Die Torstein Saga Band 3 - Oliver Grudke - E-Book

Die Torstein Saga Band 3 E-Book

Oliver Grudke

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Beschreibung

Das Böse hat endgültig die Macht übernommen. Die todeshexe Amarelia richtet ihren Blick auf die Rache. Marius und seine Freunde hoffen auf die Hilfe der weißen Fee. Doch diese versagt ihm jegliche Unterstützung und er bleibt mit seinen Freunden auf sich selbst gestellt. Wird das Gute siegen? oder wir am ende der Tod und seine Hexe alle vernichten?. Teil 3 der Torstein Saga

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Oliver Grudke

 

Torstein Saga

Band 3

Mors Viva

 

 

 

 

© 2023 Oliver Grudke

Website: www.torsteine.de

Lektorat von: tredition Verlag Hamburg

Coverdesign von: torsteine.de

Verlagslabel: torsteine.de, www.torsteine.deISBN e-Book 9783989958920Druck und Distribution im Auftrag des Autors:

 

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Für die Inhalte ist der Autor verantwortlich. Jede Verwertung ist ohne seine Zustimmung unzulässig. Die Publikation und Verbreitung erfolgen im Auftrag des Autors, zu erreichen unter: Oliver Grudke, Ebingerstraße 52, 72393 Burladingen, Germany. 

 

Prolog

 

Nun ist es auch Ihnen aufgefallen! Oder? Ja, die Welt ist aus den Fugen geraten. Es herrscht Egoismus, Kapitalismus, Neid und Hass. Für eine kurze Zeit hatten wir, die Menschheit, die Chance auf eine Veränderung hin zum Besseren gehabt.

Doch die hatten wir vertan! Das Böse kam nicht von außen, nein es schlummerte tief in uns allen.

Friedliche Menschen bekriegen sich von einem Tag auf den anderen. Zu essen haben nicht alle auf der Erde, doch Waffen gibt es im Überfluss.

Es zählt nur das Perfekte! In allen Dingen, dem Sein, dem Tun, sogar in den Gedanken.

Doch all jene tun mir leid.

Ein letztes Mal werde ich nun versuchen, Sie mitzunehmen auf die Reise unsere Freunde. Eine Suche nach Frieden und Freude. Nach gemeinschaftlichem Zusammenleben, Glück und einer ausgefüllten Zufriedenheit.

Als Autor eines Phantasieromans werde ich nichts Perfektes liefern. Nein, ich versuche Ihre Gedanken für eine kurze Zeit in eine andere Welt mitzunehmen. Um Entspannung und Zufriedenheit zu finden.

Sollten Sie das Perfekte suchen, so legen Sie das Buch besser weg. Sie sind dann noch nicht bereit dafür!

Oliver Grudke Killertal, Juni 2015

 

Freude und abgrundtiefer Hass

 

Sie hatte sich herausgeputzt. Sogar das widerliche Zeug, welches die Wasserelfen anfertigten, hatte sie sich in ihr Gesicht geschmiert. Zumindest an den Stellen, wo sie noch Haut hatte.

Ihr schönstes Kleid hatte sie angelegt. Gefertigt aus den Häuten all jener, die versucht hatten, sie zu vernichten. Das Kleid war in gelblichem Weiß, besetzt mit unzähligen Stücken des VIOLETTEN STEINES.

Dass sie nun diesen zurücklassen musste, verursachte etwas Unbehagen. Doch nie würde es jemand wagen, in ihr Schloss einzutreten. Nie! Und sie hatte ja eine große Menge des VIOLETTEN STEINES eingepackt. Alles in eine Tasche aus Häuten. Teile des Steines, das Fläschchen und ein sehr altes dickes Buch.

Mehr brauchte sie nicht.

Gut, einen Stein noch und alles wäre perfekt gewesen. Doch dieser Torgänger war wie eine Katze und hatte offenbar neun Leben. Doch das sollte bald egal sein. Sehr bald.

Jetzt war ihre Zeit gekommen. Die Zeit, zurückzukehren. Nach Hause! Auf ihr Schloss. Nach Niangeala!

Dort kannte sie als Einzige ein Geheimnis. Ein Geheimnis einer Waffe. Diese Waffe und der VIOLETTE STEIN würden all die anderen vernichten, auch diesen verhassten Torgänger.

Zu lange war sie verdammt und an diesen Ort gebunden gewesen. Zu stark war die Macht all jener, die im Licht standen.

Das war nun vorbei. Die meisten waren tot. Einige in den Händen des Bösen und einige vermisst. Sollte sie sich darüber Gedanken machen?

Nein!

Und da sie ja nicht alleine gehen würde, könnte sich ja auch keiner ihr in den Weg stellen.

Sie hatte eine Armee um sich geschart. Eine Armee von Bonkarz! 10000 Krieger der Bonkarz würden ihre Rückkehr begleiten.

Sie lächelte! Ein Volk von Verfluchten. Die Bonkarz! Das Volk der Steine! Der dreckigen und wertlosen Steine. Ruchlose Krieger, die sogar sich selber zerfleischen und essen, sollte nichts anderes zur Verfügung stehen.

Es waren große Krieger, über 1,90 m groß. Ihre Köpfe glichen einem Kegel und hatten nur ein Auge, gleich einem Zyklopen. An Stelle von Händen hatten sie die Krallen eines Dämmervogels, nur um das 10-Fache größer. Ihre Füße glichen denen eines schwarzen Panthers, lautlos konnten die Krieger sich anschleichen.

Und auch die Bonkarz wollten aus dem Schatten treten. Tausende von Jahren hatten sie in den Höhlen und Wüsten des Salzlandes vegetiert. Vergessen und verachtet. Nun hatte man ihnen eine Chance gegeben. Eine Chance zumindest auf Rache und auf Morden.

10000 waren ihrem Ruf gefolgt. Noch mehr würden kommen. Schon jetzt war es genug, um Reste einer etwaigen Verteidigungsgruppe mit einem Handstreich hinwegzufegen. Genug, um ihren Besitz zu holen und um alle zu vernichten. Genug für ihre Herrschaft über Niangeala und die Magische Dimension. Genug, um der Weißen Fee entgegenzutreten?

Bei der letzten Sache war sie sich noch nicht sicher. Hier spürte sie noch einen leichten Schauer und etwas Angst. Doch zuerst kam Niangeala. Dann würde sie weitersehen und vielleicht würde ihre Tochter gemeinsam mit ihr herrschen.

Sie freute sich. Ein altes und doch neues Gefühl. Sie freute sich auf die Rache und die Genugtuung.

Sie trat in den Hof. Dieser war über und über gefüllt mit Kriegern. Alle verneigten sich vor ihr. Zwei Krieger öffneten die Kutsche aus violettem Glas. Die Kutsche hatte keine Räder, doch diese brauchte das Gefährt auch nicht. 27 Aaarz, schreckliche Krokodiltiere aus den schwarzen Seen der Unterwelt, zogen die Kutsche. Zufrieden und mit einem Lächeln stieg die violette Hexe in ihre Kutsche. Nun war sie auf dem Weg nach Hause. Auf dem Weg der Rache und des Glückes. Lange hatte sie warten müssen. Zu lange! Doch umso größer war nun die Freude und ihre Macht!

 

 

Marius stand in einem dunklen Raum. Einzig einzelne Fackeln erhellten die Wände spärlich.

In der Mitte des Raumes stand ein Tisch. Ein Tisch aus grünem Glas. Marius kannte diese Art von Tischen. Und er hasste sie. Er hasste sie abgrundtief. Doch wo war er? Was war dies für ein Ort? Er saugte die Luft ein, als wäre sie begrenzt. Seine Sinne arbeiteten auf Hochtouren. Wo konnte er diese Gerüche zuordnen? Es roch modrig, feucht und leicht nach faulem Holz und Branntkalk.

Daneben roch es noch süß, als wäre Weihrauch in der Luft. Süßer Weihrauch! Kam dies von den 2 Kerzen, welche den grünen Tisch erhellten? Sollte er es herausfinden? War dies wichtig?

All dies konnte er nicht beantworten. Doch er wusste, dass dies kein Ort für ihn war. Es war eine Spielhölle und der grüne Tisch war ein Spieltisch. Also musste er fort. Doch wo war der Ausgang? Wie war er in diesen Raum gekommen? Er konnte sich nicht daran erinnern. Wo waren die anderen?

Plötzlich ging quietschend eine halb verfallene Tür auf. Eine kleine Gestalt mit einer Kutte lief auf den Tisch zu. Lautlos, als schwebe sie. Nur eine enorme Nase, welche mit Warzen übersät war, ragte hervor. Die Nase war bleich und man hatte fast den Eindruck, die Gestalt, zu der die Nase gehörte, sei bereits tot.

