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In seinem 8. Roman aus der Danny-Kowalski-Reihe taucht der Autor tief in die 1970er Jahre ein, denn es geht um...: ‚Eine Freundschaft seit der Hippie-Zeit’ Eine Männerfreundschaft mit seinem ewigen Freund Harry, die 1974 begann und auch heute noch - über 40 Jahre später - währt: von gemeinsamen Erlebnissen in den 70ern, die sie zusammenschweißten, Reisen nach Sizilien und bis in die verschneite Bergwelt hoch in Norwegen, zur Mosel und zur Ahr, nach Holland und an die Kanäle ihrer westfälischen Heimat, in Wälder, Felder und Metropolen. Sie verband die Liebe zur Musik, die sie zu Konzerten von Willy de Ville oder der Marshall Tucker Band führte, sie spielten zusammen Fußball und vertieften sich in Gespräche über die Liebe und das Leben... Mit dem Roman ‚... wer andren eine Feder schenkt’ erscheint bereits der achte Danny-Kowalski-Roman. Im Jahre 2015 veröffentlichte der Autor seinen zweiten Krimi ‚Das Geheimnis um YOG’TZE’. Die Öko-Science-Fiction-Story ‚Zeitmaschine STOPP!’ wurde 2014 als sein sechster Roman veröffentlicht. Der Liebesroman und sein fünftes Buch von 2013 hieß ‚Leidenschaft im Briefkuvert’. Davor veröffentlichte er 2012 mit dem abgefahrenen Roman ‚Der Junge, der eine Katze wurde...’ den vierten Teil seiner Danny-Kowalski-Trilogie. In den vorherigen drei Romanen wurde bereits über das Reisen in ‚Straßnroibas’ (2007), über das Leben und die Liebe in ‚Spätzünder, Spaßvögel & Sportskanonen’ (2009) und über das Sterben und Leben lassen in seinem Ruhrgebiets-Krimi ‚Keine Leiche, keine Kohle…’ philosophiert…
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Seitenzahl: 296
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Für meinen ewigen Freund Harry,
und für unseren gemeinsamen Freund Matthes, der schon in den
ewigen Jagdgründen auf uns wartet
und für ewig alle, die Freunde sind,
für Lorenz(o), die Sonne, Mystiker, Indianer/innen, Shiva + CARLOS,
die Liebe und unsere Liebsten, Lebenskünstler & Hippies,
Holy Flips, Musicians + Writers + Painters,
Abenteurer und Kriegsdienstverweigerer
Über den Autor
Über die Freundschaft
Motto der Love & Peace-Generation
Einleitung: wer andren eine Feder schenkt …..
Personenverzeichnis
I. Hippies, Spaß und neue Kontinente – die bunten 70er Jahre
Lachen-Liebe-Nächte
Der Anfang der Geschichte
Kulturkritische Nächte
Wilde Zeit der Späthippies
Sport – Spiel – Spannung
Legalize it, Tetraeder
›Hotel Moselblick‹
Neue Kontinente
II. Abenteuer und Reisen – die wilden 80er Jahre
Hauptsache labern
Sex and Drugs beim MCD oben drauf
Tennis, Schläger & Kanonen
The B-51
The Last Drive ins Saarland
Der belgische Erwin aus Grimbergen bei Brüssel
Der Mann aus Hagen
III. Unterwegs – durch die 1990er Jahre
Groningen und die neue Fruchtbarkeit
Der Wald ruft …
Der ›doppelte Maastricht‹
Die verpassten Neville Brothers-Konzerte
On the road zur Mosel
IV. Das neue Jahrtausend
Im Nebel gestrandet
Dreißig Jahre ›Bullayer Brautrock‹
Elder Statesman
Federn
Literaturhinweise
Diskographie
Danke für alles
Manfred Schloßer, geboren 1951 in Selm, aufgewachsen in Datteln, wohnt seit 1980 in Hagen. Zusammen mit seiner Ehefrau Petra und der gemeinsamen Katze Lilli haben sie es schön im dörflichen Hagen-Fley.
Anfang der 80er Jahre, während der Musikphase der ›Neuen Deutschen Welle‹, hieß es: ›Komm nach Hagen, werde Popstar …‹, als Nena und Extrabreit von Hagen aus die Welt eroberten. Zwar kam der Autor nach Hagen und gründete mit Freunden dort die Musikgruppe Vogelfrei, wurde aber nie Popstar.
Er studierte in seinen drei Studiengängen – als Sozialwissenschaftler an der Bochumer Ruhr-Universität, Sozialarbeiter an der Hagener Fachhochschule, Sozialpädagoge an der Dortmunder FHS und machte seine drei Diplome. Zur Belohnung durfte er sein Geld als Leiter eines Abenteuerspielplatzes, dann eines Jugendzentrums und später eines Jugendinformationszentrums verdienen und danach bis 2013 in einer Betreuungs-Behörde arbeiten. Mittlerweile hat er als Rentner noch viel mehr Zeit, seinen verschiedenen sportlichen Aktivitäten und natürlich weiterhin seiner Leidenschaft fürs gedruckte Wort zu frönen.
