen eine ganze Generation gewoben hatte, waren heruntergerissen und von Schmutz und Blut befleckt. Nun trampelte man achtlos auf ihnen herum.

Der Dämon zermalmte unter seinen Füßen die Rippe eines Saaur und trat die Reste geistesabwesend beiseite. Endlich gelangte er zu seinem geheimen Zimmer, demjenigen, das er für sich beanspruchte, solange das Heer des Fünften Zirkels auf dieser kalten Welt bleiben würde. Welch schreckliche Erfahrung war es gewesen, das Reich der Dämonen zu verlassen, dachte der junge Dämon. Es war seine erste Reise gewesen, doch er wusste nicht recht, ob er diesen Übergang wirklich bedauern sollte.

Denn das anschließende Festmahl war herrlich gewesen. Nie zuvor hatte er einen solchen Überfluss an Fressen zu Gesicht bekommen, obwohl ihm nur die Brocken zuteilgeworden waren, die beim Festschmaus der Mächtigsten des Heeres abgefallen waren. Aber ob es nun nur die Brocken waren oder nicht, der Dämon hatte viel verschlungen und war gewachsen. Und das brachte so seine Probleme mit sich.

Der Dämon setzte sich und versuchte eine bequeme Haltung zu finden, während sich sein Körper veränderte. Der Festschmaus hatte fast ein Jahr gedauert, und viele der geringeren Dämonen waren herangewachsen. Er selbst war besonders schnell gewachsen, obwohl er immer noch nicht groß genug war, um wirklich klug zu sein. Auch sein Geschlecht hatte sich noch nicht entwickelt.

Er betrachtete sein Spielzeug und lachte, ein stilles Klaffen des Kiefers und ein saugendes, zischendes Atemholen. Ein sterbliches Auge hätte das Ding in dem Glas nicht sehen können. Der Dämon, der noch keinen Namen hatte, hatte viel Glück gehabt, dass er ausgerechnet diese Seele eingefangen hatte. Ein großer Dämonenhauptmann, fast ein Lord, war mächtiger Magie zum Opfer gefallen, gerade als der große Tugor den Anführer der Saaur zermalmt und gefressen hatte. Einer der Magier der Saaur hatte den Dämonenhauptmann vernichtet, aber das hatte ihn auch das eigene Leben gekostet. Der kleine Dämon war vielleicht nicht besonders klug, aber er war schnell, und ohne Zögern hatte er sich die fliehende Seele des toten Magiers geschnappt.

Der Dämon untersuchte das Seelenglas abermals und tippte mit dem Finger dagegen. Die magische Seele darin belohnte ihn, indem sie wild um sich schlug, falls etwas ohne Körper überhaupt schlagen konnte.

Der Dämon verlagerte das Gewicht. Er wusste, er würde mächtiger werden, aber das Fressen ohne Unterlass war zu Ende. Die letzten der Saaur waren tot und verschlungen, und nun musste sich das Heer der Dämonen mit niederen Tieren als Speise abfinden, mit Tieren, deren Seelen nur wenig Macht lieferten. Es gab einige Arten, deren Nachwuchs als Schmaus dienen würde, aber das bedeutete langsames Wachstum. Der Körper des Dämons würde sich nicht weiterentwickeln, bis sie ins nächste Reich eingefallen waren.

Kalt ist es, dachte der Dämon, während er sich in dem großen Zimmer umsah, dessen ursprünglicher Zweck ihm unbekannt war. Es war das Schlafzimmer einer der vielen Gemahlinnen des Saaur-Anführers gewesen. Das Reich, aus dem der Dämon stammte, war wild und heiß, und dort wuchsen die Dämonen des Fünften Zirkels ungezügelt heran und fraßen sich gegenseitig, bis sie stark genug waren, um dem Dämonenkönig und seinen Lords und Hauptmännern zu dienen. Er selbst hatte nur noch vage Erinnerungen an seine eigenen Anfänge, an die Wut und die Angst und die gelegentlichen Augenblicke des Vergnügens, wenn er etwas verschlungen hatte.

Der Dämon suchte erneut eine bessere Lage. Wenn sich der Körper veränderte, konnte man kaum eine bequeme Haltung finden. Sein Rücken juckte, und mit Sicherheit würden bald die Flügel wachsen, zuerst ganz winzig, dann immer größer, während er an Macht zunahm. Der Dämon war schlau genug, um zu wissen, dass er kämpfen musste, wenn er einen höheren Rang einnehmen wollte, und daher wollte er sich besser ausruhen.

Bisher hatte er sehr viel Glück gehabt, da er in die kritische Zeit seines Wachstums eingetreten war, während der Krieg auf dieser Welt seinem Ende zuging und das Heer zu sehr damit beschäftigt war, die Bewohner dieser Welt zu verschlingen, um unter sich Rangkämpfe auszutragen.

Jetzt kämpften andere, und die Gewinner würden die Kraft der Verlierer in sich aufnehmen, wenn sie diese fraßen; außer in jenen Zeiten, in denen die Lords und Hauptmänner von allen Gehorsam verlangten, war jeder Dämon von niedrigerem Rang eine lohnende Beute für einen größeren. So war das nun einmal bei seinem Volk, und jeder, der fiel, war es nicht wert, dass man einen weiteren Gedanken an ihn verschwendete. Er selbst glaubte, es müsste noch einen besseren Weg geben, wie man mehr Kraft gewinnen konnte, ohne sich auf die offenen Kämpfe einzulassen. Aber er hatte keine Idee, wie dieser Weg aussehen könnte.

Er sah sich in dem Raum um, der einst ein königliches und reich ausgestattetes Zimmer gewesen war, und schloss die Augen, nicht ohne jedoch noch einen letzten Blick auf das Seelenglas zu werfen. Vielleicht würde das Fressen für eine Weile vorbei sein und damit auch das Wachsen, aber während dieses Krieges hatte der Dämon eines gelernt: Körperliches Wachstum war sicherlich beeindruckend, aber wichtiger war es, Dinge zu wissen. Der Inhalt des Seelenglases hatte ein enormes Wissen, und der kleine Dämon hätte dieses Wissen gern besessen. Er hielt sich das Glas an die Stirn und stupste die Seele mit seinem Geist an, woraufhin diese erneut um sich schlug, und die Energie, die dabei frei wurde, floss in den Dämon. Das Gefühl, das er dabei empfand, war mächtig, so wie jenes, welches Rauschgifte bei Sterblichen hervorrief, und es war das Schönste, was Dämonen kannten. Der Dämon fühlte etwas, das ihm vollkommen neu war: Befriedigung. Bald würde er klüger sein, würde Dinge wissen, und dann konnte er mit mehr als nur der Gerissenheit eines Tieres um einen höheren Rang kämpfen.

Und wenn die Dämonenherrscher schließlich einen Weg fanden, das Portal, das hinter den fliehenden Saaur versiegelt worden war, zu öffnen, würde das Dämonenheer des Fünften Zirkels ihnen folgen, und es würde genug Nahrung geben, ob nun Saaur oder was auch immer für intelligente Wesen auf der Welt von Midkemia leben mochten.

Die Rückkehr

Ein Schiff lief in den Hafen ein.

Schwarz und bedrohlich, bewegte es sich wie ein dunkler Jäger, der seiner Beute nachsetzt. Die vollen Segel an den drei hohen, majestätischen Masten trieben das Kriegsschiff auf die Kais der großen Stadt zu. Andere Schiffe wichen zur Seite. Obwohl es wie ein großes Piratenschiff von den Inseln des Sonnenuntergangs aussah, trug das Schiff am vorderen Mast das fürstliche Wappen, und alle, die es sahen, wussten, dass der Bruder des Königs nach Hause zurückkehrte.

Oben in der Takelage des Schiffes arbeitete emsig ein junger Mann und reffte das Besansegel. Einen Moment lang hielt Roo inne, ehe er das letzte Reff festzurrte, und ließ den Blick über die Stadt Krondor schweifen.

Die Stadt des Prinzen breitete sich vom Hafen her aus, erhob sich über die Hügel im Süden und verlor sich im Norden. Das Panorama war beeindruckend. Im vergangenen Jahr hatte der junge Mann – zum nächsten Mittsommerfest würde er das achtzehnte Lebensjahr vollenden – oft daran gezweifelt, ob er die Stadt jemals wiedersehen würde. Und doch, da war er, erledigte die letzten Handgriffe auf dem Besanmast der Freihafenwächter, einem Schiff unter dem Befehl von Admiral Nicholas, Bruder des Herrschers des Königreichs der Inseln und Onkel des Prinzen von Krondor.

