4,99 €
Niedrigster Preis in 30 Tagen: 4,99 €
Drei Freundinnen, drei Schicksale, eine Insel. Die komplette Erfolgsserie rund um die Bewohner der Wildrosen-Insel! Die Freundinnen Vanessa, Kim und Carina leben auf der Ostsee-Insel, die seit einem nach der Insel benannten Bestsellerroman nur noch als „Die Wildrosen-Insel“ bekannt ist. Vanessa arbeite als Tagesmutter und liebt ihren Job. Sie wird allerdings vor eine harte Bewährungsprobe gestellt, als ausgerechnet die Nichte ihres ehemaligen Verlobten Lenny in ihre Einrichtung kommt. Wird sie sich erneut auf Lenny einlassen, der schon einmal ihr Herz gebrochen hat, den sie aber nicht vergessen kann? Kims Leben hingegen ist von Versuchen gekennzeichnet, aus der Einsamkeit ihrer Ehe zu entfliehen: Die Affäre mit dem Fotografen Jan ist nicht ihre erste. Doch nach Jans Abreise spürt sie zum ersten Mal, dass eine Liaison bleibenden Eindruck hinterlassen hat. Als sie bei der Malerin Carina das Portrait eines Mannes entdeckt, der Jan erstaunlich ähnlich sieht, ist ihr Gefühlschaos perfekt. Carina erzieht ihren elfjährigen Sohn Niklas allein und macht aus seinem Vater ein großes Geheimnis. Sie schlägt sich als Künstlerin und Kellnerin im Café ihres Vaters durch. Für eine Beziehung scheint da nicht viel Platz. Bis plötzlich Robert auftaucht, der ältere Bruder von Vanessa, mit dem sie vor drei Jahren eine leidenschaftliche Affäre hatte, die sie jedoch ihrem Sohn zuliebe opferte. In der eBook-Serie „Die Wildrosen-Insel“ steht das Schicksal dieser drei Frauen im Mittelpunkt. Sie sind auf der Suche nach ihrem eigenen, ganz persönlichen Glück, das nicht selten zu Lasten anderer geht, manchmal sogar auf Kosten der eigenen Freundinnen. Aber wann ist es richtig, auf sein Herz zu hören? Und wann ist es besser, das Glück der anderen über das eigene zu stellen? Dieses Buch enthält sehr eindeutige und leidenschaftliche Szenen. Die Serie erschien bereits 2013 in einer Erstauflage bei Droemer Knaur. Diese Neuauflage erscheint im Selbstverlag direkt über die Autorin.
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Inhaltsverzeichnis
Über das Buch
Vorwort
Roman 1: Zwei Worte bis zu dir
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Roman 2: Das Ende einer Suche
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Roman 3: Die Antwort im Meer
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Roman 4: Die Nacht der Sternenfänger
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Roman 5: Das Gesicht der Freiheit
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Roman 6: Zeilen im Sand
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Impressum
Nancy Salchow
___________________________
Die Wildrosen-Insel
Abgeschlossene Gesamtausgabe
mit sechs Romanen
Drei Freundinnen, drei Schicksale, eine Insel. Die komplette Erfolgsserie rund um die Bewohner der Wildrosen-Insel!
Die Freundinnen Vanessa, Kim und Carina leben auf der Ostsee-Insel, die seit einem nach der Insel benannten Bestsellerroman nur noch als „Die Wildrosen-Insel“ bekannt ist. Vanessa arbeite als Tagesmutter und liebt ihren Job. Sie wird allerdings vor eine harte Bewährungsprobe gestellt, als ausgerechnet die Nichte ihres ehemaligen Verlobten Lenny in ihre Einrichtung kommt. Wird sie sich erneut auf Lenny einlassen, der schon einmal ihr Herz gebrochen hat, den sie aber nicht vergessen kann?
Kims Leben hingegen ist von Versuchen gekennzeichnet, aus der Einsamkeit ihrer Ehe zu entfliehen: Die Affäre mit dem Fotografen Jan ist nicht ihre erste. Doch nach Jans Abreise spürt sie zum ersten Mal, dass eine Liaison bleibenden Eindruck hinterlassen hat. Als sie bei der Malerin Carina das Portrait eines Mannes entdeckt, der Jan erstaunlich ähnlich sieht, ist ihr Gefühlschaos perfekt.
