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In Manfred Schloßers elften Roman ‚Es geht eine Leiche auf Reisen’ klären Kommissar Danny Kowalski und seine junge flippige Kollegin Fanny Bevenbreucker den Fall der 2015 in Hagen gefundenen skelettierten Leiche aus Dülmen auf. Erneut eine Story aus dem Genre True Crime. Zwar wurde der Todesfall in Reality bereits aufgeklärt, aber in der Fiktion dieses Romans kam eine überraschende Wendung dazu und brachte den Fall plötzlich in einer anderen Richtung reichlich in Fahrt. In seinem Krimi hat der Autor für seine Leser eine gehörige Portion Sex and Crime eingeflochten. Autor Manfred Schloßer ist auch im 11. Band der Danny-Kowalski-Reihe öfters humoristisch und augenzwinkernd unterwegs. Wenn der Tod der jungen Frau nicht so eine ernste Angelegenheit wäre, könnte man fast von einer Kriminalkomödie sprechen. Es handelt sich um einen Ruhrgebiets-Krimi, aber auch einen Sport-Krimi, der während der Fußball-WM 2018 in Russland und in verschiedenen Fitness-Centern spielt. Als die ‘Leiche auf Reisen’ noch lebte, war sie eine junge Frau aus dem Nordost-skandinavischen Bereich Estland/Finnland, die es über die Ostsee, Norddeutschland und Hamburg ins Münsterland verschlagen hatte. Kommissar Kowalski sucht zusammen mit Kollegin Fanny Bevenbreucker aus ihrem Keller-Büro bei der Hagener Kripo im Sonder-Dezernat ‚Z’ für unaufgeklärte Mordfälle den wirklichen Mörder der in Hagen aufgefundenen skelettierten Leiche, die in Dülmen zu Tode kam.
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Seitenzahl: 160
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Für meine beiden Liebsten zu Hause:
Petra, meine Liebe seit über einem Vierteljahrhundert,
und Lilli, unsere gemeinsame Katze, seit nunmehr 12 Jahren;
und für meine Mitsportler und Mitsportlerinnen Ulla, Sabine, Helmut,
HK, Friedrich, Bernd und Reiner, sowie Trainer und Trainerinnen aus
dem Injoy in Hohenlimburg Thorsten, Claudia, Regine und Dennis.
Über den Autor
Ohne Krimi geht die Mimi nie ins Bett
Personen
Mimi auf Reisen
Die kleine Mimi
Die große Mimi
Mimi auf Reisen
Mimi im Münsterland
Mimi im Goldenen Käfig
Mimis letzte Reise
Eine Leiche in Hagen gefunden
Kowalski im Dezernat ›Z‹ bekommt einen Polizeibericht
Skelettierte Leiche in Hagen gefunden
Die Mordkommission ermittelt
Einsatz am Hohenhof
Die Vermisste aus Dülmen
Polizei Münster – Festnahme nach Leichenfund
Ehemann der Toten festgenommen
Prozess und Urteil in Münster
Alles klar, Herr Kommissar?
Kommissar Kowalski ermittelt
Kommissar Kowalski ermittelt in Hagen
Kommissar Kowalski ermittelt in Dülmen
Kommissar Kowalski ermittelt im Fun-Out
Kommissar Kowalski ›ermittelt‹ in Finnland
Überraschende Wende
Späte Aussage
Der schreckliche Iwan
Kowalski erneut in Dülmen
Roter Bademantel mit Herzchen gefällig?