Mit dem Roman ›Wer andren eine Feder schenkt‹ erscheint bereits der achte Danny-Kowalski-Roman. Im Jahre 2015 veröffentlichte der Autor seinen zweiten Krimi ›Das Geheimnis um YOG’TZE‹. Die Öko-Science-Fiction-Story ›Zeitmaschine STOPP!‹ wurde 2014 als sein sechster Roman veröffentlicht. Der Liebesroman und sein fünftes Buch von 2013 hieß ›Leidenschaft im Briefkuvert‹. Davor veröffentlichte er 2012 mit dem abgefahrenen Roman ›Der Junge, der eine Katze wurde …‹ den vierten Teil seiner Danny-Kowalski-Trilogie. In den vorherigen drei Romanen wurde bereits über das Reisen in ›Straßnroibas‹ (2007), über das Leben und die Liebe in ›Spätzünder, Spaßvögel & Sportskanonen‹ (2009) und über das Sterben und Leben lassen in seinem Ruhrgebiets-Krimi ›Keine Leiche, keine Kohle…‹ philosophiert…
Weitere Informationen im Internet: http://www.petmano.jimdo.com/
Harry an Danny: »Schön zu erfahren, wie wert Dir meine Freundschaft ist. Im Gegenzug muss ich Dir sagen, dass unsere Freundschaft mir unendlich viel bedeutet. Ich bin in einem Alter, wo mir nicht mehr viele Freunde zulaufen und ich, muss ich gestehen, andere Menschen auch häufig nicht mehr an mich heranlasse. Ich sage mir: Was brauche ich neue Freunde, ich habe doch sooo gute alte!«
Danny an Harry: » … und es geht mir ähnlich. Neue Freunde gibt’s nicht: woher auch. Es gibt nur alte, jahrzehntelange Freunde: entweder hast Du sie noch -> dann ist’s super …! Oder sie haben sich aus dem Staub gemacht: -> c’est la vie …!!!«
Von der Freundschaft (von Kahlil Gibran1)
Suche Deinen Freund stets nur, um Stunden mit ihm zu erleben. Denn er ist da, um das Fehlende in Dir zu füllen, nicht Deine Leere. Und zu der Süße der Freundschaft geselle sich auch das Lachen und geteilte Lust. Denn im Tau kleiner Dinge findet das Herz seinen Morgen und seine Erquickung.
If you can’t be
with the one you love,
then love the one
you’re with….
(Crosby, Stills, Nash & Young)
Das war der Traum zweier sinnesfroher naiver Hippie-Freunde aus den 70ern, wovon der eine einen Verlag hatte, den Rodriguez-Küstennebel-Verlag. Und der andere schrieb sich in phantasievoller Weise gerne die Finger wund.
So schrieben sie denn brav und treu in ihrem Poesie-Album die Geschichte ihrer Freundschaft auf, immer abwechselnd, und reich bebildert. Allerdings hatten sie nicht viel Hoffnung, dass ihr Werk jemals veröffentlicht werden könnte. Denn die beiden Original-Tagebücher waren reich illustriert worden. Die beiden Freunde hatten es sich angewöhnt, ihre Bücher in der Form ›eine Seite Text, eine Seite Foto‹ zu gestalten. Deshalb wäre wegen der vielen Fotos eine Veröffentlichung im Rodriguez-Küstennebel-Verlag genauso wie in jedem anderen Verlag utopisch gewesen. Doch mit den neuen PC-Programmen wie Photo-Scape konnten sie jetzt ihre Storys immer mit Sammel-Collagen kapitelweise illustrieren. Und nun wurde der Traum Wirklichkeit …
Damit vor allem die jüngeren Leser und Leserinnen die zeitgeschichtlichen Hintergründe verstehen, möchte ich betonen, dass sich Danny in den 1970er Jahren als junger utopischer Twen innerhalb eines ganz bestimmten gesellschaftlichen Spektrums bewegte. Das steht zwar im ziemlichen Widerspruch zu seinem aktuellen Denken und Fühlen in der zweiten Hälfte seines Lebens. Aber so war das halt damals in den 70ern, als Nachhall der 68er-Generation: bei den jungen Leuten war es weit verbreitet, sozialpolitischen Ideologien zu folgen, die teils durchaus auch voller unrealistischer Träume steckten.
Das kam sicherlich auch ein wenig daher, dass sich der Protagonist Danny Kowalski in der Zeit von 1972 bis 1977 wegen seines Sozialwissenschafts-Studium an der Ruhr-Universität Bochum rum trieb, und da besonders an der ›roten Fachschaft SoWi‹. Das entwickelte sich per se als ein sehr theoretisches Studium, wobei das einzig Praktische seine zweijährige Interviewer-Tätigkeit für das EMNID-Institut war. Deshalb bewegte sich Danny auch teilweise in einer Szene von vergeistigten, nichtsdestoweniger spontanen Ideen …
Aber einen Gegenpol zu ihrer Spontaneität brachte den beiden Freunden Danny und Harry ein Mann der Wissenschaft, der lebenslustige Dozent im Fach Soziologie, Prof. Dr. Leo Kofler.
Der Stil der ›Schreibe‹ richtete sich nach dem jeweiligen Zeitgeschmack, da meine früheren Geschichten tatsächlich in den 70er oder 80er Jahren geschrieben wurden.
In der Überschrift ›wer andren eine Feder schenkt …‹ hatten die beiden Freunde unbewusst den Begriff der ›Feder‹ gewählt, einem Symbol für Indianer-Mystik, die in der damaligen Szene weit verbreitet war. Gleichzeitig gehört die Feder auch zu den ›weichen‹ Souvenirs wie auch Muscheln, Blätter, Rinde oder Zapfen, die man sich gerne von einem Waldspaziergang mitbrachte oder aber seinem Freunde schenkte. Schließlich und letztendlich war die Feder natürlich auch ein Symbol für die historische Art der selbst gemachten Literatur ….: ›mit Tinte und Federkiel schreiben‹. Womit sich der Kreis hier bei den beiden jungen Literaten geschlossen hatte.
Die in diesem Roman beschriebenen Personen sind sinnlich erfassbare Menschen, die teilweise irgendwo existieren. Ihre Namen sind natürlich geändert, um das Mysterium ihrer Intimität nicht zu verletzen.
Alle vorliegenden Geschichten unterliegen natürlich auch nicht dem Anspruch, die Wahrheit zu berichten, obwohl sie grundsätzlich alle auf wahren Begebenheiten beruhen. Als Autor habe ich mir einfach mal die schriftstellerische Freiheit genommen, die eine oder andere Geschichte satirisch zu sehen, andere oder mich selbst zu parodieren und die Übertreibung der Ironie zu benutzen.