Krondor war die zweitwichtigste Stadt des Königreichs der Inseln, die Hauptstadt des Westlichen Reiches und der Sitz der Macht des Prinzen von Krondor, Erbe des Throns der Inseln. Roo betrachtete die vielen verschiedenen Gebäude, die sich an die den Hafen umgebenen Berge duckten. Der Anblick wurde vom Palast des Prinzen beherrscht, der der Hochwassergefahr wegen auf einem steilen Hügel errichtet worden war. Die Majestät des Palastes stand in scharfem Gegensatz zu den einfachen Bauten, die direkt am Ufer ihren Platz gefunden hatten, den Lagerhäusern, den Werkstätten von Schiffsausrüstern, Segel- und Seilmachern und Zimmermännern sowie den Hafenspelunken. Die Nachbarschaft des Armenviertels, der Zuflucht von Tagedieben und Spitzbuben, ließ das Hafenviertel im Vergleich zum nahen Palast noch schäbiger wirken.

Doch all das trübte Roos Freude, Krondor wiederzusehen, in keiner Weise, denn jetzt war er ein freier Mann. Er warf einen letzten Blick auf die gerade verrichtete Arbeit und versicherte sich, dass das Segel wirklich ordentlich gerefft war, dann stieg er mit jener sicheren Gewandtheit, die er in den letzten beiden Jahren auf den Schiffsreisen durch trügerische Meere erworben hatte, hinunter.

Nun war es für Roo schon der dritte Frühling hintereinander ohne Unterbrechung durch einen Winter. Unten, auf der anderen Seite der Welt, herrschte jeweils die entgegengesetzte Jahreszeit, und aus diesem Grund hatten sowohl Roo als auch Erik, sein Freund, den Winter zweimal übersprungen. Diese Tatsache belustigte und beunruhigte ihn gleichermaßen.

Er kletterte ein Stück hinunter bis zur Spitze der Webeleine am Besanmast. Roo war auf die Arbeit in der Takelage nicht gerade versessen, aber als einen der kleinsten und beweglichsten Männer der Mannschaft hatte man ihn oft nach oben geschickt. Er ließ sich entlang der Webeleine hinunterrutschen und landete auf Deck.

Erik von Düstermoor, der von Kindheit an Roos einziger Freund gewesen war, zog gerade ein Tau an einer Klampe fest und lief daraufhin zur Reling. Die Freihafenwächter sauste an anderen Schiffen vorbei auf den Anleger zu. Die beiden Freunde waren ein ungleiches Paar, da Erik ganze zwei Köpfe größer war als Roo.

Während Erik in seiner Heimatstadt der stärkste Junge gewesen war, hatte Roo zu den schwächsten gehört. Und während man Erik nie als gut aussehend bezeichnet hätte, zeigte sein Gesicht doch stets einen offenen und freundlichen Ausdruck, weswegen man ihn gern mochte. Roo hingegen machte sich keinerlei Illusionen über sein Aussehen. Nach allen Maßstäben war er wenig anziehend, bei seinem verschlossenen Gesicht, den zusammengekniffenen Augen und der Art, wie er herumhuschte, als würde er ständig nach Bedrohungen Ausschau halten. Aber zu den seltenen Gelegenheiten, bei denen er lachte, legte er eine Wärme an den Tag, die nicht ohne Reiz war. Sein spitzbübischer Humor und seine Bereitschaft, jegliche Schwierigkeiten offen anzugehen, hatten Erik schon angezogen, als sie noch Kinder gewesen waren.

Erik, dessen Haar von der Sonne ausgeblichen war, zeigte auf etwas, und Roo nickte. Alle Schiffe wichen vor der Freihafenwächter zur Seite und gewährten ihr das Vorfahrtrecht auf ihrem Weg zum fürstlichen Hafen unterhalb des Palastes. Einer der älteren Soldaten lachte, und Roo drehte sich zu ihm um und fragte: »Was gibt es denn?«

»Prinz Nicky reizt den Hafenmeister mal wieder.«

Erik sah den Seemann an, dessen blaue Augen aus dem sonnenverbrannten Gesicht hervorstachen. »Was meinst du damit?«

Der Seemann deutete auf ein Boot im Hafen. »Das ist die Barkasse des Hafenmeisters.«

Roo blickte in die Richtung, in die der Mann zeigte. »Prinz Nicky wird nicht langsamer, um den Lotsen an Bord zu nehmen!«

Der Seemann lachte. »Der Admiral hat das von seinem Lehrmeister übernommen. Der gute alte Admiral Trask pflegte es auch immer so zu handhaben, aber er hat den Lotsen wenigstens noch an Bord genommen, damit er ihn persönlich ärgern konnte, indem er sich weigerte, sich von Booten zum Anleger schleppen zu lassen. Admiral Nicky ist der Bruder des Königs, und die Vorschriften sind ihm einerlei.«

Roo und Erik blickten nach oben, wo erfahrene Seeleute auf den Befehl warteten, das letzte Segel zu reffen. Dann schaute Roo zum Achterdeck hinüber, wo Nicholas, der frühere Prinz von Krondor und gegenwärtige Admiral der Königlichen Flotte des Westens, ein Signal gab. Sofort zogen die Seeleute die schwere Leinwand hoch und zurrten sie fest. Sekunden später konnten Roo und alle anderen an Bord spüren, wie die Geschwindigkeit des Schiffes abnahm, während sie sich dem fürstlichen Anleger näherten.

Die Bewegung der Wächter verlangsamte sich weiter, dennoch kam es Roo so vor, als würden sie immer noch mit zu großer Geschwindigkeit auf den Anleger zuhalten. Der alte Seemann schien seine Gedanken lesen zu können. »Wir schieben einen Haufen Wasser vor uns her und gegen den Kai, und das drückt uns zurück, sobald wir den Anleger erreichen, und bringt uns dann zum Stehen, obwohl die Klampen sicherlich etwas zu stöhnen haben werden.« Er machte sich bereit, die Leine jenen zuzuwerfen, die am Anleger warteten. »Packt mal mit an!«

Sowohl Roo als auch Erik schnappten sich ein Tau und warteten auf den Befehl. Als Nicholas rief: »Werft Leinen!«, warf Roo das Tau einem Mann am Anleger zu, der es fachmännisch fing und rasch an einer der großen Eisenklampen festzog. Wie der alte Seemann gesagt hatte, schienen die eisernen Klampen zu stöhnen, als sich das Tau spannte, aber die Bugwelle schlug vom steinernen Kai zurück. Das Schiff schaukelte einmal auf und ab, als würde es vor Erleichterung, wieder daheim zu sein, aufseufzen.

Erik wandte sich Roo zu. »Ich frage mich, was der Hafenmeister dem Admiral erzählen wird.«

Roo sah nach achtern, wo der Admiral gerade zum Hauptdeck herunterstieg, und dachte über diese Frage nach. Zum ersten Mal hatte er diesen Mann bei seiner und Eriks Gerichtsverhandlung gesehen, wo sie wegen des Mordes an Eriks Halbbruder zum Galgen verurteilt worden waren. Zum zweiten Mal waren sie ihm begegnet, als die Überlebenden der Söldnertruppe, zu welcher Erik und Roo gehörten, vor dem Hafen von Maharta aus einem Fischerboot gerettet worden waren. Nachdem sie auf der ganzen Heimreise unter seinem Befehl gefahren waren, gab es für Roo nur eine Antwort auf die Frage: »Der arme Hafenmeister wird vermutlich überhaupt nichts sagen, sondern nach Hause gehen und sich betrinken.«

Erik lachte. Er wusste wie Roo, welche gelassene Autorität Nicholas ausstrahlte. Der Admiral konnte einen Untergebenen mit seinem bloßen Starren und ohne ein einziges gesprochenes Wort in Tränen ausbrechen lassen, eine Eigenschaft, die er mit Calis, dem Hauptmann von Roos und Eriks Truppe, den Blutroten Adlern, gemeinsam hatte. Von den eigentlich über hundert Mann der Kompanie hatten nur wenige überlebt – die sechs, die mit Calis zusammen geflohen waren, und dann noch einige Nachzügler, die sich in der Stadt am Schlangenfluss eingefunden hatten, ehe die Freihafenwächter von dort aus mit Ziel auf Krondor ausgelaufen war. Nicholas’ zweites Schiff, die Trenchards Rache, war noch einen Monat im Hafen der Stadt am Schlangenfluss geblieben, für den Fall, dass sich dort weitere Männer aus Calis’ Truppe einstellen sollten. Jeder, der die Stadt nicht erreicht haben würde, wenn das zweite Schiff seinen Anker lichtete, würde für tot erklärt werden.