Die Gestalt setzte sich an den Tisch. Lautlos, wortlos. Erst jetzt bemerkte Marius die sieben weißen Würfel mit roten Augen auf dem Tisch. Alle Würfel waren mit einer kleinen silbernen Kette miteinander verbunden.

„Spiel mit mir!“, krächzte plötzlich eine Stimme.

„Ich spiele nicht! Nie!“, schrie Marius.

„Doch sieh, was es für Preise gibt!“, sagte die Stimme.

Die Gestalt blies in die Flamme der rechten Kerze, worauf die Flamme sich um das 10-Fache vergrößerte. In der Flamme konnte sich nun Marius selber sehen. Er lachte und war glücklich. Dann sah er Zsora. Auch sie lachte. Dann sah er einen kleinen blonden Jungen, welcher glücklich spielte.

„Was soll dass, und wer sind Sie?“, bellte Marius.

„Ich bin der Spieler! Komm, Spiel mit mir! Was ist dein Einsatz? Was ist das alles dir wert?“, sagte der Spieler.

„Ich sagte doch schon: Ich spiele nicht! Ich hasse Spieler, also hasse ich dich! Und nun werde ich gehen! Ja, ich gehe jetzt und solltest du mir im Weg stehen, so ist es schlecht um dich bestellt.“ Marius zog das Flammenschwert aus der Scheide.

„Gut! Dann ist dies dein Einsatz. Möchtest du selber würfeln oder soll ich es für dich tun?“

Marius wich einen Schritt zurück.

„Ich glaube du hörst schlecht! Es gibt keinen Einsatz, da es auch kein Spiel gibt. Lass mich in Ruhe oder es wird Blut fließen. Dein Blut, alter Mann!“

Marius war unbemerkt einen weiteren Schritt zurückgewichen und fuchtelte drohend mit dem Schwert in der Luft herum.

„Gut, dann werde ich für dich würfeln!“

Die Gestalt war nun aufgestanden und hatte die Würfel in ihre linke Hand genommen. Langsam und lautlos kam sie auf Marius zu.

„Ich warne dich. Ein letztes Mal! Bleib mir vom Leibe!“, schrie Marius und fuchtelte noch mehr. Irgendwie wollte er den Spieler nicht verletzen. Es war ein alter unbewaffneter Mann. Wahrscheinlich schon wirr im Kopf. Doch man musste sich ja auch abgrenzen. Und noch weiter würde er nicht zurückweichen. Sicherlich würde dies dem Alten nun endlich einleuchten.

„Sieh die Würfel. Die Würfel des Glückes und des Hasses!“ Der Alte hielt nun die Würfel direkt vor Marius‘ Nase.

Marius zog seinen Kopf zurück und wollte gerade mit dem Schwert ausholen, als die Masse des Zweihänderschwertes ihn nach hinten riss. Marius fiel, immer schneller wurde sein Fall. Alles in seinem Körper begann zu vibrieren. Seine Gedanken waren bei seiner Tasche und dem Schwert. Beides durfte er nicht loslassen. Doch was sollte es noch bringen. Diesen Sturz würde er nicht überleben.

Dann krachte es und Marius spürte zuerst mehrere kleine Aufschläge und dann einen mächtigen dumpfen Schlag.

Dann war alles ruhig. Eine kriechende Kälte bemächtigte sich nun seines Körpers. Die Kälte des Todes.

 

 

Irgendwie hatte sie dieses Land anders in Erinnerung. Es war schön, hell und warm. Die Sonne lachte fast an jedem Tag. Die Menschen waren fröhlich und gesund. Und nun?

Konnte dies Niangeala sein?

Es musste, den vor ihr lag der kegelförmige Berg, auf dessen Spitze unverkennbar Er`Paraelle ruhte.

Doch es war kalt! Ein schneidiger Wind fegte über die Felder und ließ den Pulverschnee tanzen.

Alle Häuser oder Siedlungen, an denen sie vorbeikamen, waren verlassen und zerstört. Wo waren die Menschen? Wo war ihr Volk? Geistesabwesend starrte die Violette Hexe auf den Berg und das Schloss. Wenn sie es nicht mit ihren eigenen Augen sehen könnte, so wäre sie sicher, dass das Portal den falschen Weg gezeigt hatte.

Sollte sie etwas falsch gemacht haben? Sie hatte das Portal an der Quelle des Lavaflusses ja noch nie durchschritten. Dennoch hatte sie alles getan, wie es in der Schrift stand:

Opfere ein Zehntel des Steines und werfe es zusammen mit 5 Tropfen deines Blutes in die Quelle.

Gut, sie musste das Blut eines Bonkarz nehmen. Sie hatte ja schon lange keines mehr. Sollte dies der Fehler sein? Sollte sie deshalb im falschen Land sein?

Doch eines war sicher! Dort in der Ferne, das war ihr Schloss! Egal, was sonst hier los war. Sie würde nun mit triumphalem Getöse ihr Eigentum zurückfordern.

Doch irgendwie sank ihre Stimmung. Niemand stellte sich ihr in den Weg. Sie wollte nicht einfach so zurückkommen, nein! Sie wollte Genugtuung und Rache. Doch da war niemand.

Nun hatte der Tross die kleine Straße erreicht, welche sich 40-mal um den Kegelberg bis zum großen Eingangstor schlängelte. Die Aaarz zogen die Kutsche nun langsamer. So hatte sie es befohlen.

Doch da! Nach der ersten Kurve wurde sie nun doch begrüßt. Ein Skelett lehne grinsend an einer der dicken majestätischen Buchen. Erst jetzt bemerkte die Hexe, dass überall unter der dünnen Schneedecke Knochen und Schädel, Rüstungsteile und allerlei Waffen hervorragten. Dies war der Ort des Todes. Sie konnte ihn förmlich riechen. Er war hier. Und hatte eine große Ernte eingefahren. Doch er wurde geschlagen. Sie konnte die Angst ihres Widersachers riechen. Dieselbe Angst, welche er gehabt hatte, als sie ihn einst bezwungen hatte.

Es war etwas Unvorhersehbares geschehen. Etwas, was er nicht einkalkuliert hatte.

Je höher der Tross kam, umso lauter trommelten die Bonkarz. Laut und mit Donnerhall wollte sie ihre Ankunft sehen.

Nun war sie fast am Ziel! Sie konnte das große Tor bereits sehen. Es stand offen!

Sollte niemand sich ihr in den Weg stellen? Wollte denn niemand heute sterben?

„Aaaah!“, schrie einer der Vorhut und fiel zu Boden. Gleichzeitig ging ein prasselnder Pfeilregen auf die erste Gruppe der Bonkarz nieder. Diese wichen etwas zurück.

„Halt! Dies ist das Schloss von König Mollerat! Wer seid ihr und was sucht ihr hier?“, schrie ein Zwerg in einer sehr rostigen und schmutzigen Rüstung aus der dem Tor rechts zugewandten Bastion.

Zwerge! Zwerge bewachten das Schloss der Fürsten? Das nun Mollerat gehören sollte?

Egal!

„Stärkt Euch!“, befahl die Hexe und augenblicklich stürmten Tausende von Bonkarz durch das Tor und über die Zugbrücken. Es war ihnen egal, ob dabei einige durch Pfeile getötet wurden oder nicht. All dies geschah in Windeseile, so dass die Zwerge es nicht einmal mehr schafften, die anderen Tore oder Zugbrücken zu schließen.

Und so wurden sie bei lebendigem Leibe verspeist. Rohes Fleisch war das Beste, was ein Bonkarz mochte. Mit jämmerlichem Geschrei rannten die Zwerge panisch immer weiter nach oben in den Burghof.

Doch es sollte keiner am Leben bleiben. Im Gegenteil, es waren zu wenige und der Hunger der Bonkarz konnte nicht gestillt werden.

Die Violette Hexe war aus ihrer Kutsche ausgestiegen. Die letzten 300 Höhenmeter bis zum Burghof würde sie mit ihren eigenen Füßen laufen wollen. Den Triumph auskosten. Wie lange war es her? Hunderte von Jahren, länger? Sie war schön, jung und voller Anmut gewesen. Sie hatte ein kurzes Sommerkleid mit violetten Blumen getragen und sich eine Rose gepflückt an der letzten Bastion. So hatte sie ihrem Mann Karl die frohe Botschaft überbringen wollen. Die Botschaft von Glück und Zufriedenheit. Die Botschaft, welche ihre Verbindung noch tiefer festigen würde.

Die Botschaft von der baldigen Ankunft von Zsora.

Doch sie fand nur Hass. Abgrundtiefen Hass. In den Augen ihres Mannes und in den Augen dieser Teufelin, welche mit gespreizten Beinen auf dem goldenen Schreibtisch unter Fürst Karl lag.

Etwas tropfte aus ihrem Augenwinkel. War es eine Träne? Die Violette Hexe kramte in ihrem Kleid nach einem Tuch. Vorsichtig tupfte sie damit den Augenwinkel ab. Nein, es war dicker und klebriger.

