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Kommissar Danny Kowalski und seine eigenwillige Kollegin Fanny Bevenbreucker klären den Fall des 2019 in Hagen gestrandeten Wagens aus Großbritannien auf. Nachdem sich der Fahrer eines Nissan-Pickups mit britischem Nummernschild einer Verkehrskontrolle durch Flucht entzogen hat, liefert er sich mit mehreren Polizeiwagen eine filmreife Verfolgungsjagd kreuz und quer durch Hagen. Dabei kommt es zu einer Karambolage, bei der ein Streifenwagen gerammt wird und ein zweites Polizeiauto mit geplatztem Reifen nicht mehr fahrfähig ist. Später findet ein Polizeihubschrauber das verlassene Kraftfahrzeug. Vom Täter jedoch fehlt jedwede Spur. Erneut eine Story aus dem Genre True Crime. In der Fiktion dieses Romans hat der Fall eine Vorgeschichte, die sich quer durch halb Europa zieht. Ausgehend von der irischen Volksgruppe der Traveller verläuft der Spannungsbogen von Irland über Wales, England, Belgien, Niederlande bis nach Westfalen. Dabei gibt es einen Toten in Vreden, eine Schlägerei in Datteln und die Verfolgungsjagd durch Hagen nach Hohenlimburg, der ‚Brexit in Hagen‘. Schließlich kann der Fall durch den abenteuerlichen Undercover-Einsatz von Fanny Bevenbreucker bis nach Hessen mit jeder Menge Sex and Crime aufgeklärt werden. In diesem Krimi werden weder der zeitgleich laufende Brexit in Großbritannien noch die schwierige Phase der weltweiten Corona-Pandemie ausgelassen. Trotzdem ist der Autor im 14. Band der Danny-Kowalski-Reihe öfters humoristisch und augenzwinkernd unterwegs, wenn Kommissar Kowalski und seine Kollegin Bevenbreucker aus dem Keller-Büro bei der Hagener Kripo im Sonder-Dezernat ‚Z’ für unaufgeklärte Fälle das tatsächliche Motiv für die Karambolage in Hagen aufspüren.
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Seitenzahl: 207
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Für Reiner Einemann unserem großartigen Totti-Tipper-Kamerad, unserem lieben Freund und Kollegen, leider schon im Mai 2020 viel zu früh mit nur 62 Jahren von uns gegangen
Über den Autor
Personen
Oh Tinker, oh Tinka … , oder besser Traveller statt Tinker
Prolog
Traveller
Die Träume der Traveller
Traveller auf der Flucht
Traveller oder auch Pavee
Traveller in Hagen und Hohenlimburg
Die Hessen kommen …
Brexit in Great Britain
Dezernat ›Z‹
Kowalski im Dezernat ›Z‹
Polizeibericht
Aus der Presse – Verfolgungsjagd in Hagen
Kommissar Kowalski und Fanny Bevenbreucker
Hinweise durch einen Fund im Auto
Kaffee im Quadrat
Kowalski und Fanny in Neuss
Vom Fun-Out zum Shoot-Down
Kommissar Kowalski im Fun-Out
Fikret und das Limmeg
Das ›gelbe Haus‹
Das verlassene Fahrrad
Das ›Zentrum des Schreckens‹
Verschiebung der Fußball-EM 2020 auf 2021
Fanny beim Shoot-Down in Hessen
Good-bye ›Zigeunerjunge‹
Epilog
Travellers
Politik … und was aus dem Brexit in England wurde
Sport … und was aus der EM 2021 wurde
Literaturverzeichnis
Danke an alle
Die bisherigen 13 veröffentlichten Romane von Manfred Schloßer
Manfred Schloßer, geboren 1951 in Selm, aufgewachsen in Datteln, wohnt seit 1980 in Hagen. Also ein Ruhri durch und durch: nach den Steinkohle-Städten Selm und Datteln wohnte er einmal in Meschede, im fernen Sauerland. Aber selbst dieser Ort liegt an der Ruhr. Danach folgten Wohnungen in der Ruhr-Metropole Dortmund und in seiner neuen Heimatstadt Hagen an der Ruhr.
Er studierte Sozialwissenschaft an der Bochumer Ruhr-Universität, Sozialarbeit an der Hagener Fachhochschule, Sozialpädagogik an der Dortmunder FHS und machte drei Diplome.