Shakira und die Fußball-WM-Songs
Finale
Epilog
Finnisch für Anfänger
Literaturverzeichnis
Danke an alle
Die bisherigen 10 veröffentlichten Romane von Manfred Schloßer:
Manfred Schloßer, geboren 1951, aufgewachsen in Datteln, wohnt seit 1980 in Hagen. Er studierte Sozialwissenschaft an der Bochumer Ruhr-Universität, Sozialarbeit an der Hagener Fachhochschule, Sozialpädagogik an der Dortmunder FHS und machte drei Diplome. Zur Belohnung durfte er sein Geld als Leiter eines Abenteuerspielplatzes, eines Jugendzentrums und eines Jugendinformations-Zentrums verdienen und danach in einer Betreuungs-Behörde arbeiten. Mittlerweile im ›Unruhestand‹ hat er noch viel mehr Zeit, seinen verschiedenen sportlichen Aktivitäten und natürlich seiner Leidenschaft fürs gedruckte Wort zu frönen.
Mit dem Krimi ›Es geht eine Leiche auf Reisen‹ erscheint 2018 bereits der elfte Danny-Kowalski-Roman.
Die vorherigen zehn Romane:
›Die sieben Jahreszeiten der Musik‹, Musikroman 2017
›Das Ekel von Horstel‹, Krimi, 2017
›Wer andren eine Feder schenkt‹, 2016
›Das Geheimnis um YOG‹ TZE‹, Krimi, 2015
›Zeitmaschine STOPP!‹, Öko-Science-Fiction-Story, 2014
›Leidenschaft im Briefkuvert‹, Liebesroman, 2013
›Der Junge, der eine Katze wurde …‹, 2012
›Keine Leiche, keine Kohle…‹, Ruhrgebiets-Krimi, 2011
›Spätzünder, Spaßvögel & Sportskanonen‹, 2009
›Straßnroibas‹, Reise-Roman, 2007
Weitere Informationen im Internet: http://www.petmano.jimdo.com/
In eigener Sache:
Die Länder, Städte und Straßen in diesem Roman gibt es wirklich. Aber die Namen der genannten Personen habe ich frei erfunden. Falls sich doch irgendjemand in einer der im Roman vorkommenden fiktiven Gestalten wieder erkennen sollte, kann es sich nur um einen Zufall handeln.
›Jeden Abend geht die Mimi in die Heia um halb zehn,
aber niemals ohne vorher an den Bücherschrank zu gehn,
keinen Goethe, keinen Schiller, holt sie aus dem Schrank heraus,
nein, einen zum Verhaften holt sich Mimi raus.
Ohne Krimi geht die Mimi nie ins Bett …
Ich kann nicht schlafen, denn die Mimi will lesen,
ich kann nicht schlafen, denn die Mimi ist erst auf Seite Hundertzehn,
wo der Killer aus Manhattan,
Zyankali angekocht,
für den Richter aus Chicago,
der ihn damals eingelocht.
Ohne Krimi geht die Mimi nie ins Bett …
Ich kann nicht schlafen, denn die Mimi will lesen,
drum schleich ich aus dem Bett,
aus dem Zimmer,
auf die Straße,
in die Bar,
denn dort machen,
ein paar Klare mir den Schädel wieder klar …!‹
Mimi Yksimäki – eine junge finnische Frau aus Kirjokivi
Okka Yksimäki – Mimis Mutter und Hausdame des Kirjokivi Manor
Artjom Tamm – estnischer Seemann
Acki Schwollo – brutaler Zuhälter aus St. Pauli
Wolfgang Kanter – Hamburger Immobilienhändler mit Blutungen am Kopf
Erwin Haschke – Geschäftsreisender aus Dülmen
Achim Schendler aus Coesfeld – Erwins Kollege
Mari Kirsipuu – eine estnische Frau mit finnischen Wurzeln
Jukka Tollonen – finnischer Sauna-Bauer
Carina, Herbie und Kathie Appelhoff aus dem Fun-Out Dorsten
Vanessa, Sascha und Jutta Gesell aus dem Fun-Out Münster
Günter Querbock – Hauptkommissar aus Dülmen
Bandura – Hauptkommissar aus Hagen und Chefe von Kowalski
Danny Kowalski – Kommissar aus Hagen
Fanny Bevenbreucker – seine flippige Kollegin
