Abenteuer & Impfen - Manfred Schloßer - E-Book

Abenteuer & Impfen E-Book

Manfred Schlosser

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Beschreibung

Als die großen Reisen in aller Weltgeschichte kamen, erst als Rucksack-Traveller in den 1970er Jahren, dann als Fernreisender in den 80er und 90er Jahren, da war dann dem Danny auch vor nix ekelig. Um irgend wohin einreisen zu dürfen, da ließ er sich freiwillig gegen Cholera, Pocken oder gar Gelbfieber impfen. Und jetzt auf einmal in den Jahren 2020/21 die Corona-Pandemie: da schien alles desolat und aussichtslos, bis auf einmal die ersten Impfstoffe dagegen entwickelt und dann sogar auch verimpft wurden. Das gab doch Auftrieb und Hoffnung auf das Überwinden der Pandemie. Wo früher - per se - oder später freiwillig, um in ferne Länder gelangen zu können, gerne und oft geimpft wurde, was das Zeug hielt... ... da kam doch Freude auf, dass es jetzt sogar eine gesamtgesellschaftliche Notwendigkeit gab, sich impfen zu lassen, um Corona zu vermeiden. Unglaublich, dass sich tatsächlich dagegen eine aus schwurbeligen Verschwörungstheoretikern gebildete ‚Querdenker‘-Szene entwickelt hatte, die nicht an Corona glaubten, und sich dabei und deshalb auch in asozialer Weise an nix und niemanden störten. Tja, früher ließ man sich gegen alles Mögliche impfen, ohne zu überlegen, was da wohl drin sein mag. Und jetzt ist das auf einmal so entscheidend wichtig.

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Für alle, die gegen Corona geimpft sind

Inhalt

Über den Autor

Personen

Durch ein Leben voller ›Abenteuer & Impfen‹

Zur Geschichte der Schutzimpfung

I. Kinder-Impfungen in den 1950er und 1960er Jahren

Zwischen Kohlenkasten und Impf-Ängsten

Impfungen in Kindheit und Jugend der 50er und 60er Jahre

II. Abenteuer & Reisen & Impfen in den 1970er Jahren

Als Kriegsdienstverweigerer unter Fallschirmjägern

Abenteuer & Reisen bis nach Afghanistan

Gelbfieber-Impfung vor der großen Amerika-Reise

III. Impfungen in den 1980er Jahren

Abenteuer in Südostasien

Karibik – Tropenfieber und Durchfall

IV. Prophylaxe in den 1990er Jahren

Indien – Ruhr oder Cholera

Denguefieber in Taiwan

Tropenfieber in Thailand

Tropentraum mit Tücken

V. Schutzimpfungen im neuen Jahrtausend

Koh Lanta, Thailand 2000

Hai-Alarm auf den Malediven

Stachelrochen-Verletzung in Ägypten

Schutzimpfungen im neuen Jahrtausend

VI. Corona-Pandemie und ihre Bekämpfung

Vom Affen aus Taiwan über die Fledermäuse von Chiang Mai zum Markt von Hunan

Nebenwirkungen und Symptome nach der 1. AstraZeneka-Impfung

(Fast) jeder könnte immun werden

Welcher Corona-Impfstoff ist der beste?

Corona-Leugner und Querdenker

Boostern, jetzt aber dalli

Die ›Internationale‹ der Corona-Pandemie

Epilog

Literaturverzeichnis

Danke an alle

39 °

»Nun, für uns alle bleiben noch Gebirgsketten zu durchqueren. Es war zwar paradox, aber das Reisen war eben nur eine Art Metapher für eine andere Reise – ein äußeres Symbol für ein inneres Vordringen in die Wirklichkeit.«

Lawrence Durrell

(aus: ›Texte von Fernweh und Reisefieber‹,

Hg.: Michael Kellner/Lothar Reese)

Es war kein Traum

»Er war genau das, was ich brauchte. Er war meine Krankheit gewesen, und er konnte meine Heilung sein. Denn Liebe ist Krankheit und Kur zugleich. Ich dachte an sein Versprechen. Ich werde Dir die Augen öffnen.«

Paul Theroux

(aus: ›Orlando oder die Liebe zur Fotografie‹)

Über den Autor

Manfred Schloßer, geboren 1951 in Selm, aufgewachsen in Datteln, wohnt seit 1980 in Hagen. Also ein Ruhri durch und durch: nach den Steinkohle-Städten Selm und Datteln wohnte er einmal in Meschede, im fernen Sauerland. Aber selbst dieser Ort liegt an der Ruhr. Danach folgten Wohnungen in der Ruhr-Metropole Dortmund und in seiner neuen Heimatstadt Hagen an der Ruhr.

Er studierte Sozialwissenschaft an der Bochumer Ruhr-Universität, Sozialarbeit an der Hagener Fachhochschule, Sozialpädagogik an der Dortmunder FHS und machte drei Diplome.

Zur Belohnung durfte er sein Geld als Leiter eines Abenteuerspielplatzes, eines Jugendzentrums und eines Jugendinformations-Zentrums verdienen und danach in einer Betreuungs-Behörde arbeiten.

Mittlerweile im ›Unruhestand‹, hat er noch viel mehr Zeit, seinen verschiedenen sportlichen Aktivitäten und natürlich seiner Leidenschaft fürs gedruckte Wort zu frönen.

Mit dem Roman ›Abenteuer & Impfen‹ erscheint 2022 bereits der fünfzehnte Danny-Kowalski-Roman.