Die Laufplanke wurde ausgefahren, und Roo und Erik sahen zu, wie Nicholas und Calis als Erste von Bord gingen. Auf dem Kai warteten Patrick, Prinz von Krondor, sein Onkel Prinz Erland sowie andere Angehörige des fürstlichen Hofes von Krondor.

»Sie machen nicht viel Aufhebens, was?«, bemerkte Erik.

Roo konnte nur zustimmend nicken. Eine Menge Männer waren gestorben, um jene Erkenntnisse zu beschaffen, mit denen Nicholas jetzt zu seinem Neffen, dem Prinzen von Krondor, zurückkehrte. Nach allem, was Roo wusste, konnte man die Erkenntnisse bestenfalls als spärlich bezeichnen.

Roo richtete seine Aufmerksamkeit auf die fürstliche Familie. Nicholas, der Prinz von Krondor gewesen war, bis sein Neffe aus der Hauptstadt der Inseln gekommen war und das Amt übernommen hatte, ähnelte in keiner Hinsicht seinem Bruder. Erlands Haar war fast gänzlich grau, zeigte gerade noch so viel Rot, um seine ursprüngliche Farbe erahnen zu lassen. Nicholas, der ebenfalls ergraute, hatte hingegen dunkles Haar und lebhafte Gesichtszüge. Patrick, der neue Prinz von Krondor, erschien wie eine Mischung aus beiden. Er hatte dunklere Haut, und sein Haar war mittelbraun. Zudem hatte er sowohl die kräftige Gestalt von Erland als auch die Lebhaftigkeit von Nicholas.

»Nein«, stimmte Roo zu, »da hast du wohl recht. Das kann man kaum eine Zeremonie nennen.«

Erik nickte. »Allerdings gibt es auch nur wenig Rühmliches zu feiern, wie wir wissen. Doch der Prinz und sein Onkel sind vermutlich beide begierig auf die Nachrichten, die Calis und Nicholas bringen.«

Roo seufzte. »Und sie bringen keine guten. Diese ganze Angelegenheit ist eine verdammte Geschichte, und besser wird es wohl kaum werden.«

Jemand klopfte beiden freundschaftlich auf die Schultern, und die jungen Männer fuhren herum. Hinter ihnen stand Robert de Loungville und grinste, sodass beide Schlimmes erwarteten. Doch diesmal zeigte sich der Mann von seiner freundlichsten Seite. Sein schütter werdendes Haar war streichholzkurz geschnitten, allerdings hatte der Feldwebel dringend eine Rasur nötig. »Wo geht’s jetzt hin, Jungs?«

Roo klimperte mit dem Geldbeutel, der unter seinem Hemd um seinen Hals hing. »Ich denke, zuerst mal ist es Zeit für ein gutes Bier, dann für die zärtliche Berührung einer verruchten Frau, und danach mache ich mir Gedanken über morgen.«

Erik zuckte mit den Schultern. »Ich habe nachgedacht, und ich würde gern auf Euer Angebot zurückkommen, Feldwebel.«

»Gut«, erwiderte de Loungville, Feldwebel in Calis’ Truppe. Er hatte Erik einen Platz in der Armee angeboten, jedoch in einer besonderen Einheit, die Calis, der geheimnisvolle und nicht ganz »menschliche« Verbündete von Prinz Nicholas, aufbauen sollte. »Komm doch morgen Mittag in Lord James’ Geschäftszimmer. Ich werd am Tor Bescheid sagen, sie sollen dich reinlassen.«

Roo betrachtete die Männer auf dem Kai. »Unser Prinz sieht wirklich beeindruckend aus.«

Erik nickte. »Ich weiß, was du meinst. Er und sein Vater sehen aus wie Männer, die schon einiges durchgemacht haben.«

»Lasst euch nicht von ihrem Rang täuschen, Jungs«, riet de Loungville den beiden. »Erland und unser König sowie ihre Söhne haben viel Zeit an der Grenze im Norden verbracht und da oben gegen die Goblins und die Bruderschaft des Dunklen Pfades gekämpft.« Er benutzte den gebräuchlichsten Namen für die Moredhel, die Dunkelelben, die auf der anderen Seite jenes Gebirges lebten, das man die »Zähne der Welt« nannte. »Ich habe auch gehört, der König soll seinerzeit unten in Kesh mal tief in der Patsche gesessen haben, wobei er ziemlichen Ärger mit irgendwelchen Sklavenjägern und solchen Leuten hatte. Wie auch immer, das hat wenigstens sein Bild von den einfachen Leuten zurechtgerückt. Seit König Rodric haben wir jedenfalls keinen König mehr, der ausschließlich am Hofe aufgewachsen wäre. Nach Rodric bestieg König Lyam den Thron, und das war noch, ehe ich geboren wurde. Das sind alles harte Kerle gewesen, die lange Zeit als Soldat gedient haben, und es wird schon einige Generationen dauern, bis in dieser Familie wieder jemand verweichlicht. Und ganz bestimmt nicht, solange der Hauptmann mit von der Partie ist.« In seiner Stimme schwang ein Unterton mit, der auf starke Gefühle hindeutete; Roo blickte den Feldwebel an und versuchte herauszubekommen, was das sein mochte, aber de Loungville hatte bereits wieder ein breites Grinsen aufgesetzt.

»Was denkst du?«, wollte Erik von Roo wissen, dem besten Freund, den er seit seiner Kindheit hatte.

»Nur, wie komisch Familien manchmal sein können.« Roo zeigte auf die Gruppe am Kai, die Nicholas aufmerksam zuhörte.

»Guck dir mal den Hauptmann an«, bemerkte Erik.

Roo nickte. Calis, der elbenähnliche Mann, hielt von den anderen ein wenig Abstand, gerade so viel, dass er ihre Fragen gerade noch beantworten konnte.

»Seit zwanzig Jahren ist er mein Freund«, erklärte Robert de Loungville. »Damals hat er mich in den Diensten des Lords von Hochburg aufgetrieben. Wie er sagte, stammt sein Vater eigentlich aus Crydee; er behauptet, der wäre dort Küchenjunge gewesen. Nun ja, er redet allerdings nicht viel über seine Vergangenheit. Aber vor allem Calis ist es, der die Pläne für die Zukunft schmiedet, und er nimmt solche Kasernenratten wie euch beide und macht richtige Soldaten aus ihnen.« Bei den letzten Worten wurde sein Grinsen noch breiter, als wäre er nur ein einfacher Feldwebel, der einen Witz zum Besten gibt, doch sowohl Erik als auch Roo hatten erfahren, welch hohen Rang er am Hofe einnahm, abgesehen von seinem militärischen. »Also fragt ihn nie etwas Persönliches. Er ist ein ziemlich direkter Kerl.« De Loungville hatte die Stimme gesenkt, als würde er befürchten, Calis könnte das, was er sagte, noch am Kai hören, und seine Miene wurde ernst. »Er hat verdammt spitze Ohren. Immerhin, ich habe zuvor noch nie von einem solchen Wesen gehört, halb Mensch, halb Elb, und er ist zu Dingen in der Lage, die kein anderer, den ich kenne, vollbringen würde.« Er grinste abermals, als er hinzufügte: »Dabei hat er uns allen die Haut öfter gerettet, als wir zählen können. Verdammt, was schert es einen da, woher er stammt? Der Platz, den man bei der Geburt einnimmt, bedeutet gar nichts. Das kann man nicht beeinflussen. Wichtig ist, wie man lebt.« Er klopfte den beiden jungen Männern auf die Schulter. »Ihr wart wertloses Hundefutter, als ich euch kennengelernt habe, gerade gut genug für die Krähen, kurz vorm Hungertod, aber seht euch jetzt mal an!«

Erik und Roo wechselten einen Blick und lachten. Beide trugen immer noch die gleiche Kleidung wie bei der Flucht aus Maharta, immer wieder geflickt und so schmutzig, dass man sie nie wieder sauber bekommen würde. Sie sahen kaum besser aus als Wegelagerer.

»Wir sehen aus wie zwei Männer, die unbedingt neue Kleidung brauchen«, stellte Roo fest. »Abgesehen von Eriks Stiefeln sind unsere Sachen gerade noch gut genug für den Lumpensammler.«

Erik blickte an sich hinunter. »Und die Stiefel müssen auch neu besohlt werden.« Erik hatte die Hacken fast vollständig abgelaufen, und das Leder war von der Seeluft trocken und rissig geworden. Die Stiefel waren alles, was Erik vom Erbe des Barons von Düstermoor geblieben war. Das Einzige, womit er Erik gegenüber seine Vaterschaft eingestanden hatte. Nun gut, er hatte Erik überdies nicht verboten, den Namen »von Düstermoor« zu tragen.