Zur Belohnung durfte er sein Geld als Leiter eines Abenteuerspielplatzes, eines Jugendzentrums und eines Jugendinformations-Zentrums verdienen und danach in einer Betreuungs-Behörde arbeiten.
Mittlerweile im ›Unruhestand‹, hat er noch viel mehr Zeit, seinen verschiedenen sportlichen Aktivitäten und natürlich seiner Leidenschaft fürs gedruckte Wort zu frönen.
Mit dem Krimi ›Brexit in Westfalen‹ erscheint 2021 bereits der vierzehnte Danny-Kowalski-Roman.
Bisher erschienen:
›Textilfrei unter Straßenräubern‹, Reise-Roman, 2020
›Die sieben Leben eines Fußball-Fans‹, Fußball-Roman, 2019
›Es geht eine Leiche auf Reisen‹, Krimi, 2018
›Die sieben Jahreszeiten der Musik‹, Musikroman, 2017
›Das Ekel von Horstel‹, Krimi, 2017
›Wer andren eine Feder schenkt‹, 2016
›Das Geheimnis um YOG’TZE‹, Krimi, 2015
›Zeitmaschine STOPP!‹, Öko-Science-Fiction-Story, 2014
›Leidenschaft im Briefkuvert‹, Liebesroman, 2013
›Der Junge, der eine Katze wurde … ‹, 2012
›Keine Leiche, keine Kohle…‹, Ruhrgebiets-Krimi, 2011
›Spätzünder, Spaßvögel & Sportskanonen‹, 2009
›Straßnroibas‹, Reise-Roman, 2007
Weitere Informationen im Internet: www.petmano.jimdofree.com
Irland-Connection – Die Traveller Patrick ›Paddy‹ O’Neill und Kenny Gallagher,
Crystal O‹Hara, genannt ›Crystal, die Sirene‹,
sowie Trent Smitty, Brian Johnsen und ›Simple‹ Simon,
alle aus Lifford in der Grafschaft Donegal.
Lehrerin Mary Duncan, gestorben mit nur 52 Jahren in Lifford
aus Galway – James ›Jimmy‹ McCracken und Jennifer,
Siobhan Smitty.
Inspector Steve McKenzie, zuständig für West-Irland
aus Cannock – Cindy und Lee Creedance
Chief Inspector Larry Hunter
vom ›Royal Oak‹ – Will, eigentlich Wilcox, Snunk und Philipp,
und vom ›Swan‹ – Ron, George, Paul, Aid, Angie und Mick, Julia und Jim
aus Vreden – Gerhild Appelhoff
Carlos Brambauer und seine Tochter Lena Brambauer
Hubert Schulte-Ladbeck, der leitende Hauptkommissar aus Bocholt, zuständig für Vreden
Lydia Funkenau aus Neuss, Kowalskis Bekannte aus der Studentenzeit in den 1980ern
Harry, Kowalskis Freund und Irland-Vielreisender, kennt sich in Donegal aus Pitter O. aus der ›Runkel-Taiga‹, alter Schulkamerad, kommentiert lustige Sport-Anekdoten
Theo Gempel, Polizei Datteln
Jossi Bärlauch und Walter Zoppich, zwei stadtbekannte Dattelner Schläger
Danny Kowalski – Kommissar in Hagen
Fanny Bevenbreucker – seine flippige Kollegin
Bandura – Hauptkommissar in Hagen und Chefe von Kowalski
Moni und Lilli – Dannys Frau und Katze helfen von zu Hause vom FunOut Hohenlimburg – Ella Tieffrau, HK, Fikret Caglayan, Gerd ›Bobesch« Mattes und Thomas Lübecker helfen Danny beim Recherchieren
Hannes Engelmann – ehemaliger Tipp-Kollege von Danny und Werner, auch über den Tod hinaus direkt und klare Kante
Werner Sperling – Tipp- und Sportkollege
Conny – liebenswerte Wirtin des Kaffee im Quadrat
aus Hessen – ›Vadder‹ Josef Brehmer, Camping-Platzwart in Eppstein Polizeihauptkommissar Ottmar Oldenburg, Polizeistation Kelkheim Hauptkommissar Maximilian Felsenheim und seine junge Kollegin, Kommissarin Christina Lerche in Wiesbaden, Kripo-Bezirk Westhessen
– In eigener Sache –
Vor diesem Roman hatte ich selber noch nie etwas von Tinkern oder Travellern gehört, von daher kam mir der Begriff ›Tinker‹ auch nicht rassistisch vor. Ich dachte einfach nur, ›Tinker‹ sei die Übersetzung für Kesselflicker. Auf Grund meiner Recherchen fand ich heraus, dass sie selber lieber ›Traveller‹ genannt werden wollten. Die Übersetzung davon wäre ›Reisende‹. Das wiederum hörte sich für mich wie ›Vertreter‹ an und hatte einen abfälligen Beiklang. Nun gut, wenn sie gerne ›Traveller‹ genannt werden möchten, dann nenne ich sie auch so.
