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‘Die sieben Leben eines Fußball-Fans’ ist der 12. Roman von Manfred Schloßer und gleichzeitig eine Ode an Freundschaft, Treue und ungezügelte Spielleidenschaft des jungen Fußballers und Fans Danny Kowalski. Aber auch an die Liebe, Zärtlichkeit und Erotik, wenn es um die sechs Gründe außer Sex geht, keinen Fußball zu gucken. So ist für Frauen wie für Männer in diesem Roman was dabei. Und ‘die sieben Leben eines Fußball-Fans’? Was hat es damit auf sich? Es gibt da ‘die sieben Leben einer Katze’: da sagt man den Katzen, unseren beliebten Haustieren mit den Samtpfoten sieben Leben nach. Denn Katzen sind zäh. Wenn sie mal von einem hohen Baum fallen, dann drehen sie sich in der Luft und kommen leicht federnd auf ihren vier Pfoten auf. Ein Mensch würde das nicht überlebt haben. Aber Katzen haben ja sieben Leben. Fallen vom Baum, sind - unten angekommen - immer noch am Leben. Da haben sie immer noch sechs Leben übrig. Die ‘sieben Leben einer Katze’ sind hintereinander, erst eins dann, zwei, dann drei, dann vier, fünf, sechs und schließlich das letzte und siebte Leben. Dagegen hat ein Fußball-Fan seine sieben Leben gleichzeitig. Der Autor schwelgt in einem Kaleidoskop aus den Bereichen des Fußball-Schwärmlings und Ball-Lehrlings, dann als Spieler, Tisch-Kicker, immer als Fan, Sammler und Dokumentator, leider auch öfters mal als Fußball-Verletzter, später als Tipper und schließlich als ‘Fachmann’ und Diskussionspartner...
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Seitenzahl: 299
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Für Theo und Sigi,
meinen Vater und meinen Bruder,
die beide im September 2018 innerhalb von nur einem halben Monat
in die ewigen Jagdgründe eingezogen sind.
Der eine war früher Bergmann im Steinkohle-Bergbau,
Zeche Emscher Lippe in Datteln war ›sein Pütt‹.
Aber die ›letzte Schicht‹ des Steinkohle-Bergbaus im Ruhrgebiet
am 21.12.2018 auf der Zeche Prosper Haniel in Bottrop
brauchte er nicht mehr mitzuerleben.
Der andere, mein Bruder, ein früherer Seemann
der ›christlichen‹ Seefahrt auf allen Weltmeeren,
bekam schließlich seine See-Bestattung in der Nordsee.
Über den Autor
Mitspieler und Mitspielerinnen
Einleitung – Harry gibt Gas
Schwärmling und Ball-Lehrling
Kohle, Kumpel und Kicker
Spiele in den 50er Jahren
Schwärmling und Ball-Lehrling
Spieler und Torhüter
Fußballspieler und Torwart
Der Hund von Laskerville
Der Handballtorwart im Fußballtor
– oder: Reaktion ist alles -
Sex and Drugs and Rock›n Roll
Fußball im Schnee
Hagener Fußballer und ihre Torhüter
Tischfußball
Kinder-Tischkicker und Ronny›s Wechsel von S 04 zu BvB
Tischfußball mit der Clique
Kickern als Jugendzentrums-Leiter
Fan, Sammler und Dokumentator
Sport im Westen
Fan-Vertragswechsel vom Schalke 04 zum 1.FC Köln
Die Landkarte der NRW-Fußball-Clubs
Lieblings-Vereine und Fan-Freundschaften
BULI-, Pokal- und internationale Spiele
Pokalsiegfeier in Abwesenheit
Die Extra-Halbzeit
Heinz Flohe – Der mit dem Ball tanzte
Ruhrpott, Ruhrpott
Die beste Elf aus 70 Jahren 1.FC Köln
Die launische Diva vom Rhein
Hennes, der Geißbock
Fußball-Verletzter
Das verpatzte Sportabitur
Die heilende Kraft der Liebe
Dannys letzter Fußball-Unfall
Jonglieren ist auch was mit Bällen
Tipper
Der Tipp-Gauner aus Berlin
Die Totti-Tipper
Gib mich die Kirsche
Zizou + der schreckliche Iwan im Café im Quadrat
›Fachmann‹ und Diskussionspartner
Wie Zidane von Materazzis Brust am Kopf getroffen wurde …
Frauenfußball in Holland
Die schönste Nebensache der Welt
- Sechs Gründe außer Sex, keinen Fußball zu gucken -
Aufholjagd des 1.FC Köln 2018 endete mit dem Abstieg
Mission Wiederaufstieg
Ausblicke
Lenas Tränen bei der FC-Hymne
Zukunftsvisionen
Epilog in die Zukunft
Literaturverzeichnis
Danke an alle
Manfred Schloßer, geboren 1951, aufgewachsen in Datteln, wohnt seit 1980 in Hagen. Er studierte Sozialwissenschaft an der Bochumer Ruhr-Universität, Sozialarbeit an der Hagener Fachhochschule, Sozialpädagogik an der Dortmunder FHS und machte drei Diplome. Zur Belohnung durfte er sein Geld als Leiter eines Abenteuerspielplatzes, eines Jugendzentrums und eines Jugendinformations-Zentrums verdienen und danach in einer Betreuungs-Behörde arbeiten. Mittlerweile im ›Unruhestand‹, hat er noch viel mehr Zeit, seinen verschiedenen sportlichen Aktivitäten und natürlich seiner Leidenschaft fürs gedruckte Wort zu frönen.
Mit dem Fußball-Roman ›Die sieben Leben eines Fußball-Fans‹ erscheint
2019 bereits der zwölfte Danny-Kowalski-Roman.