Bisher erschienen: ›Brexit in Westfalen‹, Krimi 2021 ›Textilfrei unter Straßenräubern‹, Reise-Roman, 2020 ›Die sieben Leben eines Fußball-Fans‹, Fußball-Roman, 2019 ›Es geht eine Leiche auf Reisen‹, Krimi, 2018 ›Die sieben Jahreszeiten der Musik‹, Musikroman, 2017 ›Das Ekel von Horstel‹, Krimi, 2017 ›Wer andren eine Feder schenkt‹, 2016 ›Das Geheimnis um YOG’TZE‹, Krimi, 2015 ›Zeitmaschine STOPP!‹, Öko-Science-Fiction-Story, 2014 ›Leidenschaft im Briefkuvert‹, Liebesroman, 2013 ›Der Junge, der eine Katze wurde …‹, 2012 ›Keine Leiche, keine Kohle …‹, Ruhrgebiets-Krimi, 2011 ›Spätzünder, Spaßvögel & Sportskanonen‹, 2009 ›Straßnroibas‹, Reise-Roman, 2007 Weitere Informationen im Internet: www.petmano.jimdofree.com

Personen

Abteilung blutige Kindheit: Mutter Marie, Vadder Götz, Bruder Gerry und Omma Greta aus dem Saar gebiet begleiten und trösten, wo sie nur können

Reise-Abenteuer: Brieffreundin Charlotte Bagheri in Teheran besucht; mit den beiden Franzosen Jean-Francois und Pierre Afghanistan erlebt; der Plan, Matthes und Harry in Mexiko zu treffen; mit Lia Böchterbeck in der Karibik, und 3 Jahre später wieder mit Lia über die Insel Taiwan, zusammen mit ihrem damaligen Freund Flo und mit Marina; fünfmal mit Moni in Thailand, aber nur einmal auf Palawan, Philippinen, und den Malediven, dafür zweimal auf Sri Lanka und gleich dreimal zum Schnorcheln in Ägypten; Danny’s Hausarzt, ›Bush-Doctor‹ Herbie impft und heilt

Impfungen wegen der Corona-Pandemie: Danny Kowalski, Impfbefürworter aus Hagen Moni, Dannys Frau, sorgt sich, und ihre Katze Lilli schnurrt sich einen Igel Ignatz wird für den Winter aufgepäppelt Claudius vom Eilperfeld ist überbesorgt Dannys Sportkameraden vom FunOut Hohenlimburg nehmen es, wie es kommt, Impfen auf dem Weihnachtsmarkt für Stefan P. und Angie T., beim Hausarzt Thomas F. und seine Frau Susanne, oder im Impf-Zentrum für Gerd »Bobesch« Mattes und dessen Lebensgefährtin Anngrit. Dannys frühere Arbeitskollegen machen unterschiedlichste Erfahrungen: Lia B. mit normalen Nebenwirkungen, Ex-Kollegin Katja nach ›Kreuz-Impfung‹ mit starken Nebenwirkungen und Marco S. hat Long-Covid. Dattelner und Ex-Dattelner: Sister BärBel und Schwager Bert sind voll dabei; Harry, seine Frau Doro und deren Tochter sind in guten Händen; seine Schwä gerin Karla Berg macht in ihrem Kindergarten in Gelsenkirchen extreme Er fahrungen über Corona; Pitter O. aus der »Runkeltaiga« hat alles im Blick. aus Hessen und jottwede: Monis Mutter und Schwester Bine in Hessen sinddreimal geimpft, aber müssen total aufpassen; Betty, Dannys Ex-Schwägerin aus Hamburg macht in »modernes Abenteuer & Impfen», da geboostert, will aber trotzdem Sohn und Enkelin im Katastrophengebiet London sehen; Co rinna und Joss, Dannys Freunde aus Berlin, sind Impfgegner.

Durch ein Leben voller ›Abenteuer & Impfen‹

»Nur ein kleiner Piekser am Oberarm,

… aber ein großer Schritt für die Menschheit«

Impfen gehörte für die Kinder wie Danny und seine Freunde und Mitschülerinnen in den 1950er und 1960er Jahren zum alljährlichen Pflichtprogramm: genauso wie Zeugnisse, Ende der Sommerferien oder Frühmessen war es den Kindern und Schülern lästig, aber da musste man halt durch …

Von den Kinder-Impfungen in den 1950er Jahren wie gegen Tuberkulose (Tbc), Diphtherie und Tetanus, oder gar die leckere Schluck-Impfung auf einem Stück Würfelzucker gegen Polio (Kinder-Lähmung), bis zu den berühmt-berüchtigten »Zwölf-Jahres-Impfen« in den Oberarm (gegen Pocken) …

Aber auch später beim »Bund», also als Danny bei den Fallschirmjägern diente, bekam er die Tetanus-Spritze. Widerspruch war zwecklos.

Und dann kamen die großen Reisen in aller Weltgeschichte: da war dem Danny auch vor nix ekelig. Alleine hatte er, um in die Türkei und in den Iran einreisen zu dürfen, sich schon 1973 gegen Pocken impfen lassen. Um dann in Afghanistan einreisen zu dürfen, bedurfte es Cholera-Impfungen: zwei Stück im Abstand von einer Woche, die eine in Teheran, die zweite in Mashad im Nordosten vom Iran. Glück hatte Danny dabei, dass damals das Gesundheitswesen in Persien kostenlos war, so brauchte er auch nix für die beiden Impfen zu bezahlen. Aber die wurden an der Grenze zu Afghanistan im dortigen Gesundheitsamt trotzdem sehr gründlich geprüft.