Sho Pi, ein Isalani aus dem Kaiserreich Groß-Kesh, kam von unten an Deck. Er trug seine Reisetasche. Hinter ihm folgte Nakor, ebenfalls ein Isalani, den Sho Pi zu seinem »Meister« auserkoren hatte. Nakor schien alt zu sein, bewegte sich jedoch noch so flink und rege wie ein junger Mann. Das hatten sowohl Erik als auch Roo am eigenen Leib erfahren. Schließlich hatte Nakor sie im waffenlosen Kampf ausgebildet, und Roo und Erik waren sich gewiss, dass dieser seltsame kleine Mann, ebenso wie Sho Pi, ohne Waffen genauso gefährlich war wie die meisten Männer, die welche benutzten.

Und vermutlich hatten sie noch gar nicht miterlebt, wie schnell sich Nakor wirklich bewegen konnte, wenn es darauf ankam, dachte Roo. Er brannte auch nicht darauf, das gezeigt zu bekommen.

Roo war ein begabter Schüler gewesen, was die Kampfkunst der Isalani betraf, und in Calis’ Kompanie waren sicherlich nur Nakor und Sho Pi besser als er. Doch in keiner Weise reichte er an diese beiden heran, und er wusste, dass ihre Schläge tödlich sein konnten.

»Ich will auf keinen Fall, dass du dauernd hinter mir herläufst, Junge!« beschwerte sich der o-beinige Nakor und schrie über die Schulter: »Ich bin seit fast zwanzig Jahren nicht mehr in einer Stadt gewesen, die nicht in Schutt und Asche gelegt oder von Soldaten erobert worden wäre oder sonst irgendwie nicht gerade der Ort meiner Träume war, und ich will meine Ruhe haben, während ich mich amüsiere. Und dann gehe ich zurück zum Eiland des Zauberers.«

Sho Pi, der einen ganzen Kopf größer war als Nakor und dessen dunkles Haar im Gegensatz zu dem des o-beinigen Isalani noch keine Lücken zeigte, erschien ansonsten wie die jüngere Ausgabe des drahtigen kleinen Mannes. »Wie du sagst, Meister.«

»Nenn mich nicht Meister«, grummelte Nakor und warf sich seine Reisetasche über die Schulter. Er ging zur Reling und erkundigte sich: »Erik, Roo! Wo werdet ihr hingehen?«

»Erst einmal was trinken, dann zur Hure und dann neue Kleidung, und zwar in dieser Reihenfolge«, gab Roo Auskunft.

»Und danach gehe ich nach Hause und besuche meine Mutter und meine Freunde«, ergänzte Erik.

»Was ist mit Euch?«, fragte Roo.

»Ich werde euch begleiten«, erwiderte Nakor und rückte seine Tasche zurecht. »Bis auf das Nachhausegehen. Ich meine, ich werde zu meinem eigenen Zuhause gehen. Werd mir ein Boot mieten, das mich zum Eiland des Zauberers bringt.« Er sah den Steg hinunter und ignorierte seinen jüngeren Landsmann, der einen Schritt hinter ihm stand.

Erik warf Sho Pi einen Blick zu. »Wir müssen unsere Sachen noch von unten holen. Wir treffen euch dann auf dem Kai.«

Roo stieg vor seinem Freund nach unten, wo sie von den Seeleuten Abschied nahmen, mit denen sie sich angefreundet hatten. Dabei stießen sie auf Jadow Shati, ein weiteres Mitglied ihrer Truppe »verzweifelter Männer«, der gerade seine Habseligkeiten gepackt hatte.

»Was wirst du jetzt machen?«, fragte Roo, indem er rasch seine Sachen zusammensuchte.

»Was trinken, denke ich.«

»Komm doch mit uns«, schlug Erik vor.

»Ich denke, das werde ich tun, sobald ich Herrn Robert de Loungville, dem alten Hund, gesagt habe, dass ich sein Angebot annehme und Korporal werde.«

Erik horchte auf. »Korporal? Den Posten hat er mir doch schon angeboten.«

Ehe die beiden Männer in Streit ausbrechen konnten, mischte sich Roo ein. »So, wie er sich angehört hat, braucht er mehr als einen Korporal.«

Die beiden großen Männer sahen sich an, dann mussten sie lachen. Jadow verzog den Mund zu einem Grinsen, wobei seine weißen Zähne einen krassen Kontrast zu seiner ebenholzfarbenen Haut bildeten. Roo musste stets lächeln, wenn er diesen fröhlichen Gesichtsausdruck bei Jadow sah. Wie die anderen »verzweifelten, zu allem bereiten Männer« war Jadow wegen Mordes verurteilt worden. Sein ganzes Leben lang war er ein Verbrecher gewesen, doch in der Bruderschaft von Calis’ Truppe hatte er Männer kennengelernt, für die er zu sterben bereit war, ebenso wie diese für ihn.

Was Roo allerdings nicht zugab, da er gern mit seiner Selbstsucht kokettierte, wenngleich er die Überlebenden dieser Truppe genauso mochte wie Erik. Raue Kerle waren sie allesamt, gefährlich nach allen Maßstäben, hatten sie doch diese verdammte Prüfung gemeinsam über sich ergehen lassen müssen, und jeder wusste, dass er sich auf die anderen verlassen konnte.

Roo dachte an jene, die von dieser Reise nicht zurückgekehrt waren: Biggo, der große, immer fröhliche Kerl mit seiner eigentümlichen Frömmigkeit; Jerome Handy, ein Riese von einem Mann, ausgestattet mit einer brutalen Leidenschaftlichkeit, der eine Geschichte wie ein Schauspieler darbieten und mit seinen Händen ein Schattenspiel an die Wand hatte werfen können, dass man geglaubt hatte, es wären lebendige Menschen; Billy Goodwin, ein ansonsten sanftmütiger junger Mann, der allerdings auch zum Jähzorn geneigt hatte und bei einem Unfall gestorben war, ehe er noch die Gelegenheit bekommen hatte, die Gesetze des Lebens zu begreifen; und Luis de Savona, ein rodesischer Halsabschneider, dessen Verstand so scharf gewesen war wie seine Zunge, der sich gleichermaßen im Saal eines Herzogs wie in einer dunklen Gasse richtig zu benehmen gewusst hatte; er war ebenfalls ein leidenschaftlicher Mann gewesen.

Roo schnürte sein Bündel zusammen, drehte sich um und sah, dass Erik und Jadow ihm zuschauten.

»Was ist los?«

»Du hast einen Augenblick so gedankenverloren dagestanden«, erwiderte Erik.

»Ich habe an Biggo und die anderen gedacht …«

Erik nickte. »Verstehe.«

»Vielleicht kommen ja einige von ihnen noch mit der Trenchards Rache an«, äußerte Jadow ihrer aller schwache Hoffnung.

»Das wäre schön«, befand Roo. Er warf sich sein Bündel über die Schulter und fügte hinzu: »Aber Biggo und Billy wohl kaum.«

Erik nickte abermals. Er und Roo hatten danebengestanden, als Biggo in Maharta gestorben war, und Billy war vor Eriks Augen vom Pferd gefallen und hatte sich dabei den Hals gebrochen.

Die drei Männer gingen über die Laufplanke zum Kai, wo sie Robert de Loungville mit Nakor und Sho Pi plaudernd vorfanden.

»Also dann, Ihr verruchter Kümmerling von einem Kerl!«, verabschiedete sich Jadow ohne großes Aufheben von dem Mann, in dessen Händen nun fast drei Jahre lang sein Leben gelegen hatte.

De Loungville drehte sich um. »Mit wem redest du so, du Abschaum aus dem Tal der Träume?«

»Mit Euch, Bobby de Loungville, Feldwebel, Sir!«, schnauzte Jadow zurück. Aber Erik entging der amüsierte Zug auf den Gesichtern der beiden Männer nicht. Er konnte jede Laune seiner Gefährten einschätzen, mit denen er so oft in den Kampf gezogen war. Im Augenblick wurde nur Spaß gemacht. »Und wer seid Ihr, dass Ihr mich Abschaum nennt? Wir Männer aus dem Tal der Träume sind die besten Kämpfer der Welt, wisst Ihr das nicht? Und gewöhnlich treten wir unsere Stiefel an jemandem ab, der Euch nicht unähnlich sieht.«

De Loungville kniff Jadow in die Wange, wie es Mütter bei ihren Kindern taten. »Du bist so ein lieber Junge, ich würde dir am liebsten einen dicken Schmatz geben.« Er tätschelte ihm die Wange und fügte hinzu: »Aber nicht heute.«

An die Gruppe gewandt fragte de Loungville: »Und wo soll es nun hingehen?«

»Ins nächste Wirtshaus!«, antwortete Nakor und grinste.