Danny Kowalski verschenkt Federn
Harry gewinnt einen neuen Freund
Matthes bringt Danny und Harry zusammen
Heidemarie küsst überraschend
Nicole, Dannys erste große Liebe, verschwindet aus seinem Leben
Lulu hat genauso wie Danny zum ersten Mal Sex im Leben
Inger-Lise, Dannys dänische Brieffreundin, macht ihn mit ihrer Schwester bekannt
Jytte, die ältere der Schwestern aus Jütland, wird Dannys Freundin
Andy, Harrys Freund, ist die Ruhe in Person
Sugar-Ede, Harrys Bruder, erlebt Geschichte
Gerry, Dannys Bruder, macht sein Ding
Zoppich und seine Gang verbreitet Angst und Schrecken über Datteln
Moritz hat ein Faible für Abenteuer im Grünen
Carlos und Achim gehören wie ihre Freunde Danny und Harry zum Tetraeder
Betty, Gerrys damalige Ehefrau, erlebt das Tetraeder live
Florian überrennt zusammen mit Danny den ›Dritten Wind‹
Britta, Achim’s Ex, treibt sich rum
Laufi, Irdie und seine Holy-Flips lieben neben Federn Musik- und Trommel-Sessions
BärBel, Dannys Schwester, kennt sich mit Pilzen aus
Balu, ihr Freund und späterer Mann, steht ihr zur Seite
Marie, Dannys Mutter, ist eine reiselustige Saarländerin
Götz, Maries Mann, ist der Stamm-Vadder von’ne Kowalskis
Tina, Dannys Freundin in den 70er Jahren, ist ein lustiger Teenie
Frankie & Biggy reisen mit Danny & Tina bis nach Marokko
Valentine, Dannys Freundin von 1975, gibt ihnen in Bonn Unterschlupf
Doro, Harrys Lebensgefährtin, hat einen langen Atem
Rollo und Jojo gründen mit Harry und Ede den Rodriguez-Küstennebel-Verlag
Lydia, Dannys Freundin für drei Jahre, Anfang der 80er Jahre
Osko und Berit, die deutsch-norwegische Freundschaft, liebt und schlägt sich
Kirsten, Dannys Freundin, Mitte der 80er Jahre, ist allein erziehende Mutter
Ann-Kathrin gilt als die ›Norwegerin schlechthin‹
Bettina und Ralle sind Dannys Freunde aus Trier
Motte, ein lustiger Saarländer aus Neunkirchen
Julie, Dannys Hagener Freundin Ende der 80er/Anfang der 90er Jahre
MaryLou + Amy, Dannys Massachusetts-Freundinnen, besuchen mit ihm New York
Zo und Lena entstammen der neuen Fruchtbarkeit von Harry und Doro
Carlotta + Frank sind zwei gute Freunde aus Hessen, mit den Töchtern Katrin + Mary
Moni, seit 1992 seine Freundin, hat ihren Danny 2007 geheiratet
Obwohl Danny und Harry die selben Basics hatten, kannten sie sich vor den 70er Jahren nicht. Sie waren zwar beide in den 60er Jahren auf derselben Volksschule, in der Josefs-Schule in Datteln-Hagem. Aber sie waren drei Jahre und entsprechend drei Schulklassen auseinander. Trotzdem hatten sie als Gemeinsamkeiten die selben Lehrer. Beide wurden vom Lehrer Lasker vertrimmt. Und beide kannten sie auch den heißesten Feger der gesamten Volksschule, die blonde Heidemarie aus dem Hagemer Feld. Früher war sie in Dannys Klasse die unscheinbare Tochter des Schneiders mit langen geflochtenen Zöpfen, später wurde sie der Schwarm der Volksschule, wie Harry viel später berichtete. Danny war ja damals nach der 5. Klasse zur Realschule in Oer-Erkenschwick gewechselt und hatte deshalb die Entwicklung des flotten strohblonden Teenagers Heidemarie nicht mitbekommen. Für Harry war sie drei Klassen über ihm sowieso unerreichbar. Aber – was Danny damals noch nicht wissen konnte – diese Heidemarie hatte ihn Jahrzehnte später immerhin mal geküsst: 1988 bei einem Klassentreffen. Da stand sie vor ihm: eine reife Frau in den 30ern, verheiratet und hatte 3 Kinder, aber attraktiv wie Heidi Klum. Heidemarie fuhr plötzlich auf Danny ab, weil er da gerade frisch verliebt war. Und sie fand das so süß und küsste ihn deshalb mit einem schönen saftigen Kuss, Mund auf Mund, mit ihrer blonden strahlenden Schönheit, zwar in aller Freundschaft, doch mit einem Schuss prickelnder Erotik im Hintergrund.
Und Harry und Danny erlebten – ohne einander zu kennen – den 4. Februar 1967 im Stimberg-Stadion in Oer-Erkenschwick, zusammen mit noch 20.000 anderen Zuschauern. Sie waren dabei, beim Achtelfinale des DFB-Pokals ›Spielvereinigung Erkenschwick gegen Bayern München‹, damals mit allen Stars wie Franz Beckenbauer, Sepp Maier und Gerd Müller. Das Ergebnis lautete bei Spielende 1 : 3, aber es war ein hartes Stück Arbeit für die ›Weltstars‹ aus München, ehe sie die ›Malocher‹ aus Erkenschwick aus dem Pokal geworfen hatten.
Sie hatten also schon einiges an Basics gemeinsam, bevor sie sich 1971 so unglückselig bei einem Schachspiel kennen lernten, dass nur Harry etwas davon mitbekam. Und der historische Boden war schon gepflügt, damit aus ihm ab 1974 gute Freunde wachsen konnten …
Um Dannys damalige Situation in der irren Zeit der Kellerklausenszene in den Jahren 1971/72 zu beschreiben, als Harry seine Wege – besser: Schachzüge – kollidierte, konnte man Danny kurz als ›Rohr im Wind‹ bezeichnen. Watt is datt denn? Na, so ne Art westfälischer Bambus. Dieses vielseitige Naturmaterial galt schon immer als sehr flexibel. Angewandt auf menschliche Charakteristika, bedeutete dies für Danny, einerseits stark und widerstandsfähig und gleichzeitig nachgiebig zu sein. Denn aus dem harmlosen Abiturienten war ein junger Mann mit überschäumendem Selbstvertrauen geworden. Er genoss die erste Liebe seines Lebens. Dann wurde er Soldat bei den Fallschirmjägern. Dort entwickelte er sich zum Kriegsdienst-Verweigerer und wurde schließlich auch als solcher anerkannt, als staatlich geprüfter Friedensschauspieler. Er wechselte also das ›Trikot der fallschirm-jagenden Army-Hypochonder‹ durch ein gebatiktes T-Shirt und trat ein in das zeitlose Blühen eines Freak-Lebens. Auch konnte er endlich das Militärhaarnetz, diese lächerliche Oma-Verkleidung für Langhaarige, für immer abstreifen und die Zotteln frei wehen lassen.