Es war ... Blut. Ihr letzter Tropfen Blut. Die Hexe schüttelte sich. Nie mehr hatte sie an diesen Tag denken wollen, und nun kam wieder alles hoch. Nach so langer Zeit.

Jetzt stand sie wieder im Burghof. Doch dieser war anders. Alles war zerstört. Dachziegel und Mauerstücke lagen herum. Die meisten Fenster des Schlosses waren eingeschlagen. Mitten im Hof klaffte ein riesiges Loch, aus dem mehrere Leitern ragten. Das Loch der Zwerge, vermutete die Hexe. Einige der Bonkarz waren bereits nach unten geklettert. Doch das konnte sie nun noch nicht zulassen.

„Verschließt das Erdloch und sichert die Burg!“, befahl die Hexe.

Ihre Beine zitterten, doch sie wollte weiter. Sie wollte alles sehen. Alles, was sie an früher erinnerte. Und sie wollte töten und vernichten. So hatte sie es geplant, doch hier war schon jemand gewesen und hatte diese Arbeit erledigt.

Die Tür war eingeschlagen und eine kleine Axt, eine Zwergenaxt, steckte noch im morschen Holz. Langsam stieg sie die enge Wendeltreppe aus gelbem Sandstein empor. So wie damals nahm sie den geheimen Gang zum Arbeitszimmer ihres Mannes. Doch heute war alles still. Nur der kalte Wind pfiff melancholisch durch das Treppenhaus. Kein Keuchen und Stöhnen. Sie trat ein. Der Schreibtisch war zerschlagen. Die Goldornamente herausgebrochen. Zwerge! Mit ihren fauligen Fingern strich sie über das staubige glatte Holz.

„Wo bist du, Feigling!“, schrie die Hexe und ihre Stimme brach sich an allen Wänden und in allen Gängen.

Er war fort. War er tot? Ja, das hatte man ihr berichtet. Doch nun, an diesem Ort, wo sie die Verbindung aufnehmen konnte, spürte sie dies nicht. Sie konnte seinen Tod nicht spüren. Dies war sonderbar. Nun nahm sie den Gang, welcher an der äußeren Mauer entlangführte. Früher war dieser Gang immer sehr sonnig und warm gewesen. Manchmal zu warm, wenn die Sonne durch die hohen Fenster alles erwärmte.

Doch heute waren da keine Fenster mehr. Das Glas war zerschlagen und überall lagen kleine Häufchen von Schnee und toten Ratten.

Der starre Ritter war noch an seinem Platz.

„Öffne!“, krächzte die Hexe und war entsetzt über ihre eigene Stimme.

Nichts!

„Öffne, sofort! Ich befehle es dir!“

Nichts!

„Ich bin deine Herrin! Ich bin die Fürstin von Niangeala!“

Nun bewegten sich die Augen des starren Ritters.

„Nein, ich kenne Euch nicht! Diese Pforte bleibt verschlossen!“, antwortete nun das Gemälde barsch.

„Oh, doch, ihr kennt mich! Ich bin Amarelia, die Zeitfee!“ Die Violette Hexe holte ein Stück des Violetten Steines hervor und zeigte es dem Ritter.

„Oh, es tut mir leid! Edle Herrin, zu lange wart ihr nicht hier! Tretet ein und vergebt mir!“ Der Ritter im Gemälde verneigte sich vor Amarelia und gab den Weg frei nach oben. Langsam und mit viel Freude stieg Amarelia die enge Wendeltreppe nach oben.

 

 

Es war still und kalt. Ja es wurde ihm immer kälter. So also fühlte sich der Tod an. Nicht gut. Aber das Gefühl müsste ja irgendwann aufhören, dachte Marius. Was würde nun passieren? Gab es ein Danach? Oder war nun alles zu Ende? Was würde mit Zsora sein, und mit seinem Kind? Wo waren sie? In Gefahr! Sie würden auf ihn hoffen und warten und er war nun tot. Das Gefühl der Kälte wurde immer schlimmer. Marius begann zu zittern. Konnte man dies tun, wenn man tot war?

Also gut! Er beschloss die Augen zu öffnen. Dieses Mal beide zugleich!

Was war das?

Marius blickte in die dicken und alten Äste eines verschneiten Baumes. Wo war dieser Ort? War dies der Ort, der danach kam? Kalt und verschneit. Öde und trostlos. Dann wollte er hier nicht bleiben. Doch blieb ihm eine Wahl? Würde es einen Weg zurück geben? Und wohin könnte er zurück? Seine Welt, die Welt der Menschen, war nicht mehr seine Welt. Er gehörte nicht dorthin und es gab nun auch niemanden mehr, den er dort treffen könnte und vor allem wollte.

Doch da war noch etwas: Etwas zappelte in den Ästen. Doch Marius konnte es nur verschwommen sehen. Dann hörte er auch noch Worte. Worte mit sehr vielen Flüchen. Keltischen Flüchen!

„Harms!?“, schrie Marius und erschrak. War das seine Stimme? Sie hörte sich krächzend und tief an. Das konnte doch nicht seine Stimme sein.

„Harms, bist du das dort?“ Und doch kamen diese Laute aus seinem Mund.

„Marius? Bist du da unten?“, krächzte nun auch Harms.

Und auch die Stimme von Harms war irgendwie komisch. Alt und matt.

Marius lachte. Er konnte zwar nicht genau sehen, was Harms da im Geäst machte, doch das bunte Bündel zappelte ganz schön. Auch war er offensichtlich nicht tot, oder Harms war ebenfalls tot. Dies galt es noch herauszufinden.

„Was lachst du? Steh lieber auf und hilf mir hier herunter. Ich friere gleich fest“, brummte Harms.

Erst jetzt bemerkte Marius den Grund, warum ihm immer kälter wurde. Er lag auf dem Rücken unter dem Baum im 2 cm dicken Pulverschnee.

Also musste er nur aufstehen und schon würde es ihm wieder wärmer werden. Er würde nun aufstehen. Jetzt! Gleich! Sofort! … Aber!

„Sag mal, brauchst du eine Extra-Einladung oder willst du warten, bis ich runtergefallen bin?“, schrie Harms.

Marius wusste es auch nicht. Er versuchte aufzustehen, doch alles fiel ihm sehr schwer. So, als hätte man ihm Gewichte angehängt oder etwas auf ihn draufgelegt. Endlich bewegte er sich etwas. Doch mit sehr viel Mühe. Alles tat ihm weh und auch seine Beine machten nicht alles sofort so, wie er es wollte.

Nur mit allerletzter Kraft konnte er sich an dem dicken borkigen Stamm des Baumes hochziehen. Die Füße von Marius zitterten. Was war nur los? Doch kann kam der Schrei! Ein Schrei und das Brechen von Holz. Dann ein dumpfer Aufschlag. Stille!

Marius musste sich die Augen reiben, damit er besser und vor allem klarer sehen konnte. Das Bündel war vom Baum gefallen. Harms war vom Baum gefallen und gab nun keinen Laut von sich.

„Harms! Harms, sag doch etwas!“, schrie Marius panisch. Er hätte einfach schneller sein müssen. Er hätte ihm helfen sollen und hatte abermals versagt. Er war ein Versager. Doch sein Körper hatte ihm nicht gehorcht. Zumindest nicht so schnell, wie er es befohlen hatte.

„Ahhh. Aua!“, brummte der Kelte und vermischte das Stöhnen noch mit einigen keltischen Flüchen, über die Marius lieber nicht nachdenken wollte. Aber Harms lebte!

„Du lebst!“, schrie Marius.

„Danke! Doch habe ich dies nicht deiner schnellen Hilfe zu verdanken!“

Marius humpelte auf Harms zu. Doch warum humpelte er? Sicher hatte auch er sich bei dem Sturz einige Verletzungen zu gezogen. Denn auch er war ja irgendwie heruntergefallen.

Marius erschrak! Es war nicht Harms. Es konnte nicht Harms sein. Zwar lag dort sein Spieß und auch sein Rucksack. Doch daneben lag nicht Harms, sondern ein alter, ein sehr alter Mann.

„Wer sind Sie und was haben Sie mit Harms angestellt!“, schrie Marius und wollte das Zweihänderschwert ziehen. Doch er brachte es nur mit allerletzter Kraft aus der Scheide und dann musste er es fallen lassen. Es war ihm zu schwer. Marius schaute verdutzt auf das am Boden liegende Schwert.

Der Mann am Boden begann laut zu lachen.

„Sag mal, erkennst du mich nicht? Und überhaupt, wie siehst du eigentlich aus?“ Harms versuchte sich aufzurichten.

„Was?“, stammelte Marius.

„Na, schau dich mal an: Du siehst aus, als wärst du bereits 80 Jahre alt oder schon 100!“ Harms lachte.