»… oh Tinker, oh Tinka …, oder besser Traveller statt Tinker«: trotz alledem möchte ich mich hiermit ausdrücklich bei allen Travellern oder Tinkern entschuldigen, die sich durch diesen Roman diskriminiert fühlen. Die Bezeichnung ›Tinker‹ ist in Irland und England heute überholt und nicht mehr üblich. Im Gegenteil, sie wird als rassistisch abgelehnt, ähnlich wie bei uns ›Zigeuner‹, die jetzt Sinti oder Roma genannt werden. Offiziell, und auch in eigenem Namen, wird statt Tinker lieber ›Traveller‹ gebraucht.
Das Phänomen der Traveller bzw. Tinker aus Irland wurde folgendermaßen erklärt: »Wer sind die Tinker? Wir erklären die Traveller aus Irland. Es soll in Irland und Großbritannien etwa 30.000 Traveller geben. Früher reisten sie mit Kutschen, heute sind sie meist mit Caravans und Zelten unterwegs. In Großbritannien gibt es teils noch immer Pferdemärkte von Tinkern wie vor hunderten Jahren. Denn die Pferde, die sie ursprünglich nutzten, heißen ebenfalls Tinker. In Deutschland verdienen sie teils Geld mit dem Teeren von Einfahrten oder anderen Landarbeiten. Die Tinker haben eine ganz eigene Kultur. Dazu zählt auch eine eigene Sprache, die Shelta heißt.« 1
Schon im TV-Irland-Krimi mit Desiree Nosbusch als Polizei-Psychologin in Galway vor einigen Jahren ging es um einen sogenannten Traveller, der mit seinem Clan ohne festen Wohnsitz durch Irland zieht. Aha, also um einen Traveller, nicht um einen Tinker.
Allerdings wurde in der Literatur durchaus noch von ›Tinkern‹ geschrieben. Diese Zitate habe ich dann entsprechend auch so belassen.
Klaus Vater beschrieb in CARTA, einem Onlinemagazin in der Form eines Autoren-Blogs, wie darin Margot Käßmann über die Tinker/Traveller/Pavee im Rheinland mit den Begriffen ›Invasoren‹, ›Okkupanten‹ und ›sommerlicher Rassismus‹ diskutierte: »Sie heißen Pavee. So nennen sie sich nämlich. Das Wort bedeutet im Irisch- Gälischen Händler. Von der Lebensart und von den traditionellen Berufen her betrachtet, die sie ausübten, stehen die Pavee den deutschen, schweizerischen und österreichischen Jenischen nahe. Nach wie vor ziehen viele der Pavee vom Frühjahr bis in den Herbst umher, um Arbeit anzubieten und gegebenenfalls etwas zu reparieren. Einige Zehntausend solcher Pavee-Familien soll es noch geben. Sie sind Bürgerinnen und Bürger der EU. Mit Rechten wie du und ich. Sie halten sich also nicht illegal im Rheinland auf, wenn sie Wohnwagen an Wohnwagen zur Sommerzeit über Straßen brausen, um etwa in Kevelaer oder anderswo Wallfahrtsorte und Gottesdienste zu besuchen, Heiraten zu feiern. Sie sind Katholiken, was manchen merkwürdig erscheint, denn sie fügen ein warnendes ›sollen sie sein‹ ein. Ob diese Leute meinen, Christus sei allein für sie gestorben und nicht für die Pavee, bleibt hierbei offen.