Für seine Amerika-Reise hatte sich Danny 1978 sogar prophylaktisch gegen Gelbfieber impfen lassen. Denn dabei plante er, Mexiko und die Karibik zu bereisen. »Man weiß et ja nie, ob das dafür vielleicht dann mal gebraucht würde …!?«

Auch später war es nicht anders: für Tropen-Reisen nach Thailand, Taiwan, Sri Lanka, Indien, Philippinen, Malediven, Mauritius oder die karibische Inselwelt, da war doch zumindest eine Malaria-Prophylaxe angesagt. Da pfiffen sich dann Danny und auch seine – erst Freundin, Lebenspartnerin, dann Ehefrau Moni – die entsprechenden Tabletten gegen Malaria ein, vor der Reise, bei der Reise und nach der Reise, wie es der Plan erforderte …

… jedenfalls solange es ihnen gut bekam. Erst als es Moni durch die regelmäßige Tabletteneinnahme schlecht ging, ließen sie es nach und nach bleiben …

Und jetzt auf einmal in der Neuzeit der Jahre 2020/21 die Corona-Pandemie: da schien es alles desolat und aussichtslos, bis auf einmal die ersten Impfstoffe dagegen entwickelt und dann sogar auch verimpft wurden ….: bravo, jupeidiii, und jupheidaaaa …!! Das gab doch Auftrieb und Hoffnung auf das Überwinden der Pandemie.

Wo früher – per se – oder später freiwillig, um in ferne Länder gelangen zu können, gerne und oft geimpft wurde, was das Zeug hielt.

Über diese ›Abenteuer-Impferei‹ hatte Dannys Freund Harry eine klare Meinung: »Und was wird heute für ein Aufwand darum gemacht. Ein Teil der Nappos, die jetzt lärmend auf die Straßen gehen, haben sich vor Corona widerstandslos Pillen oder Spritzen gegen Gelb-, Dengue- oder sonst ein Fieber, geben lassen, weil sie afrikanische Savannen oder asiatische Sumpfgegenden im Urlaub erobern wollten. Und jetzt schreien sie Zeter und Mordio.«

Genau dieser Meinung war auch Danny: »Da kommt doch Freude auf, dass es jetzt sogar eine gesamtgesellschaftliche Notwendigkeit gibt, sich impfen zu lassen, um Corona zu vermeiden. Unglaublich, dass sich tatsächlich dagegen eine aus schwurbeligen Verschwörungstheoretikern gebildete ›Querdenker‹-Szene entwickelte, die nicht an Corona glaubt, und sich dabei und deshalb auch in asozialer Weise an nix und niemanden stört …!?!«

Nun denn, für die Willigen gab es inzwischen im Jahr 2021 endlich Impfstoffe, die heiß umkämpft waren: die von Biontech oder die von AstraZenica. Da gab es alberne Wettstreite, welche besser wären oder besser wirken, oder gar schädlicher als andere sein sollten. Das erinnerte Danny an die albernen Streitigkeiten aus seiner Kindheit, welche Füller mit Patronen besser wären: Geha oder Pelikano. Oder gar später in seiner Jugendzeit, als es Marken-Sportschuhe gab: die einen schworen auf Adidas, die anderen auf Puma.

Tja, früher ließ man sich gegen alles Mögliche impfen, ohne zu überlegen, was da wohl drinne sein mag. Und jetzt ist das auf einmal wichtig: »Nee, von dem will ich nicht, ich warte lieber auf den anderen Impfstoff …«

»Baah, Hauptsache der ist gegen Corona,« sach ich da nur …

Zur Geschichte der Schutzimpfung

Nicht die Spanier hatten die Inkas besiegt, sondern sie wurden von den eingeschleppten Pocken ausgerottet.

Bei der Pocken-Pandemie im 19. Jahrhundert gab es auch schon viele Deutsche, die sich gegen eine Schutzimpfung wehrten. Selbst der berühmte deutsche Philosoph Immanuel Kant wetterte gegen sie.

Erfunden von Edward Jenner, der im 19. Jahrhundert durch Zufall entdeckte, dass jemand, der mit Kuhblut geimpft worden war, gegen Pocken immun wurde.

»Die erste Schutzimpfung gegen eine Infektionskrankheit war die Kuhpockenimpfung. Als ihr Entdecker gilt der englische Landarzt Edward Jenner (1749–1823). Dass Kuhpocken, die beim Menschen nur lokale, meist von selbst ausheilende Infektionen verursachen, Immunität gegen die gefährlichen Menschenpocken verleihen könnten, war in der bäuerlichen Bevölkerung im 18. Jahrhundert durchaus bekannt. Auch Edward Jenner war in seiner Praxis schon früh mit dieser Vorstellung konfrontiert worden. 1780 begann er, Fälle von Patienten zu sammeln, die an Kuhpocken erkrankt waren und anschließend nicht mehr an den ›Blattern‹, wie man die Menschenpocken damals nannte. Der entscheidende Versuch fand am 14. Mai 1796 statt: Damals impfte Jenner den achtjährigen James Phipps mit einer Kuhpockenpustel, die sich auf dem Arm der Viehmagd Sarah Nelmes gebildet hatte. Wie erwartet, entwickelte sich bei dem Knaben ein leichtes Fieber, das bald abklang. Nach sechs Wochen wagte es Jenner, ihn künstlich mit Menschenpocken zu infizieren. Das riskante Experiment glückte – der Junge erkrankte nicht. Jenner sah sich bestätigt und veröffentlichte 1798 seine Entdeckung in einer Schrift über die Wirkung der Kuhpockenimpfung, die ihn rasch berühmt machte und zu Recht in die Annalen der Medizingeschichte eingegangen ist. Die ›Vakzination‹ – der Terminus ist von dem lateinischen Wort vacca für ›Kuh‹ abgeleitet – war erfunden.«*