Moni und Lilli – Dannys Frau und Katze helfen von zu Hause
Thorsten Schütze – fand zusammen mit 4 Mitarbeitern die skelettierte Leiche
Anna Kokoschka – Gerichtsmedizinerin aus Dortmund
Kasper Schulte-Vosbeck – Anwalt aus Dülmen
Ella, Horst, HK, Maya, Tomte, Carola, Elisa, Eddy und Thomas vom FunOut Hohenlimburg helfen Danny beim Recherchieren
Heinrich Friedl, früher beim Hagener Grünflächenamt – gibt wichtige Hinweise
Hannes Engelmann – Tipp-Kollege von Danny und Werner
Werner Sperling – war schon früher in Finnland dabei
JV Meyer und Lia Böchterbeck gehörten ebenfalls zu den Finnland-Reisenden
Die kleine Mimi Yksimäki wuchs auf in einem kleinen Dorf namens Kirjokivi am Kirjokivi-See. Das war einer von Tausenden von Seen im Inneren von Finnland, das Land der (hundert) tausend Seen. Suomi, wie Finnland in Finnisch heißt, liegt im Nordosten Skandinaviens. Es gilt eigentlich als das ›Land der tausend Seen‹, was aber andererseits eine hübsche Untertreibung ist. Denn offiziell hat das Land, das etwa so groß wie Deutschland, aber sehr dünn besiedelt ist, sage und schreibe fast 187.890 große und kleine Seen. Die Gesamtküstenlänge aller Seen beträgt mehr als 186.000 Kilometer und die Zahl der Süßwasserinseln rund 98.000.
Mimi war die einzige Tochter von Okka Yksimäki, der allein erziehenden Hausdame von Kirjokivi Manor. Die beiden lebten glücklich miteinander. Sie waren wie zwei Sonnen, auch im tiefsten finnischen Winter. Alle Menschen im Dorf, aber auch die Gäste von Kirjokivi Manor, liebten die beiden: Mutter wie Tochter. Kein Wunder, denn die Finnen gelten als die glücklichsten Menschen der Welt. 1
Mimi war ein echter Wildfang: sie schwamm immer unbefangen und nackig im Kirjokivi-See. Und sie ritt ohne Sattel auf den halb-wilden Rentieren der Umgebung. Sie konnte es gut mit Tieren und mit der Natur. Sie sprach mit den Haustieren, Wildtieren und Vögeln.
Als Schulkind war sie eine Naturbegabung. Es gab in Kirjokivi eh nicht viel Abwechslung außer Schwimmen im See und Reiten auf Rentieren. Deshalb waren die dortigen Kinder oft in der ein halbes Jahr währenden Dunkelheit viel drinnen in der Stube und lernten.
Mimi war ein klares und intelligentes Kind, das gut rechnen, schreiben und lesen konnte. Sie verschlang alle Bücher, die sie finden konnte. Auch Sprachen zu lernen fiel ihr leicht: neben der eh schon sehr schwierigen finno-ugrischen Sprache mit ihren 14 Fällen lernte sie erst Englisch, später noch Russisch und Deutsch. Dazu fehlte ihr zunächst noch die Praxis. Aber umso älter sie wurde, umso größer wurde ihr Radius und sie lernte durch ihre Bekanntschaften mit diversen Ostsee-Matrosen, ihre fremdsprachlichen Errungenschaften zu praktizieren.
»Yksi, kaksi, kolme, joka on pallon …?« sang sie als kleines Mädchen immer beim Ballspielen, also »Ein, zwei, drei, wer hat den Ball …?«.
Nomen est omen, ihr Name war Programm. Also ›yksi‹ heißt ›eins‹ und ›mäki‹ ist ›Hügel‹ . Deshalb bedeutet auch ›Yksimäki‹ in Finnisch ›einer der Hügel‹ . Zumindest in den ersten dreizehn Jahren ihres Lebens stimmte ihr Nachname Yksimäki nicht, denn die Gegend im finnischen Inland liegt flach und pott-eben zwischen dem bottnischen Meerbusen im Westen und der russischen Grenze im Osten.