De Loungville verdrehte die Augen gen Himmel.

»Hauptsache, ihr bringt nicht wieder jemanden um.« Er blickte Jadow an. »Und, kommst du zurück?«

Jadow grinste. »Ich weiß zwar nicht, warum, aber ich werde kommen.«

De Loungvilles Lächeln erstarb, als er darauf antwortete: »Du weißt genau, warum.«

Augenblicklich war alle Heiterkeit vergangen. Alle Männer hatten das Gleiche mitansehen müssen, und sie wussten, dass jenseits des Meeres ihr fürchterlicher Feind alle verfügbaren Kräfte sammelte. Egal, was sie in den vergangenen Monaten vollbracht hatten, die Sache hatte gerade erst angefangen. Vielleicht würde ein ganzes Jahrzehnt oder mehr verstreichen, bevor es zum Kampf mit den Armeen kommen würde, die sich unter dem Banner der Smaragdkönigin sammelten, doch am Ende würde jeder Mann des Königreichs entweder kämpfen oder sterben müssen.

Nachdem das Schweigen eine Weile lang gedauert hatte, scheuchte de Loungville sie davon. »Los, ab jetzt mit euch! Und treibt es nicht zu heftig mit dem Vergnügen.« Während die Männer davongingen, rief er ihnen nach: »Erik, du und Jadow, ihr seid morgen Mittag zurück und holt euch eure Papiere! Falls ihr euch bis übermorgen nicht habt blicken lassen, betrachte ich euch als Fahnenflüchtige. Und ihr wisst, die lasse ich mit Wonne hängen!«

»Dieser Mann«, wunderte sich Jadow, während sie die Straße hinuntergingen und nach einem Wirtshaus Ausschau hielten, »kann seine Drohungen aber auch nie sein lassen. Er scheint das Hängen wirklich sehr zu mögen, was?«

Roo lachte, und die anderen fielen ein, und als wie durch Zauberei an der Ecke vor ihnen ein Wirtshaus auftauchte, besserte sich die Stimmung endgültig.

Roo erwachte mit dröhnendem Schädel und trockenem Mund. Seine Augen fühlten sich an, als hätte ihm jemand Sand hineingestreut, und sein Atem roch, als wäre ihm etwas in den Mund gekrochen und dort gestorben. Er bewegte sich, woraufhin Erik laut stöhnte, also drehte er sich zur anderen Seite, wo Jadow lag.

Da er nun mal keine andere Wahl hatte, setzte er sich auf, wünschte sich aber sofort, er hätte es bleiben lassen. Er zwang sich, das, was auch immer in seinem Magen sein mochte, dortzubehalten, und er schaffte es schließlich, seine Augen nicht nur aufzubekommen, sondern sogar etwas erkennen zu können.

»Oh, wunderbar«, stöhnte er und bereute es augenblicklich, gesprochen zu haben. Der Klang seiner Stimme ließ seinen Schädel noch ärger dröhnen.

Sie lagen in einer Zelle. Und wenn Roo sich nicht sehr irrte, kannte er diese Zelle bereits. Es war ein langer Raum, an einer Seite zu einem Gang hin offen und vom Boden bis zur Decke mit Eisen vergittert. In dem Gitter war eine Tür, die ein dickes Eisenschloss aufwies, und gegenüber, knapp über Kopfhöhe, ein Fenster, das kaum zwei Fuß Höhe hatte und sich über die ganze Länge der Zelle zog.

Roo wusste, die Zelle lag fast vollständig unter der Erde und das Fenster nur knapp darüber, wodurch sich den Insassen allein der Anblick eines Galgens in dem davorliegenden Hof bot. Roo befand sich in der Todeszelle im Palast des Prinzen von Krondor.

Er stieß Erik an, der stöhnte, als würde er gefoltert. Roo schüttelte seinen Freund heftiger, und endlich wurde Erik wach. »Was ist denn?«, fragte er und versuchte, das Gesicht von Roo klar zu erkennen. »Wo sind wir?«

»Zurück in der Todeszelle.«

Bei dieser Auskunft wurde Erik augenblicklich nüchtern. Er blickte sich um. Nakor hatte sich in der Ecke zusammengerollt und schnarchte; Sho Pi lag ganz in seiner Nähe.

Sie rüttelten die anderen wach und versuchten, sich darüber klarzuwerden, in welche Lage sie geraten waren. Einige von ihnen waren mit getrockneten Blutspritzern übersät, und alle konnten irgendwelche Schrammen, Beulen oder Schnitte vorweisen. »Was ist bloß passiert?«, krächzte Roo. Seine Stimme klang, als hätte er Sand gegessen.

»Diese queganischen Seeleute, weißt du nicht mehr?«, erinnerte ihn Jadow.

Sho Pi und Nakor, die von allen in der Gesellschaft noch am besten aussahen, wechselten einen Blick, und Nakor berichtete: »Einer von ihnen wollte dir eine junge Frau vom Schoß ziehen, Roo.«

Roo nickte und wünschte sich sodann, den Kopf nicht bewegt zu haben. »Jetzt dämmert’s mir langsam.«

»Mir hat jemand einen Stuhl über den Schädel gezogen …«, klagte Jadow.

»Vielleicht haben wir diese Queganer umgebracht«, mutmaßte Nakor.

Erik versuchte sich auf den Beinen zu halten, indem er sich an der Zellenwand abstützte. Seine Knie zitterten. »Das wäre genau die Art von schwarzem Humor, den die Götter so lieben. Nach allem, was wir durchgemacht haben, landen wir doch noch alle am Galgen.«

Roo fühlte sich vage schuldig, wie er das immer tat, wenn er in der vorhergehenden Nacht zu viel getrunken hatte. Er war von kleiner Statur, und es war dumm, mit solchen Riesen wie Erik oder Jadow mithalten zu wollen, wobei Erik eigentlich nie so sehr viel trank. »Wenn ich jemanden getötet habe, kann ich mich allerdings nicht mehr daran erinnern.«

»Bloß, was machen wir plötzlich alle wieder in der Todeszelle, Mann?«, fragte Jadow aus der Ecke. Die Umstände seines Aufwachens schienen ihn richtiggehend erschüttert zu haben. »Ich bin doch nicht um die ganze Welt gesegelt, damit Bobby mich am Ende doch noch hängen kann.«

Während sie versuchten, aus ihrer Lage schlau zu werden, wurde die Tür zum Gang vor dem Gitter aufgestoßen und knallte laut gegen die Wand. Die Männer zuckten allesamt zusammen. De Loungville marschierte herein und brüllte: »Auf die Beine, ihr Schweinehunde!«

Ohne nachzudenken, sprangen alle außer Nakor auf, woraufhin jeder Mann sofort zu stöhnen begann. Jadow Shati drehte sich zur Seite und übergab sich in den Abtritt der Zelle. Die anderen standen auf wackligen Beinen da. Erik musste sich am Gitter festhalten, damit er nicht umfiel.

Grinsend spottete de Loungville: »Was haben wir denn da für einen liebenswerten Haufen.«

»Warum sind wir hier in der Zelle, Feldwebel?«, fragte Nakor.

De Loungville ging zur Zellentür und zog sie auf. Sie war nicht verschlossen gewesen. »Wir wussten nicht, wo wir euch sonst unterbringen sollten. Ein ganzer Trupp der Stadtwache und noch dazu ein Trupp Leibwachen aus dem Palast waren notwendig, um euch zu verhaften.« Er strahlte wie ein stolzer Vater. »War eine ganz schöne Prügelei. Und ihr habt gut daran getan, niemanden umzubringen, obwohl vermutlich nicht viel gefehlt hat.«

Mit einer Geste bedeutete er ihnen, sie sollten ihm folgen. »Prinz Patrick und seine Onkel wollten euch lieber für den Rest der Nacht in der Nähe wissen«, teilte er ihnen mit, während er sie aus der Zelle führte.

Roo sah sich um und dachte an das letzte Mal zurück, als er in diesen Korridor geblickt hatte. Damals waren sie zu jener Scheinhinrichtung geführt worden, mit der sein Leben eine Wendung genommen hatte, die er bei seiner Flucht aus Ravensburg nie für möglich gehalten hatte. An jenem Morgen hatte er fast nichts wahrgenommen, weil seine Gedanken vollkommen von der fürchterlichen Angst vor dem Galgen beherrscht worden waren; und dieses Mal bekam er abermals kaum etwas von dem Gang mit, jedoch nur, weil er in der letzten Nacht zu tief ins Glas geschaut hatte.