Die vorherigen elf Romane:
›Es geht eine Leiche auf Reisen‹, Krimi 2018
›Die sieben Jahreszeiten der Musik‹, Musikroman 2017
›Das Ekel von Horstel‹, Krimi, 2017
›Wer andren eine Feder schenkt‹, 2016
›Das Geheimnis um YOG‹TZE‹, Krimi, 2015
›Zeitmaschine STOPP!‹, Öko-Science-Fiction-Story, 2014
›Leidenschaft im Briefkuvert‹, Liebesroman, 2013
›Der Junge, der eine Katze wurde...‹, 2012
›Keine Leiche, keine Kohle…‹, Ruhrgebiets-Krimi, 2011
›Spätzünder, Spaßvögel & Sportskanonen‹, 2009
›Straßnroibas‹, Reise-Roman, 2007
Weitere Informationen im Internet: http://www.petmano.jimdo.com/
In eigener Sache:
Die Länder, Städte, Vereine und Straßen in diesem Roman gibt es wirklich. Aber die Namen der genannten Personen habe ich frei erfunden. Falls sich doch irgendjemand in einer der im Roman vorkommenden fiktiven Gestalten wieder erkennen sollte, kann es sich nur um einen Zufall handeln.
Der lateinische Ausdruck ›panem et circenses‹ stammt vom römischen
Dichter Juvenal. Er bedeutet ›Brot und Zirkusspiele‹: mehr brauchten die
Menschen damals im alten Rom nicht, was zu essen, und ab und zu etwas
Unterhaltung.
Und heutzutage: das tägliche Brot wird durch die Arbeit verdient, und zur
Unterhaltung gibt es Fußball-Spiele.
Früher wurde bei den Römern im Kolosseum ein hungriger Löwe zu 22 gefangenen
Christen gesteckt, auf dass es ging um Leben oder Tod.
Heutzutage wirft man in den modernen Kolosseen 22 gekauften Spielern
einen Ball zu, auf dass es geht um Sieg oder Niederlage.
Da wo früher die Römer durch das Spektakel unterhalten wurden, da
verkloppen und schlagen sich heuer die Zuschauer in den modernen
Fußball-Arenen selber. Besonders gerne auch in Rom, wenn die AS Roma gegen
Lazio Rom spielt oder im Ruhrgebiet das Derby BvB Borussia Dortmund
gegen Schalke 04 anliegt. Immer sind es dann Hochsicherheits-Spiele für Polizei
und Ordner.
Dieser Unterschied zwischen dem alten Rom und den modernen Fußball-Stadien
erscheint doch als eine Ausgeburt von verdrehter Perversität.
In den 1960er Jahren auf den Aschenplätzen von Datteln und Oer-Erkenschwick spielte Danny mit Gerry, Pitter, Ronny, Florian, Frankie, Bodo, Roger, Öczan, Benny, Siggi, Wolle, Piet und Sonny. Auch die Kowalski-Family liebte es zu spielen, mit und ohne Bälle: Vaddern Götz, Mutti Marie, Brother Gerry und Sister Bär-Bel. Mit Herbie, Lukas, Fritz, Carlo und Rally überlebte er Ski-Urlaube im Klein-Walsertal und das Sport-Abitur in Recklinghausen.
In den 1970er Jahren kickten sie als »Cosmos Datteln« hinter der Realschule und auf den verschiedensten Bolzplätzen der »Bunten Liga«: Danny im Tor; Harry, der Linksverteidiger; Carlos, der Libero; Lutze und Bridgie in der stabilen Abwehr; Eck, der Abfänger; Freddy und Zolly, die offensiven Mittelfeldspieler; Krischan, der pfeilschnelle Rechtsaußen; Eddy, der gefährliche Mittelstürmer; Achim, der quirlige Linksaußen. Dazu Matthes und Jo als Einwechselspieler.
In den 1980er Jahren auf den Hagener Sportplätzen lernte Danny seine Kollegen Hannes, Werner und Klaus kennen. Später im neuen Jahrtausend wurde aus ehemaligen Kickern die inzwischen traditionsreiche Tipp-Gemeinschaft der »Tottis«. Und die Kolleginnen Helen Richter, Tina Tolling und Katrin Riesig unterstützten ihn mit Rat und Tat.
Und dann gab es da noch die, die für Ablenkung vom Fußball sorgten, sei es durch Liebe, Sex oder das wirkliche Leben: Lulu, Paula, Tina, Lydia, Kirsten, Julie und Moni, mit oder ohne Bälle …
In seinem Fitness-Center Fun-Out in Hagen-Hohenlimburg erlebte Danny in den letzten acht Jahren einen anderen Sport, den an den Konditions- und Kraft-Geräten mit Moni, Ella, Horst, H.K., Tomte und Erdal Keser.
Wieder einmal hat die Anregung eines guten Freundes dazu geführt, dass ich mich an diesen Roman getraut habe. Es war Freund Harry, der mächtig Gas gab …: »Fußball, das Thema. Nick Hornby hat die »Gunners« gehabt, du hast den FC Kölle. Wie lange begleitet er dich schon? 50 Jahre? Der Welt fehlen Fußballromane, jede Zeit hat sie gehabt. »Elf Freunde« war ein Kinder- und Jugendbuch aus den Fuffzigern, Hornby machte es für die Neunziger. Jetzt fehlt ein Jahrtausender, einer mit Zeitgeist. Kaputte Gesellschaft und Korruption, gigantische Ablösesummen – und die Aufholjagd des FC. Fußball ist gegenwärtig ein riesiges Geschäft, und von Fußball hast du Ahnung. Davon abgesehen: Bücher vor dem Hintergrund Fußball sind immer klasse zu lesen, siehe Hornby.«
»Joh, joh, joh, my friend,« entgegnete ich, »in Zeiten von 220 Millionen Euronen für den Brasilianer Neymar, von einem katarischen Öl-Scheich für Paris St. Germain an FC Barcelona gezahlt …, die dann wiederum davon 105 Mill. € für Dembele an den BvB Borussia Dortmund blechten, weil der sich durch Anti-Haltung wie ein Kleinkind in der KiTa aus seinem Vertrag raus geekelt hatte … Ja, in diese Zeiten passte nun denn auch der Gabuner Aubameyang vom BvB, der sich durch Lustlosigkeiten und kleinere Vergehen dermaßen unmöglich gemacht hatte, dass man ihn auch für 63 Mill. € zum Londoner FC Arsenal ziehen ließ … ja, ja, das sind Zeiten, die nix mehr mit Fußball-Romantik zu tun haben. ›Elf Freunde‹ schon lange nicht mehr. Geschäft-Geschäft-Geschäft: business, as much as it goes …
Den modernen Fußball-Söldnern glitzern die $-Zeichen nur so in den Augen. Der Fußball-Fan wendet sich mit Grausen ab: »Wo soll das noch hinführen …!?«
Auch die deutschen Soccer-Söldner machen es dem Fußball-Begeisterten immer schwerer, an das Gute im Menschen zu glauben. Wieder Arsenal: der einstige Kult-Club von Nick Hornby ködert Mesut Özil mit neuem Rekord-Gehalt zum Bleiben. Der deutsche Mittelfeldregisseur steigt damit nach monatelangem Poker zum bestbezahlten Profi in der Klub-Geschichte auf. Dem Vernehmen nach verdient Özil künftig rund 400.000 Euro die Woche, das sind im Jahr etwa 20,6 Millionen Euro. Das muss man sich mal vorstellen: 400.000 € die Woche, da muss eine alte Lady lange, sehr lange für stricken … Denn soviel würde selbst ein normal sterblicher Arbeitnehmer in seinem ganzen Leben kaum verdienen …!!!