Die Pocken-Pandemie war womöglich die schlimmste aller Epidemien, die die Menschheit kennen gelernt hat: »Noch im 20. Jahrhundert hatte das Virus mindestens 200 Millionen Menschenleben ausgelöscht. Fünf mal so viele, wie dem zweiten Weltkrieg zum Opfer gefallen waren.« **

Nach Edward Jenners grandioser Entdeckung, gegen Menschen-Pocken mit Kuhpocken anzuimpfen, folgte im 20. Jahrhundert eine weltweit erfolgreiche Bekämpfung der Pocken durch Impfungen, bis hin zur Ausrottung der Krankheit: »1980 erklärte die Weltgesundheitsorganisation die Welt für pockenfrei.« **

Daraus entstand der Schluss zur Covid-Pandemie 2021: »Mit Blick auf den fast zweihundertjährigen Kampf gegen Menschenpocken kann kein Zweifel daran bestehen, dass es einen kausalen Zusammenhang zwischen dem endgültigen Verschwinden dieser Seuche Anfang der 1980er Jahre und einer konsequenten Massenimpfung gibt. Bei anderen Infektionskrankheiten ist die historische Evidenz nicht so eindeutig. Derzeit wartet die Welt auf einen wirksamen Impfstoff gegen Covid-19. Nach einer aktuellen Meinungsumfrage würde sich mit 67 Prozent eine Mehrheit der Deutschen für eine Impfung gegen das neuartige Corona-Virus entscheiden. In der Gruppe der G7-Staaten liegt die Bundesrepublik damit allerdings nur auf dem vorletzten Platz.« *

Es war ja nicht so, als hätten der Brite Edward Jenner oder gar die Europäer das Impfen als medizinisches Instrument gegen Infektionskrankheiten erfunden. Nein, nein, in Indien, im Nahen Osten oder gar in China wurde schon seit Jahrtausenden erfolgreich geimpft.

»Die Geschichte der Impfungen ist faszinierend: Vor mehr als 200 Jahren revolutionierten sie dank ihrer Schutzwirkung vor Infektionskrankheiten die Medizin in Europa. Tückischen Krankheiten wie Pocken oder Tuberkulose konnte so der Kampf angesagt werden. Heute steht uns eine Vielzahl von Impfungen zur Auswahl – ob gegen Corona, Hepatitis oder Tetanus. Dabei wird zwischen unterschiedlichen Arten entschieden: Neben Lebend- und Totimpfstoffen gibt es auch mRNA- oder Vektor-Technologien. Doch wie lange sind die jeweiligen Typen eigentlich schon erforscht?

In Europa prägte der englische Landarzt Edward Jenner (1749-1843) das Prinzip der Schutzimpfung maßgeblich, wie die Bundeszentrale für politische Bildung (BPB) erklärt. Er entwickelte eine Impfung gegen Kuhpocken, die er 1796 erstmals erprobte: Jenner impfte einen Achtjährigen zu diesem Zweck mit der Flüssigkeit aus der Kuhpockenpustel einer Erkrankten. Der Junge reagierte darauf mit leichtem Fieber. Sechs Wochen später brachte Jenner ihn mit Menschenpockenerregern in Kontakt – und stellte fest, dass das Kind dank der Impfung mit Kuhpocken eine Immunität gegen Menschenpocken entwickelt hatte.

Geschichte der Impfungen: Ursprung außerhalb Europas

Jenners nach heutigen Maßstäben unethischen Versuche an dem achtjährigen Jungen brachten einen Stein ins Rollen: Impfungen wurden im Kampf gegen Pocken zunehmend populär. Rund zehn Jahre später – im Jahr 1807 – führte das Königreich Bayern eine Impfpflicht gegen die lebensbedrohliche Infektionskrankheit ein.

Wenig bekannt ist die Tatsache, dass das Prinzip der Variolation bereits lange zuvor außerhalb Europas praktiziert wurde: Dafür wurden ebenfalls Gesunde zwecks Immunisierung mit Krankheitserregern konfrontiert, die wiederum infizierten Personen entnommen wurden – zum Beispiel in Form von Eiter aus Pockenpusteln. In Indien waren ähnliche Methoden schon rund 1000 Jahre vor Christus bekannt, heißt es in einem im Fachblatt »The Indian Journal of Medical Research« erschienenen Artikel. Auch in China, im Nahen Osten und wahrscheinlich auch Teilen Afrikas wurde Variolation durchgeführt. Sie können laut »Ärzteblatt« als frühe Form von Lebendimpfungen bezeichnet werden.«***

*Robert Jütte, 6.11.2020, aus: BPB (Bundeszentrale für politische Bildung), https://www.bpb.de/apuz/weltgesundheit-2020/318298/zur-geschichte-der-schutzimpfung

**Ingar Johnsrud – Der Hirte, München 2017, S. 372 + 374

***Rabea Erradi – Die Geschichte der Impfungen, WR-E-Zeitung vom 05.11.2021

I. Kinder-Impfungen in den 1950er und 1960er Jahren

Zwischen Kohlenkasten und Impf-Ängsten

oben links: Dannys erste Pockenschutzimpfung 1953 in Selm-Bork, rechts daneben: Danny mit Harry S. zur gleichen Zeit auf dem Schlitten in Selm. Mittlere Reihe rechts: Pockenschutz-Wiederimpfung (die sogenannte Zwölfjahres- Impfung) von 1964, links daneben: Schneeballschlacht mit Bruder Gerry, etwa dieselbe Zeit.