Aber mit der Pubertät wuchsen Mimi zwei schöne Brüste, so dass die Landschaft wenigstens zwei kleine Hügel bekommen hatte. Mimi blieb weiterhin unbefangen im Umgang mit der Natur. Sie schwamm nackt im See und ritt auf den wilden und halb-domestizierten Rentieren der Umgebung. Sie tollte mit allen herum, auch mit den Jungens. Wenn sie vom Schwimmen im See fror, ging sie in eine der zahlreichen Saunen. Da folgten ihr die jungen Männer auch gerne, denn sie war bekannt für ihre Unbefangenheit.
Später ritt sie dann genauso unbefangen auf den finnischen Flößern und den russischen und estnischen Seemännern, die sie in ihrer näheren Umgebung oder an der Ostsee kennen lernte. Mit den Finnen trank sie schwarz gebrannten Wodka und mit den Russen flaschenweise Bier der Marke ›Baltika‹ . Sie war ein freundliches Mädchen und sagte ›kiitoksia paljon‹, also ›vielen Dank‹ für die alkoholischen Getränke. Auch als junge Dame blieb sie höflich und bedankte sich auf ihre Weise, nachdem sie die jungen Männer geritten hatte: ›Kiitos paljon rakkautta‹, also ›Vielen Dank für die tolle Liebe‹ …
Aber die große Mimi wollte mehr, sie wollte die große Freiheit. Sie wollte mehr erleben, als im See zu schwimmen und in der Sauna zu schwitzen, als auf Rentieren und Seeleuten zu reiten …
Obwohl sie sich mit ihrer Mutter gut verstand, verließ sie Kirjokivi und Finnland in einem spontanen Entschluss von Abenteuerlust, wie es junge Menschen mitunter so überfällt. Sie wollte einfach was erleben, ohne sich von jemand in ihre versponnenen Ideen reinreden zu lassen. Deshalb machte sie sich auf und davon, ohne sich von ihrer Mutter zu verabschieden. Zumal sie ja auch gar nicht wusste, ob sich ihre freiheitsliebenden Pläne verwirklichen ließen, oder ob sie womöglich schon nach drei oder vier Tagen wieder zu Hause sein würde.
Deshalb nahm sie auch gleich die erstbeste Gelegenheit wahr und schmuggelte sich mit Hilfe von Artjom Tamm, auch solch ein reitgeiler estnischer Seemann, in dessen Koje versteckt über die Ostsee bis nach Lübeck. Ein letztes ›Kiitos‹, also ›Danke‹ an ihn, und damit hüpfte sie an Land, war in ›Saksa‹ angekommen. Sie betrat deutschen Boden und begann ihre Wanderung durch Deutschland.
Sie trampte oder fuhr schwarz mit Eisenbahn oder Bussen, denn Geld hatte sie keines. Nachts schlief sie meist bei Männern, die sie beim Trampen mitnahmen, und auf denen sie ihre wilden Reitübungen vorführte …
… quasi eine win-win-Situation für alle.
Bis sie kurz vor Hamburg an den Falschen geriet. Der schmierige Acki Schwollo, ein gut aussehender, aber brutaler Zuhälter aus St. Pauli, hatte sie beim Trampen aufgegabelt und nahm sie mit nach Hause auf die Reeperbahn.
Erst gefiel ihr die schillernde Glitzerwelt der Reeperbahn ganz gut. Da war doch Tag und Nacht was los, ganz was anderes als in Kirjokivi. Jetzt hatte sie nicht nur die große Freiheit, sie wohnte sogar in der ›Großen Freiheit‹, einer kleinen Seitengasse der Reeperbahn.