Carina erzieht ihren elfjährigen Sohn Niklas allein und macht aus seinem Vater ein großes Geheimnis. Sie schlägt sich als Künstlerin und Kellnerin im Café ihres Vaters durch. Für eine Beziehung scheint da nicht viel Platz. Bis plötzlich Robert auftaucht, der ältere Bruder von Vanessa, mit dem sie vor drei Jahren eine leidenschaftliche Affäre hatte, die sie jedoch ihrem Sohn zuliebe opferte.
In der eBook-Serie „Die Wildrosen-Insel“ steht das Schicksal dieser drei Frauen im Mittelpunkt. Sie sind auf der Suche nach ihrem eigenen, ganz persönlichen Glück, das nicht selten zu Lasten anderer geht, manchmal sogar auf Kosten der eigenen Freundinnen. Aber wann ist es richtig, auf sein Herz zu hören? Und wann ist es besser, das Glück der anderen über das eigene zu stellen?
Dieses Buch enthält sehr eindeutige und leidenschaftliche Szenen.
Die Serie erschien bereits 2013 in einer Erstauflage bei Droemer Knaur. Diese Neuauflage erscheint im Selbstverlag direkt über die Autorin.
Herzlich willkommen auf der Wildroseninsel!
Du warst noch nie hier? Dann wird es höchste Zeit, diesen längst fälligen Besuch nachzuholen und deine Seele an diesem beschaulichen Fleckchen Erde baumeln zu lassen.
Die kleine 2500-Einwohner-Insel in der Ostsee ist der zentrale Ort des Geschehens, der Schauplatz für Schicksale, Emotionen und Leidenschaften der Bewohner. Im Mittelpunkt stehen drei auf der Insel heimische Freundinnen im Alter von 28 bis 40 Jahren – Vanessa, Kim und Carina –, die auf der Suche nach ihrem eigenen Glück sind, das nicht selten zu Lasten anderer geht – und manchmal sogar das Glück der eigenen Freundinnen zerstört. Aber wann ist es richtig, auf sein Herz zu hören? Und wann ist es besser, das Glück der anderen über das eigene zu stellen?
Wer sind eigentlich unsere drei Titelheldinnen?
Fangen wir mit Vanessa an, einer 28-jährigen Inselbewohnerin, die von ihren Freundinnen nur zu gern als Naturschönheit bezeichnet wird. Bernsteinfarbenes, langes Haar, grazile Figur und mit einer Gutherzigkeit ausgestattet, die hin und wieder von anderen ausgenutzt wird. Vanessa arbeitet als selbständige Tagesmutter auf der Insel und betreibt ihre Einrichtung im Haus ihrer verwitweten Mutter Elisa, die in der anderen Hälfte wohnt. Vanessas Geschichte, zumindest die Geschichte, deren Zeuge wir werden dürfen, beginnt zwei Jahre nach ihrer Trennung von Lenny. Mit ihm war sie über vier Jahre zusammen und sogar verlobt, bis er sie betrog. Nachdem die Verlobung gelöst war, verließ er die Insel, um in einem renommierten Architekturbüro zu arbeiten. Seitdem ist Vanessa Single, nicht zuletzt deshalb, weil sie den Betrug von Lenny, dem Mann, für den sie noch immer Gefühle hegt, bis heute nicht überwunden hat.
Die Zweite im Bunde ist die 31-jährige Kim. Lange, schokobraune Strähnen, immer mit dem perfekten Make-up und Zwölf-Zentimeter-Absätzen unterwegs, den Finger stets am Puls der Zeit: Das ist typisch Kim. Als ihre Geschichte beginnt, ist sie bereits seit fünf Jahren mit dem Immobilienmakler Martin verheiratet. Martin betreibt in zweiter Generation eine Ferienhausanlage auf der Insel, ist allerdings oft geschäftlich unterwegs. Als Verwalterin der Anlage ist Kim dafür zuständig, Touristen unterzubringen und ihre Aufenthalte zu organisieren. Nicht selten kommt es dabei vor, dass sie sich mit flüchtigen Affären die Zeit vertreibt, während Martin wieder mal auf einer seiner vielen Geschäftsreisen ist. Aber Kim denkt gar nicht daran, ein schlechtes Gewissen zu haben, schließlich erwartet sie vom Leben mehr als nur einen Ehering am Finger. Sie will Aufmerksamkeit, Leidenschaft, das süße Leben – und sie holt es sich, wann immer sich die Chance dazu ergibt.