Das Auseinanderklaffen der Gehälter von Fußball-Profi und Fußball-Fan wird immer eklatanter: das kann man mit Show-Biz kaum mehr erklären, das ist eher unsensibel. Özil wurde in Gelsenkirchen geboren, spielte dort auch beim FC Schalke 04, dem immer noch das Prädikat ›Malocher-Club‹ anhaftet. Das hatte in den 30er, 40er und 50er Jahren des letzten Jahrhunderts seine Berechtigung, als die Bergmänner aus den Zechen des Ruhrgebiets ihre Mannschaften wie Schalke 04, Spvgg. Erkenschwick, Rot-Weiß Essen, Westfalia Herne oder SV Sodingen als die wirklich ›Ihrigen‹ ansahen, die Kumpels von unter Tage oder Nachbarn aus den Zechensiedlungen waren. Aber heutzutage kommen zum ›Malocher-Club‹ Schalke 04 Legionäre aus aller Herren Länder, dafür gehen die ›echten‹ Gelsenkirchener wie Manuel Neuer, Mesut Özil, Leroy Sane oder Ilkay Gündogan lieber für viele Euro-Millionen zu reichen anderen Vereinen ins In- oder Ausland. Und das alles, obwohl Schalke 04 inzwischen vom russischen Gazprom gesponsert wird. Die PAO Gazprom ist das weltweit größte Erdgasförderunternehmen und mit 110 Milliarden US-Dollar Marktkapitalisierung eines der größten Unternehmen Europas. Damit reiht sich der FC Schalke ein in die Reihen der europäischen Großvereine, die sich von ausländischen Sponsoren unterstützen lassen oder ihnen gleich ganz gehören, wie Manchester City (komplett in der Hand des milliardenschweren Scheichs Mansour bin Zayed al Nahyan), Paris St. Germain (katarischer Öl-Scheich) oder FC Chelsea (russischer Öl-Milliardär Abramowitsch).
Da verdienen die Fußball-Millionäros ein ›Schweinegeld‹ und werden aber trotzdem immer noch gieriger, sodass einige von ihnen sogar im großen Stil ihre Reichtümer an den Steuern vorbei mogelten. Wie im Januar 2019 der portugiesische Fußballstar Christiano Ronaldo, der zugab, von 2011 bis 2014 insgesamt 5,7 Millionen € an Steuern hinterzogen zu haben. Das Gericht in Madrid verurteilte ihn zu 23 Monaten Gefängnis und zu einer Strafzahlung von 18,8 Millionen €. Die Gefängnisstrafe brauchte er nicht anzutreten, weil er noch keine Vorstrafen hatte. 1 Deshalb kam und ging der Fußballstar auch gut gelaunt zur Verurteilung, weil er diese Summe mit ›links‹ bezahlen konnte.
Ja, und dann noch die riesigen Korruptions-Skandale innerhalb der FIFA unter Sepp Blatter: er und seine Kumpane haben die FIFA als Geld-Druckmaschine benutzt, um sich die eigenen Taschen damit zu stopfen. Ob der neue FIFA-Boss Infantino dem Saustall aus Korruption und Vetternwirtschaft ein Ende bereiten kann, bleibt vorerst zweifelhaft. Der Fußball-Fan reibt sich verwundert die Augen. Denn die letzte WM in Russland oder gar die nächste in Katar haben viel mit Geld und wenig mit Fußball-Romantik zu tun …
Als der große Franke und Club-Fan Roland Hermsdörfer davon hörte, dass ich einen Fußball-Roman schrieb, der da heißen sollte »Die sieben Leben eines Fußball-Fans«, war seine spontane Nachfrage: »Nummer 7? Litti trug die 7, und Ronaldo und Griezman und und und …«
»Hihihihi, wie kommste jetzt auf Nummer 7?«
Roland: »7 Leben«.
Nun denn, die sieben Leben eines Fußball-Fans also …
Na ja, ich kenne eigentlich »Die sieben Leben einer Katze«: da sagt man den Katzen, unseren beliebten Haustieren mit den Samtpfoten, den niedlichen Fellnasen, sieben Leben nach. Denn Katzen sind zäh. Wenn sie mal von einem hohen Baum fallen oder von einem Haus, dann drehen sie sich in der Luft und kommen leicht federnd auf ihren vier Pfoten auf. Ein Mensch würde das nicht überleben. Aber Katzen haben ja sieben Leben. Fallen vom Baum, sind – unten angekommen – immer noch am Leben. Da haben sie immer noch sechs Leben übrig.
Das heißt also: die »sieben Leben einer Katze« sind hintereinander, erst eins, dann zwei, dann drei, dann vier, fünf, sechs und schließlich das letzte und siebte Leben.
Dagegen hat ein Fußball-Fan seine sieben Leben gleichzeitig: erst als Schwärmling und Ball-Lehrling, dann als Spieler, als Tisch-Kicker, immer als Fan, Sammler und Dokumentator, leider auch öfters mal als Fußball-Verletzter, dann als Tipper und schließlich als »Fachmann« und Diskussionspartner …
Zur Erklärung der Collage auf dem Titelcover »Tore, Tipps & Geißböcke«.
Das Schwarz-Weiß-Foto mit Danny als Torwart 1977 stellte freundlicherweise der Fotograf Hartmut Großer aus Datteln zur Verfügung. Es zeigt allerdings kein Tor, sondern eine Torwart-Parade von Danny: der Ball wurde so gerade noch von ihm gehalten.