Erst jetzt erkannte Marius seinen gealterten Freund.

„Na, da kommst du mir ja gerade recht! Du siehst gealtert aus, nicht ich!“ Langsam schaute Marius nun seine Hände an. Das waren nicht seine Hände. Niemals! Sie waren alt und mit Flecken überzogen. Krumm und knochig. Seine Fingernägel waren Gelb. So gelb wie der GELBE STEIN.

„Oh mein Gott! Was ist mit uns geschehen? Wo sind wir? Was tun wir jetzt nur?“ Marius wurde panisch.

„Nur mit der Ruhe! Ich denke, dahinter steckt ein böser Zauber, doch wo wir sind, das weiß ich auch noch nicht!“ Harms versuchte Marius zu beruhigen.

Doch nun lief ihm ein kalter Schauer über den Rücken. Langsam schaute er den Baum an. Es war eine Weide! Eine sehr alte und sehr dicke Weide! Eine Weide, die inmitten einer verschneiten Wiese stand. Nun war es ihm klar. Nun wusste er, wo sie waren. Es gab nur einen Ort! Sie waren zurück.

„Wir sind in Niangeala!“, schrie er so laut er konnte.

„Was? Nie im Leben! Schau dich um: Es ist kalt und trostlos! Es ist so still und trüb, als gäbe es an diesem Ort kein Leben! Das ist nicht, das kann nicht Niangeala sein.“

„Und doch ist es Niangeala: Schau, das ist das Portal, das ist die Weide!“ Marius humpelte einmal um den dicken Stamm herum.

„Schau dir das an, das ist Niangeala!“ Marius war euphorisch und traurig zu gleich. Es war der Ort, wo er Veronika allein zurückgelassen hatte, und doch war er es nicht.

„He! Schau, was ist das?“, wollte Harms wissen und zeigte hinüber zum Waldrand, von wo etwas Dunkles auf sie zu rannte.

Doch so sehr sich Marius auch anstrengte – seine alten Augen konnten nur einen dunklen Klumpen erkennen. Einen? Nein, zwei! Von links kam nun noch einer nicht minder schnell auf sie zu.

„Wir müssen weg! Schnell!“, befahl Marius und packte seine Tasche.

Doch schnell ging nicht. Er humpelte und Harms war schon nach 5 Metern außer Atem.

Angstvoll drehte sich der Torgänger um. Nun sah er in die Augen derer, die auf sie zu rannten. Sie hatten sie schon eingeholt. Es waren zwei junge Braunbären. Wahrscheinlich auf der Jagd. Und sie zwei Alten waren nun leichte Beute.

Nun würden sie also doch sterben. Marius musste den Stein benützen. Jetzt und sofort. Doch der Stein war nicht warm. Er spürte keine Gefahr. Nicht jetzt, da alles aus war!

Sie waren nun tot! Verloren.

Plötzlich saß er auf dem Rücken des linken Bären und Harms wurde gerade auf den des rechten Bären geworfen.

„Haltet Euch bloß gut fest! Euch droht Gefahr! Wir müssen schnell weg!“, brummte der junge Bär.

Nun, dass ihnen Gefahr drohte, wusste Marius. Doch er hätte vermutet, dass die Gefahr von den Bären ausgehen würde.

Doch die Bären waren freundlich. Das erinnerte ihn an seine erste Ankunft in Niangeala. Damals, als er von Brommi begrüßt worden war. Brommi, sein Freund. Vielleicht kannten die Bären ja auch Brommi. Marius beschloss, sie zu fragen. Die Bären rasten durch den kahlen, kalten und tristen Laubwald. Ziellos, oder? Marius konnte kein System dahinter erkennen. Endlich hielten sie auf einer kleinen Lichtung.

„Haben wir sie abgehängt, Tatse?“, fragte der Bär, welcher Harms auf dem Rücken hatte. Doch der andere Bär kam nicht mehr dazu, zu antworten. Denn plötzlich flog eine Schlinge durch die Luft und zog den Bären hoch. Marius fiel hinten runter und hörte eine metallische Stimme rufen: „Wir haben sie, wir haben sie!“

 

 

Amarelia! Lange, sehr lange hatte sie diesen Namen nicht mehr gehört. Sie dachte nach – war es an jenem unsäglichen Tag gewesen? Am letzten Tag des Lichtes! So musste es gewesen sein. Denn in ihrer neuen Welt kannte niemand diesen Namen. Niemand wusste, woher sie kam und wie sie sich ihrer Macht bediente. Doch alle fürchteten sie und ihre Macht.

Amarelia, die Zeitfee. Vermählt mit dem jungen Fürsten der Steine. Zur Ehre und für den Frieden in Niangeala und in den anderen Welten. Ein Zeichen der Magischen Dimension.

Doch die Menschen waren schlecht und verlogen. Heimtückisch und gerissen.

Sie hatte den Preis bezahlt. Doch sie holte sich nun alles zurück. Sie wollte die Seelen aller, die ihr im Weg standen und stehen würden.

Amarelia betrat nun die Halle. Das Rot der kleinen Torbögen leuchtete nicht mehr und das Bächlein floss auch nicht mehr. Überall waren schwarze Spinnweben. Mit ihren langen violetten Fingernägeln wischte sie die Weben weg. Doch die meisten wickelten sich um ihre faulige Hand und in ihr Haar.

„Wo bist du, Vogel!“, schrie Amarelia, aber sie bekam keine Antwort. Alles blieb still und kalt. Und dann, gerade als sie durch den letzten Bogen schritt, sah sie das Bäumchen. Es hatte keine Blüten mehr und keine Blätter. Kahl und tot wirkte es fast schon wie ein Kunstwerk. Leichtes Schneegeriesel lag auf den dünnen Ästen.

Es war kalt, aber die Violette Hexe begann dennoch zu schwitzen.

„Das Zepter! Wo ist das Zepter? Vogel, wo bist du?“, schrie die Hexe

Und dann sah sie das goldene Vögelchen oder vielmehr das, was von ihm übrig war. Das Skelett eines kleinen Vogels. Er war tot. Der goldene Vogel war tot und sie konnte nirgends das Zepter finden. Ihr Zepter, welches ihr zu Macht über den Wald und der Natur verholfen hätte. Damit wäre sie unbezwingbar gewesen. Doch auch hier war jemand eingedrungen und hatte sie bestohlen. Sie würde diesen Jemand finden und sich das Zepter zurückholen.

„Es ist nicht mehr hier! Es hat nun seinen neuen rechtmäßigen Besitzer gefunden!“

Die Violette Hexe drehte sich herum. Dort stand die Weiße Fee. Diese bewegte nicht ihre Lippen und doch konnte Amarelia die Worte hören.

„Hallo, Amarelia! Wie ich sehe, habt ihr eure Höhle verlassen und einen Weg nach Niangeala zurückgefunden!“ Das Gesicht der Fee blieb ausdruckslos.

Amarelia atmete tief ein.

„Ihr! Wo ist mein Zepter?“

„Es ist nicht Euer Zepter und es war nie Euer Zepter!“

„Doch das ist es! Ich bin die Fürstin der Steine. Die rechtmäßige Fürstin der Steine. Ihr habt mich hierher geschickt. Ihr habt mich an diesen verfluchten Ort gebracht. Ihr seid schuld!“

„Schweig! Du Närrin. Ich wollte Euch holen und das Magische Gericht informieren. Doch Ihr wart weg. Weg aus dem Licht und weg aus der Welt, die Euch liebte. Ihr habt Euch mit dem Bösen verbunden. Ihr habt gelernt und seid zum Bösen geworden. Böser als der Tod!“ Die Stimme der Fee war nun laut und schrill.

„Ha, so ist es. Dort fand ich Macht. Mehr Macht als der Tod und mehr Macht als ihr!“ Die Violette Hexe lachte.

Nun wurde die Stimme der Fee wieder sanfter, ja, fast schon freundschaftlich.

„Ist dies so? Amarelia! Möchtest du es ausprobieren? Ja? Jetzt und hier? Komm zu mir, Tochter!“

Dann knallte es und die Violette Hexe flog durch den ganzen Raum die Treppe hinunter und blieb vor dem Bild des Ritters liegen. Die Türe schloss sich und der Ritter war nun auch nicht mehr in seinem Bild.

Und dann hörte sie noch einmal die Stimme der Fee.

„Ich warne Euch, versucht es und ich werde Euch vernichten. Lasst jene, die ich liebe, in Frieden. Geht zurück in Euer Loch und bleibt dort für alle Zeit. Sonst werden wir Euch holen und ihr werdet büßen. Für Eure Taten und für Euer Leben.“

 

 

 

Der eine Bär war nun schon mit mehreren Seilen fixiert. Faulige Wesen in rostigen Rüstungen kamen auf Marius zu. Einige hielten ebenfalls Seile in der Hand. Den um sich schlagenden Harms hatten sie ebenfalls bereits gefesselt. Das wäre ihnen, als Harms noch jünger gewesen war, sicherlich nicht gelungen.