Untere Reihe links: die Schutzimpfungen in den 1950er und 1960er Jahren, rechts daneben: Danny als Kletter-›Affe‹ auf der schwedischen Schäreninsel Tjörn 1963

Danny wurde 1951 in Selm geboren, wo er aber nur die ersten zweieinhalb Jahre verbrachte.

Danach lebte er mit seinen Eltern und dem älteren Bruder in der Dattelner Zechensiedlung Meisterweg, direkt neben der Zeche Emscher-Lippe, Schacht I/II. Man hielt sich in den 1950er Jahren entweder draußen beim Spielen, oder wenn schon drinnen, dann meist in der Wohnküche auf, das Zentrum jeder Wohnung. Denn dort stand der kohlenbetriebene Herd, der einzige Ofen in der Wohnung und gleichzeitig die Kochstelle in einem. Das interessierte das neugierige Krabbelkind Danny. Er wusste noch nicht viel vom Leben, aber er wusste, wie lecker ein gutes sauberes Stück Steinkohle schmeckte. Das hatte er sich krabbelnder Weise in der Wohnküche aus dem Kohlenkasten erhascht.

Jedenfalls so’n Stück Kohle: »Lecker, wa?!« Geschadet hat es Danny wohl nicht, denn ›Dreck soll ja angeblich den Magen reinigen.‹

Da wusste er noch nix davon, dass die junge BRD radikal alle Seuchen und Kinderkrankheiten durch systematisches Impfen ausmerzen wollte. Bei den Wirtschaftswunderkindern der 1950er Jahre ging es schon als Baby los. Meist war die oberste Eintragung in ihrem Impfleben die Erstimpfung gegen Pocken im ersten Lebensjahr. Bei Danny war es anders, er war damals als Zweijähriger schon ›fast lebenserfahren‹, hihi …

Da gab es als Dogma den Pass-Vermerk: ›Durch diese Impfung ist der gesetzlichen Pflicht nach dem Impfgesetz vom 8. April 1874 genügt.‹ Basta!

Aber die BRD ruhte sich auf diesem Baby-Gepiekse nicht aus. In den 1950er und 1960er Jahren folgte eine Reihe von mehr oder weniger schrecklichen Impf-Ereignissen für die jungen Buben und Mädels der damaligen Volksschulen. Jedenfalls erging es Danny so. Wie die meisten Kinder hatte er Bammel vor den Spritzen, die großzügig und ohne Diskussionen verteilt wurden. Da gab es Diphtherie und Tetanus, Polio und Tbc zu bekämpfen. Also rein damit, mit dem Impfstoff in die Kinder-Oberarme und –Oberschenkel. Da wurde gespritzt, was das Zeug hielt …

Der neue schöne Impfpass zeugte davon. Bereits 1963 war das kunstvoll wie ein Tempo-Taschentuch gefaltete sogenannte Impfbuch nicht mehr ein-, sondern dreifarbig: weiß mit integrierten grün und rosa Impfscheinen.

Und es war ja gar nicht so verkehrt, den Kiddies in den 50er und 60er Jahren die Impf-Sera zu verabreichen. Denn viele gefährliche Kinderkrankheiten waren noch zu bekommen, die waren noch nicht ausgerottet. Danny hatte selber als Kind, im Alter von etwa sieben oder acht Jahren, Diphtherie bekommen. Deshalb musste er auch für zwei Wochen ins Krankenhaus: Einzelzimmer, nicht aus Komfort-Gründen, sondern wegen Ansteckungsgefahr. Und da ging es um Leben oder Tod bei ihm, wie ihm Jahre später berichtet wurde. Na ja, war ja noch mal gut gegangen. »Die Diphtherie, auch Bräune oder Halsbräune, zu Beginn des 20. Jahrhunderts noch ›Würgeengel der Kinder‹ genannt, ist eine vor allem im Kindesalter auftretende, akute Infektionskrankheit, die durch eine Infektion der oberen Atemwege mit dem ›Diphtheriebazillus‹, hervorgerufen wird (Rachendiphtherie). Gefürchtet ist das von diesem Erreger abgesonderte Diphtherietoxin, das zu lebensbedrohlichen Komplikationen und Spätfolgen führen kann. Hiervor schützt der Diphtherie-Impfstoff. Diphtherie ist in Deutschland, Österreich und der Schweiz eine meldepflichtige bzw. anzeigepflichtige Krankheit.«*

Von daher war Dannys Diphtherie-Impfung in der Dattelner St. Josefs-Volksschule im Okt./Nov. 1959 nicht gar so verkehrt. Sie wurde im Sept. 1963 dann sicherheitshalber noch mal aufgefrischt. Beide Impfungen gab es jeweils im Doppelpack mit einer Tetanus-Impfe. Die Kombination ›Diphtherie und Tetanus‹ ist Danny genau wie seinen Altersgenossen deshalb sehr geläufig. Obwohl ja Tetanus eigentlich Wundstarrkrampf heißt und mit Diphtherie gar nix zu tun hat. Na ja, vielleicht vertragen sich die beiden Impfstoffe so gut miteinander …?