Danny als Tipper, stolz mit seinen beiden Urkunden, die er bei der Internet-Tipprunde »Gib mich die Kirsche« gewonnen hatte. 2008 und 2018 wurde er jeweils Tipp-König, unter circa 40 Mit-Tippern.
Eines der typischen kleinen Geißböckchen, wie sie Danny überall unterwegs auf Reisen traf, sie spontan »Hennes« taufte und liebevoll mit ihnen redete. Dieses schwarz-weiß getupfte Geißböckchen fotografierte er an einem Elbdamm in Brandenburg.
Und was sind denn eigentlich die »sechs Gründe außer Sex, keinen Fußball zu gucken«, die hinten auf dem Cover genannt werden …? Im Kapitel weiter hinten, »Die schönste Nebensache der Welt« beschreibe ich sie ausführlich. Hier in aller Kürze:
›frisch verliebt zu sein‹ mit seinem rast- und zeitlosen Schwebezustand
›Konsumverzicht‹ aus gesellschaftspolitischer Protesthaltung
›Reisen‹, Trampen, unterwegs zu sein
›Arbeit‹, wie Ferienfreizeit im Zeltlager, oder Abendarbeitszeit im Jugendzentrum
›selber Musik machen‹, und das am einzigen freien Abend der Woche als JZ-Leiter
›Liebeskummer‹ und die damit verbundenen emotionalen Turbulenzen
Hagen, im Sommer 2019
Manfred Schloßer
alias Danny Kowalski
1›Gut gelaunt zur Verurteilung«, in Westfälischer Rundschau Hagen vom 23.01.2019
Während 1954 in der Schweiz die fünfte Fußball-Weltmeisterschaft lief, war Danny ein kleiner Dotz, noch nicht mal drei Jahre alt, und hatte von gar nix ne Ahnung: weder von Abseits, noch vom Fußball, noch vom Leben …
Aber er lebte schon, immerhin – in Datteln, Zechensiedlung, Meistersiedlung, Meisterweg, unterhalb von Schacht I/II der Zeche Emscher-Lippe.
Die B 235, die Castroper Straße, hatte damals noch das übliche Kopfsteinpflaster aus Blaubasalt, was heutzutage höchstens noch die Radrennfans kennen, weil es in der so genannten ›Hölle des Nordens‹ beim Rad-Klassiker ›Paris – Roubaix‹ in Nordfrankreich noch einige Straßen mit Kopfsteinpflaster gibt.
Zudem zockelte die Straßenbahn auf der Bundesstraße Richtung Neumarkt zur Dattelner City. Die wichtigste Nord-Süd-Verbindung der Stadt war damals eine breite von Kastanienbäumen gesäumte Allee. Datteln war vom östlichen Ruhrgebiet aus gesehen das ›Tor zum Münsterland‹, mit vielen Bauernschaften und landwirtschaftlichen Betrieben.
Außerdem war und ist Datteln der größte Kanalknotenpunkt Europas, da sich fünf Kanäle dort treffen. In Meckinghoven im Dattelner Süden am Schiffshebewerk Henrichenburg trifft der Rhein-Herne-Kanal auf den Dortmund-Ems-Kanal, von dem einige Kilometer nördlich nach Osten der Datteln-Hamm-Kanal abzweigt, und sich schließlich im Dattelner Norden zum sogenannten ›Dattelner Meer‹ vergrößert. Dort befindet sich auch der Hafen, von dem der Datteln-Wesel-Kanal nach Westen geht. Die alte 1926 erbaute Schleuse Datteln am ›Dattelner Meer‹ ist 225 Meter lang und 12 Meter breit. Damals gabelte sich der Dortmund-Ems-Kanal nach Norden noch in Alte und Neue Fahrt, die sich kurz hinter Olfen wieder vereinten. Heutzutage ist allerdings die Alte Fahrt stillgelegt und beherbergt stattdessen in einigen abgeteilten Abschnitten beschauliche Wasserbiotope und Anglerparadiese.
Während Anfang Juli 1954 in der Schweiz ›das Wunder von Bern‹ geschah, als Deutschland völlig überraschend durch das 3:2 gegen die für unschlagbar gehaltenen Ungarn im Endspiel der Fußball-Weltmeisterschaft gewann, hatte Dannys Vater Götz schon ein erstes Fernsehgerät angeschafft. Eigentlich hätte Danny also das ›Wunder von Bern‹ im TV mitbekommen können, aber er war zu klein, um überhaupt so was begreifen zu können.
Nachbarn und Püttkollegen jedoch drängelten sich in ihrem Wohnzimmer und erlebten am 4. Juli 1954 vor dem flimmernden TV-Gerät seines Vadders ›Das Wunder von der Meistersiedlung‹. Dannys Schwester Bär-Bel beschrieb diese Anekdote vom ›Wunder von Bern‹ Jahrzehnte später als amüsante Familiengeschichte aus der Sicht ihrer inzwischen verstorbenen Mutter:
»In den 50er Jahren war es nicht selbstverständlich, einen Fernseher zu besitzen. Allerdings gab es weniger Streit ums Programm als heute, da man sowieso nur eines empfangen konnte. Unsere Mutter und ihre junge Familie gehörten schon 1954 zu den stolzen Besitzern eines Fernsehgerätes – und mussten bald feststellen, dass Streit darum trotzdem nicht ausgeschlossen war.
Die Nachbarschaft am Meisterweg scharte sich gerne mal gelegentlich zu Sendungen um den Fernseher ihrer jungen Familie, die man Jahre später als ›Straßenfeger‹ bezeichnen sollte: Taschentuchfilme á la Sissy, Krimis und wichtige Fußballspiele. So besonders auch im Jahre 1954, als – wir ahnen es bereits – die später als ›Helden von Bern‹ bekannt gewordene deutsche Elf sich anschickte, dem gebeutelten Nachkriegsdeutschland psychologisch wieder auf die Beine zu helfen.
Mit täglich wachsender Spannung also versammelte sich die Nachbarschaft in der Wohnküche am Meisterweg, wo Mutti es liebte, die ihr eigene Gastfreundschaft auf das Großzügigste all jenen angedeihen zu lassen, die mit Begeisterung verfolgten, wie sich die deutsche Mannschaft in der Schweiz von Runde zu Runde weiterkämpfte.