Vor ihrer abenteuerlichen Flucht über die Ostsee war sie als Fremdsprachen-Studentin an der Uni Helsinki eingeschrieben: alles Theorie. Jetzt hatte sie viel Sprach-Praxis, was sie zusammen mit ihrem offenen und humorvollen Wesen bei den Freiern sehr beliebt machte.
Und solange die Freier manierlich blieben, gefiel ihr das nächtliche Geschäft mit dem käuflichen Sex sehr gut. Denn sie hatte schon immer gerne gebumst. Erst als sie die ersten Ekel-Freier bekam, wurde sie mehr und mehr verschlossen. Sie entschied sich dazu, bei nächster Gelegenheit aus dieser unangenehmen Situation zu entfliehen.
Doch Acki sperrte sie ein und wollte sie weiterhin zur Prostitution zwingen. Dabei hätte sie auch freiwillig mit den Männern gebumst. Das machte ihr an sich nichts aus. Aber zwingen lassen wollte sie sich auf keinen Fall zu irgend was.
Also nutzte sie die erstbeste Gelegenheit zur Flucht. Acki hatte sie im Sommer bei einem seiner reichsten Kunden aus Blankenese abgeliefert, dem gut situierten Immobilienhändler Wolfgang Kanter. Der wollte sie aber nicht mit zu sich in sein feines Zuhause mitnehmen, zumal dort auch seine Ehefrau Marianne wohnte. Für solche Zwecke hatte sich der distinguierte Herr Kanter ein Appartement in Georgswerder besorgt. Acki sollte sie drei Stunden später dort wieder abholen.
In der Zwischenzeit wollte er es sich von Mimi schön besorgen lassen: ihre ›Reitkünste‹ hatten sich rum gesprochen. Erst begann alles ganz harmlos wie immer: sie ritt ihn bis zur Erschöpfung, und sie erholten sich auf dem breiten Doppelbett. Dann zog sie sich ihre komplette Dessous-Garnitur in roter Spitze an, ein enger kleiner Tanga-Slip, Strumpfhalter um ihre Wespentaille, Strapse, woran rote Seidenstrümpfe geklippst waren, und einen delikaten Büstenheber, so dass ihre Nippel keck und neugierig aus dieser geilen Kollektion hervor blinzelten. Diese rote Garnierung ihrer rassigen Figur harmonierte hervorragend mit Mimis langer goldblonden Mähne. Das alleine hätte doch jeden normalen Mann schon geil gemacht, aber beim zweiten Durchgang ließ der feine Herr Kanter auf einmal seine sadistische Ader durchblicken. Erst schlug er Mimi grundlos, dass sie am linken Auge ein Veilchen davontrug, dann wollte er sie auch noch gegen ihren Willen rabiat zum Anal-Verkehr zwingen.
Sie hatte es eh schon satt, eingesperrt zu sein. Die bei Acki immer abgeschlossenen Türen zerrten an ihrem freiheits-bewussten, weiten und offenen finnischen Gemüt. Und dann das noch. Mimi hatte die Schnauze voll, gestrichen voll. Sie hatte durch jahrelange sportliche Ertüchtigungen in ihrer finnischen Heimat eine zwar kleine, aber äußerst athletische Figur. Außerdem war sie wendig wie eine Schlange. Deshalb konnte sie sich aus seinem harten Griff befreien und schlug dem überraschten Freier mit dem erstbesten Gegenstand, der ihr ins Auge fiel, einem weißen Ziegelstein aus seiner Glas-Ziegel-Regal-Installation, eins über den Schädel.