Seit Jahrhunderten ziehen sie umher, pflanzen sich auf öffentliche Plätze, pochen auf seit Jahrhunderten praktizierte Gewohnheiten – um regelmäßig zu hören: Campen abgelehnt. Verboten. Frist bis heute Nachmittag. Dann müsst ihr euch verdrückt haben. Ansonsten wird abgeräumt. Da sie immer und immer wieder abgelehnt und verjagt werden, fragen sie erst gar nicht mehr, ob sie hier oder da campieren dürfen. Verwaltungsrecht kontra Generationengewohnheit. Unsere auf Quadratzentimeter Nutzung ›geeichte‹ Gegenwart trifft auf die traditionsstarken Platzbesetzer. Immer wieder vorwurfsvoll zu hören: ›Die fahren ja Luxusautos!‹ Offenkundig können manche sich Menschen mit wechselndem Aufenthalt nur in ›Rostlauben‹ vorstellen. Pavee, Tinker, Landfahrende ätzen Vorurteile frei. Die Autos sind nicht geklaut, sondern Statussymbol, so wie uns der Kirschlorbeer ums Haus, das kühlende Weinregal, der offene Kamin oder ein Fernseh-Bildschirm für lockere 10.000 Euro beziehungsweise der Armani-Zwirn zum Statussymbol geworden sind. Und wenn die Frauen etwas prollig daher kommen, weil sie bunt schön finden, sollten wir die Nase nicht rümpfen. Für solche Frauen hat Shakespeare die Zeilen geschrieben:
›Komm, milde, liebevolle Nacht! Komm, gib
Mir meinen Romeo! Und stirbt er einst,
Nimm ihn, zerteil’ in kleine Sterne ihn:
Er wird des Himmels Antlitz so verschönen,
Dass alle Welt sich in die Nacht verliebt‹ –
und nicht für die Catwalk-Bewohnerinnen aus der Glotze.
In England werden Pavees abschätzig ›Tinker‹ genannt, übersetzt Zinnkessel-Flicker, Traveller oder einfach Gypsys für Zigeuner und in Irland Itinerants. Pavees sind im Übrigen nicht krimineller als andere Gruppen. Man macht aber wegen jeder Schlägerei unter ihnen und wegen jedem Wildpinkler aus ihren Reihen mehr Buhei als bei anderen.«2
Mir sind sie gerade so vor meinen literarischen Kugelschreiber gelaufen, ohne dass ich ihnen Böses wollte.
Zumal die Traveller oder Tinker ein liebenswertes Völkchen sind, die ihren Freiheitsdrang und ihre Lebensfreude gerne zum Ausdruck bringen: »Sie wollen doch nur spielen.«
Das ist doch ein positiver Aspekt auf dem ›Atlas des Glücks‹ und daher eher unterstützungswürdig. Klar, sie sind meist ziemliche Feierbiester und können anderen Ruhe suchenden Mitmenschen mal auf den Zwirn gehen. Aber das liegt dann an den anderen. Ich persönlich wollte ihnen nichts. Nie hat mir einer von ihnen was getan. Und ich kenne auch niemanden von ihnen.
Ich wünsche ihnen viel Glück auf Erden, auf dass sie in Frieden weiter ihr Dingen machen können …!
1DER WESTEN (mto) vom 08.08.2017
2Klaus Vater – Tinker im Rheinland: ›Invasoren‹, ›Okkupanten‹ und sommerlicher Rassismus, in CARTA vom 20.08.2017
Hagen. (iza) »Im Industriegebiet endete eine wilde Verfolgungsjagd durch die Hagener Nacht von Montag auf Dienstag. Nachdem sich ein Fahrer und sein Beifahrer in einem Nissan-Pickup mit britischem Nummernschild einer Verkehrskontrolle auf der Heinitzstraße durch Flucht entzogen hatten, lieferten sie sich mit mehreren Polizeiwagen eine Verfolgungsjagd kreuz und quer durch Hagen. Im Verlauf dieser filmreifen Verfolgungsjagd kam es zu einer Karambolage auf der Haßleyer Straße, bei der ein Streifenwagen gerammt wurde und ein zweites Polizeiauto mit geplatztem Reifen nicht mehr fahrfähig war. Glücklicherweise gab es keine Verletzten. Auf dem Parkplatz einer metallverarbeitenden Firma nahe dem Stadtteil Herbeck im Lennetal wurde später durch den eingesetzten Polizeihubschrauber das verlassene Kraftfahrzeug gefunden. Von den Tätern jedoch fehlt auch nach einer Woche immer noch jedwede Spur, wie die Hagener Kriminalpolizei aus der Zentrale auf der Hoheleye mitteilte.«
Westfälische Rundschau, aus dem Lokalteil der Samstagsausgabe vom 23.02.2019