Nicht, dass sich irgendjemand durch geschnorrt hätte. Im Gegenteil, jeder brachte irgendetwas mit: ein paar Flaschen Bier (die mit dem Bügelverschluss) der eine, eine Flasche Eierlikör für die Damenwelt der andere, und noch einer würde an Salzstangen gedacht haben. So weit, so schön.
Ihr Mann, also unser Vadder, machte sich allerdings so gar nichts aus Fußball. Und er schätzte es auch nicht sonderlich, nach der Arbeit – als junger Steiger auf Zeche Emscher-Lippe waren für ihn Spätschichten durchaus noch an der Tagesordnung – ein aufgekratztes, siegestrunkenes Grüppchen Arbeitskollegen in der heimischen Wohnküche anzutreffen. Denn alle aus der Nachbarschaft waren ja auf demselben Pütt. Er beobachtete die täglich wachsende Schar der Besucher vor dem heimischen Fernseher zwar mit einigem Missfallen, ließ Mutti aber gewähren, von der er ja wusste, wie sehr sie Geselligkeit und die Pflege einer guten Nachbarschaft schätzte. ›Und irgendwann würden die deutschen Kicker mal aus der Meisterschaft herausfliegen …,‹ dachte er.
Taten sie aber nicht! Im Gegenteil, es kam das entscheidende Finalspiel mit dem sattsam bekannten Ende. Die Begeisterung der Gäste vorm Fernseher in der Wohnküche am Meisterweg brach sich Bahn, indem alle spontan die deutsche Nationalhymne anstimmten. Weil die Nazi-Zeit noch nicht lange vorbei war und kaum einer die dritte Strophe beherrschte, sang man in bierseliger Weltmeisterlaune ganz unschuldig ›von der Maas bis an die Memel, von der Etsch bis an den Belt‹.
Das aber brachte unsern Vadder endgültig zum Platzen, für ihn als alten Roten war das Fass jetzt übergelaufen. Er zog den Stecker, schmiss die ganze Bagage raus und ließ sich mit Mutti auf den ersten richtigen Streit in ihrer Ehe ein. Sie strafte ihn tagelang mit eisigem Schweigen. Bis zur nächsten Meisterschaft war aber der Zorn wieder verraucht.« 2
Danny selber wusste nix von den drängelnden Männern in der Wohnstube. Das einzige, was er wusste, war, wie lecker ein gutes sauberes Stück Steinkohle schmeckte, das er krabbelnder Weise in der Wohnküche aus dem Kohlenkasten erhaschte. Die Wohnküche war ja in den 1950er Jahren das Zentrum jeder Wohnung, da dort der kohlebetriebene Herd stand: Heizung und Kochstelle in einem.
Jedenfalls so‹n Stück Kohle: »Lecker, wa?!« Geschadet hat es Danny wohl nicht, denn ›Dreck soll ja angeblich den Magen reinigen.‹
Aber im Ruhrgebiet lief es fortan prächtig mit der Allianz von Kohle, Kumpel und Kickern. Erst wurde einer von den unsrigen, der ›Boss‹ Helmut Rahn 1954 Weltmeister, dann holte er mit Rot-Weiß Essen auch flugs 1955 die Deutsche Fußball-Meisterschaft an die Ruhr, als man den 1.FC Kaiserslautern mit seinen fünf Weltmeistern im Endspiel mit 4:3 schlug. Die Oberliga West, einer der Vorläufer der Bundesliga, lief damals zu Höchsttouren auf, als sie in der Dekade von 1955 bis 1964 sage und schreibe sieben von zehn Deutschen Fußball-Meistern stellten. Man hätte sie auch ›Oberliga Ruhrgebiet‹ nennen können. Denn in dieser Spielklasse dominierten Mannschaften aus dem ›Revier‹ und somit in dieser Zeit auch ganz Fußball-Deutschland. 1956 und 1957 gewann Borussia Dortmund, 1958 der FC Schalke 04, 1962 der 1.FC Köln, und 1963 mit Borussia Dortmund nochmals und zum letzten Mal vor Einführung der Bundesliga ein Verein aus der Oberliga West. Gleich nach der Bundesliga-Gründung dominierte der 1.FC Köln 1963 mit einem Durchmarsch die BULI und wurde 1964 erster BULI-Meister, wobei drei West-Clubs auf den ersten vier Plätzen der Abschluss-Tabelle landeten. Der Meidericher SV wurde erster Vizemeister und Borussia Dortmund wurde Vierter.
Die Oberliga West hatte für viele Fans den Vorteil, dass die Steinkohlen-Kumpels im Ruhrgebiet die Spieler aus ihren Lieblings-Vereinen persönlich kannten. Selbst spätere BULI-‚Stars‹ wie Horst Szymaniak von der Spielvereinigung Erkenschwick oder Klaus ›Tanne‹ Fichtel von Arminia Ickern in Castrop-Rauxel waren anfangs Bergleute, die unter Tage malochten. Die Fans konnten zu Fuß, mit dem Fahrrad oder mit der Straßenbahn zu den nahe gelegenen Spielen ihrer Clubs kommen, sei es in der Glückauf-Kampfbahn bei den Schalker ›Knappen‹, ins Stadion ›Rote Erde‹ der Dortmunder Borussen, ins Wedau-Stadion des Meidericher SV (später MSV Duisburg), ins Stadion an der Hafenstraße von Rot-Weiß Essen, ins Stadion am Schloss Strünkede von Westfalia Herne mit Otto Luttrop, Helmut Benthaus und Hans Tilkowski, ins Stimberg-Stadion der Spvgg. Erkenschwick oder in das Ostring-Stadion von Germania Datteln.