Schnell schnappte sie sich ihr goldenes Handtäschchen, das knallrote Minikleidchen und ihre roten High Heels und gab Fersengeld. Die Tasche und die Heels in der Hand und barfuß die Treppe runter, machte sie sich vom Acker. Dass der Freier am Kopf blutete oder verletzt war oder gar sterben könnte, war ihr so was von egal. Sie wollte bloß weg vom ganzen Eingesperrt sein. So stürmte sie – wie sie gerade angezogen war – aus dem Appartement-Hochhaus auf die Straße und rannte Richtung Süden. Außer den Schuhen in der Hand und dem umgehängten Handtäschchen hatte sie nur ihre komplette Dessous-Garnitur in roter Spitze unter ihrem roten Minikleid an.
Sie fand die Autobahn-Auffahrt Hamburg-Georgswerder. Von dort trampte sie los. Mit ihren High Heels und Nutten-Klamotten fiel es ihr nicht schwer, jemand zum Anhalten zu bringen. Da es ein warmer Sommertag war, hatte sie auch ihre großflächige Ray-Ban Sonnenbrille aufgesetzt. Ein Mann mit einem Coesfelder Nummernschild hielt, der Deutschrusse Erwin Haschke aus Dülmen. Sie sprang in seinen Mercedes Benz, und ab ging die Reise weiter nach Süden. Er nahm sie mit zu sich nach Hause, pflegte sie, gab ihr zu essen und zu trinken und verwöhnte sie nach Strich und Faden.
Erwin verliebte sich rasch in Mimi. Er liebte sie von ganzem Herzen und wollte die kleine Streunerin großzügig verwöhnen. Allerdings wollte er sie nur für sich alleine haben, am liebsten einsperren, eifersüchtig wie er war.
Genauso wie streunende Katzen war Mimi zuerst froh, Ruhe und Geborgenheit, regelmäßiges Essen und Kleidung zu bekommen. Aber manche streunenden Katzen wollen dann wieder raus. So auch Mimi. Denn Erwins Eifersucht wurde immer schlimmer.
Mimi musste häufiger daran denken, was in Hamburg passiert war: »Oh Gott, womöglich habe ich in Hamburg eine Führungskraft umgebracht …!? Was soll ich nur tun? Sie werden mich bestimmt suchen. Und wenn sie mich finden, dann gnade mir Gott. Am besten wäre es für mich, wenn ich eine komplett neue Identität bekäme.« Diese Szenen, wie sie in Hamburg ihrem brutalen Luden entfleuchte, liefen wie ein Film immer wieder vor ihrem inneren Auge ab: »in Georgswerder habe ich auf einen rabiaten Freier eingeschlagen und flüchtete dann ohne Geld und Papiere, nur in meinem knappen Minikleidchen. Ich wollte nur weg von diesem schrecklichem Ort. Und ich schaffte es, wie in Trance und mehr oder weniger automatisch. Wie ich es von der Absteige zur Autobahn-Abfahrt Hamburg-Georgswerder geschafft hatte, weiß ich im Nachhinein auch nicht mehr. Aber ich hatte die Flucht geschafft. Ob der brutale Freier nur verletzt war und noch lebte oder ob ich ihn umgebracht hatte, das weiß ich auch nicht. Woher auch …!? Was ich noch genau weiß, dass ich irgendwann trampte, und dann landete ich – Erwin sei᾽s Dank – im Münsterland. Denn der farblose, aber zuverlässige Geschäftsreisende Erwin Haschke nahm mich mit zu sich nach Dülmen. Dort versorgte er mich, kümmerte sich um mich und verliebte sich im Laufe der Zeit in mich. Mir war alles recht, solange ich geliebt wurde …«
Nachdem Mimi ihrem Retter Erwin alles gebeichtet hatte, was ihr in Hamburg passiert war, hatte er vollstes Verständnis für sie. Er wollte alles für sie tun.
Sie brauchte als allererstes eine neue Identität. Und dafür wollte er sorgen. Schließlich hatte er einen Bekannten, der auf die schiefe Bahn geraten war. Der wohnte jetzt in Datteln am Kanal, hieß Werner Zoppich und stellte für ihn die Verbindung zur Unterwelt her. Für einen total erhöhten Preis zwar, aber Erwin kannte sich ja auch nicht aus, besorgte er Mimi für 10.000,-- € von seinen Ersparnissen eine neue Identität aus dem Baltikum. Dadurch wurde sie zu einer Estin.