Seinen Wendepunkt erlebte Danny dann unterwegs nach Dänemark, als er auch gleichzeitig das so beeindruckende ›Unterwegs‹ des US-amerikanischen Schriftstellers Jack Kerouac las und lebte. Der Roman wurde 1957 im Original als ›On The Road‹ veröffentlicht. Das Buch galt als Manifest der so genannten Beatniks und als einer der wichtigsten Texte der Beat Generation. Der Inhalt des Romans ließ sich mit der Phrase ›Sex, Drugs ‹n‹ Jazz‹ charakterisieren. Die beiden Hauptfiguren, Dean Moriarty und der Erzähler Sal Paradise, begaben sich auf verschiedene Reisen durch die USA und Mexiko, um sich dem Rausch, den Frauen und dem Jazz hinzugeben – wobei sie als Hipster den neuen, härteren Bebop hörten. Die beiden trampten, sprangen auf Güterzüge auf, fuhren mit Greyhound-Bussen, auf LKW-Pritschen oder mit gestohlenen Autos quer über den nordamerikanischen Kontinent und zurück, von New York City, über Chicago, Denver, Kalifornien nach New Orleans und schließlich nach Mexiko. Von besonderem Interesse für die heranwachsende Generation waren ihre Abweichungen von der Norm, welche in der US-amerikanischen Gesellschaft der späten 1940er und frühen 1950er Jahre deutlich wurden, das Lebensgefühl der jugendlichen Außenseiter und ihre Beobachtungsperspektive auf den Rest der Gesellschaft. Auffälligerweise begann der erste Satz in ›Unterwegs‹ des Protagonisten Dean Moriarity folgendermaßen: »Nicht lange, nachdem meine Frau und ich uns getrennt hatten, …. begann der Teil meines Lebens, den man mein Leben auf den Straßen nennen könnte.«2
Und genau solches war Danny gerade eine Woche vorher selbst passiert, als das Ende seiner ersten großen romantischen Lebensliebe zu Nicole ihn aus wohligen Liebesgefühlen nahezu sprichwörtlich in die Freiheit warf, wo er auf dem realistisch hartem Pflaster der Straße landete: unterwegs! Dort wurde ihm der Geruch von abenteuergeschwängertem Wind derartig in die Nase eintätowiert, dass dieser seitdem seine Lebenstriebe so stark betört wie die Leidenschaft der Lemminge für das ›Nacktbaden im Meer‹. Zum ersten Mal im Leben verbrachte er einen Geburtstag im Ausland, und zwar den 20., was damals noch keine Volljährigkeit bedeutete. Und zwar unter ausländischen Eingeborenen, den Jüten, ein südskandinavischer Wikinger-Stamm. Mit zwei von diesen blondblühenden Däninnen hütete er für zwei Wochen, da deren Eltern beide auf Dienstreise waren, alleine das Haus und manches Andere: die dufteten frisch und unschuldig, seine dänische Brieffreundin Inger-Lise und ihre ältere Schwester Jytte, die zwei Jahre später seine Freundin werden sollte. Jedenfalls verließ Danny einer plötzlichen Eingebung folgend eines Tages um Mitternacht in Richtung Dänemark seine nicht wenig erstaunte Omma Selm, die damals wegen der urlaubsbedingten Abwesenheit seiner Eltern das Kinder-sitting übernommen hatte. Und das auch noch sehr knapp, weil seine Eltern nur drei Stunden später von ihrer Prag-Tour zurückkamen. Übrigens war genauso wie bei Danny auch die Großmutter von William Burroughs jr.3 die Absprungbasis zu seinem entscheidendsten Lebensabschnitt.
Danny konnte durch Schule und Studium seine Adoleszenz verlängern und bekam dadurch die Freiheiten, überhaupt solche Globetrotter-Eskapaden zu erleben. Denn er lernte bis 1971 auf der ›Penne‹, von wo er nach dem Abitur dann zwar direkt zur Bundeswehr eingezogen wurde, aber dort den Kriegsdienst mit der Waffe verweigerte, worauf er als anerkannter KDV 1971/72 den zivilen Ersatzdienst in einem Dattelner Altenwohnheim absolvierte. Während dieser Zeit arbeitete er auch einmal in einer Ferienfreizeit in Winterberg mit behinderten Kindern und ihren Müttern und kam dadurch erstmalig mit sozialer Arbeit in Kontakt. Das beeindruckte ihn so sehr, dass er deshalb seine Volkswirtschaftsstudiums-Pläne änderte und stattdessen das Studium der Sozialwissenschaften an der Ruhr-Uni Bochum wählte, wo er von 1972 bis 1977 studierte und mit dem Hochschul-Diplom abschloss.
Politisch waren die 70er Jahre die große Zeit von Willy Brandt, der als Kanzler ab 1972 mit der ersten SPD-Regierung der BRD für frischen Wind sorgte und nicht umsonst den Friedennobelpreis bekam. Danny war ja selber seit Mitte der 60er Jahre Juso. Auch als Zivildienstleistender (ZDL) trat er bei ZDL-Streiks noch als aktiver Juso auf. Aber deren Politik der Anpassung bewegte ihn ein Jahr später beim Beginn seines Sozialwissenschaftsstudiums an der ›roten‹ Abteilung der Ruhr-Uni Bochum dazu, während einer konsequenten Woche 1973 aus SPD und katholischer Kirche auszutreten: ein heidnischer Sponti war das Ergebnis!
Als er dann drei Jahrzehnte später erfuhr, dass der Vatikan am 26.01.1999 nach 385 Jahren das Ritual zur Teufelsaustreibung überarbeitet und den Exorzisten strenge Auflagen gemacht hatte, war das wieder mal eine Bestätigung für ihn, aus dieser weit verbreiteten Sekte ausgetreten zu sein …!