Die beiden Traveller-Buben Patrick O’Neill und Kenny Gallagher waren in den 1960er Jahren in einem kleinen irischen Dorf in der Nähe des Städtchens Lifford in der Grafschaft Donegal aufgewachsen. Wie jeder irische Junge spielten auch Paddy und Kenny auf dem Dorf-Anger Fußball. Und später als Jugendliche machten sie zusammen Musik. Singen können ja fast alle Iren, die einen gut, die anderen weniger, hihi …
Wie fast alle Traveller-Jungen träumten die beiden davon, entweder Fußballer oder Musiker zu werden. Aber meist wurden Traveller-Jungen, wenn sie berühmt werden sollten, eher Boxer. Denn das konnten sie alle prima, sich mit anderen prügeln. Und natürlich irgendwas mit Pferden machen, Pferdepfleger oder so was. Denn darin waren sie auch gut, sie konnten gut mit Pferden, die reinsten Pferdeflüsterer …
Aus Donegal kamen jedenfalls auch noch zwei andere bekannte irischen Persönlichkeiten, der Rock-Gitarrist und Singer-Songwriter Rory Gallagher (* 1948, † 1995) und der Fußballtorhüter Shay Given (* 1976). Der wurde Nationaltorhüter der irischen Mannschaft und zwischen 1996 und 2012 mit 125 Länderspielen sogar Rekordnationalspieler. Das alles geschah lange lange Zeit nach der Laufbahn eines anderen irischen Kicker-Volkshelden, Georgie Best (* 1946, † 2005). Der galt als einer der besten Fußballer aller Zeiten und kam von der von der anderen Seite der Grenze, nämlich aus Belfast in Nordirland. Der geniale Fußballstar wurde 1968 ›Europas Fußballer des Jahres‹ und außerdem wegen seiner langen Mähne auch der ›fünfte Beatle‹ genannt. Er war ein Kultspieler und ein wilder Typ, aber auch ein Womannizer und ein echter Lebenskünstler. Denn man sagte ihm folgendes Zitat nach: »Ich habe viel von meinem Geld für Alkohol, Frauen und Autos ausgegeben. Den Rest habe ich einfach verprasst.«
Der andere irische Weltstar war ein Musiker. Rory Gallagher wurde von Dietrich Schulze-Marmeling in einem Romankapitel als ›Der George Best der Bluesgitarre‹ beschrieben. Mit seiner Gruppe Taste hatte er seinen größten und bemerkenswertesten Auftritt am 28. August 1970 beim Isle of Wight Festival hingelegt, als ein begeistertes Publikum fünf Zugaben forderte. Einer davon war Danny Kowalski. Der lebte offensichtlich am Puls der Zeit. Denn im August 1970 hatte er zwei Wochen vorher George Best mit Manchester United bei Arsenal London Fußball spielen gesehen und sich dann beim Isle of Wight Festival an den Blues-Rock-Klängen von Taste und Rory Gallagher erfreut.
»Der Ire Rory Gallagher wird in einem Atemzug mit Jimi Hendrix und Eric Clapton genannt. Als Jimi Hendrix beim Isle of Wight Festival gefragt wurde, wie es sich anfühle, der beste Gitarrist der Welt zu sein, antwortete er: Ich weiß es nicht, fragt Rory Gallagher.«3
Zurück im Städtchen Lifford: Kenny und Paddy waren die dicksten Freunde. Und beide wiederum liebten Mary Duncan. Die war früher ihre Lehrerin in Lifford gewesen. Sie behütete und beschützte die beiden aufmerksamen und lernwilligen Buben vom Dorf. Bei Kenny erweckte sie sogar sein Interesse an der deutschen Sprache und förderte ihn entsprechend. Damals wussten die beiden noch nicht, dass ihnen später als reisende Traveller Kennys Deutschkenntnisse bei ihren Ausflügen nach Deutschland vortrefflich helfen könnten. Na, jedenfalls kümmerte sie sich auch nach der Schule um die beiden smarten Iren. Sie schloß sie in ihr großherziges Herz. Die beiden wurden von ihr verzaubert. Sie wurde für die jungen Männer ihre erste zärtliche Liebhaberin.
Aber auch das waren nur noch verflossene Erinnerungen …
Nicht jeder, der mal mit nem Ball am Fuß gekickt hatte oder der mal ne Gitarre in der Hand hatte, wird auch gleich ein Fußball- oder Rockstar …
… aber Spaß kann man dabei haben, und vielleicht auch einen ›Stein im Brett‹ bei den Mädels …!?