Marius war sich nicht sicher. Waren dies Menschen? Ja, und wenn überhaupt – vielleicht früher einmal? Doch tot schienen sie auch noch nicht zu sein.

„Wer seid ihr?“, schrie nun Marius und sprang von seinem Bären. Seine eigene Stimme entsetzte den Torgänger noch immer.

Er bekam keine Antwort. Die fauligen Menschen redeten unter sich. Doch es waren eher Knack- und Klicklaute als eine Sprache.

Dann kamen zwei auf ihn zu.

„Er ist nicht aus Niangeala!“, sagte der eine.

Der andere zog ein Messer, ein sehr rostiges Messer, an dem getrocknetes Blut klebte.

„Eta, jo ka na et!“, sagte dieser und Marius verstand jedes Wort. Es war die alte Sprache. Die Sprache der Alten in Niangeala. All jener, die das Böse nicht besitzen darf. Doch dieses Wesen sprach diese Sprache.

„Gib mir die Tasche, alter Mann, und ich werde dich nicht bei lebendigem Leib essen!“ sagte der faulige Mann nun in der anderen Sprache.

„Essen?“, fragte Marius verwundert und sah, wie die anderen fauligen Menschen bereits Holz aufschichteten. Einer schärfte eine Axt.

„Wir sind Jäger und Sammler!“

„Und hungrig, komm, zeig uns die Tasche!“ sagte nun ein Dritter, der an die Seite von Marius getreten war.

„Ich, ich bekomme das Schwert!“ Nun war noch einer aus dem Gebüsch gekrochen und stand nun hinter Marius.

„Kommt, versucht es ruhig. Es wird das Letzte sein, was ihr sehen werdet!“, brummte nun der Bär, auf dem Marius gesessen hatte, und stellte sich auf die Hinterbeine, um größer zu wirken.

Doch dies dauerte nur Sekunden und er wurde dann ebenfalls – zwar wild brüllend, jedoch hilflos – mit dicken Tauen gefesselt.

„Ein dicker Braten. Heute gibt es ein Festmahl“, sagte nun jener, der die Axt schärfte.

Marius drückte die Tasche mit den Steinen eng an sich. Doch dann merkte er die Wärme. Eine beruhigende Wärme, welche sich langsam seines Körpers an einem so kalten winterlichen Spätmittag bemächtigte. Es war ein schönes und befreiendes Gefühl.

„So, ihr wollt diese Tasche? Ja, na dann schaut hinein!“, sagte Marius und warf die Tasche vor sich auf die kalte Erde. Sofort begann der Schnee um und unter der Tasche zu schmelzen.

Die fauligen Wesen wichen zurück.

„Das ist Magie! Gefährliche Magie“, schrien zwei und wichen noch mehr zurück.

„Nein. Magie gibt es nicht mehr. Die Winterhexe hat doch alle Magie aus Niangeala zusammen mit den wärmenden Sonnenstrahlen an sich genommen. Ich sehe nach!“, sagte nun einer mit einem Helm, welcher schwarze Hörner hatte.

Nun lachte auch Harms wieder.

„Oh ja, sieh nur nach! Sieh nur genau nach!“

Marius sah sie als Erster. Lautlos und graziös schwebte sie zwischen den dicken Buchenbäumen, die Szene umkreisend. Mit ihrer Linken strich sie sich immer wieder die gelbe Strähne aus den Haaren.

Sie lächelte. Es war ein erhabenes, dominantes und Tod bringendes Lächeln.

Lautlos drückte sie dem Schärfer seine eigene Axt in den Schädel. Das Blut spritzte nur so aus ihm heraus.

Dann packte sie den Rechten an Marius‘ Seite und drehte ihm den Kopf um 180 Grad um. Verdutzt und halbtot starrte er sie an. Doch das war wieder nur von kurzer Dauer, denn sie schnitt ihm bereits die Augen aus dem noch lebendigen Körper.

Nun ging alles sehr schnell. Alle fauligen Gestalten begannen schreiend davonzulaufen. Doch vergebens. Plötzlich konnte die Gelbe Fee ihre Geschwindigkeit den Flüchtenden anpassen.

Einige bekamen etwas Säure, andere ihre eigenen Waffen in den Körper gerammt. Nur der Dicke entkam.

Er rannte und rannte. Blut lief aus seinen offenen bandagierten Wunden. Endlich, auf allen vieren, kroch er die leichte Anhöhe empor. Endlich geschafft.

Doch dann starrte er auf diese wunderschöne und tödliche junge Frau. Diese saß mit ihrem weißen langen Kleid auf einem Felsen und feilte ihre Fingernägel.

„Sie müssen scharf sein, sonst laufen die Augen vor dem Verzehr aus!“, sagte die Frau und es war das Letzte, was er sah und hörte.

 

 

Sie stand allein in ihrem großen barocken Ankleidezimmer. Überall waren Spiegel, gesäumt von Gold überzogenem Stuck. Sie trug nur weiße Strümpfe und eine sehr enge Korsage. Vor ihr lagen 23 Kleider zur Auswahl. Allein daran entlangzulaufen benötigte 6 Minuten. Die Anzahl an Schuhen, welche ihre Dienstmädchen herausgelegt hatten, wollte sie nicht wissen.

Und es war schwer, sich zu entscheiden. Doch eigentlich war es egal, denn alle Kleider waren weiß. Ein sehr helles Weiß.

Und doch, sie wollte besonders schön und erhaben wirken. Zu lange war ein solches Treffen nicht einberufen worden. Über 2000 Jahre nicht. Und nun war es nötig geworden. Es war sogar dringend nötig.

Was war schiefgegangen? Sie wusste es nicht. Doch das, was sie wusste, war, dass seit dem Auftauchen dieses Torgängers die ganze Dimension aus den Fugen geraten war.

Die Machtverhältnisse drohten sich zu verschieben. Die dunklen Mächte wurden stärker. Nun war es an der Zeit, das Experiment mit der Menschheit zu beenden. Sie mussten die Verbindungen kappen. Doch würde dies genügen? Oder kam es doch zu einem Krieg? Das musste verhindert werden. Doch es gab noch Kräfte. Kräfte des Bösen, welche tief in den Bergen des Nebellandes und den fallenden Wassern eigentlich für immer begraben liegen sollten. Doch das Böse würde sich daran erinnern. Und dann würde es Krieg geben.

Deshalb das Treffen. Ein Treffen mit allen Mächtigen der Magischen Dimension. Von einigen hatte sie seit dem letzten Treffen nichts gehört. Auch konnte sie nicht sicher sein, ob alle kommen würden.

Doch es musste eine Einheit her. Egal wie es kommen mochte. Diese Einheit würde sie erzwingen.

Die Weiße Fee klatschte und augenblicklich erschienen durch geheime Türen ihre Diener. Alle trugen weiße Livrees mit goldenen Ornamenten.

„Das 18. Kleid und die goldenen Schuhe!“, befahl sie und wurde augenblicklich eingekleidet.

„Wie lange noch?“

„Herrin, es sind noch 18 Viertel! Wir erwarten alle erst nach Sonnenuntergang. Wir haben von Eurer Schwester noch keine Antwort bekommen. Vielleicht ist sie bereits vergangen?“

Ihre Schwester! Wozu hatte man eine? Um alles zu teilen? Um Gemeinsames zu bewahren. Um sich auszutauschen. Ja, vielleicht war sie vergangen. Würde das eine gute Nachricht sein? Dann bekäme sie ihr Stimmrecht. Dann wäre es gut, sicher wäre es dann gut. Sie mochte die Menschen zu sehr, das war nicht gut.

Nun war sie eingekleidet und trug ihr langes Haar hochgesteckt. Dazu die sehr hohen goldenen Schuhe, die ihr etwas Heroisches verliehen. Einschüchterung war ein gutes Mittel.

Die Diener öffneten die großen goldenen Türen zum Festsaal. Alles war aus Gold und Diamanten. Große Fenster ließen die orangenen Strahlen der untergehenden Sonne auf die Tafel fallen. Es war für 5 Gäste und sie selber gedeckt. Mehr würden nicht kommen. Mehr würde sie nicht brauchen. Sie würden die Verbindungen kappen und sich alle wieder in ihre Ecken der Dimension zurückziehen. Für viele tausende von Jahren. Oder für immer.

Heute Nacht würde sie diesen Krieg abwenden. Und dann würde sie die verlorenen Steine zurückholen und ihre Kinder in Sicherheit bringen.

Das alles musste unbedingt heute Nacht passieren.

 

 

Rollo hatte das Portal nicht so eng in Erinnerung. Doch es hatte ja geklappt und er war durch!