Impfungen in Kindheit und Jugend der 50er und 60er Jahre

Die berühmt-berüchtigte »Zwölf-Jahres-Impfe« gegen Pocken in den Oberarm bekam Danny Kowalski übrigens erst mit 13 Jahren – schon in der Realschule in Oer-Erkenschwick. Die war in sofern berüchtigt, als mit nem scharfen Messer, womöglich nem Skalpell, den jungen Menschen zwei Ritze in den Oberarm geschnitten wurden. Und die mussten dann auch noch »aufgehen», d.h. also ein Zeichen dafür, dass sie angeschlagen hatten. Eine ganze Generation aus den 50ern hatte wie Danny und Moni und auch noch deren Eltern deshalb die bezeichnenden Doppelnarben an den Oberarmen.

Eine der Kinder-Impfungen zeichnete sich durch ein besonderes Instrument aus: ein quadratisches Stempelkissen mit 36 Nadeln wurde den Kiddies in den Bollen gerammt, also in den Oberschenkel, ob sie es wollten oder nicht (das war wahrscheinlich die Tbc-Impfung). Dafür gab’s die nur einmal.

Blutige Kindheit

Es gab da ja wirklich diverse Gründe für eine Tetanus-Impfung, denn das Spielen in den 50er Jahren war nicht immer ungefährlich. Es war mitunter eine blutige Kindheit. Wie zum Beispiel im Jahre 1955, als es erst ne astreine Schneeballschlacht mit Bruder Gerry gab. Danach wurde Danny zusammen mit seinem Bruder Gerry vom Vadder Götz in die Haardt in der Nähe von Oer-Erkenschwick gefahren, zum Schlitten fahren. Der Schlitten mit den beiden Jungens drauf fuhr bergab, wurde durch eine Bodenmulde aus dem Rhythmus gebracht und holperte in ein Schneeloch hinein. Danny saß vorne und rutschte durch den Stoß gegen den Schlitten noch weiter nach vorne über den Schlitten hinaus, ins Schneeloch: »Boah …!!!« Und sein Bruder Gerry fuhr mit den Schlittenkufen über Danny hinweg. Das brachte ihm ein blutiges Gesicht. Seine Mutter war entsetzt, als sie nach Hause kamen und schimpfte wie ein Rohrspatz. Aber es war alles gar nicht so schlimm …!

Schlimmer war da schon ein paar Monate später der Unfall in Datteln, Meistersiedlung, mit dem Tretroller. Wieder fuhr Bruder Gerry, dieses Mal den schlaglochübersäten Meisterweg entlang. Danny stand vor ihm mit dem kleinen Gesicht auf Lenkerhöhe. Wieder war es ein Loch im schwarzen koh-lefarbigen Aschenweg, der ihr Gefährt zum Stocken brachte. Doch dieses Mal segelte Danny über den Lenker und flog auf die Schnauze. Aber noch mal Glück im Unglück gehabt, denn es war wieder nix weiter passiert …!

Dagegen trug Danny von einem blutigen Erlebnis in den Sommerferien 1959 bei Omma Greta aus dem Saargebiet in Saarlouis-Beaumarais eine bleibende Trophäe mit heim, die er auch heute, 60 Jahre später, immer noch in seiner rechten Handfläche als bleibende Narbe behalten hat. Die Kinder spielten dort in den Büschen und krabbelten auf allen Vieren herum. Dabei tapste Danny mit der rechten Hand in eine Scherbe. Laut lamentierend und blutend wie ein Schwein lief er zur Omma. Beide Hände waren blutüberströmt, weil er sie gegen einander hielt, um den Blutfluss zu stillen: aber vergeblich! Die Oma wusch ihm erst Mal mit fließendem Wasser unterm Wasserhahn die Hände, um zu schauen, wo denn überhaupt die Wunde war. Nachdem der Quell des roten Flusses geortet war, klemmte ihm ein Mann aus der Nachbarschaft die Hautfalten in der Innenhandfläche grob zusammen, Verband drum, und fertig. Noch heute hat er die dreieckige Narbe in der rechten Hand als Kindheitstrophäe zur stetigen Erinnerung zurück behalten …!

Apropos Trophäen: um die 1960 muss es gewesen sein. Da verlief das sogenannte »Wolfsspiel« auf der Mauer um die St. Josefs-Volksschule in Datteln-Hagem zusammen mit Pitter O. aus der Meistersiedlung weniger schön. Sie saßen sich beide rittlings auf der nur einen halben Meter hohen Mauer gegenüber und »griffen sich mit den Tatzen an«. Das Ergebnis: Danny fiel von der Mauer runter, schabte sich dabei das rechte Knie und den rechten Ellenbogen so stark auf, dass er mit dem Notfallwagen, Blaulicht und Tatütata ins Krankenhaus transportiert werden musste. Dort wurde er an beiden Wunden genäht und musste mit einer steifen Beinschiene zwei Wochen lang liegend im Krankenhaus verbringen. Boah, was für ein Aufwand für eine nur einen halben Meter hohe Mauer …?!

Tja, bei all dem Klettern in Bäumen und den Scherben beim Krabbeln im Gebüsch, da lag die Tetanus-Impfung in den 50er und 60er Jahren wirklich sehr nahe.