Paddy, der local Fußball-Star, hatte Glück bei den Mädels. Seine Freundin hieß Crystal O‹Hara, wurde aber mit dem Spitznamen ›Crystal, die Sirene‹ belegt. Sie war nämlich Sängerin in einer unbekannten Dorf-Band, stach dabei aber mit ihren langen blonden Haaren und der hohen Stimme heraus. Sie erinnerte entfernt an den wunderschön klaren, ätherischen Gesang der Sängerin Jacqui McShee von der britischen Folkrockgruppe Pentangle mit ihrem Song ›Cruel Sister«. Sie war zwar Paddys Freundin, schwärmte aber nach einiger Zeit für Kenny, den Gitarristen. Da Paddy und Kenny selber Freunde waren, konnte sie in Lifford nie und nimmer ihre Gefühle für Kenny offen zeigen. Die beiden Freunde hätten sich dann bestimmt gegenseitig tot geprügelt. So blieb ihr nichts anderes übrig, als mit Kenny abzuhauen.
Das sagen manche den Travellers nach, was sie gut können: Spaß haben, sich betrinken, sich prügeln oder rumbumsen, im Zweifelsfalle dann immer abhauen, immer weiter, immer weiter ziehen …
Und Crystal und Kenny türmten also. Erst wollten sie zum Murder Hole Beach abhauen. Der liegt auch in Donegal. Die Gegend um den ›Mörder-Strand‹ gliedert sich in drei Halbinseln, die sich in den Atlantik strecken: Inishowen, Fanad und Rosguill Peninsula mit dem besagten Beach. Seinen Namen hatte er übrigens aus der gälischen Mythologie, dort soll der sagenhafte Finn mac Cumhaill den Mörder seines Vaters Goll mac Marna getötet haben.
Dann dachten die beiden sich aber: »Puuhh, das ist vielleicht ein bisken zu nah an Lifford dranne …!?« Also entschieden sie sich für den Trip nach Süden, Richtung Galway und Dingle. Sie hatten sich ein kleines Zelt eingepackt und trampten südwärts an der irischen Atlantikküste entlang. Ein Auto brachte sie bis nach Galway. Sie liebten die ständigen Berührungen mit der Küste. Es war ein wunderbarer sonniger Tag, der für sie auf einem mystischen Halbinsel-Felsplateau endete. Dort schlugen sie ihr Zelt auf, an drei Seiten vom Atlantik umgeben. Sie tranken viel von ihrem unterwegs gekauften Sixpack Guinness. Das machten sie regelmäßig und gerne, hier in Galway als auch später in Dingle. In Tralee erlebten sie sogar noch ein legendäres ›Horselips‹-Konzert, von dem sie kurzfristig durch ein Plakat unterwegs erfuhren. Haha, das war supii, da machten sie gerne mit. Und zusammen mit den Rowdies soffen sie die Guinness-Vorräte leer.
Von Tralee trampten sie weiter bis Dingle, wo sie sich an der hintersten Spitze der Dingle Bay in der totalen Einsamkeit verkrochen. Erschöpft ruhten sie sich im Zelt aus. Später badete Crystal im Atlantik. Sie hatten ja beide kein Badezeug dabei, weshalb sie beide nackig badeten.
»Brrrr, was war das kalt!«
Obwohl es Hochsommer war, brachte der Atlantik an der irischen Westküste mit seinen 5.000 km offenem Meer nur kalte Temperaturen für die beiden ans Ufer gespült. Deshalb kamen sie schnell aus dem Wasser und wollten sich in der Sonne trocknen und wärmen. Aber Kenny hatte ein großes Handtuch mit, welches er Crystal um die Schulter legte und sie trocken rubbelte. «Mmmmmhhh … «, das gefiel ihr sehr gut, wie er sie an ihrem ganzen Körper berührte. Kenny war schon vorher erregt, als er sie – die reinste Sirene – aus dem Wasser steigen sah: ein schlankes irisches Mädchen mit langen blonden Haaren, die sich nass und neckisch um ihre Brüste schmiegte. Sie war schon so eine Augenweide. Aber dass sie auch noch für ihn schwärmte, wie sie ihm vor ihrer überhasteten Flucht gestanden hatte, das machte für ihn die Situation noch prickelnder. Eine dichte Atmosphäre voller knisternder Erotik umfing die beiden. Die sich erst rubbelten, dann herzten und knutschten, dass ihnen fast die Luft weg blieb. Auch Crystal gefiel es sehr, was sie vor sich sah, den Jungenschwarm ihrer einsamen Nächte: jetzt aber volle Kanne Realität. Sie fühlte seine pralle Männlichkeit und war für ihn bereit. Kenny breitete das große Badetuch für sie aus, und sie liebten sich zum ersten Mal.