Nun war er zu Hause. Zu Hause im Engelswald. Oder wohl eher unter dem Engelswald. Es war das Königreich seiner Hoheit von Kirschwurzel. Der Alte – so bezeichneten ihn im Geheimen alle –regierte schon so lange, dass es niemanden gab, der sich an eine Zeit vor seiner Regierung erinnern konnte.

Viel Gold hatte er vor allem in den letzten Jahren angesammelt. Doch geheime Stimmen munkelten, dass er betrogen wurde. Von allen! Von den Menschen, den Zwergen, den Magischen, ja einfach von allen. Sie hätten ihm nur wertloses Katzengold untergejubelt.

Na, dann soll er es halt haben! dachte Rollo und war sich sicher, sich selbst nicht so abspeisen zu lassen.

Nun endlich war er im Hauptgang. Alles war durch zahlreiche kleine Öllämpchen hell erleuchtet. Überall ragten die dicken Wurzeln der alten Bäume durch die Erde in die Gänge. Das Pumpen des Wasserstromes, welches früher fast zu ohrenbetäubendem Lärm geführt hatte, war schon seit Jahren verstummt.

Der Alte hatte gesagt, es sei Winter! Ja gut, aber der dauerte ja nicht mehrere Jahre. An manchen Stellen waren die Wurzeln angebohrt und mit einem Auslaufhahn versehen worden. Dort konnte jeder Bewohner sich selber laben. Doch auch diese Quellen waren versiegt. Und so litt das Volk der Wurzelgnome schon seit Jahren Hunger.

Ihnen blieb nichts anderes übrig, als die Wurzel abzuschlagen und auszupressen. Doch die Ausbeute war gering und so mussten sie immer neue Wurzeln der mächtigen Bäume zerstören. Es war ein Teufelskreis.

Doch für Rollo war das egal, denn er war ja jetzt reich. Zwar hatte er noch nichts in der Tasche, aber er hatte die Information, auf die der Alte und auch irgendwelche Zwerge schon lange warteten. Nur er hatte sie. Und er wollte dafür Gold, Gold direkt von den Zwergen. Nicht vom Alten.

„He, Rollo! Lange nicht gesehen!“, schrie eine Stimme von hinten. Rollo drehte sich erschrocken um, die Hand auf das Kügelchen gepresst.

„He, altes Holz! Alles in Ordnung? Wo warst du die letzte Zeit?“, sagte Knolle.

Knolle gehörte zum Stamm der Eschen und war schon eher etwas dick. Auch war er immens neugierig. Noch mehr als es schon in der Natur der Gnome lag.

„Ja, ist doch egal! Nun bin ich wieder da!“, sagte Rollo

„Das habe ich schon gesehen! Lust auf einen Schluck vergorenen Ahornsirup? He, ich habe noch einen sehr guten alten Rest!“

„Äh, nein, vielleicht später!“ Rollo stotterte.

„Was? Du schlägst eine Einladung von mir aus?“, prustete Knolle.

„Nein, nein, natürlich nicht! Nur verschieben! Nur etwas.“ Rollo begann zu schwitzen.

„Verschieben!? Du hast da etwas? Ja, komm, lass es mich wenigstens sehen. He, ich bin doch dein Freund, oder?“ Knolle hatte bereits eine fordernde Haltung eingenommen.

„Na ja, meinetwegen, wirf einen Blick darauf, aber nur … aah ...“ Rollo fiel nach links in einen alten Gang, wo schon die meisten Wurzeln abgehauen waren. Dort lag schon sehr viel Erde, welche nicht mehr genügend Halt fand. Rollo war verdorrt. Knolle hatte ihm mit einem Draht die Wasserzufuhr am Hals abgeschnitten. Nun schleifte er ihn tiefer in den Gang hinein, um ihn für alle Zeiten der Fäulnis und der Verwesung zu übergeben. Das Kügelchen steckte er, ohne darauf zu schauen, in die Tasche. Sicher war es wichtig, aber noch sicherer war es wertvoll.

Sollte er es dem Alten bringen? Nein, sicher nicht. Der würde nicht der Meistbietende sein. Den Zwergen? Nein, denen konnte man nicht vertrauen!

Doch er hatte von einer neuen Fürstin gehört. Einer, die nun über das alte Schloss herrschte. Neues Leben sollte in Er`Paraelle eingekehrt sein. Im Schloss der einstigen Herrscher über alles und jeden in Niangeala.

Eine mächtige und bestimmt reiche Herrscherin. Dort würde er sein Glück versuchen. Dort würde er sicherlich fürstlich entlohnt werden.

Knolle machte sich sofort auf den Weg, mit dem Kügelchen.

 

 

 

 

 

Langsam kam sie auf Marius zu. Harms suchte schreiend nach seinem Spieß.

„Euer Freund ist doch etwas unruhig! Sucht Euch bessere Freunde! Ach, und übrigens, es ist sehr anstrengend in Euren Diensten. Geht dies so weiter?“, wollte die Gelbe Fee wissen und lutschte an einem Auge. Dann knallte es und sie war weg.

Trotz der Kälte schwitzte Marius.

„Mann echt, die ist unheimlich! Aber dieses Mal habe ich mich echt über ihren Auftritt gefreut“, sagte ein freudiger Harms und schnitt seinen Bären frei.

„Ja, unheimlich, aber praktisch!“, bestätigte Marius und rutschte den Stamm hinunter, an den er sich gerade noch gelehnt hatte. Überall lagen die Toten. Sogar der Wind hatte sich zurückgezogen.

„Kommt steigt auf, wir sollten schnell hier weg!“, sagte der Bär bei Marius.

„Wieso, die sind doch alle tot, oder?“, wollte Harms wissen.

„Die schon, aber glaubt mir, in diesen Wäldern schleicht noch mehr Gesindel umher!“, sagte der andere Bär.

Dies wollte Marius nicht herausfinden und er schwang sich sofort auf seinen Bären (wobei Schwingen eher eine positive Betrachtung seiner Bewegungen war).

Nach einer weiteren Stunde wurde das Gelände etwas bergiger und Marius kam sie nun irgendwie bekannt vor.

Und dann: der Brunnen, die Höhle, das Plateau!

„Das alles kenne ich! Das ist die Höhle von Brommi! Brommi, mein Freund!“, schrie er nun und wollte herunterspringen, fiel jedoch auf den harten gefrorenen Boden.

„Aua!“

„Du warst schon immer etwas unvorsichtig, mein Freund!“, brummte nun eine bekannte Stimme. Marius schaute auf und dort stand ein sehr alter Bär, gestützt auf einen Ast.

„Brommi!“

„Marius, du lebst und bist zurück! Ich habe all die Jahre daran geglaubt!“

Marius umarmte Brommi und dieser legte seine Pranke auf die Schulter des Torgängers.

Nun begannen beide zu weinen. All die Last der letzten Zeit wich von Marius. Er fühlte sich zu Hause. Ein Gefühl der Geborgenheit und der Sicherheit machte sich breit.

„Gut, doch zuerst lasst uns etwas trinken!“, bestimmte der Bär und humpelte zu seinem Brunnen. Dann haute er mit seiner Pranke auf das Eis, welches augenblicklich zerbarst.

„Danke, aber ich bin nicht durstig, Brommi!“, sagte Marius.

„Doch das bist du, schau her!“ Der Bär tunkte einen alten Steinkrug in das Wasser und trank ihn sofort aus.

Zuerst passierte nichts, doch dann begann sich das ganze alte Fell zu bewegen. Alles zuckte und wölbte sich. Und dann: Da stand wieder der alte, junge Bär vor Marius ...

„Siehst du, du bist durstig und Harms auch!“, stellte der Bär nun fest.

„Oh ja auch wenn mir ein Humpen Bier oder Met besser schmecken würde!“, sagte Harms und trabte zum Brunnen, trank und wurde augenblicklich wieder jünger.

„Aaaah, tut das gut. Ich fühle mich geradezu wieder jung!“

„Glaub mir, du siehst auch wieder besser aus!“, sagte Marius und trank ebenfalls hastig das sehr kalte, aber köstliche Wasser.

„Und nun, Kralle, hol das große Fass und macht ein Feuer, meine Freunde haben Hunger! Äh, ja, das sind meine Enkel, das ist Kralle und das dort drüben ist Tatse.“ Brommi lächelte.

„Deine Enkel? Wie, was und warum? Brommi, was ist hier los?“, wollte nun Marius sehr dringend wissen.

„Oh, so glaube mir, so einiges! Kommt, trinkt erst einmal, dann könnt ihr alles leichter ertragen!“ Die Stimmung des Bären schien nun einzuknicken. Mit einer Kralle drückte der Bär den Korken des Fasses ein und hatte aber sofort einige Krüge bereit, um den Met darin aufzufangen.

Harms trank den ganzen Krug auf einmal aus.