Wichtig, um Dannys damalige gesellschaftspolitische Haltung zu verstehen, waren Begriffe wie ›Wider dem Establishment‹, ›Konsumterror‹ und deshalb ›Konsumverzicht‹, die als beliebte und moderne Schlagwörter und Alltagsphilosophien in der alternativen Szene herum geisterten, wo man ihnen mehr oder weniger erfolgreich hinterher hechelte oder nur davon träumte.
In diese Zeit der beginnenden 70er Jahre fielen auch verschiedene politische Aktivitäten, die Danny hauptsächlich in Hannover miterlebte: Demos, Rot-Punkt-Aktionen, Hausbesetzungen, wogegen die Bullen schon damals mit Panzerwagen und Wasserwerfern vorgingen, als sie (die Bullen) die Demonstranten tränengasüberströmt auseinander trieben.
Während seines zivilen Ersatzdienstes erlebte Danny dort in Hannover auch seinen ersten richtigen Sex: er wurde zwar ganz romantisch im Winter 1971/72 mit Lulu auf ausgebreiteten Laken und Matratzen zwischen den Werkbänken einer Hannoveraner Bildhauer-WG zelebriert, entpuppte sich allerdings als ein unbeholfenes Gehampel, weil es für Lulu genauso wie für ihn ›das erste Mal‹ war. Aber mit den Jahren und Jahrzehnten wurde es besser und besser, denn im Bereich Sex macht tatsächlich ›Übung den Meister‹.
Zu jener Zeit, also 1971/72 spielten Matthes und Danny gerade vorausschauend sämtliche Schach-Matche, die später in Wirklichkeit als die sagenumwobenen Spiele der Schach-WM ›Boris Spasky gegen Bobby Fischer‹ eingehen sollten. Danny und Matthes legten sich dafür hinten in Dannys umgebauten VW-Käfer halb liegend, halb sitzend auf eine dicke Schaumstoff-Matratze genau unter eine Straßenlaterne, um dort im Funzellicht Nacht für Nacht die Schach-WM auf einem kleinen Reise-Schachspiel vorzuspielen …
Das war genau jener Matthes, der für Danny der Schlüssel zur Szene war. Durch den leutseligen Matthes, der nahezu alle Menschen in Datteln kannte, wurde Dannys Bekanntenkreis bunter und lebenstrunkener. Matthes würde auch später eine entscheidende Rolle spielen, als Einreißer von hemmenden Mauern, wodurch ›SIE‹, also Harry und Danny, Platz zum Bauen der Arena ihrer Freundschaft bekamen: guter alter Freund Matthes … !
Der Beginn dieser Story, also der Anfang ihrer ›Hass-Liebe‹ gehört Harry …
… und die spielte ebenfalls 1971/72 in der Kellerklause Datteln, wo auch immer San Franciscan Nights zu hören war. So heißt seitdem einer von Dannys Alltime-Hits. Er hat eine Musik-Kassette von 1967, die beginnt mit San Franciscan Nights von Eric Burdon and the Animals. Immer wenn er die in seinen Auto-Radio-Recorder einlegt, kommt sofort gute Laune auf. Sie erinnert ihn an eine tolle Zeit 1971/72, als er seinen Zivilen Ersatzdienst in Datteln machte. Dort gab es so einen Szene-Club, die Keller-Klause in der Kolpingstraße. Das war so eine Art alternativer Teestube. Deshalb waberte dort auch immer ein Duft von Tee und Kerzen zwischen dem Tabakqualm der selbst gedrehten Zigaretten. Kam dann Danny rein, legte der Ledschel, der Inhaber, diese Scheibe auf: San Franciscan Nights von Eric Burdon and the Animals: wunderbaaa …!
Harry erzählt: »Eigentlich ist Schach ein blödes Spiel. Trotzdem schaute ich an einem trüben Winterabend im Dezember 1971 einer dieser Ausdauer-Übungen zu. Teils aus Langeweile, teils des Effektes wegen, mich in einem warmen Raum hinzusetzen und ein Bier zu trinken. Ich setzte mich mit dem Glas also zu zweien dieser Logik-Akrobaten.« i
Danny wirft ein: »Noch ahnten wir noch nix voneinander! Obwohl gewisse schon sanft entwickelte Anlagen vorhanden waren.«
Dann kam der Negativ-Knall unseres Kennenlernens: »Einer der beiden machte einen vollkommen unnötigen Zug. Da ein Kiebitz nicht unbedingt schweigsam sein muss, machte ich meiner Erregung Luft und sprach in die Stille des Denkens: ›Mannomannomannomannomannomann!‹ Daraufhin schaute mich der Bärtige an, sekundenlang flackerte ein aggressiv-höhnisches Licht in seinen Augen und dann fuhr er mich an: ›Mach die Biege, Sunny. Unterbrich die Weltmeister nicht.‹
Nun ja, es waren immerhin zwei Spieler gegen einen Zuschauer. Ich kam sofort dieser Ausladung nach, trollte mich und dachte dabei an das wahrscheinliche und baldige Ableben der beiden Schach-Cracks. Innerlich zutiefst gekränkt schlich ich mich in die Dunkelheit der kalten Dezembernacht hinaus. Die zwei Höflichkeits-Vandalen wollte ich niemals wieder sehen.«
Harry fährt fort: »Es heißt doch so schön: unverhofft kommt oft. Oder hier noch besser: ›Die Heilung des Lahmen mittels seiner Krücken‹. Denn große Dinge lassen lange auf sich warten. Jahre lang lebte ich zufrieden und blöd vor mich hin. Ich hatte das Schachspiel und alles, was damit zu tun hatte, längst vergessen. Ich vegetierte zurückgezogen von meinen Mitmenschen in dem kleinen Zimmer in der Wohnung meiner Eltern. Ich war arbeitslos und kassierte das Geld der Arbeitslosenunterstützung. Das Haus verließ ich nur zu Spaziergängen durch die nächtlichen, menschenleeren Straßen oder um tagsüber durch die nahe liegenden Felder und Wälder zu streifen. Bis auf meinen Bruder Sugar-Ede kannte ich niemanden. Alles war strange.