Aber auch Polio, also die Kinderlähmung, gab es damals wirklich: kein Scherz. Von daher war die Schutzimpfung dagegen ohne Zweifel wichtig. Aber das war ja die auf den Würfelzucker-Stücken. Die war dermaßen beliebt bei den Kiddies in den 60ern, da liefen die Gesundheitsämter sowieso nur offene Türen ein …

Weitaus weniger beliebt war bei Danny und seinen Altersgenossen, wenn Muttern mit der Tube Lebertran ankam, entweder als Drohung oder gängiges Allzweckmittel gegen alle Krankheiten. Boah, Lebertran schmeckte sowatt von schäbbich.

»Bah, geh mi wech mit dem Zeug …!« kam es aus entrüsteten Kinderkehlen geschrien, wenn Mutter Marie die Tube auspackte. Danny wusste damals gar nicht, dass Lebertran irgendwie aus was vom Wal hergestellt wurde …? Vielleicht hätte er dann etwas mehr Achtung davor gehabt. Auf jeden Fall ging es ihm dabei genauso wie den meisten anderen 50er-Jahre-Kindern, dass er besser gar nicht erst krank wurde, damit das Thema Lebertran bloß nicht aufs Tapet kam …

No Impfen, no cry – die ›Zeugen Jehovas‹

Dann gab es allerdings auch Kinder von religiös heiklen Sekten wie die »Zeugen Jehovas« oder andere Pfingstler. Ich erinnere nur an unsere beiden Klassenkameraden Dieter Buchara und Peter Zaschke, die beiden »armen Teufel«. Die waren doch von ihren Eltern und deren Religion so was von außen vor, bemitleidenswerte Außenseiter. Denn sie durften so einiges aus religiösen Gründen nicht: OP’s waren nicht geduldet, Impfungen auch nicht, und Tanzkursus stand ebenfalls auf ihrer Tabu-Agenda. Da blieben die sonst so geduldig predigenden »Zeugen« knallhart.

Tja, so ne Kindheit in den 50ern und 60ern, das war nix für Weicheier: da wurde geimpft, was das Zeug hielt. Da wurde auch nicht groß bei den Eltern um Erlaubnis gefragt. Die Schüler in den jeweiligen Volks- oder Realschulen machten sowieso, was die Lehrer wollten. Das war alles noch vor den 1968er Jahren, die den jungen Menschen die Traute und Solidarität für Widerspruch erst ermöglichten.

Oder wurden die Eltern womöglich doch um ihr Einverständnis gefragt. »Lang, lang ist’s her. Und ich kann mich an so watt nicht erinnern …,« meinte Danny 60 Jahre später. Doch seine jüngere Schwester BärBel erinnerte sich noch besser an das Impfen in ihrer Kindheit: »Ne, ne, da gab es garantiert keine Einverständnis-Erklärungen der Eltern, höchstens mal schriftliche Mitteilungen über die Impftermine. Zumal diese Impfen damals alles Pflichtimpfungen waren.«

Und Dannys Freund Harry hatte dazu eine klare Meinung: »Das Wort Impfen hat gegenwärtig ja eine besondere Sprengkraft, wenn auch eine mir völlig unverständliche. Du und ich, unsere Generation überhaupt, steht im allgemeinen dem Impfen recht aufgeschlossen gegenüber. Als Kind gab es die eine oder andere Impfung gegen dies und das. Meine Eltern als meine Erziehungsberechtigten haben nie auch nur eine Sekunde gezögert, wenn es darum ging, eine Einverständniserklärung zu unterschreiben, dass ich am nächsten Tag in der Schule gegen Pocken, Pest und andere Pusteln geimpft werden sollte. Ich habe es dann hingenommen, wenn mir mit Spritze, Skalpell oder Stempelnadeln Lebend- oder Todviren oder Bakterien injiziert wurden. Einen Eingriff in meine physische Selbstbestimmung habe ich damals nie davon abgeleitet, eher war ich froh, dass ich nun gegen Pestbeulen oder spastische Verformungen meines Körpers gefeit gewesen war.«

Danny fragte bei seinem alten Kollegen Bodo Rank aus dem Hagener Stadtmuseum nach, ob er sich an eine schriftliche Einverständniserklärung der Eltern wegen der Impferei erinnern konnte. Die Antwort von Bodo am 03.01.2022 lautete: »Hi Danny. Zu deiner Frage, da bin ich eigentlich ein wenig überfragt. Ich meine aber, es hätte eine Impf-Pflicht gegeben, wo du dann auch nicht das Einverständnis der Eltern benötigt hast. Herzliche Grüße von Bodo.«

Dannys Historiker-Freund Harry schickte noch eine Email hinterher: »Als Historiker habe ich nach Fakten gesucht und zusätzlich Zeitzeugen befragt. Ich habe noch meinen alten Impfausweis, an dem zusätzlich noch amtliche Zettel aus früheren Jahren angetackert sind. Es sind Mengen an Einträgen vorhanden, viel Polio, aber auch Pocken, Diphtherie und andere Seuchen. Die Einträge fangen in der ersten Hälfte der 60er an, mein Geburtsjahr ist 1954. Der besagte Impfausweis war, was mehr als anzunehmen ist, in der Obhut meiner Eltern (und nicht unter meinem Kopfkissen). Den drückten sie uns in die Hand, wenn die Nadel, der Stempel, das Skalpell oder der Zuckerwürfel angesagt waren. Deshalb mussten die Eltern vorher darüber informiert worden sein, wahrscheinlich durch uns, die von den Lehrern:innen in der Schule instruiert worden waren. Ich erinnere mich an Zettel, die meine Eltern unterschreiben mussten, damit ich mich in die Reihe der Impflinge stellen konnte.