„Hmmm, darauf habe ich lange gewartet. Keinen Met gibt es in der Welt der Menschen. Gut, Bär, schenk noch einmal ein und berichte: Was ist hier los?“

Brommi nickte und schenkte noch einmal nach.

„Alles hatte damit begonnen, dass jemand an der Zeit herumgespielt hatte!“

 

Marius verschluckte sich. Die Einzige, die das konnte, war Zsora! Doch warum sollte sie dies alles manipulieren und mit den Steinen, mit seinen Steinen abhauen? Jetzt bekam er es mit der Angst zu tun.

 

 

 

War sie zu weit gegangen? Sie saß in ihrem Thron. Zumindest auf dem Rest, was die diebischen Zwerge übrig gelassen hatten.

Sie hatte das Schloss, aber kein Zepter. Sie hatte ihren Stein, aber keinen Zweiten. Und sie hatte eine hungrige Armee. Welche sicherlich, sollten sie nichts zu morden und zu rauben bekommen, bald meutern würden.

Amarelia war verzweifelt. Zurückkehren konnte sie auch nicht. Das wäre eine Flucht, eine Niederlage. Nein!

Es war bereits Nacht. Durch die Löcher in den Wänden schien der Lichtschein von den unzähligen Lagerfeuern. Spätestens in 3 Tagen würden alle Zwerge, welche man in der Burg gefunden hatte, verspeist sein. Und dann brauchte sie etwas Neues.

 

 

Es war eng, aber es stimmte: Es gab tatsächlich ein Portal direkt ins Schloss. Knolle zwängte sich durch die engen Wurzeln des Bäumchens.

„Hmm, tatsächlich, es ist Winter!“, dachte der Wurzelgnom und betrachtete den Raum. Alles war dreckig und ungepflegt. Dies sollte der Thronsaal der Herrin des Waldes sein? Pah, alles nur ein Märchen, wobei es diesen Raum ja gab.

Jetzt bekam er es mit der Angst zu tun.

„Hallo, Knolle!“, sagte eine sanfte Stimme.

Knolle erschrak und wollte sich verstecken.

„Was, hast du Angst vor mir? Vor mir, einer kleinen Spinne?“

Knolle drehte sich einmal um die eigene Achse und dann sah er die kleine weiße Spinne, welche sich an einem der Torbögen festkrallte.

„Ha, vor dir, einem solchen Winzling bestimmt nicht!“, schrie Knolle sehr selbstbewusst.

„Nein? Vielleicht hast du ja vor deinem Gewissen Angst? Plagt dich nicht ein sehr schlechtes Gewissen?“, fragte die Spinne.

Es war kalt, aber Knolle begann dennoch zu schwitzen.

„Nein, mir geht es gut!“

„Auch deinem Freund Rollo?“ fragte die Spinne

„Ich kenne keinen Rollo! Und jetzt lass mich gehen und halt dein Maul!“, schrie Knolle nun wütender denn je.

„Ja, was sonst? Tötest du mich auch, genauso wie Rollo? Noch ist es Zeit!“

„Duuuu! Ja, ich mache dich sonst auch platt. Platt wie ein Stück Papier! Geh mir aus dem Weg!“ Knolle schrie und sein Kopf war ganz rot.

„Noch ist Zeit!“, sagte die kleine weiße Spinne.

„Zeit wofür?“

„Zeit zur Umkehr und Buße. Zeit, dein Leben noch einmal der guten Sache zu widmen. Die Schatten der Unterwelt sind bereits an deiner Seite, Knolle. Sieh, ich bin dein Gewissen. Ein Bote, welcher dich vor dem Untergang ...“

Doch weiter kam die Spinne nicht. Knolle hatte sie zerdrückt. Dann rannte er die Wendeltreppe hinunter. Auf der Suche nach Glück. Doch was er nicht wusste: Glück würde er keines mehr finden. Nicht dort unten und nirgendwo sonst. Und er sah auch nicht die Schatten, welche ihm nun murmelnd folgten.

 

 

Es war schön. So schön wie in seinen Träumen. Kralle und Tatse spielten auf keltischen Instrumenten. Harms und Brommi tanzten und das Bier floss in Strömen. Es schneite leicht, doch Marius war nicht kalt. Das helle Lagerfeuer wärmte und beruhigte ihn. Seine Sorgen und Ängste waren für einen Moment verflogen. Doch er wusste: Am nächsten Tag würden sie sich erneut mit Macht seiner Seele bemächtigen.

Völlig außer Puste setzte sich Brommi auf den Holzklotz neben Marius.

„Na, mein Freund? Kein Tanz?“, fragte der Bär.

„Nö, du weißt ja, Tanzen ist nicht so mein Ding und gerade jetzt schon gar nicht!“, sagte Marius.

Brommi wurde ernster.

„Ja, ich weiß! Doch ich weiß nicht, was ich sagen soll!“

„Erzähl mir! Erzähl mir von den letzten Tagen, Monaten und ja, auch Jahren!“

Brommi nickte.

„Ich bin alt geworden. Ja gut, das Wasser des Brunnens hilft, doch seit dem Tod meiner Söhne und meiner Frau bin ich nicht mehr derselbe. Nur meine Enkel geben meinem Leben noch einen Sinn. Und immer habe ich Angst um sie. Alles in Niangeala ist gefährlich!“

„Du hattest Söhne?“, wollte Marius wissen und Brommi nickte nur sehr traurig.

„Überall streunen Wesen und Kreaturen auf Raubzügen umher. Und einige wollen nicht nur dein Leben, glaube mir. Viele aus Niangeala, so sagt man, sind durch das Tor des Vergessens gegangen. Andere wurde bei lebendigem Leibe gegessen. Nachts sieht man sogar an schlechten Tagen ein unheimliches magisches violettes Licht auf dem Schloss leuchten. Nicht einmal mehr die Ratten wagen sich in die Nähe des Schlosses.“

Marius lief es eiskalt den Rücken herunter.

„Und was sagt Veronika dazu? Warum tut sie nichts dagegen?“

„Ich habe Veronika seit jener Stunde, als ihr zurück in die Menschenwelt gekehrt seid, nicht mehr gesehen!“

„Was? Brommi, das kann doch nicht sein!“ Marius war aufgesprungen und nun verstummte auch die Musik.

„Doch, so ist es! In manchen Jahren gab es Gerüchte und ich habe auch nach ihr gesucht! An allen Orten, wo behauptet wurde, man hätte die Fürstin gesehen. Doch es gibt seit jenem Tag keine Spur von ihr! Das ist die ganze Wahrheit. Aber jetzt, da du zurück bist, wird bald wieder eine wärmende Sonne über Niangeala aufgehen, denn sie haben gesagt, deine Rückkehr sei auch nur eine Legende! Doch denen kann ich nun das Gegenteil beweisen!“

Marius setzte sich wieder. Er hatte nun allen Mut verloren. Es gab nun außer Brommi keine Freunde mehr. Zora war verschwunden und Veronika auch. Die Feinde wüteten in Niangeala und er wusste sich keinen Rat.

„Harms, ich weiß nicht weiter!“, sagte Marius mit tränenerstickter Stimme. Harms schenkte noch zwei weitere Biere ein und reichte eines Marius.

„Ich weiß, es ist schwer, doch lass uns noch unser Bestes geben oder zumindest unseren Feinden das Leben so schwer machen, dass sie noch lange an uns denken werden.“ Harms nahm einen großen Schluck aus dem Krug.

„Weißt du, ich denke, das sind wir denen schuldig! Lange genug haben sie uns das Leben zur Hölle gemacht. Nun, da wir nichts mehr zu verlieren haben, aber immer noch zwei Steine haben, gehen wir sie ärgern!“

Marius nahm nun auch einen großen Schluck.

„Du hast recht! Gehen wir und suchen uns Streit!

„Geht morgen mal in Richtung der Kalkbäche. Dort gibt es eine Taverne, wo ihr sicher einige Gerüchte zu hören bekommt. Und den einen oder anderen Bewohner von Niangeala treffen könnt.“

sagte Brommi.

„Ja, so machen wir es!“ Nun war der Mut zurück und Marius fiel in einen sehr tiefen Schlaf.

 

 

Das Fest dauerte nun schon 10 Jahre an. Es wurde getrunken und gefressen. Arme Seelen wurden eingezogen wie der Rauch einer alten Zigarette.

 

 

Nichts!

 

Nichts konnte nun dem Tod und seiner Meute noch gefährlich werden.

Nichts konnte mehr seine Pläne durchkreuzen.

Nichts konnte ihn mehr verletzen.

 

Die Toten und Verdammten würden herrschen und jene, welche sie verurteilt und verbannt hatten, vernichten.

 

Viele gab es ja nicht mehr zu jagen. Alle waren wie Lämmer, welche von den Wölfen umzingelt waren. Auch beunruhigte ihn nicht, dass es schon seit Jahren in den geheimen Gewölben rumorte und Gase ausstiegen. Es war die Hölle, also was sollte man denn anderes erwarten?