Die dritte unserer Heldinnen ist Carina, mit ihren 40 Jahren die Älteste im Bunde. Kinnlanges blondes Haar, der natürliche Typ, der nichts für Schnörkeleien übrighat. Sie arbeitet als Künstlerin auf der Insel und porträtiert sowohl Einheimische als auch Touristen; nebenbei hilft sie hin und wieder in der Eisdiele ihres Vaters aus. Ihr Lebensinhalt ist allerdings der kleine Niklas, ihr elfjähriger Sohn, den sie allein großzieht. Bis heute weiß niemand, wer der Vater des Kleinen ist, und Carina weigert sich hartnäckig, mit jemandem darüber zu reden. Trotz ihres Geheimnisses, das sie sogar vor ihren Freundinnen bewahrt, ist Carina das, was man eine treue Seele nennt: stets für ihre Familie und Freundinnen da, äußerst großherzig und gutmütig, manchmal ein wenig altklug, aber immer zur Stelle, wenn man sie braucht. Nach einigen turbulenten Beziehungen führt sie ein Singleleben aus echter Überzeugung –zumindest versucht sie, das den anderen weiszumachen. Sie steht ihren Freundinnen stets mit Rat und Tat zur Seite, gibt sich gern als die Erfahrene, die gegen jeden Kummer, den die Einsamkeit hin und wieder mit sich bringt, immun erscheint. Aber ist ihr Leben wirklich so leicht, wie sie es den anderen vorspielt?
Die Antworten auf diese und viele andere Fragen sollen die treuen Begleiter während unserer Reise auf die Wildroseninsel sein.
Übrigens: „Wildroseninsel“ ist nicht der ursprüngliche Name der Insel, sondern erst ein Vorfall vor ca. zwanzig Jahren sorgte dafür, dass seither alle Bewohner die Insel nur noch so nennen. Damals gastierte hier der bekannte Schriftsteller Bill Galesko und begann eine kurze, aber umso heftigere Liaison mit einer jungen Inselbewohnerin. Sie trafen sich während seines einwöchigen Aufenthalts jeden Abend, doch trotz all seiner Nachfragen weigerte sie sich, ihm ihren Namen zu nennen, bis sie schließlich ganz von der Bildfläche verschwand. Bill Galesko lebte während seiner Zeit auf der Insel in einem Ferienhaus, das direkt neben einem von Wildrosen übersäten Hügel lag. Kurz nachdem Bill die Insel verlassen hatte, entstand sein Roman „Die Wildroseninsel“; darin fasste er seine Zeit auf der Insel und seine Liebe zu der unbekannten Schönen in Worte, die er trotz aller Versuche niemals wiederfinden sollte. Bis heute weiß niemand, ob seine Geschichte der Wahrheit entspricht oder nur ein Gerücht ist, das er selbst in die Welt gesetzt hat, um seinem Roman etwas Geheimnisvolles zu geben. Das Buch, das zum Weltbestseller wurde, belebte den Tourismus der Insel in ungeahntem Ausmaß – und es war für alle Bewohner der Anlass, die Insel von nun an nur noch so zu nennen.
Wie ihr, liebe Leser, die Insel nennt, ist euch natürlich selbst überlassen. Schon jetzt hoffe ich allerdings, dass dein Aufenthalt hier kein einmaliger bleiben wird.
Über das Buch
Vanessa lebt auf einer Insel, die seit dem hier spielenden Bestsellerroman nur noch als „Die Wildroseninsel“ bekannt ist. Sie arbeitet als Tagesmutter in ihrer eigenen Einrichtung und liebt ihren Job sehr, wird allerdings auf eine harte Bewährungsprobe gestellt, als die kleine Jenna in ihre Tagesstätte kommt. Jenna ist ausgerechnet die Nichte ihres ehemaligen Verlobten Lenny, der sie vor zwei Jahren mit einer anderen betrogen hatte und den sie immer noch nicht vergessen kann. Aus Schutz vor ihren Gefühlen für Lenny, die nie ganz erloschen sind, stürzt sich Vanessa in Verabredungen mit Gregor, einem Nachbarn, der ihr schon seit längerem Avancen macht. Gleichzeitig versucht Lenny alles, um Vanessa erneut für sich zu gewinnen. Sie kämpft gegen ihre Gefühle, doch schon bald muss sie sich eingestehen, dass sie vielleicht anderen, nicht jedoch sich selbst etwas vormachen kann. Wird sie sich erneut auf den Mann einlassen, der ihr schon einmal das Herz gebrochen hat?
„Zwei Worte bis zu dir“ ist die erste Folge der eBook-Serie „Die Wildroseninsel“, in deren Mittelpunkt das Schicksal von drei auf der Insel heimischen Freundinnen steht. Sie sind auf der Suche nach ihrem ganz persönlichen Glück, das nicht selten zu Lasten anderer geht – und manchmal sogar das Glück der eigenen Freundinnen zerstört. Aber wann ist es richtig, auf sein Herz zu hören? Und wann ist es besser, das Glück der anderen über das eigene zu stellen?