Später gingen sie beschwingt und glücklich zu Fuß rüber zum Ort Dingle, wo sie gerne und viel vom irischen dunklen Guinness-Bier in den gemütlichen Pubs tranken. Dort erlebten sie die mystischste Musiksession, an der sie je teil genommen hatten. Zusammen mit vier dazu gekommenen Franzosen musizierten und tanzten sie fast die ganze Nacht zu keltischen Klängen, die vom Felsenecho vervielfacht und von schreienden Möwen begleitet wurden. Die Session direkt am Meer startete, als die Sonne am Westhorizont im Atlantik unterging und zur selben Zeit am Osthorizont der Vollmond aufging. Die vielfältige Folkmusik mit Querflöte, Fiddle, vielerlei Perkussion, Echos, Möwen, Meeresrauschen, Bojentuten, Gesang und Gehopse erfreute ihre Seelen gar sehr.
»Thank you for this lovely day, my dear Kenny…,« seufzte Crystal glücklich und schmiegte sich an ihn.
Zurück an ihrem Zelt an der Dingle-Bay, genossen sie die ruhige Atlantikatmosphäre, tranken noch mehr von ihrem mitgebrachten Guinness und erlebten beim Zelten und Lieben auf der Landspitze ›Stille Tage in Dingle‹.
Nun ja, irgendwann mussten auch unsere beiden Liebenden wieder zurück. Es war nicht einfach, das ›normale‹ Leben in Lifford nach solch einer traumhaften Auszeit wieder aufzunehmen.
Kenny und Paddy blieben zwar Freunde, aber es blieb immer etwas zwischen ihnen, auch als Crystal später Hayes hieß, als sie mit einem anderen Mann, nämlich Tommy Hayes, verheiratet war …
… ja ja, später, aus Jugendlichen wurden junge Erwachsene, und daraus richtige Erwachsene, erst alle im Dorf bei Lifford, später ging es für viele hinaus in fremde Länder.
Tja, aber im Gegensatz zu seiner dörflichen Idylle liebte jedenfalls Patrick O’Neill erstaunlicherweise später als Erwachsener stattdessen große Steinhäuser, besonders Hochhäuser. Deswegen wollte er auch schon immer gerne mal nach New York, wegen der riesigen Wolkenkratzer.
Und dort würde er – jedenfalls war das sein Traum – lieber eine ganze Nacht in so einem Loft verbringen, als in den Straßen und Bars was zu erleben.
Solch ein Loft mit Balkon oder wenigstens mit einer Öffnung nach draußen, und das alles zehn Stockwerke oder höher, das bedeutete für ihn Freiheit …
Deshalb hatte er auch einen Vogel als Symbol für sich erkoren: den Doppeladler, der hoch und weit fliegen konnte, und noch besser weit schauen konnte.
Oder vielleicht auch doch lieber eine Taube, das Symbol des Friedens …?
Und dann träumte er weiter: zusammen mit seinem Kumpel Kenny warfen sie sich Plastikblumentöpfe von einem Fenster zum nächsten zu, haha …
Kenny konnte übrigens genauso gut deutsch wie englisch sprechen, zumal er ja auch in seinen Träumen dort in Manhattan Kinder in Sprachen unterrichtete.
Von Irland über Großbritannien, Belgien, Niederlande bis nach Vreden …
Nachdem die Lehrerin Mary Duncan Anfang des neuen Jahrtausends im irischen Lifford mit nur 52 Jahren an Krebs gestorben war, gerieten ihre beiden ehemaligen Schüler Patrick ›Paddy‹ O’Neill und Kenny Gallagher aus der Bahn. Vorher hatten sie ›normal‹ viel Alkohol getrunken. Nach Marys Tod tranken sie unmäßig viel und waren ständig wegen irgendwelcher Raufereien mit dem Gesetz in Konflikt geraten. Und dann zogen sie los, eben das ›Traveller-Los‹, reisten ohne festen Wohnsitz herum. Erst nur durch Irland, dann auch durch England, Belgien, die Niederlande und Deutschland.