 

Nichts!

 

Wie er es liebte, dem rothaarigen Biest Befehle zu erteilen. Und wie er es noch mehr liebte, wenn sie diese auf Knien für ihn, ihren Herrn und Meister, ausführte. Gerne und ohne Widerrede.

Denn er konnte dem den Tod bringen, welchen sie am meisten liebte. Dies hatte er jahrelang nicht tun können, da es nichts gegeben hatte, was sie liebte. Doch dies war nun anders. Und er hatte die Macht! Denn er war der Tod.

Besser wäre es gewesen, wenn er noch die Fürstin und den Torgänger in den Händen gehalten hätte! Doch zu was sollte es führen? Zwei Steine, welche fehlten. Keine Bedrohung, keine Gefahr. Gerüchte! Alles nur Gerüchte, sicher war die Fürstin vergangen oder durch das Tor des Vergessens gegangen. Und der Torgänger? Ihn hatte der Mut verlassen und die Kraft.

Doch sobald er Nachricht erhielt, wo dieser sich befand, würde er sich rächen. Rächen für die Schmach, die dieser junge Mann ihm angetan hatte.

 

Plötzlich durchbrach ein furchtbarer Knall das Gelage. Alles wurde still. Die Wände begannen zu zittern und Gesteinsbrocken fielen herab.

„Herr, seid ihr verletzt?“ Eine verfaulte Hand griff nach der seinen.

„Geht weg! Berichtet! Was verursachte diesen Knall?“ Der Tod rappelte sich wieder auf die Füße.

Alle rannten wild durcheinander. Ziellos, kopflos und hilflos!

„Oh Herr! Es ist etwas Schreckliches geschehen!“, stammelte eine wurmartige Kreatur.

„Berichte oder du wirst deinen Herrn kennenlernen!“, schrie der Tod.

Die Kreatur wand sich entsprechend seiner Gestalt.

„Oh Herr, die dunklen Wesen und Dämonen der Vorzeit ...“

„Was ist mit ihnen?“

„Sie, oh Herr, sie sind fort!“

„Was? Wie? Wie kann das sein?“

„Ich weiß es nicht, sie haben die Barriere durchbrochen und einen Weg aus der dunklen Welt gefunden. Ich ... ich ... ich glaube, sie sind alle fort!“

Der Tod setzte sich auf seinen Thron. Schweißperlen rannen von seiner Schläfe. Dies konnte nicht sein, dies durfte nicht sein. Das war etwas, was man nicht einschätzen konnte. Etwas Gefährliches. Diese Dämonen besaßen Kräfte, über die man nichts wusste. Nur durch einen hinterlistigen Schachzug war es in Urzeiten gelungen, sie zu bändigen. Und nur durch eine gemeinsame Aktion alle zu bändigen, welche sich in der magischen Dimension vereinten.

Wie konnte dies jetzt sein, jetzt, da er auf der Höhe seiner Macht war?

„Oh Herr! Da ist noch etwas!“

Dies war dem Tod egal! Es gab keine schlimmere Nachricht mehr für ihn.

„Was noch!“, wollte er barsch wissen.

„Sie haben ihn mitgenommen!“

„Wen?“

„Den rotblonden Jungen, Herr! Er ist fort!“

 

Nun wusste der Tod, dass es doch noch eine schlimmere Nachricht gab. Eine, die alles verändern konnte.

 

 

 

 

 

Sie war nervös und hatte sich nun doch für das 16. Kleid entschieden, jedoch die goldenen Pumps anbehalten. Das Kleid war im Oberkörperbereich sehr figurbetont, ließ genügend Freiraum für ihre Brüste, war jedoch unten sehr weit.

Die goldenen Schuhe konnte man nicht sehen, jedoch verhalfen sie ihr zu etwas mehr Größe.

Brauchte sie etwa mehr Größe? Sie wusste es nicht, fand es jedoch hilfreich. Fast alle ihre Gäste hatte sie hunderte von Jahren nicht gesehen. Nur ihre Schwester, die hatte sie noch länger nicht gesehen. Aber die würde doch nicht kommen. Hoffentlich nicht! Aber wie hätte sie auch eine Nachricht erhalten sollen. Gut, die Gnome hatte das Pergament in Empfang genommen. Und die waren immer sehr zuverlässig. Doch wenn die Gnome sie nicht fanden, dann würde sie niemand mehr finden.

Genau wie Veronika. Auch die Fürstin war verschwunden und es gab nur Gerüchte. Nicht genug, um diesen nachzugehen.

Sie war keine der Ihren, und doch interessierte sie sich stark für deren Schicksal.

Doch was waren dies in einer solchen Nacht für Gedanken!

Ein tiefes Grollen weckte sie aus allen Hirngespinsten und ließ sie aufhorchen. Augenblicklich kamen einige Diener mit grauen Perücken in ockerfarbenen Uniformen mit Goldornamenten.

„Oh, Herrin, ein Gewitter zieht auf! Ein schreckliches Gewitter!“

„Was?“, sagte die Weiße Fee, immer noch weit weg in Gedanken.

„Ein Unwetter, mit schrecklichen Blitzen und einem unheimlichen Sturm“, sagte der Diener und verbeugte sich tief.

Ein Unwetter, das konnte sie nun wirklich nicht gebrauchen. Nicht jetzt und schon gar nicht heute Nacht.

Sie ging zu einem der großen Fenster und öffnete es. Augenblicklich verschaffte sich der Wind Zugang zum Saal und zerzauste ihre hochgesteckte Frisur. Nur durch die Hilfe der sofort herbeigeeilten Diener schaffte sie es, das Fenster wieder zu schließen. Wie aus dem Nichts war das Unwetter gekommen. So konnten ihre Gäste es nicht schaffen, rechtzeitig zu kommen. Und vielleicht kamen sie ja gar nicht zum Treffen.

Das war nicht gut! Die Entscheidung sollte nicht länger warten. Die Mächte der Finsternis wurden stärker. Es durfte nicht passieren, dass sie zu stark wurden. Nicht jetzt! Es musste eine Einheit geschaffen werden. Eine, die neue Gesetze erließ und somit alles aufkeimende Übel erstickte.

„Herrin, ich freue mich, den ersten Gast anzukündigen. Die Sänfte wird gerade vor das Portal getragen!“ Wieder eine Verbeugung und weitere Diener öffneten die Doppeltüren, damit die Fee in die Halle zur Begrüßung eilen konnte. Dies war auch vonnöten, da das Kleid so breit war, dass sie es durch die halbe Türe nicht geschafft hätte.

Wer würde der Erste sein?

Sicher Meister Aarolf, der große Zauberer aus den 7 vergangenen Burgen. Sie mochte Aarolf, er war ein Freund und vielleicht ein Mentor. Sicher, das würde sie nie zu geben. Doch im Geheimen bewunderte sie Aarolf für seine Künste.

Doch eigentlich war Aarolf ja nie der Erste. Er mochte dies nicht und war lieber dann der Letzte.

Natürlich! Es konnte ja dann nur die Elfe der klaren Wasser aus den grünen Regentälern sein, Imizza!

Ja, so würde es sein. Nun könnten sie noch etwas unter Frauen aus alten Tagen plaudern.

Die Weiße Fee lächelte und ging sehr schnell, so schnell es ihre hohen Schuhe zu ließen.

Doch dann kam ihr der Gedanke, es könne ja auch der Master sein. Cain! Ein Verräter und Mörder, doch noch gehörte er zur Dimension. Längst hätte man ihn ausstoßen müssen. Ihm den Prozess machen müssen. Längst! Doch es gab keine Einheit. Damals nicht und heute?

Dann sah sie den ersten Gast! Einige Diener waren bemüht, die diversen Schichten von Kleidung – oder waren es Lumpen? – von einem kleinen buckligen Wesen abzutragen, welches dabei immer kicherte.

Dann drehte sich das Wesen um und der weißen Fee stockte der Atem.

Ein zahnloses Lächeln wurde ihr entgegengebracht.

„Schwester! Allerliebste Schwester!“ Das bucklige Schwesternwesen kam auf sie zu.

„Morolla!“ Das war alles, was die weiße Fee mit erstickter Stimme hervorbrachte.

 

 

Alles war in hellgrünes Licht getaucht. Marius musste die Augen zukneifen, um überhaupt etwas sehen zu können.

„Gut!“, sagte eine krächzende Stimme.

„Gut, dass wir jetzt spielen können! Was ist dein Einsatz?“

„Mein was?“, stammelte Marius und wusste immer noch nicht, wo er war.

Eine knochige kalte Hand packte seinen Arm und zog ihn näher ins Licht. Die Kraft, welche in der Hand steckte, erschreckte Marius.