Das Wasser drang in jede Pore und streichelte ihre Füße gleich einer überdimensionalen Hand. Einer Hand, die ihr wie ein treuer Begleiter bei jedem ihrer Schritte den Weg durch das belebende Nass wies. Vanessa ließ diese Vorstellung nur zu gerne zu, erschien sie ihr in den Abendstunden, wenn sie die Einsamkeit immer ein bisschen schwerer und die Sehnsucht immer ein bisschen schmerzlicher fühlte, beinahe wie ein Trost.
Sie mochte die Sonntage. Diese geheimnisvolle Stille, die sich wie ein dämpfendes Tuch vom Strand her über die Pferdekoppeln auf den Landzungen hinweg bis hin zu den Wohnsiedlungen legte. Es war keine Geräuschlosigkeit im eigentlichen Sinn, vielmehr die Erkenntnis, dass alles nur ein bisschen leiser war als sonst. Ruhiger und, so schien es zumindest, auch ein bisschen langsamer.
Nur in Vanessas Kopf war es alles andere als ruhig. Die Gedanken belagerten sie, blockierten ihre Sinne wie eine Armee von Einsiedlern.
Lenny!
Er war wieder in ihr Leben zurückgekehrt – und das, ohne wirklich da zu sein. Der Mann, mit dem sie vier Jahre lang zusammen gewesen war. Der Mann, den sie hatte heiraten wollen. Zwei Jahre war das mittlerweile her.
Genügte denn allein das Wissen, dass seine kleine Nichte Jenna jetzt tagsüber unter ihrer Obhut stand, um Vanessas Gefühlswelt derart durcheinanderzuwirbeln? Seitdem sie sich vor fünf Jahren als Tagesmutter selbständig gemacht hatte, waren viele Kinder gekommen und gegangen, aber keines hatte ihr bereits vor Betreuungsbeginn solches Kopfzerbrechen bereitet.
Sie schob die Hände in die Taschen ihrer Strickjacke. Der Abend war mild, wie die meisten im Juni. Der Wind streifte durch das bernsteinfarbene Haar, das ihr in den kurzen Momenten, in denen sie stehenblieb, über die schmalen Schultern auf den Rücken fiel. Ihre Freundinnen bezeichneten sie gern als Naturschönheit, als eine Frau, die das Glück hatte, auch und gerade ohne Make-up eine ganz besondere Ausstrahlung zu besitzen. Trotz dieser Tatsache war Vanessa geübt darin, die gelegentlichen Avancen der Männer, denen sie begegnete, zu ignorieren. Seit der Trennung von Lenny und der vorausgegangenen Demütigung, die sein Seitensprung für sie gewesen war, hatte sie sich auf nichts Ernstes mehr eingelassen. Zu groß war die Angst, wieder verletzt zu werden. Zu sehr lähmte sie die Frage, wie ihr Leben verlaufen wäre, wenn Lenny ihr treu geblieben wäre, wenn er ihr die Demütigung einer Affäre samt ihren Folgen erspart hätte. Doch das stand auf einem anderen Blatt. Und es war auch nicht die ganze Wahrheit. Nicht nur die Angst blockierte sie, sondern auch das Wissen, dass kein Mann der Welt die Gefühle in ihr auslösen konnte, die Lenny einst in ihr geweckt hatte.
Und jetzt? Jetzt waren die Gedanken an ihn plötzlich wieder da, und dazu intensiver, als sie es je wieder hatte zulassen wollen.
„Man könnte meinen, du bist auf einem anderen Planeten unterwegs“, hörte sie eine Stimme hinter sich sagen.
Abrupt blieb Vanessa stehen. „Kim! Wo kommst du denn auf einmal her?“
„Wo ich herkomme?“ Kim warf lachend das lange Haar in den Nacken. Schokobraune Strähnen, die sie – wie sie stets beteuerte –einzig und allein der Natur (und nicht der Färbekunst ihrer Friseurin) zu verdanken hatte. Und man glaubte es ihr, weil man Kim besser alles glaubte, wenn einem eine harmonische Freundschaft wichtig war.
„Ist die Frage so absurd?“ Vanessa bemühte sich um ein Lächeln.
„Du bist jeden Abend hier“, antwortete Kim, während sie nach ihrem Arm griff und sich darunter einhakte. „Und ich hatte Lust auf ein bisschen Unterhaltung.“
Unterhaltung. Woher sollte Kim, die, so liebenswert sie auch stets zu sein versuchte, in ihrem unermüdlichen Drang nach Aufmerksamkeit auch merken, dass Vanessa nicht nach Gesprächen zumute war?