Eines Tages traf ich auf einem dringend notwendig gewordenen Gang zur Bank einen alten Freund in der Stadt, Andy. Wir hatten den Kontakt zueinander verloren und freuten uns jetzt deshalb um so mehr. Alte Erinnerungen warteten in Schubladen unserer Hirne, bereit abgerufen und aufgezogen zu werden – bei entsprechendem Impuls durch einen Mit-Erleber. Andy lud mich zu einer Flasche Wermut in den Park ein. Gesagt, getan. Auf einer Wiese unter weit ausladenden Buchen sitzend erzählten und schwelgten wir in Erinnerungen. Wie fast immer bei solchen Seancen wurden das Herz und die Seele schwanger mit Freude und Lachen. Andy gefiel mir gut in jenem Moment, und ich freute mich, mit ihm zusammen zu sein. Das mag der Grund gewesen sein, weshalb ich seine Einladung annahm, abends mit ihm und einigen seiner Freunde an der ›Alten Fahrt‹, dem inzwischen für die Schifffahrt gesperrten Teil des Dattelner Kanalnetzes, zelten zu gehen. Von seinen Freunden kannte ich allein Matthes, einen lieben Freund einer gemeinsam erlebten Süd-Frankreich-Reise. Jedenfalls wollten sie ein wenig Haschisch rauchen und ein bisschen Feuerzangen-Bowle trinken. Ich war gut drauf und froh, mal einen Abend aus der Eintönigkeit meiner Eremitage ausbrechen zu können.
Eine Stunde vor Sonnenuntergang holten sie mich ab. Mit meinem Bündel unter dem Arm ging ich auf den wartenden VW zu. ‚Oh Graus’, wen sah ich hinter dem Steuer sitzen? Wie ein Vulkanausbruch schossen mir Bilder vor die Linsen. Ich sah Schachfiguren, zwei höhnisch blickende Augen und empfand auch den derben Schlag unter die Gürtellinie noch einmal. ‚Ich komm doch nicht mit’, flüsterte ich Andy ins Ohr. Er blickte nicht durch, starrte mich fassungslos an. ‚Harry, was ist denn los mit dir, hä?’ Mit diesen Worten packte er mich und stieß mich auf den Rücksitz.
Ohne einen Kommentar setzte der Fahrer den Wagen in Bewegung. Schlitternd kamen wir knapp durch einige Kurven, von denen jede angeschnitten wurde. Etwas Seltsames passierte: dieser anarchistische Fahrstil gefiel mir. Ich fühlte mich vollkommen sicher. Ja, es machte mir sogar Spaß, den Fahrer zu beobachten, wie er das Auto ausbrechen ließ und wieder abfing, während er die ganze Zeit erzählte und mit den Händen herumfuchtelte. Wieder fielen mir seine Augen auf. Im Rückspiegel sah ich sie glänzen und mitlachen. Wie ich meine, eine sehr bemerkenswerte Eigenschaft. Danny, wie der Fahrer hieß, erkannte mich nicht oder hatte – besser gesagt – den damaligen für mich blöden Effekt gar nicht registriert. Er quasselte mich an. Ich schwankte einen Moment zwischen Hochnäsigkeit und Güte, und beschloss, ihm zu verzeihen.
Mittlerweile waren wir angekommen, packten aus und bauten im letzten Licht des Tages die Zelte auf. Zwei von uns suchten Holz. Anschließend saßen wir unter Sternenhimmel und fast vollem Mond, labten uns an Gesprächen, Pfeifen und Getränken. Irgendwann stand ich auf, um außerhalb des Feuerscheins mein Wasser abzuschlagen. Ich starrte ins Dunkel hinein, während meine Finger am Reißverschluss zerrten. Immer wenn ich dringend ›muss‹, klemmt dieser nämlich. Hinter mir hörte ich plötzlich das Geräusch näher kommender Schritte. Jemand stellte sich Schulter an Schulter neben mich, und schwuppdiwupp, rauschte ein zweiter Urin-Strahl ins taufeuchte Gras herab. Ich war empört über diesen Einbruch in meine Klo-Intimsphäre.
Es war Danny. Ich hatte den ganze Abend nur zwei-drei Sätze mit ihm gewechselt. Jetzt redete er mich an. Ich kann mich nicht mehr an den Gegenstand des Gespräches erinnern. Ich weiß einzig noch, dass seine ruhige und leise Sprechweise mich in ihren Bann zog. Alles, was er redete, konnte ich im gleichen Moment noch nachvollziehen, empfand das gleiche, was er mir in seinen Worten schilderte. So kam es vor, dass wir in derselben Sekunde lachten, staunten oder gewisse Zusammenhänge erkannten. Der Schnaps und das Kif gaben ihren Teil dabei. Ich schoss ins All. Aber nicht allein. Eine neue Welt tat sich vor mir auf. In ihr erkannte ich das erste Mal in meinem Leben, dass einzig und allein Gefühle mein Sein steuern. Es ist nur möglich, über das Gefühl den so wichtigen Kontakt zu Menschen zu bekommen, ihn zu begreifen und ihn zu lieben. Ich entschloss mich, von nun an meinen Gefühlen nachzugeben und allein ihnen zu vertrauen. So schlug ich mich auf die Seite der Spontis.
Und ich gewann einen Freund …«
Dazu übte sich Danny in einer Meditation über den Anfang im Allgemeinen. Dagegen erlebte er der Anfang dieser Doppel-Biographie im Besonderen, also ihr Kennen-Lernen bzw. nicht Kennen-Lernen. Das war nämlich eine eher existenzielle Wahrnehmung des anderen, oder auch eine Ergänzung des persönlichen Horizonts. Dieser Anfang also fiel zusammen mit der Zeit ihrer beiden Lebenswendepunkte, an denen sie sich der orgiastisch-sonnigen Menschlichkeit zuwandten.
So schilderte Danny dann die selbe Situation aus seiner Sicht als einen ›idyllischen Zeltplatz inmitten eines Bullenmanövers‹. Und Folgendes geschah in den ersten Sommertagen 1974: »ja, wirklich, guter Harry. Unsere Beziehung fing für mich erst jetzt an. Ich hatte deine damalige Reaktion überhaupt nicht bemerkt. Als Schachspieler spielte ich nämlich Schach und konnte mich nicht um die sozialpsychologische Betreuung von Kiebitzen kümmern. Na jedenfalls, freute ich mich über die Mondfinsternis-Nacht mit Andy, Matthes und dir, zumal es auch noch eine Feuerzangenbowle und Zelt-Nacht am Kanal zu erleben gab.