Ihr neuer Name lautete Mari Kirsipuu. Der gefiel ihr sehr gut, denn ›Kirsipuu‹ bedeutet ›Kirschbaum‹ . Rein sprachlich war das für Mimi auch überhaupt kein Problem, da Finnisch und Estnisch zur finno-ugrischen Sprachgruppe gehörten.
Zwar hieß Mimi jetzt offiziell Mari, aber Erwin nannte ›seine‹ Frau weiterhin Mimi, als wäre es ein Kosename von Mari.
Weil Mimi eine gültige Identität bekommen hatte und die beiden sich gut verstanden, heirateten sie nach ein paar Monaten. Allerdings nahm Mimi nicht den Hausnamen ihres Ehemanns an, sondern sie behielt ihren neuen estnischen Namen, weil er ihr so gut gefiel.
Derweil konnte Mimi in Dülmen wenigstens wieder teilweise ihren alten Gewohnheiten aus Finnland frönen. Sie schwamm nackig im Aa See. Und einmal schlich sie sich nachts heimlich in den Merfelder Bruch, um dort auf den Wildpferden zu reiten. Das war eigentlich verboten. Zu Hause in Finnland war sie ja als die ›Rentier-Flüsterin‹ bekannt. Da kam sie hier in Dülmen auch mit den Wildpferden gut zu recht. Sie ließen sich bereitwillig von ihr reiten.
Ja, klar, sie ritt auch ihren Hausmann Erwin, und der träumte im Reiter-Paradies …
Mimi wurde es mit der Zeit in Dülmen ziemlich langweilig. Wenn Erwin auf Arbeit war, dann las sie viel. Erst las sie alle seine Krimis aus dem üppig bestückten Bücherregal, jeden Abend einen anderen. Wenn das Bill Ramsey gesehen hätte, dann würde er sofort anstimmen:
»Ohne Krimi geht die Mimi nie ins Bett …«
Aber auf die Dauer wurde ihr davon noch langweiliger. Mimi hatte zwar die Glitzerwelt sehr gerne, also güldenes Geschmeide, blinkendes Zeug und goldene Ringe …
… aber einen ›Goldenen Käfig‹ mochte sie überhaupt nicht, genauso wenig wie ein Vogel. Der würde auch lieber davon fliegen, weg vom Gold und all dem Glitter, hinein in die Freiheit.
Deshalb schlich sich Mimi immer mal wieder aus dem Haus und machte einen drauf, kam aber immer wieder zurück.
Bis es Erwin bemerkte. Er wollte es ihr am liebsten verbieten.
Erbitterte Diskussionen folgten. Sie stritten und sie vertrugen sich wieder.
Nach einigen Wochen der Ruhe und der ländlichen Idylle …
- Bill Ramsey hätte es nicht besser singen können -
» …schlich sich Mimi wieder raus,
aus dem Bett,
aus dem Zimmer,
auf die Straße,
in die Bar,
denn dort machten,
ein paar Klare,
ihr den Schädel wieder klar …«
Danach flippte der Mann aus, zeigte sein hässliches Gesicht.
Er schlug sie.
Sie schlug zurück.
Sie schlugen und fetzten sich,
bis der kräftigere von beiden, der Mann, sie schließlich in Rage krankenhausreif schlug.
Im Christophorus-Klinikum Dülmen in der Vollenstraße flickte man sie wieder zusammen. Auch schenkte Erwin ihr einen goldenen Schneidezahn. Denn bei seiner Prügelei hatte er ihr einen Zahn ausgeschlagen. Das wollte er wieder gut machen. »So ein goldener Glitzerzahn sieht doch ganz hübsch aus,« dachte sich Mimi.