„Du siehst müde aus“, stellte Kim unverblümt fest. „Dabei ist es noch nicht mal acht.“
„Ich bin nicht müde. Nur ein bisschen durch den Wind.“
„Immer noch wegen der Sache mit dieser Jenny?“
„Jenna“, stellte Vanessa richtig. „Sie heißt Jenna.“
„Von mir aus auch das.“ In die Oberflächlichkeit ihres Lächelns schlich sich ein Hauch von Mitgefühl. „Wichtig ist nur, dass du dir das nicht so sehr zu Herzen nimmst.“
„Soll das ein Scherz sein?“ Vanessa blieb stehen. „Er war mein Verlobter, Kim. Wir waren vier Jahre lang zusammen. Das lässt sich nicht so einfach aus dem Gedächtnis streichen.“
„Du sollst es ja auch nicht aus deinem Gedächtnis streichen! Du sollst nur verhindern, dass es all den schönen Dingen des Lebens den Platz raubt. Und überhaupt, wenn es dir so viel ausmacht, warum hast du die Betreuung dann angenommen? Ich meine, du hättest doch auch einfach absagen können, wenn es dir so schwerfällt, die Kleine zu sehen.“
„So einfach, wie du dir das vorstellst, ist das aber nicht. Ich hatte zwei unbesetzte Betreuungsplätze, ich kann es mir nicht erlauben, eine Anfrage abzulehnen. Außerdem geht es mir auch nicht um Jenna. Ich habe täglich Kontakt mit ihrer Mutter Katie, verstehst du? Lennys Schwester. Wir haben uns immer gut verstanden; sie hat mir sogar damals dabei geholfen, ein Hochzeitskleid auszusuchen. Mit der Trennung von Lenny hatte ich aber auch den Kontakt zu ihr abgebrochen, obwohl sie versucht hat, mich davon zu überzeugen, dass sie nach seinem Seitensprung auf meiner Seite stünde und ihn absolut nicht verstehen könnte.“
Kim zuckte unbeeindruckt mit den Schultern. „Ja, aber Katie ist nicht Lenny.“
„Nein, aber sie ist dennoch die Schwester von Lenny. Der Lenny, der mich mit einer anderen betrogen hat und dabei noch so unvorsichtig war, diese Schlampe zu schwängern. Das Baby hätte eigentlich unseres sein müssen, verstehst du?“
„Also, so wie du das sagst, klingt das irgendwie sehr verworren. Ja, die Tussi hat ein Kind von ihm, aber soweit ich weiß, verbietet sie ihm jeden Kontakt zu seinem Sohn, schon allein deshalb, weil er keine Beziehung zu ihr wollte. Außerdem lebt sie doch schon lange nicht mehr auf der Insel.“
„Die Spuren, die die beiden hier hinterlassen haben, werden aber immer bleiben, Kim.“
Sie gingen nebeneinander am Strand entlang, während Vanessa versuchte, Kims Worte zu verinnerlichen. Katie ist nicht Lenny. Ja, das stimmte. Aber warum fiel es Vanessa dann so schwer, mit der Situation umzugehen?
„Er lebt doch schon lange nicht mehr auf der Insel, oder?“, fragte Kim nach einer Weile.
Vanessa senkte den Blick. „Er ist damals in die Stadt gezogen und hat das Angebot eines renommierten Architekturbüros angenommen.“
„Na also. Was kümmert es dich dann? Aus den Augen, aus dem Sinn. Vergiss den Idioten! Es ist zwei Jahre her, Vanessa.“
„Du hast ja recht. Ich werde nur einfach das Gefühl nicht los, dass mehr dahintersteckt. Ich meine, warum bringen sie Jenna ausgerechnet zu mir, nach allem, was vorgefallen ist?“
„Also für mich ist das absolut logisch.“ Kim strich sich eine Strähne hinter das Ohr. „Katie kennt dich, sie weiß, was für ein großes Herz du hast und wie gut du mit Kindern klarkommst. Warum sollte sie das Risiko eingehen, ihre Tochter zu einer Fremden zu geben, wenn sie die Möglichkeit hat, sie bei einer guten Seele wie dir in den besten Händen zu wissen?“
Vanessa blieb erneut stehen. So gerne Kim für gewöhnlich über sich und ihre Eheprobleme sprach, manchmal gelang es ihr doch, einleuchtende und sogar fast beruhigende Erkenntnisse von sich zu geben.