Den drei irischen Travellers Paddy, Kenny und ihr Kumpel Trent Smitty wurde es in Irland zu heiß. Denn sie hatten einiges ›ausgefressen‹. Es war nix richtig Schlimmes, was sie angestellt hatten, aber genug, dass sie von Polizei und Staatsgewalt wegen ihrer paar Einbrüche gesucht wurden. Eingesperrt werden will ja niemand, aber Traveller erst recht nicht. Denn sie lebten schon seit Jahrhunderten ihr freies ungebundenes Leben. Traveller sind ja bekanntermaßen stolz, unbeherrscht und beratungsresistent.
›Lieber flüchten als sich nem Gericht zu stellen‹ lautete ihre Devise.
Deshalb tauchten sie zunächst in der Hauptstadt Dublin unter. Denn die irische Hauptstadt kannten sie nicht nur aus dem Roman ›Ulyssus‹ von James Joyce. Sie begeisterte sie dieses Mal besonders, weil sie geradezu von vielen schönen Mädchen überzuschwappen drohte. Dublin schien – wie man so in Insiderkreisen sagte – die direkte Nachfolge von Paris, London und Kopenhagen der 60er und early 70er Jahre in Bezug auf jugend-kulturelles Zentrum geworden zu sein. Da wussten jetzt die drei Traveller nicht soviel von, aber sie waren total von dieser ›Out-Glit‹-Atmosphäre überrascht und beeindruckt. Dazu tranken sie auch noch gerne und viel Guinness. Heikel-heikel: Traveller trinken, Traveller raufboldig …
Nee-nee, dann doch besser die Flucht von Dublin mit der Fähre rüber nach Holyhead in Nordwales. Dort kamen sie mit der Eisenbahn durch einen merkwürdigen Ort mit einem Wahnsinnsnamen vorbei: Llanfairrpwllgwyngyllgogerrychwyrndrobwllllantysiliogogogoch (gesprochen: chanwärpwchgwinggächgogerichchwindrobwchlandisiligogogoch). So hieß der mit 60 Buchstaben rekordverdächtige Name des kleinen Städtchens in Wales. Sie befanden sich in Nord-Wales. Da wollten sie dann erst mal weg trampen: »ja, warum nicht? Warum sollten wir nicht einfach mal Wales erleben …!? Ist doch auch so schön. Wie geschaffen für uns Naturburschen.«
Sie kamen zwar bis an den Rand eines wunderschönen großen Wald- und Berg-Naturparks, aber leider nicht in den Park herein. Denn die Straße war so unbedeutend, dass sie keinen Anhalter-Lift bekamen. Und Busse fuhren da leider eh nicht hin. »Schade drum,« dachte Kenny, »aber unsere Füße waren zu dem Zeitpunkt schon überstrapaziert genug, um damit noch Tagesmärsche abzureißen.«
Außerdem sollten ihre Füße noch bei der kommenden Nachtquartiers-Suche einiges erleben, was eben nur Tramper erleben. Sie kletterten über Eisenbahngleise und –dämme, über Wiesen, durch Gestrüpp und Gedorn, über Bäche, Flüsse, Holz- und Stacheldrahtzäune, Gatter, Abhänge hoch und runter: alles mit ihrem schmalen Gepäck. Bis sie schließlich total erschöpft irgendwo auf einer Wiese liegen blieben. Da, wo sie sich fallen ließen, waren sie auch schon eingeschlafen. Bis dann der Farmer mit seinen Hunden kam. Aber es gab nicht den befürchteten Ärger, den sie sonst schon mal aus ihrer irischen Heimat kannten. Nein, im Gegenteil: der Farmer war sehr nett, und sie durften auf seiner Wiese campieren. Noch netter war am nächsten Morgen seine Frau, die ihnen einen ganzen Pint Milch (= 570 ml) und selbstgemachte walisische Kekse schenkte. Außerdem füllte sie noch ihre Feldflaschen mit dem kostbaren Element Wasser aus ihrem Vorratsbehälter auf. Denn es herrschte wegen des heißen Sommers eine enorme Wasserknappheit. Somit blieb der Wasserhahn von 19.00 bis 8.00 Uhr früh von der zentralen Hauptwasserstelle abgedreht. Es hatte wegen des trockenen Sommers auch große Verluste für die Landwirtschaft, und überall gab es kleine Flächenbrände in den Wäldern. Da lernten sie das kostbare Gastgeschenk Wasser besonders zu schätzen.
Am Abend erreichten sie die nächste Station ihrer Flucht. Und zwar im nordenglischen Steinkohlerevier bei Birmingham in Cannock. Das ist übrigens auch die englische Partnerstadt von Datteln.