Er und Erik waren aus ihrer Heimat geflohen, nachdem sie Eriks Halbbruder Stefan getötet hatten. Wären sie geblieben, um sich dem Gericht zu stellen, hätte man ihnen die Tat möglicherweise als Notwehr ausgelegt, doch ihre Flucht wog bei dem Verfahren gegen sie schwer, und so hatte man sie zum Tode verurteilt.

Sie erreichten die Treppe, die hinauf zum Hof führte, auf dem die Galgen standen, doch sie gingen daran vorbei. De Loungville, der Mann, von dem ihr Leben abhängig gewesen war von dem Augenblick an, als sie auf den Holzboden des Galgengerüstes gefallen waren, bis zum gestrigen Tage, als sie das Schiff verlassen hatten, verkündete: »Ihr seid ein vergammelter Haufen, also wollen wir uns mal ein bisschen sauber machen, bevor wir zur Audienz gehen.«

»Audienz?«, fragte Erik, dem man die Folgen der letzten Nacht am deutlichsten ansehen konnte. Er war einer der kräftigsten Männer, die Roo je kennengelernt hatte – unbestritten der stärkste Junge in Ravensburg –, und er hatte einen Mann der Wache durch ein Fenster geworfen, ehe ein anderer einen Weinkrug auf seinem Schädel zertrümmert hatte. Roo hätte nicht sagen können, was seinem Freund mehr ausgemacht haben mochte, der Schlag oder die enorme Menge Wein, die er zuvor in sich hineingeschüttet hatte; Erik hatte nie viel Wein vertragen können.

»Einige sehr wichtige Leute wollen ein paar Worte mit euch wechseln. Es wäre nicht schön, wenn ihr ihnen in diesem Zustand unter die Augen tretet. Also«, de Loungville öffnete eine Tür, »zieht euch aus.«

Zuber mit heißer Waschlauge warteten auf die Männer, die sofort taten, was von ihnen verlangt wurde. Nach zwei Jahren in der Gefolgschaft von de Loungville kamen sie jedem Befehl ohne zu zögern nach, eine Gewohnheit, die man nicht von einer Minute auf die andere ablegte. Bald saßen die fünf Männer in den Zubern und ließen sich von den Palastpagen abschrubben.

Krüge mit kaltem Wasser wurden gebracht, und die Männer tranken. Durch das heiße Wasser, in dem er saß, und das kalte, das er zu sich nahm, begann Roo, sich langsam wieder wie ein Mensch zu fühlen.

Als sie sauber waren, entdeckten sie, dass man ihre Kleidung fortgeschafft hatte. De Loungville zeigte auf zwei schwarze Hemden, die vorn geschlossen waren und dort ein ihnen vertrautes Wappen trugen. Erik nahm eins und betrachtete es. »Die Blutroten Adler.«

De Loungville nickte. »Nicholas fand es passend, und Calis hat nicht widersprochen. Das ist das Banner unserer neuen Armee, Erik. Du und Jadow, ihr seid meine ersten beiden Korporäle, also zieht sie an.« Er streckte die Hand aus und verkündete mit einer Spur Feierlichkeit in der Stimme: »Von jetzt an bin ich Bobby für euch, klar?«

Erik ergriff die hingehaltene Hand und schüttelte sie, und Jadow folgte seinem Beispiel. »Jawohl, Feldwebel de Loungvi… äh, Bobby.«

De Loungville grinste und wandte sich an die anderen. »Dort drüben liegen saubere Sachen.«

Nakor und Sho Pi sahen in Hemd und Hose ein wenig seltsam aus, denn für gewöhnlich trugen sie lange Roben. Aber Roo fand, dass er selbst sich mit der neuen Kleidung deutlich verbessert hatte. Vielleicht war das Hemd ein bisschen zu weit für ihn, aber mit Sicherheit war es der feinste Stoff, der je seine Haut berührt hatte, und die Hose passte vorzüglich. Er war immer noch barfuß, nach Monaten auf See hatte er sich jedoch so sehr daran gewöhnt, dass er es kaum noch bemerkte.

Erik zog seine abgetragenen Stiefel an, während Jadow und die anderen wie Roo barfuß gehen mussten.

Nachdem sie sich angekleidet hatten, folgten die Männer de Loungville in einen Saal, den sie bereits kannten; hier hatten die Männer aus Calis’ Truppe verzweifelter Männer vor dem Gericht des Prinzen von Krondor gestanden, der damals noch Nicholas gewesen war. Der Saal hat sich kaum verändert, dachte Roo, aber beim letzten Mal hatte er viel zu viel Angst gehabt, um sich eingehender mit der Einrichtung zu befassen.

Uralte Banner hingen von den Deckenbalken herab und warfen Schatten in den Saal, da sich die Fenster hoch oben in der gewölbten Decke befanden, und trotz der großen Fenster reichte das Tageslicht nicht aus, um den Raum zu erhellen. Aus diesem Grunde brannten an den Wänden zusätzlich Fackeln. Wenn er Prinz wäre, dachte Roo, würde er als Erstes diese Banner entfernen lassen.

Entlang der Wände standen Höflinge und Pagen bereit, um jeden Befehl des Prinzen unverzüglich auszuführen, und ein förmlich gekleideter Zeremonienmeister pochte mit seinem metallbeschlagenen Amtsstab auf den Boden und verkündete die Ankunft von Robert de Loungville, Baron am Hofe und Sonderbeauftragter des Prinzen. Roo schüttelte leicht erheitert den Kopf, denn in der Truppe war de Loungville einfach der Feldwebel, und ihn sich als Baron am Hofe vorzustellen, war ein eigentümlicher Gedanke.

Die Mitglieder des Hofes blickten auf, als der Trupp hereinmarschiert kam und vor dem Thron stehen blieb. Roo versuchte auszurechnen, wie viel die vergoldeten Fackelhalterungen an den Wänden wohl wert sein mochten, und er kam zu dem Ergebnis, dass der Prinz seinen Reichtum besser würde einsetzen können, wenn er sie gegen solche aus Messing eintauschte – die waren gleichermaßen prächtig anzusehen, im Preis jedoch wesentlich günstiger, und den Gewinn würde man in ein lohnendes Geschäft investieren können. Dann fragte er sich, ob man ihm wohl gestatten würde, mit dem Prinzen ein Wörtchen über dieses Thema zu wechseln.

Bei diesem Gedanken kehrte Roos Aufmerksamkeit wieder zu dem Mann zurück, der einst ihr Todesurteil verkündet hatte. Nicholas, nun Admiral seines Neffen, stand an einer Seite des Throns neben Prinz Patrick. Auf der anderen standen Calis und jener Mann, den Roo als James, Herzog von Krondor, kennengelernt hatte. Er unterhielt sich mit einem Mann, den Roo unten am Kai gesehen hatte, Patricks Onkel, Prinz Erland. Auf dem Thron selbst saß dessen Zwillingsbruder. Roo errötete plötzlich, als ihm bewusst wurde, dass er dem König selbst vorgestellt werden sollte.

»Seine Majestät, Eure Hoheiten«, grüßte de Loungville und verneigte sich nach Art des Hofes. »Ich habe die Ehre, Euch fünf Männer vorzustellen, die sich durch Tapferkeit und Treue ausgezeichnet haben.«

»Nur fünf haben überlebt?«, erkundigte sich König Borric. Er und sein Bruder waren beide hochgewachsene Männer, doch der König hatte etwas an sich, eine Härte, die selbst über die beeindruckende Erscheinung seines Bruders hinausging. Roo wusste nicht, was ihn zu der Annahme brachte, aber der König war sicherlich ein gefährlicherer Gegner als Prinz Erland.

»Das sind nicht die Einzigen«, klärte de Loungville den König auf, »und einige andere werde ich Seiner Majestät und dem Hofe heute Nachmittag vorstellen – Soldaten aus verschiedenen Einheiten. Aber diese hier sind die zum Tode Verurteilten, die überlebt haben.«

»Von denen wir wissen«, ergänzte Nakor.

De Loungville drehte sich gereizt um und warf dem Isalani der Störung des Protokolls wegen einen Blick zu, doch auch Borric schien alle Förmlichkeiten zu vergessen und grinste nur. »Nakor, in welch einer Aufmachung steckst du denn?«

Nakor erwiderte das Lächeln des Königs und trat vor. »Tja, ich war auch dabei, und ich bin ebenfalls zurückgekommen. Greylock ist auf dem anderen Schiff, und falls noch weitere Männer überlebt und es zur Stadt am Schlangenfluss geschafft haben, werden sie bei ihm sein.«

De Loungville schluckte seinen Ärger hinunter. Er würde Nakor später ordentlich den Marsch blasen. Offensichtlich kannte er den König.