Ein Lächeln schlich sich auf Vanessas Lippen. „Stimmt schon. Vermutlich ist das wirklich der einzige Grund.“
„Sag ich doch. Es gibt keinen Anlass, Gespenster zu sehen. Und statt dir weiterhin Gedanken über deinen Verflossenen zu machen, solltest du dir lieber überlegen, wann du endlich die Einladung von deinem schnuckeligen Nachbarn annimmst.“
„Gregor?“ Vanessa runzelte die Stirn. „Ich bitte dich, Kim. Der ist nun wirklich nicht mein Fall. Wenn ich mich auf jeden Typen, der mir schöne Augen macht, einlassen würde, hätte ich viel zu tun.“
„Siehst du, du gibst es selber zu. Die Männer stehen auf dich. Warum dann nicht wenigstens eine der Möglichkeiten nutzen, die sich dir bieten?“
„Die Männer stehen nicht auf mich; sie fragen sich einfach nur, warum ich Single bin.“
„Und genau dasselbe frage ich mich auch. Und nicht nur ich“, Kim musterte sie lächelnd. „Auch Carina kann es nicht verstehen.“
Eine Möwe verließ den Strand mit vertrautem Schrei, als die beiden ihren Weg kreuzten. Wehmütig schaute Vanessa ihr nach, während sie sich von Kims Arm löste und die Hände erneut in die Taschen ihrer Strickjacke schob. Manchmal wünschte sie sich, einfach davonfliegen zu können. Vor ihren Problemen, vor ihren Gefühlen. Vor Lenny.
„Ich will nicht mehr darüber nachdenken“, sagte Vanessa schließlich. „Weder über Lenny, noch über Gregor.“
„Wer hat denn was von nachdenken gesagt?“ Kim kicherte. „Glaub mir, Süße. Den meisten Spaß hat man, wenn man sich das Nachdenken abgewöhnt und sich voll und ganz auf sein Herz verlässt. Oder auf andere weibliche Sinne.“
„Du und deine weiblichen Sinne.“
„Sag das nicht! Ohne diese Sinne wäre mein Leben in Martins Abwesenheit ganz schön öde.“
Vanessa wusste, dass Kim auf die Affären anspielte, mit denen sie sich trotz mittlerweile fünfjähriger Ehe immer wieder die einsamen Nächte vertrieb, wenn Martin auf einer seiner vielen Geschäftsreisen war. Ein offenes Geheimnis, das Vanessa stirnrunzelnd, aber schon lange kommentarlos hinnahm. Kims fragwürdige Definition von Treue war nie Anlass gewesen, ihre Freundschaft in Frage zu stellen. Viel zu lange kannten sie sich bereits, viel zu tief war das Verhältnis zwischen ihnen und auch ihrer Freundin Carina. Ein Dreiergespann, das unzertrennlich schien.
„Ich glaube, ich werde jetzt umkehren und mir ein Glas Rotwein gönnen“, sagte Vanessa.
„Klingt prima. Hast du auch eins für mich übrig?“
Vanessa zwinkerte ihr zu. „Wenn du deinen Wein zur Abwechslung auch in weiblicher Gesellschaft trinken magst.“
*
Er näherte sich ihr, wie er es immer tat. Wortlos, und doch fähig, ihr alles zu sagen: dass er sie begehrte, dass er sie liebte, dass er bereit war, alles für sie zu tun. Allein sein Blick barg alle Antworten in sich. Jede Emotion, jede Hoffnung, jede Ahnung von dem, was nur wenige Sekunden später geschehen würde. Und wie jedes Mal passte sich ihr Zustand augenblicklich seinem an. Die Fähigkeit, klar zu denken, wich in Bruchteilen von Sekunden einem Verlangen, das jede Faser ihres Körpers durchdrang.
Sie spürte seine Lippen, wie sie von ihrem Hals bis zu ihrer Schulter wanderten, während er langsam und doch bestimmt ihre Bluse aufknöpfte. Sein Atem auf ihrer Haut genügte, um sie vollkommen in Aufruhr zu versetzen. Nichts von dem, was vorher war, spielte in diesem Augenblick eine Rolle. Nur er zählte. Er und ein Moment der Sehnsucht, die so übermächtig war, dass sie jede Hemmung hinwegspülte.