Zeitzeugin Doro bestätigt das. Die Eltern mussten zustimmen, damit die Sache ihren Lauf nehmen konnte.

Zeitzeuge Eddie erinnert sich daran, dass die Schluckimpfung von Teams des Gesundheitsamtes in der Schule durchgeführt wurde, andere aber im Gesundheitsamt an der Friedrich-Ebert-Straße. Da trat man im Klassenverband an, zu unseren Zeiten noch Jungen auf der einen und Mädchen auf der anderen Seite.

Schlangestehen für die Gesundheitsvorsorge, die vom Kleinen ins Große geht – heute kein selbstverständlicher Akt mehr. Wir mit unserer Haltung und unserem Blick auf den anderen scheinen ein Auslaufmodell zu sein. Aber Scheiß drauf, wie andere mich sehen, für mich ist heute Solidarität vor Individualität von Wert.«

Auch einen anderen Ex-Kollegen befragte Danny nach den Einverständniserklärungen der Eltern zu Impfungen ihrer Kinder. Simon Andreasen aus dem Hagener Archiv antwortete am 14.01.2022: »Hallo Danny, ich habe nur schwache Erinnerungen an meine Impfungen in der Kinderzeit. Soweit ich mich aber erinnern kann, gab es keine Einverständniserklärungen der Eltern, sondern lediglich die Info, wann sich die Kinder wo einzufinden hatten.«

Tja, es wogte also hin und her, die Frage nach einer schriftlichen Einverständniserklärung der Eltern wegen der Impferei in den 50er und 60er Jahren, oder ob sie wegen der Impfpflicht gar nicht nötig war …?

Letztlich mochte es Danny aber auch egal sein: wichtig war, dass in seiner Kindheit und Jugend in den 1960er Jahren alle einig waren, Eltern, Lehrer, Gesundheitsamt und die Kinder selber: »Geimpft wird, das hilft, die Krankheiten oder Seuchen zu vermeiden, zu vertreiben.« Da herrschte große Einigkeit bei allen, bis auf vielleicht bei den Zeugen Jehovas.

*Wikipedia – Diphtherie, vom 08.04.2021

II. Abenteuer & Reisen & Impfen in den 1970er Jahren

Als Kriegsdienstverweigerer unter Fallschirmjägern

Im Corona-Jahr 2021 erinnerte sich Danny Kowalski auf einmal am 1. Juni: »Boah, genau heute vor 50 Jahren, da startete ich in eine meiner merkwürdigsten Expeditionen im Leben. Und zwar sehr früh am Morgen in Recklinghausen am Hauptbahnhof. Der Zug ließ mich zur Zwischenstation in Wildeshausen raus, wo ich noch am selben Tag in kratziges Oliv-grün eingekleidet wurde …«

1971 waren wir auch oft in der »wilden« Natur, draußen im Wald wurde gerödelt. Verletzungen blieben nicht aus und gab es häufiger. Und die Tetanus-Spritze beim »Bund», also als Danny bei den Fallschirmjägern diente, wurde unumgänglich. Da verweigerte sich niemand gegen. Dreimal wurden alle Soldaten in der Kompanie gegen Tetanus geimpft, dadurch war auch Danny komplett gefeit.

als KDV unter Fallschirmjägern 1971 oben links: Wehrpass und Schießbuch, rechts: Tetanus-Impfung; Mitte: der wehrhafte Jäger Danny Kowalski; unten links: Anerkennung als KDV, rechts: ZDL-Dienstausweis

Das war also Dannys kurze, aber intensive ›Karriere‹ bei der Bundeswehr: vom 01.06. bis zum 31.10.1971 bei den Fallschirmjägern. Danach machte er nach seiner Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer noch 13 Monate Zivilen Ersatzdienst.

Die Musterung vor dem Kreiswehrersatzamt in Recklinghausen verlief ziemlich grotesk. Schon damals hatte Danny ›Knie‹. Um sein linkes Knie war eine elastische Binde gewickelt, weil er mal wieder vom Schulsport ein dickes Knie hatte. Alle Sprungübungen wie Hochsprung, Weitsprung, Bocksprung, Pferdsprung und Kunstspringen vom Brett ins Wasser machten ihm dicke Knie. Sein Hausarzt meinte: »Mit dem Knie müsste er nie und nimmer zur Bundeswehr.« So überwies er ihn zu einem Gelenk-Spezialisten in Herten, wo ihm ein unheilbares Kapsel-Leiden diagnostiziert wurde. Mit diesem Attest wurde er auch bei der Musterung vorstellig. Die Männer dort hatten jedoch nix eiligeres zu tun als über ihn abzulästern: »Was haben Sie denn da für’n lustigen Verband ums Knie!?« Das Ergebnis des Musterungsbescheides war dann auch entsprechend bizarr: Danny war für fast alle Waffengattungen untauglich, bis auf vier, wovon eine die Fallschirmjäger waren …! Als wollten sie sich über ihn lustig machen …!?

Trotzdem fand er sich am 01.06 1971, kaum das Abitur eine Woche vorher bestanden, im olivgrünen Soldaten-Outfit bei den Fallschirmjägern in Wildeshausen wieder, genauer gesagt beim 2. FschJgBtl. 272. Denn er hatte dann doch noch nicht verweigert, obwohl ihm eigentlich danach war. Aber weil sein Vadder zu recht behauptete, mit seinem Berufswunsch »Volkswirtschaftler« brauche er sich gar nicht erst für eine Stelle zu bewerben, wenn er denn KDV’ler würde.