Nakor nickte Erland zu, der ebenfalls lächelte, als er den kleinen Isalani sah.

Der König wandte sich an die vier ehemaligen Insassen der Todeszelle: »Ihr werdet begnadigt, und Eure Urteile werden aufgehoben.« Mit einem Blick auf Erik und Jadow fügte er hinzu: »Wie ich sehe, seid Ihr in unsere Dienste getreten.«

Erik nickte nur, und Jadow stotterte: »J-jawohl, Majestät.«

Der König richtete den Blick auf Sho Pi und Roo. »Ihr hingegen nicht?«

Sho Pi neigte den Kopf. »Ich werde meinem Meister folgen, Majestät.«

Nakor protestierte augenblicklich. »Nenn mich nicht Meister!« Beim König beschwerte er sich: »Der Junge hält mich für so eine Art Weisen und rennt mir ständig hinterher.«

»Wie er wohl darauf kommen mag?«, versetzte Prinz Erland. »Oder hast du wieder einmal deine ›Geheimnisvoller Weiser‹-Masche angewendet, Nakor?«

»Vielleicht war es diesmal auch sein ›Wandernder Priester‹-Trick«, meinte der König.

Nakor grinste und rieb sich das Kinn. »Also, eigentlich habe ich den Trick schon eine ganze Weile lang nicht mehr versucht.« Dann verzog er verärgert das Gesicht. »Und ich hätte euch beiden auf dem Rückweg von Kesh niemals etwas davon erzählen dürfen.«

Der König ließ sich davon nicht beeindrucken. »Nun, wie dem auch sei, dann musst du ihn eben mitnehmen. Du könntest doch unterwegs ein bisschen Beistand gebrauchen.«

»Unterwegs?«, fragte Nakor. »Ich kehre zum Eiland des Zauberers zurück.«

»Zunächst noch nicht«, widersprach der König, »denn du musst für uns nach Stardock gehen und im Interesse der Krone mit den Oberhäuptern der Akademie sprechen.«

Nakor setzte abermals eine verärgerte Miene auf. »Du weißt sehr wohl, dass ich mit Stardock fertig bin. Borric und du kennen, wenn ich mich nicht irre, auch den Grund.«

Wenn es dem König und seinem Bruder etwas ausmachte, so respektlos angesprochen zu werden, zeigten die beiden es nicht. Im Gegenteil, zur Überraschung der vier ehemaligen Gefangenen hatte seine Majestät den Isalani in aller Öffentlichkeit sogar geduzt. »Wir wissen Bescheid, aber du hast alles selbst miterlebt und kannst ihnen aus erster Hand berichten, welcher Bedrohung wir bald gegenüberstehen werden. Und zudem warst du bereits zweimal in Novindus. Du musst die Magier in Stardock davon überzeugen, welche Macht gegen uns ins Feld zieht. Wir brauchen deine Hilfe.«

»Findet doch Pug. Auf den werden sie hören«, schlug Nakor vor.

»Wenn wir ihn finden könnten, würden wir auf dich verzichten«, erwiderte der König, allein, um Nakor zu reizen. Er lehnte sich zurück und seufzte. »Er hat uns beizeiten Nachrichten zukommen lassen, aber wir haben ihn seit Langem nicht zu Gesicht bekommen.«

»Dann versuch es eben noch mal«, beharrte Nakor.

Borric lächelte. »Du, mein Freund, bist im Augenblick der Beste, den wir haben. Also, wenn du nicht willst, dass wir in jeder Spelunke des Königreichs deine Kniffe beim Kartenspielen oder deine Tricks mit den Würfeln kundtun, wirst du einem alten Freund einen Gefallen erweisen müssen.«

Nakor schnitt eine angewiderte Grimasse und tat die Bemerkung des Königs ab, als wüsste er nicht, wovon er geredet hatte. »Bah! Ich habe dich lieber gemocht, als du noch der Verrückte warst.« Er starrte einen Moment lang erbost vor sich hin, während Borric und Erland amüsiert Blicke wechselten.

Der König wandte seine Aufmerksamkeit Roo zu: »Und was ist mit Euch, Rupert Avery? Könnten wir uns nicht auf irgendeine Weise Eurer Dienste versichern?«

Als sich der König geradewegs an ihn persönlich wandte, verschlug es Roo im ersten Augenblick die Sprache. Schließlich schluckte er heftig und erklärte: »Es tut mir leid, Euer Majestät. Aber für den Fall, dass ich zurückkomme, habe ich mir vorgenommen, unbedingt ein reicher Mann zu werden. So habe ich das geplant. Ich will ein Händler werden, und das wird in der Armee nicht möglich sein.«

Der König nickte. »Händler? Wir hoffen doch, Ihr werdet Euch ehrlichen Geschäften zuwenden.« Er unterließ eine Bemerkung über Roos Vergangenheit. »Dennoch, Ihr habt vieles gesehen, was nur wenige Männer je zu Gesicht bekommen, die nicht in unseren Diensten stehen. Wir zählen auf Eure Diskretion. Versteht mich richtig: Wir erwarten Eure Diskretion!«

Roo lächelte. »Ich habe vollkommen verstanden, Eure Majestät. Und ich kann Euch versprechen, dass ich Euch, wenn die Zeit kommt, so gut helfen werde, wie mir nur möglich ist. Falls diese Schlangen hierherkommen, werde auch ich kämpfen.« Dann zwinkerte er, grinste und fügte noch hinzu: »Außerdem wird der Tag kommen, an dem ich Euch auf andere Weise besser zu Diensten sein mag als mit dem Schwert in der Hand.«

»Vielleicht, vielleicht, Rupert Avery«, erwiderte König Borric. »Es mangelt Euch, wie mir scheint, jedenfalls nicht an Ehrgeiz.« Er wandte sich an Lord James. »Wenn es nicht unter Eurer Würde ist, würdet Ihr Herrn Averys Karriere ein wenig fördern? Vielleicht könntet Ihr ihm ein Empfehlungsschreiben mitgeben.« Dann winkte er einem Junker zu, der fünf Beutel trug, von welchen nun jedem Mann einer übergeben wurde. »Ein Danke von Eurem König.«

Roo wog den Beutel in der Hand. Wenn darin wirklich so viel Gold war, wie er annahm, dann wäre er dem Zeitplan, den er für seinen Aufstieg zum reichen Mann erstellt hatte, bereits um ein Jahr voraus. Dann bemerkte er, wie sich die anderen verbeugten und den Saal verließen, also verbeugte er sich ebenfalls ein wenig verlegen vor dem König und eilte hinter den anderen her.

Draußen versammelte de Loungville seine Leute um sich. »Nun, jetzt seid ihr also wieder freie Männer.« Er wandte sich an Erik und Jadow: »Und ihr haltet euch von jedem Ärger fern und seid am ersten Tag des nächsten Monats wieder hier.« Er ging weiter zu Nakor und Sho Pi. »Der König wird seine Botschaft an die Magier morgen fertig haben. Geht zu Herzog James’ Schreiber, und er wird euch Pässe und Geld aushändigen.«

Schließlich richtete er seine Worte an Roo: »Du bist eine richtige Ratte, Avery, aber nach all der Zeit mag ich sogar dein grässliches Gesicht. Falls du deine Meinung änderst, ich kann jederzeit erfahrene Soldaten gebrauchen.«

Roo schüttelte den Kopf. »Danke, Feldwebel, doch ich muss einen Händler mit einer hässlichen Tochter aufsuchen, damit ich mich endlich dem Reichwerden widmen kann.«

Danach wandte de Loungville sich wieder an alle. »Falls ihr euch der Fleischeslust hingeben wollt, bevor ihr nach Hause zurückkehrt, geht zum Haus des Weißen Flügels, in der Nähe des Tors der Händler. Das ist ein anständiges Freudenhaus, also tretet euch vorher die Schuhe ab. Sagt der Dame, die ihr da trefft, ich hätte euch geschickt. Sie wird es mir zwar niemals vergeben, doch sie ist mir einen Gefallen schuldig. Und macht dort keinen Aufruhr, denn ich will euch nicht schon wieder verhaften müssen.« Er blickte von Gesicht zu Gesicht. »Ihr habt euch wacker geschlagen, Jungs.«

Niemand erwiderte etwas, bis Erik vernehmen ließ: »Danke, Feldwebel.«

De Loungville zeigte auf Erik und Jadow: »Ihr beide meldet euch im Geschäftszimmer des Marschalls und holt euch eure Vollmachten ab. Ihr seid jetzt Männer des Prinzen, und von heute an werdet ihr nur noch Patrick, Calis und mir gehorchen.«

»Wo ist das Geschäftszimmer?«, fragte Erik.