Vanessa schob die Hände unter sein Shirt und zog es ihm ungeduldig aus, während er sie unter Küssen gegen die Terrassentür presste. Die Tür führte zum Hintergarten und war von niemandem einsehbar. Dennoch bereitete ihr die Vorstellung, dass sie es am helllichten Tag vor einem Fenster tun würden, eine noch größere Lust. Eine Hemmungslosigkeit, die eigentlich nicht zu ihr passte, in die sie sich aber gerade deshalb umso sehnsüchtiger stürzte. Nur er war fähig, diese Leidenschaft in ihr zu wecken.
Als er dabei war, seine Hose auszuziehen, wuchs ihre Ungeduld ins Unermessliche. Ihr Rock und ihre Bluse lagen mit seinen Klamotten auf den Küchenfliesen, er trug nur noch seine Shorts, sie selbst war bis auf BH und Slip ebenfalls nackt. Er durchfuhr ihr Haar mit seinen Händen, während sie sich, noch immer an die Terrassentür gelehnt, atemlos küssten. Ihm derart nahe zu sein hatte immer ein bisschen was von Überlebenskampf. In seinen Armen kam sie sich stets wie eine Ertrinkende vor, die jede Berührung, jede Bewegung, jeden Kuss aufsog wie Sauerstoff.
Sie fummelte leicht orientierungslos an seinen Shorts herum, die er schließlich, ohne seine Lippen von ihren zu lassen, mit der linken Hand zu Boden zog. Mit geschicktem Griff öffnete er ihren BH und begann, ihre Brüste zu küssen. Schon spürte sie seine Zunge auf ihrer Haut, die sich jeder Faser ihres Körpers zu widmen schien. Sie wollte keinen Moment länger warten. So verlockend der Gedanke auch war, vor der Terrassentür von jedermann gesehen werden zu können, so wollte sie ihn doch bis ins kleinste Detail in sich aufnehmen, ihn spüren, in seinen Armen liegen, wenn es geschah. Viel zu sehr hatte sie sich nach ihm gesehnt. Viel zu lange hatte sie auf diesen Moment gewartet.
Instinktiv wandte sie sich daher vom Fenster ab, griff nach seiner Hand und zog ihn mit aufforderndem Lächeln ins Wohnzimmer, wo er sich rücklings auf das weiße Sofa fallen ließ. Sie legte sich auf ihn und küsste seine Brust, während er ihr langsam den Slip über die Beine streifte. Er war bereit, das war offensichtlich.
Sie fühlte, wie sie von einem nervösen Zittern ergriffen wurde. Nur ganz leicht, für ihn zweifellos nicht spürbar, trotzdem wusste sie, dass niemanden sonst ein derartiges Gefühl in ihr wecken konnte. Niemand außer ihm. Ihr ganzer Körper war voll wohliger Erwartung, jede Regung einzig auf ein Ziel ausgerichtet: ihm ganz nah zu sein.
Sie beugte sich vor, um sich ihm endlich voll und ganz hinzugeben, während er ihr mit erwartungsvollem Blick tief in die Augen sah. Sie spürte seine kräftigen Hände, die ihre Taille berührten und mit ihrer Haut wie heißes Wachs zu verschmelzen schienen. Ihr Atem wurde schneller. Endlich. Endlich war der …
… der wärmste Tag der Woche, das verspricht uns zumindest Petrus. Ob wir ihm vertrauen können? Nun, wir dürfen gespannt sein!
Vanessa hasste ihren Radiowecker, an diesem Morgen jedoch verfluchte sie ihn regelrecht.
Wütend schlug sie auf den Knopf, der die penetrante Stimme des Radio-Wetterfrosches augenblicklich verstummen ließ, und wühlte sich ein letztes müdes Mal in das Kissen, bevor schließlich auch diese viel zu kurze Nacht endete.
Wie lange war es her, dass sie von Lenny geträumt hatte? Drei Monate? Vier? Warum war er plötzlich wieder derart präsent, dass es beinahe schmerzte?
Sie hatte ihn regelrecht gespürt, vor allem aber die Emotionen, die er in ihr ausgelöst hatte. Alle Ängste, alle Beweggründe, ihn damals zu verlassen, waren unendlich weit weg gewesen. Sie genoss diese Unbekümmertheit, die sie sich so oft gewünscht hatte und die doch unerreichbar schien. Sie konnte nicht vergessen, nicht verzeihen. Und selbst wenn, was spielte das jetzt noch für eine Rolle? Vielleicht war er mittlerweile ja sogar fest mit ihr zusammen, dieser rothaarigen Kellnerin mit dem IQ einer Gewürzgurke, die damals der Grund für ihre Trennung gewesen war. Vielleicht waren sie längst eine eigene kleine Familie, hatten ihren Traum von einem Häuschen am Stadtrand mit Schaukel im Vorgarten verwirklicht?