Wir waren alle gut drauf, freuten uns auf dieses Himmelsereignis und fuhren mit meinem Käfer dorthin. Wir parkten wie immer in der verbotenen Zone an der Kanalböschung, die nur für Angler mit gültigem Angelschein frei war, ohne uns deshalb – wie immer – groß Gedanken zu machen.
Wir erfreuten uns an dieser kosmischen Rochade aus Mond- und Erdbewegung und an meiner ersten Feuerzangenbowle im Leben, so dass wir erfüllt und zufrieden in unsere Zelte neben dem Kanal krabbelten.
Unser zukünftiges ›Glück‹ mit den Bullen setzte gleich nach der ersten gemeinsamen Zeltnacht am Kanal am nächsten Morgen seine Zeichen. Am nächsten Morgen erwachte ich von einem enormen Getue und Getöse, was ich mir nach einigem Lauschen beim besten Willen nicht zusammenreimen konnte. Deshalb stieg ich schweren Herzens aus meiner warmen Schlaftüte, aus dem Zelt ins klare Morgenfrisch und traute meinen Augen kaum. Es war wie im Film: überall krabbelten Bullen herum! Hier schuppten sie einen Wagen die Böschung herunter; lustigerweise direkt neben meinem blauen Käfer, als gäbe es sonst nirgendwo eine andere Kanalböschung. Dort hinten am Waldrand schleppten welche einen Stoffmenschen ins Gebüsch. Dann wurde es erst richtig dramatisch.
Es kamen plötzlich von überall her Bullen: Bullen mit Hunden, die überall herumschnüffelten, eine ganze Meute Bullen im Überfallwagen, ein Polizeiboot kam über den Kanal mit Tauchern, ein paar Zivile von der Kripo, die uns nach einem Vermissten fragten. Da wir aber inzwischen kombiniert hatten: hier läuft ein richtiges geplantes Bullenmanöver, wollten wir keine Spielverderber sein und schwiegen eisern. Da wir nicht zum ›Singen‹ zu bewegen waren, wurden wir kurzerhand zur neutralen Zone erklärt. Das war uns ganz recht so, wir ließen unsere Klamotten unter Obhut von Polizeischutz zurück und spazierten 50 m weiter auf die Kanalbrücke und bestaunten von diesem Logenplatz mit herrlichem Überblick das ganze Bullenmanöver. Die Abteilung Kripo dieses Manövers war uns anscheinend besonders zugetan, denn sie warnten uns sogar vor ihren Kollegen von der Wasserschutzpolizei: wir sollten besser die Zelte abbauen und die Angeln verstecken, da wir ohne Angelschein waren, und einfach so tun, als würden wir da nur so normal rum liegen. Wie jeder Film mit schlechter Regie begann auch dieser uns auf die Dauer zu langweilen. Da nun auch der Reiz des Überraschenden vorüber war, trollten wir uns, und die Bullen ließen uns auch anstandslos ziehen. Sie störten sich noch nicht einmal an meinem verkehrswidrig geparktem Auto, obwohl es gar nicht so einfach war, an dem Abschleppauto vorbeizukommen, das sie für die Bergung des kurz vorher die Böschung herunter gekippten Autos organisiert hatten. Da verstehe einer die Logik des Staates: er macht kaputt, um zu reparieren. Warum dann erst kaputt machen …!?
Mach’s doch wie wir: gehe zelten und komm mit einem neuen Freund wieder zurück …!
Denn von diesem Tag an, guter Freund Harry, gab es für UNS nur noch gemeinsam das Gehen auf Wegen, die Herz haben. Auf jeden Weg gehen WIR, der vielleicht ein Weg ist, der Herz hat. Dort gehen WIR, und die einzige lohnende Herausforderung ist, seine ganze Länge zu gehen. Und dort gehen WIR und sehen und sehen atemlos …«
(frei nach Carlos Castaneda4, H. Govinda Pfingsten und Manolito T. Locksmith)
Besonders nach aufregenden Wochenenden hatten Danny und Harry immer viel zu diskutieren, philosophieren und der Metaphysik auf die Sprünge zu helfen. Dafür hatten sie die ›Blue Mondays‹ erschaffen. Ein ruhiger Montagabend bis spät in die Nacht, geraucht und geredet, mit dem besten Freund verbracht …
Dannys neuer Freund Harry hat auch noch zufällig am selben Tag wie Dannys Bruder Gerry Geburtstag, am 26. Juni, jeweils kurz nach Sommeranfang: ja, wenn das kein Zufall war …
Da wurde es auch mal hemdsärmelig oder obskur, aber immer abenteuerlich bis gar utopisch, wenn sie über den Vorreiter der zukünftigen Kosmos bestimmenden anarchisch-kommunistischen Literatur fabulierten, nämlich das ›WIR‹-Ideal, oder in dem Fall besser: »Das ›SIE‹-Ideal, Hauptsache Plural. Später würden sie die ideologischen Urväter der so genannten ›Revolution durch die Feder‹ genannt, oder auch sanfte Revolution. Derweil unterwanderten sie schon mal durch spontane Kollektivität das Trugbild des degenerierten bürgerlichen Individualismus.
So wegweisend würden SIE sein, dass althergebrachte Ich-Erzähler-Klassiker höchstens noch an von Theologie berauschten Eremiten als Schundliteratur oder an Edel-Narzissten verhökert werden konnten, die sich mit dem Papier der sich selbst beweihräuchernden egozentrischen Ich-Literatur den Arsch abputzten und mit der freien Linken ne saftige Moorpackung pimperten …!«
Whow, was für ein starker Tobak da aus ihnen heraus floss …
»Zur Moorpackung, lieber Dannylito, da fällt mir etwas anderes ein«, erinnerte sich Harry, »Zelten an einem äußerst schwammigen pilzigen Ort inmitten der Ahsener Wälder. Dort wo die Zoppich-Gang ihre nächtlichen Auto-Zerstörungsfahrten startete, und genau dort hattest du die Idee, unser Camp direkt auf einem Waldweg aufzuschlagen. Stell dir meine Angst vor, in der Nacht von Motorenlärm geweckt zu werden, näher und näher, lauter und lauter, und dann mitten durch Schlafsäcke, Rucksäcke, Bongotrommeln und uns eine schrottreife Karre mit einem Irren am Steuer: ein makaber tragisches Erwachen. Andy meinte, er kenne den Zoppich gut, ihm würde er nichts tun. Sein Wort in Gottes Ohr.