»Diesen Gang entlang und dann rechts, die zweite Tür links. Und jetzt raus mit euch, ehe ich meine Meinung ändere und euch wieder einsperren lasse, weil ihr ein Haufen grober Kerle seid.« Er klopfte Roo noch herzhaft an den Kopf, dann drehte er sich um und kümmerte sich um seine eigenen Angelegenheiten.

Die fünf Männer zogen den Gang hinunter, und Nakor vermeldete: »Ich habe Hunger.«

»Du hast doch immer Hunger, Mann«, konterte Jadow lachend. »Mein Kopf hat allerdings noch nicht vergessen, was gestern Nacht los war. Und mein Magen ist mir auch noch ziemlich böse.« Er hielt inne und fügte hinzu: »Aber ich glaube, ich könnte auch was vertragen.«

Erik lachte. »Da sag ich nicht Nein.«

»Dann lasst uns ein Wirtshaus suchen«, schlug Nakor vor.

»Ein ruhiges Wirtshaus«, unterbrach ihn Roo.

»Ein ruhiges Wirtshaus«, wiederholte Nakor, »und etwas zu essen.«

»Und was dann, Meister?«, wollte Sho Pi wissen.

Nakor schnitt eine Grimasse, erwiderte jedoch nur: »Und dann gehen wir zum Haus des Weißen Flügels, Junge.« Er schüttelte den Kopf und zeigte auf Sho Pi. »Der Knabe hat noch viel zu lernen.«

Das Haus des Weißen Flügels entsprach in nichts dem, was Roo erwartet hatte. Wobei er eigentlich gar nicht so genau wusste, was er erwartet hatte. Er hatte sich zwar schon früher mit Huren abgegeben, aber das war im Felde gewesen, wo man sich neben seinem Gefährten niederließ und wartete, bis die Hure mit ihm fertig war.

Dies war eine andere Welt. Die fünf leicht angetrunkenen Männer mussten mehrmals fragen, bis sie das Freudenhaus endlich gefunden hatten. Nach einigen Fehlversuchen entdeckten sie schließlich ein bescheidenes Haus in der Nähe des Händlerviertels. Das Schild draußen war kaum zu sehen, es war lediglich ein einfacher Flügel aus Metall, der weiß angestrichen war, während alle anderen Schilder in der Gegend kühner bemalt waren und eher von anständigen Gewerben kündeten.

Die Tür wurde von einem Diener geöffnet, der die fünf ohne ein Wort einließ und ihnen bedeutete, sie sollten in dem winzigen Vorzimmer warten, wo es keinerlei Möbel gab und dessen einziger Schmuck die unbeschreiblichen Wandteppiche an zweien der Wände darstellten. Gegenüber dem Eingang war eine weitere Tür aus einfachem, bemaltem Holz. Als sie aufging, trat eine gut gekleidete, fast matronenhafte Frau hindurch.

»Ja?«, fragte sie.

Die Männer sahen sich gegenseitig an, und es war Nakor, der schließlich antwortete: »Uns wurde gesagt, wir sollten hierherkommen.«

»Von wem?«, erkundigte sie sich und schien nicht ganz überzeugt.

»Robert de Loungville«, gab Erik leise Auskunft, als fürchte er, zu laut zu sprechen.

Im selben Augenblick verschwand der misstrauische Ausdruck vom Gesicht der Frau und wandelte sich zu einem erfreuten Lächeln. »Bobby de Loungville! Bei den Göttern, wenn Ihr Freunde von Bobby seid, dann nur herein mit Euch.«

Sie klatschte in die Hände, und die Tür, durch die sie gekommen war, öffnete sich weit und gab den Blick auf zwei große, bewaffnete Türwächter frei. Als diese nun zur Seite traten, wurde Roo klar, dass die beiden zum Schutz der Frau gewartet hatten.

»Ich bin Jamila, Eure Gastgeberin, und möchte mir erlauben, Euch nun ins Haus des Weißen Flügels zu führen«, stellte sie sich vor, während sie voranging und die nächste Tür öffnete.

Alle fünf schnappten nach Luft. Selbst Nakor, der schon am Hofe der Kaiser von Groß-Kesh Reichtümer aller Art gesehen hatte, stand ehrfürchtig staunend da. Das Zimmer war nicht unbedingt feudal eingerichtet. Im Gegenteil. Eigentlich war es mehr das Fehlen jeglicher Protzigkeit, das sie so beeindruckte. Alles in dem Zimmer war mit Geschmack ausgewählt, obwohl Roo nicht hätte sagen können, weshalb die Einrichtung diesen Eindruck erweckte. Stühle und Diwane waren im Zimmer verteilt, sodass diejenigen, die darauf Platz nahmen, sich ansehen konnten, obgleich jede Sitzecke einen eigenen Bereich bildete. Dies wurde überdeutlich zum Ausdruck gebracht durch einen reich wirkenden Mann, der sich auf einem Diwan ausgebreitet hatte und Wein aus einem Kelch nippte, während zwei hübsche junge Frauen sich seiner annahmen. Die eine hockte vor ihm auf dem Boden und gestattete ihm, ihre Schultern und ihren Hals zu streicheln, während die andere auf seinem Schoß saß und ihn mit Süßigkeiten von einem vergoldeten Tellerchen fütterte.

Wie von Zauberhand herbeigeholt, kamen hinter mehreren Vorhängen weitere junge Frauen hervor. Alle waren einfach gekleidet, so wie die beiden bei dem Mann auf dem Diwan, in weit fallende Kleider aus leichtem Stoff. Auch wenn die Kleider sie vom Hals bis zum Fuß bedeckten, die üppigen Formen der Mädchen verhüllten sie nicht. Mit großer Freundlichkeit begrüßten die jungen Damen ihre neuen Gäste.

Jeder Mann wurde von zwei Mädchen zu einem der Stühle oder Diwane geführt, je nachdem, ob er sitzen oder liegen wollte.

Ehe er sich’s noch versah, wurde Roo zu einem Diwan geschoben und sanft darauf gedrückt. Seine Füße wurden angehoben und auf die Liegefläche gelegt, und ihm wurde ein Kelch Wein gereicht. Eines der Mädchen begann, seine Schultern fest zu massieren. Und das alles geschah, bevor er noch ein einziges Wort gesagt hatte.

»Wenn Ihr bereit seid, werden Euch die Mädchen die Zimmer zeigen«, erklärte die Frau mit Namen Jamila.

Jadow umfasste mit seinem starken Arm die Hüfte einer der jungen Damen, zog sie an sich, drückte ihr einen lauten Schmatz auf die Wange und jauchzte: »Männer und Götter, ich glaube, ich bin tot und im Paradies gelandet!«

Diese Bemerkung rief allgemeines Gelächter hervor, und Roo lehnte sich zurück. Die sanften Berührungen der Mädchen entspannten ihn auf eine Weise, wie er es seit Jahren nicht mehr erfahren hatte.

Die Heimkehr

Roo gähnte.

Der Körper neben ihm bewegte sich unter den weißen Laken, und Roo wurde sich mit einem Mal darüber klar, wo er sich befand. Bei der Erinnerung an die vergangene Nacht verzog sich sein Mund zu einem breiten Grinsen. Er langte unter das Laken und strich über den Rücken der jungen Frau. Das Wort Hure als Bezeichnung für sie wollte ihm nicht gefallen; dieses Wort war gut genug für jene Frauen, die Soldaten in den Lagern hinterherliefen oder die sich von den Balkonen im Armenviertel Krondors herabbeugten und den Arbeitern und Seeleuten unten ihre lasterhaften Angebote zuriefen. Die Damen hier dagegen glichen in nichts dem, was er sich je hätte vorstellen können.

Sie waren ein wenig kokett, schienen gebildet zu sein, hatten tadellose Manieren, waren leidenschaftlich und steckten, wie Roo in der letzten Nacht erfahren hatte, voller Ideen. Die junge Frau neben ihm hatte Roo mehr Dinge darüber gelehrt, wie man das andere Geschlecht verwöhnen und es sich selbst gut gehen lassen konnte, als alle anderen, die er in seinem Leben gehabt hatte. Und sie hatte wunderbar geduftet, nach Blumen und Gewürzen. Er spürte, wie er abermals erregt wurde, und noch immer grinsend streichelte er den Körper neben sich weiter.

Das Mädchen erwachte. Falls sie ein Morgenmuffel war, verbarg sie dies mit unglaublichem Geschick vor ihm; tatsächlich wirkte sie erfreut, Roo neben sich zu entdecken.

»Guten Morgen«, begrüßte sie ihn und lächelte. Sie fuhr mit der Hand über seinen Bauch. »Wie schön, auf diese Weise den Tag zu beginnen.«