Der ›Kumpel‹ war nah dran an seinen Fußballern. Er liebte sie, denn sie waren wie er, besonders wenn sie auf dem Platz kämpften und ackerten. Wenn sie ›Gras fraßen‹, falls sie denn schon auf Rasen spielten. Und nicht – wie meistens – auf den schwarzen Aschenplätzen des Kohle-Reviers, die auch Dannys fußballerische Heimat waren. Danny war sicherlich nicht der einzige aus seiner Generation, der da ein paar für immer in die Haut eingefräste schwarze Striemen an Oberschenkeln und Knien hat. Sie zeugen noch heute von seinen Kinder-Aktivitäten mit dem runden Leder auf schwarzer Asche …
Überall im Ruhrgebiet gab es eine große Solidarität, wie es normal war für die hart malochenden Ruhrkohlen-Kumpels. Somit hatte man eine große Unterstützung für seine heimischen Kicker. Gerade auch bei den nicht so bekannten Vereinen wie beim SV Sodingen mit den Nationalspielern Hans Cieslarczyk und Günter Sawitzki in Herne, den Sportfreunden Katernberg mit den Weltmeistern Helmut Rahn und Heinz Kubsch in Essen, beim VfB Bottrop mit Werner Biskup, der Spvgg. Herten mit Rudi Assauer, dem TSV Marl-Hüls mit Heinz van Haaren, in Gelsenkirchen Hansa Scholven und Erle SV 08 mit Rüdiger Abramczik, VfL Witten, BV Selm oder bei Preußen Hochlarmark im Recklinghäuser Süden.
Aber die Zeiten änderten sich gewaltig. Im Ruhrgebiet gibt es heute keine einzige Steinkohle-Zeche mehr, und die meisten Stahlwerke sind längst geschlossen. Die Luft ist sauber, die Ruhr dient als Trinkwasser-Quelle, und überall gibt es grüne Oasen. Außer den großen Mannschaften wie Schalke und Dortmund sind viele der damaligen Mannschaften aus der Oberliga West in Vergessenheit geraten oder spielen in der Anonymität der Amateurligen. Westfalia Herne und Spvgg. Erkenschwick spielen z. B. nun in der fünftklassigen Oberliga Westfalen, Schwarz-Weiß Essen in der fünftklassigen Oberliga Niederrhein, oder gar die Sportfreunde Katernberg in der Kreisliga A Essen Nord-West …
In den 50er Jahren hatten Danny und seine Geschwister und Freunde noch nicht so viel Spielzeug wie die Kinder heutzutage. Sie begnügten sich mit weniger, denn auch weniger konnte mehr sein. Dafür hielten sie sich auch häufiger im Freien auf, spielten draußen. Sie stromerten auf dem Stoppelfeld der abgeernteten Getreidefelder mit ihren Kornähren herum, die direkt hinter ihrem Haus im Schürenheck anfingen: Kornähren im Schatten der Zechentürme.
Die aufgebauten pyramidenförmigen Kornähren eigneten sich besonders gut zum Höhlenbau und zum Verstecken. Und dazu kam im Herbst das beliebte Kartoffelfeuer, also rohe Kartoffeln mit Schalen in die Glut werfen, bis sie gar waren. Die wurden dann so gegessen: noch warm, aber auch mit verkohlter Schale dran. Geschadet hatte es anscheinend nicht …?!
Die dortige Bauernschaft in Sichtweite der Zeche Emscher-Lippe, Schacht I/II, hieß Datteln-Hagem. Durch die weitere Besiedlung des Hagemer Feldes schossen in der Nachbarschaft immer mehr Neubauten wie Pilze aus der Erde. Diese Technik faszinierte besonders die Jungens sehr. Dabei hatte es Danny am meisten angetan, auf den rostigen Stahlmatten für die Monierung der Neubauten wie auf einem Trampolin herumzuhüpfen. Diese Haufen mit Moniereisen-Matten lagen damals überall so herum.
Wenn sie Langeweile hatten, dann gingen sie zur Castroper Straße, damals wie heute die B 235, um ›Autos raten‹ zu spielen. Das ging so: Danny und sein Freund Pitter setzten sich an den Straßenrand und warteten auf ein Auto. Wirklich! Es gab damals so wenig Autos, dass man da richtig drauf warten musste. Wahrscheinlich kam die Straßenbahn häufiger daher gebimmelt …!?
Auf jeden Fall konnte man über die kopfstein-gepflasterte Bundesstraße der 1950er Jahre noch locker zu Fuß gehen. Ganz im Gegensatz dazu das Datteln der heutigen Tage: Fahrzeug an Fahrzeug folgt auf der B 235 von der Autobahnabfahrt Henrichenburg bis in die Dattelner Innenstadt in beide Richtungen, so dass man zu Stoßzeiten die Straße nur noch an Ampeln zu überqueren wagt.
Sie jedoch in den 1950er Jahren spielten ›Autos an ihren Motorgeräuschen erkennen‹. Meist hörten sie die Autos mit ihren röhrenden, sirrenden oder klingelnden Geräuschen schon, bevor sie sie sahen. Rein optisch waren sie fast allesamt Unikate, vor allem, wenn man sie mit dem Einheitslook der heutigen Auto-Industrie vergleicht. Da gab es den ›Käfer‹ von VW, die ›Ente‹ von Citroen, das lustige Goggomobil oder gar die Isetta, auch ›Knutschkugel‹ genannt, die hatte ihre Tür samt Lenkrad nach vorne zu öffnen. Im ›Kabinenroller‹ von Messerschmidt dagegen saßen die beiden Fahrgäste hintereinander wie in einer Pilotenkanzel. Dann gab es noch den erhabenen Opel Kapitän mit ausladenden Heckflossen. Von Ford den ›Buckeltaunus‹ und den P 4, auch ›Wanne‹ genannt, oder von DKW den 3/6. Im Saarland wurde der Renault-Dauphine liebevoll ›Cremeschnittcher‹ genannt. Und schließlich für den erlesenen Geschmack die Borgward Isabella. Zwar wussten sie vom Auto-Quartett, einem beliebten Kartenspiel für Jungens, dass es auch Autos von Mercedes oder gar Maserati gab, aber die kamen in Datteln nicht vor.
Dafür kamen jede Menge Lieferwagen in ihre Siedlung im Schürenheck.