Also, wie alles begann auch dieser Tag erst am Nachmittag mit einem Tee-In. Die Sonne schien warm durch das Fenster, mein Zimmer war hell erleuchtet und wir beschlossen, Ähnliches mit uns zu tun. Fröhlich kringelten sich die dunkelbraunen Rauchschwaden in Richtung des Sonnenlichtes. Nach einer Weile hatten wir uns in das Wort ›Toleranz‹ verbissen, wobei ich den Schwarz-Weiß-Effekt und Danny den etwas nuancierten Weiß-Grau-Schwarz-Weg vertrat. Den Zusatz ›-Spanne‹ konnte ich einfach nicht in meinem Wortschatz auftreiben, so dass Danny begann, mich schulmeistern zu wollen. Es tat sich nicht viel. Wir gerieten jedoch in immer kompliziertere Formen von Bewusstseins-Ebenen, wobei Danny meine Argumentationen des öfteren mit einem neuen Pfeifchen ins Wanken bringen wollte.
Als wir aber so ziemlich jedes Wort des gesamt-deutschen Wortschatzes mindestens einmal ausgesprochen und analysiert hatten, traten Andy und Matthes ins Zimmer, nannten uns mehrmals ausgemachte Dummköpfe und wiesen uns auf die außen herrschenden Hochsommer-Temperaturen und einen in Aussicht stehenden Ausflug ins Grüne hin. Als Über-Demokraten beugten wir uns dann aber schnell dieser besser wissenden Opposition, packten mein Zeug zusammen, kauften innerlich anzuwendende Moskito-Desinfektionsmittel und brausten los in die nahe gelegenen Wälder.
Wie eingangs schon erwähnt, wurde eine Rollbahn unser Quartier. Im Zelte aufschlagen waren wir geübt, und schnell konnten wir zum gemütlichen Teil des Abends übergehen. Schon unter beträchtlicher Drogeneinwirkung gelang es uns nach einigem Hin und Her, ein alsbald loderndes Feuer zu entzünden, das die Moskitos abhielt. Das Gegenmittel wandten wir vorsichtshalber in großen Mengen an.
Nachdem wir längere Zeit ins Feuer gestarrt und seine Bewegungen uns beruhigt hatten, stand Danny auf. Außerhalb des Feuerkreises war es vollkommen dunkel, wie es nur in irgendeinem Wald sein konnte. Vom Kassetten-Recorder kam zu dieser Zeit die Musik von Tangerine Dream, meditativ schwoll das Brausen von ›Zeit‹ durch das Feuer in die Schwärze der Nacht hinaus, in den Baumwipfeln schaukelte sich leicht der Wind. In Matthes Augen, der mir gegenüber saß, brachen sich die Flammen des Feuers, und vom Dunkelbraun seiner Iris wurden winzig kleine Blitze in die uns einschließende Dunkelheit geschossen. Andy lächelte sein Lächeln. Danny führte mit dem Kassetten-Recorder in der Hand gleichmäßige Bewegungen wie ein Schnitter aus, die Musik wurde lauter und leiser, ein Mono-Rekorder auf dem Stereo-Trip.
Ich seufzte und verlor mich irgendwo.
›Sollen wir etwas Holz sammeln, Harry?‹ Andys Stimme holte mich aus einem Paradies zurück. Das Feuer war fast ausgebrannt. Weil ich wieder ins Paradies zurückkehren wollte, willigte ich ein, und wir gingen los. Zunächst fanden wir außer einem etwa armlangen Ast nichts Atemberaubendes und beschlossen daher, den Weg ein Stück hinauf in eine vor kurzem geschlagene Schonung zu gehen. Der Boden war uneben, und so gingen wir langsam. Kein Stern war zu sehen, und auch der Mond war hinter dichten Wolkenbänken verborgen, nirgendwo ein Licht. Wie aus dem Boden gewachsen tauchte plötzlich eine Gestalt vor uns auf. Mir blieb das Wort vor Erschrecken in der Kehle stecken. Anders Andy, reaktionsschnell holte er mit dem Feuerholz aus und war im Begriff, es dieser mit weit ausgebreiteten Armen dastehenden Gestalt auf den Schädel zu zerschmettern. Im letzten Augenblick gab er der Keule eine andere Richtung, und sie flog durch den dunklen Wald. Aus der Schwärze tauchte Dannys angstweißes Gesicht, denn er hatte uns nicht erschrecken wollen und daher die Arme zur Begrüßung weit ausgebreitet. Irgendwann, als wir anderen alle zu unseren eigenen subtilen Paradiesen wandelten, war er zu einem Spaziergang aufgestanden, ohne dass wir anderen etwas davon gemerkt hatten, und wir vermuteten ihn immer noch am abgebrannten Feuer.
›Danny Kowalski‹, machte Andy sich seiner Beklemmung Luft, ›du bist eben um ein Haar dem Tod von der Schüppe gesprungen!‹
›Ich auch, ich benötige eine sofortige Herzmassage‹, meinte ich. Und wir brachen alle in befreiendes Gelächter aus, denn auch Matthes war, durch den Lärm geweckt, zu uns gestoßen. Zu Viert sammelten wir dann schnell brauchbares Holz zusammen und gingen zu den Zelten zurück.
Bis auf etwas Glut war von unserem vormals prasselndem Feuer nichts mehr übrig geblieben. Ich holte also den Spiritus aus dem Wagen und goss einen dicken Strahl in das Glimmen – wovon sofort eine breite Flamme zum Ausgangspunkt zurücksprang, mir die Flasche aus der Hand riss und seinen nun brennenden Inhalt ins umliegende Gras schleuderte. Wir hatten ein Feuer gewollt, keinen Flächenbrand. Die Freunde schauten mich Verständnis suchend an, und alle schlugen wir dann mit Knüppeln und Decken auf die Brandherde ein. Wir hatten Erfolg.