Täglich der Milchwagen, nachdem das treue Pferd Lotte vom Milchbauern Haufe gestorben war, die davor noch den Milchwagen durch ihre Siedlung gezogen hatte. Auch zwei Bäcker wetteiferten bei ihrer täglichen Runde mit Brot und frischem Kuchen um die Kunden, wobei der eine sogar die Tochter von Dannys Nachbarn heiratete. Zweimal pro Woche kam der Fischwagen. Der Eiermann aus Lüdinghausen kam nur einmal pro Woche, brachte dafür aber einmal zur Herbstsaison auf Bestellung ne Fuhre Kartoffeln. Sodann gab es noch den Gemüsewagen. Einmal pro Woche kam sogar ein Bücherwagen, wo Kinder wie Erwachsene gelesene Bücher gegen eine geringe Gebühr umtauschen konnten. Im Sommer freuten die Kinder sich auf das verführerische Klingeln des Eiswagens, der Eis zu Zehn, zu Zwanzig oder zu Dreißig anbot, jeweils 10 Pf. eine Kugel, wobei das Hörnchen um das Eis zu Dreißig das absolut leckerste war. Schließlich ertönte unregelmäßig, aber durchdringend das zeitlose Jammern einer rostigen Flöte in der Siedlung. Der Klüngelkerl war da, der den Kindern auch schon mal 5 Pf. für ne alte Milchbüchse aus Blech gab. Das war ja ein reges Treiben des mobilen Handels damals, wogegen heutzutage höchstens der ›Eismann‹ mit Tiefgefrorenem oder auf Bestellung der Winzer mit Weinkisten kommt. Dabei gab es doch damals sogar noch die beliebten ›Tante Emma‹-Läden, wie Eickhoff an der Castroper Straße oder die Gebrüder Pohl am Schürenheck, die dadurch für Furore sorgten, dass sie auf einmal Selbstbedienung einführten, eine Revolution im Lebensmittelverkauf. Dazu gab es ja noch die Buden wie die von Stiepeldey im Kehrwinkel, eine Art umgebautes Wohnzimmer, oder die zahlreichen Flaschen-Hausverkäufe, wo es in fast jeder Straße eine Familie gab, bei der man zu jeder Zeit klingeln konnte, um dort ne Flasche Sprudel oder Bier zu erwerben: praktisch, wa eh!?!
Aber sonst war ihre Straße noch für die Kinder zum Spielen, da so gut wir nie Autos durchfuhren. Im Sommer spielten sie dort bis zur Dämmerung Fußball und im Winter Eishockey. Datt war noch lange, bevor die erste Buslinie durche Siedlung am fahren war …
Jeder, der Fußball-Fan geworden ist, muss irgendwann dafür mal »angefixt« worden sein. Es muss ein Schlüssel-Erlebnis gegeben haben. Niemand wird als Fußball-Fan geboren. Bei Danny war das ganz drastisch zu sehen. Sein Vater Götz interessierte sich nicht für Fußball, seine Mutter Marie sowieso nicht. In den 1950er Jahren als Kind aufzuwachsen, bedeutete ganz anders als heutzutage, keine Medien zu kennen: kein Fernsehen, kaum Radio, Internet gab«s dammals sowieso nicht. Das Spielen fand auf der Straße statt, im Hof oder – falls vorhanden – im Garten, auf der Wiese, mit den Nachbarskindern, mit dem Bruder.
Danny erinnerte sich an seine erste Fußball-Szene. Es gab einen Ball: bestimmt nicht aus Leder, wahrscheinlich ne Plastik-Pille. Es gab Gerry, den drei Jahre älteren Bruder, und ein kleines Stück Wiese im Garten. Da wurde gepöhlt. Danny war klein und wendig. Er umtrickste seinen älteren Bruder mit dem Ball am Fuß, dass es ihn nachhaltig beeinflusste. Er war auf einmal ein Fußball-Fan geworden.
Das hieße, es muss ihn schon jemand für Fußball angewärmt haben …!? Wer war das wohl gewesen? Vielleicht sogar sein Bruder Gerry selber? Der dann wiederum die Lust daran verlor, weil er immer von seinem »Mini« umdribbelt wurde. Etwa genauso wie mit dem Schachspielen: das lernte Danny von seinem Dad. Der lehrte ihn die Figuren, die Züge. Erst machte er es ihm einfach, indem er ohne Dame und Türme spielte, bis Danny erstmalig gewann. Dann spielte Götz ohne Dame gegen Danny, bis dieser gewann. Dann spielten sie beide mit allen Figuren, bis Danny zum ersten Mal gewann. Dann gewann er bald immer. Bis dann sein Vater die Lust verlor, mit seinem Sohn Schach zu spielen.
Jedenfalls diese erste Szene: die Erinnerung war in tiefem Grau versunken, alles Schwarz-Weiß, selbst die Wiese. Es geschah in Datteln am Schürenheck, wo die Familie Kowalski 1956 eingezogen war. Danny fühlte sich beim Umdribbeln seines älteren Bruders wie Bernie Klodt, dem Rechtsaußen von Schalke 04 und teilweise auch der deutschen Nationalmannschaft. Also kann es 1958 gewesen sein, als Schalke die letzte ihrer sieben deutschen Fußballmeisterschaften gewann.
Als Danny 60 Jahre später seinen Vadder Götz, der inzwischen in einem Pflegeheim lebte, aber noch gut im Kopf beieinander war, danach fragte: »Sach ma, weißt du eigentlich, wie das kam, dass ich Ende der 50er/Anfang der 60er Jahre Fußball-Fan geworden bin?« Seine einzige, kurze und lakonische Antwort dazu hieß: »Ah ja, der 1.FC Köln …«
Das stimmte ja irgendwie, wenn auch um fünf Jahre daneben getippt, denn Danny wurde ja erst 1964 Köln-Fan. Aber bei solch einem langen 92-jährigen Leben wie von seinem Vadder Götz, da machten die fünf Jahre auch »keinen Braten mehr fett« …
Bei Danny war das jedenfalls so in den 60er Jahren …, und auch später, dass er immer »Kicken« übte, am Strand, auf ner Wiese, auf der Straße, im Garten oder auf dem Hof …, immer Kicken. Das hieß, mit dem Ball, mit der Plastik-Pille, oder was immer gerade da war, Technik zu üben, den Ball mit dem Fuß hoch ticken zu lassen, so oft wie möglich, ohne dass der Ball runter auf die Erde fiel. Da durften auch das Knie, der Kopf oder die Brust zur Hilfe genommen werden, bloß nicht die Arme oder Hände … Das war ein ehrgeiziges Unternehmen, aber es machte auch Mörder-Spaß. Er machte es alleine, oder mit Freund Harry, oder auch mit mehreren …
… einmal machte er es auch am Strand: diese Geschichte ereignete sich Ende der 1960er Jahre, genau genommen im Spätsommer 1968, in Westende, an der belgischen Nordseeküste, nicht weit vom bekannten Seebad Ostende, als Danny zum letzten Mal in den Sommerferien mit seinen Eltern in den Urlaub gefahren war. Er war damals ein spirriger 16-jähriger Jugendlicher. Auf dem Weg runter zum Strand von Westende begegnete dem jungen Danny Kowalski ein anderer junger Mann. Der hatte sein blondes Kraushaar wie einen Afrolook frisiert, der spraddelig nach oben stand. Es war ja die Zeit der politischen und der Mode-Ikonen: das Musical ›Hair‹ und die schwarze Aktivistin Angela Davis hatten den jungen Menschen in Westeuropa den Aufbruch in neue Frisurenwelten gebracht. Danny kannte zwar lange Haare und Bärte von den Platten-Covern der Beatles oder Rolling Stones, und er ließ sich auch die Haare etwas wachsen, aber solch einen Menschen wie diesen jungen Mann hatte er noch nie vom Nahen gesehen. Der fragte ihn dann auch gleich ziemlich direkt in deutsch, da er wie die meisten Holländer deutsch sprechen konnte: »Hey Mann. Ich bin Hank. Und wie heißt du?«
»Mein Name ist Danny.«
»Aha, und mit wem machste hier Urlaub? Oder biste alleine hier?« fragte ihn Hank ganz unverblümt.
»Ich bin auf dem Camping-Platz. Mache da mit meinen Eltern und meiner kleinen Schwester zusammen Urlaub.«
»Danny, sach ma, wie ist das denn eigentlich, mit den Eltern zu verreisen?«
Ehrlich gesagt hatte Danny sich darüber noch nie den Kopf zerbrochen und dachte sich: »Ja, was habe ich denn eigentlich für Gefühle, mit meinen Eltern zu verreisen? Ob das bei anderen Jugendlichen wohl anders war?«
Er war es einfach nicht anders gewohnt: sie machten schon immer Camping-Urlaube. Das war die Philosophie seiner Eltern: Freiheit und Ungebundenheit beim Verreisen mit einem Zelt. Klar kostete das auch Geld, aber bei Camping-Urlauben wohl nicht so ungeheuer viel. Dafür hatte man auf den Zeltplätzen das besondere Flair von Naturverbundenheit, Abenteuer und Gemeinschaft. In den letzten zehn Jahren war er mit den Eltern und Geschwistern jeden Sommer irgendwohin ins Ausland in den Urlaub gereist, früher relativ primitiv, alle zusammen nur in einem Hauszelt, später hatten die Eltern einen Wohnwagen. Da schlief das kleine Schwesterchen Bär-Bel auf so ner Querbank drinne. Nachdem dann der ältere Bruder Gerry eine Seemanns-Ausbildung gemacht und danach bei der christlichen Seefahrt auf allen Weltmeeren angeheuert hatte, kam der natürlich schon seit drei Jahren nicht mehr mit zu den gemeinsamen Familien-Urlauben. Deshalb konnte Danny alleine im Zelt schlafen und beschäftigte sich altersgemäß viel mit Selbstbefriedigung.
»Aber das sind ja alles Sachen, die kann ich dem doch nicht sagen«, dachte sich Danny. Stattdessen antwortete er: »Ja, das ist schon in Ordnung so. Und du? Machst du alleine Urlaub? Und wo bist du denn eigentlich her?«
»Yeah, ich mach alleine Urlaub. Ich schlafe übrigens in so ner Holzhütte in der Nähe des Camping-Platzes. Und ich komme aus Holland, und zwar genau aus Haarlem. Und du, wo bist du weg«
»Ich bin aus der Bundesrepublik Deutschland, und zwar aus Datteln: das liegt in der Nähe von Dortmund im Ruhrgebiet.«
Jedenfalls freundeten sich die beiden jungen Männer an diesem Nachmittag etwas an. Denn es war ja Urlaubszeit, und es war Sommer in Belgien. Herrliches Sonnenwetter. Die beiden hatten Zeit und waren sehr entspannt. Sie schlenderten auf dem Weg durch die Dünen, Richtung Strand. Ein kühlendes Lüftchen wehte vom Meer her und strich durch die Halme des Strandhafers, die in der Nordseebrise wisperten. Die laue Abendluft umschmeichelte die Haut der beiden Jungen in angenehmster Weise. Danny hatte seinen Ball mitgebracht, weil er damit am Strand ein bisken rum toben wollte. Das fand Hank, der eher hippie-mäßig daher kam, ziemlich cool. Wie fast alle Holländer war er ein Fußball-Fan, geschmeidig und liebte ›foetball-direkt‹ die ›Schule‹ von Johann Cruyff.
»Gi›mer her die Pille!« war dann auch Hanks Schlachtruf.
Danny warf ihm den Ball zu, und Hank zauberte ein bisken damit rum. Dann passte er den Ball zurück zu Danny, und schnell entwickelte sich ein deutsch-holländisches Fußball-Märchen von seltener Harmonie und Eintracht. Erst kickten sie sich den ganzen breiten Strand immer wieder die Pille zu, dann näherten sie sich dem Wasser. Und dort in der Brandung führten sie das Spiel weiter fort. Kicken, hechten, fangen, zurück schießen oder werfen, kicken, Fallrückzieher im Wasser, hechten, halten ….: was für ein Wahnsinns-Spaß …!!! Darüber vergaßen die beiden Zeit und Raum. Irgendwann waren sie alle und ließen sich nebeneinander in den Sand des Strandes plumpsen.
»Das hat mir sehr gefallen,« meinte Danny.
Und Hank antwortete holländisch: »Ein lekker Spielken am Nachmittag. Datt machen wa noch ma, wa …, Jong …!?«
»Joh, Hank, bis die Tage,« grinste Danny in die untergehende Sonne.
Als er am Camping-Platz angekommen war, merkte zuerst seine Mutter Marie: »Junge, watt biste rot, haste dich gar nich eingerieben …!?«
»Nee, hab ich nich, aber ich war ja auch fast die ganze Zeit im Wasser.«