Vanessa fegte die konfusen Gedanken beiseite und erhob sich langsam aus dem Bett.
6:07 Uhr.
In weniger als einer Stunde würden die ersten Kinder eintreffen, und es gab noch eine Menge zu tun.
„Und du bist dir sicher, dass er es war?“ Carina nahm zwei Tassen Chai Latte vom Tablett und schob eine davon zu Kim hinüber.
„Wenn ich es dir doch sage“, antwortete Kim mit theatralischer Handbewegung, während sie an der Tasse nippte und sich mit vielsagendem Blick zurücklehnte.
„Aber ich dachte, er sei damals weggegangen.“ Carina setzte sich. „Hatte Vanessa nicht etwas von einem Job in irgendeinem Architekturbüro erzählt?“
„Das stimmt ja auch. Aber ich weiß, was ich gesehen habe. Und der Typ, der heute Morgen in den Wagen gestiegen ist, war definitiv Lenny.“
„Vielleicht sah er ihm einfach nur ähnlich“, sagte Carina. Sie prüfte mit der Rückseite ihrer Hand die Temperatur der Tasse und beschloss, dass der Tee noch zu heiß zum Trinken war.
„Er saß so wahrhaftig in diesem Auto, wie ich jetzt neben dir sitze“, antwortete Kim mit wichtigtuerischem Augenaufschlag. „Abgesehen davon passt alles zusammen. Vanessa hat mir nämlich gestern erzählt, dass seine Schwester ihre kleine Tochter ausgerechnet in ihre Einrichtung gegeben hat. Und zwar erst vor wenigen Tagen. Das kann doch kein Zufall sein, oder? Das ist zweifellos auf seinem Mist gewachsen. Ein plumper Versuch, sich erneut an sie ranzumachen. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis er wieder vor ihrer Tür steht. Ich habe es zuerst nicht glauben wollen und noch versucht, es Vanessa auszureden, aber jetzt bin ich mir hundertprozentig sicher, dass er zurück ist.“
Es war ein Vormittag, wie es schon unzählige zuvor gegeben hatte. Drei Freundinnen, die sich manchmal vollzählig, manchmal auch nur zu zweit in Ingmars Café trafen, der Eisdiele, die Carinas Vater vor fast dreißig Jahren eröffnet hatte und immer noch führte. Inzwischen hatte sie sich als allseits beliebter Treffpunkt der Insel etabliert.
Carina arbeitete, wenn das Café gut lief, ab und zu als Bedienung mit. Und nicht selten nutzte sie ihren Aushilfsjob dazu, um sich mit ihren Freundinnen Kim und Vanessa auf einen Chai Latte mit einem Schuss Tratsch zu treffen.
An diesem Tag war nur Kim zu dem spontanen Treffen gekommen. Vanessa, die heute in der Runde fehlte, war – wenn auch eher unbewusst – schnell zum aktuellen Gesprächsstoff geworden. Immerhin war es ihr Exfreund Lenny, den Kim nur wenige Stunden zuvor auf dem Supermarktparkplatz gesehen hatte.
„Na, der hat vielleicht Nerven, hier einfach so aufzutauchen. Nach allem, was er Vanessa angetan hat.“ Carina warf einen flüchtigen Blick auf ihr Handy, das die Unterhaltung mit einem penetranten Piepton unterbrochen hatte, und schob es zurück in die Brusttasche ihres Blazers. „Andererseits … Vielleicht ist er ja auch gar nicht wegen ihr hier.“
„Sondern?“ Kim schaute sie fragend an.
„Es könnte doch sein“, fuhr Carina fort, „dass er sich nach der Insel gesehnt hat und deswegen wieder hier ist. Immerhin ist er hier aufgewachsen, oder?“
Kim lachte so laut, dass sich das ältere Pärchen am Tisch nebenan umdrehte.
Entschuldigend nickte Kim ihnen zu, während sie sich langsam über den Tisch beugte und einen etwas leiseren, verschwörerischen Unterton anschlug: „Das glaubst du doch wohl selbst nicht, Carina. Erst das mit seiner Nichte, und nun kreuzt er plötzlich selbst hier auf. Das kann doch kein Zufall sein.“
„Ich sage ja nicht, dass es ein Zufall ist, aber vielleicht hatte er auch einfach Heimweh nach der Insel. Ich meine, schau dich doch hier um.“ Sie deutete durch das Fenster neben ihrem Tisch auf die Strandpromenade. „Die Küste, die Meeresluft, die reetgedeckten Häuser. Die Schreie der Möwen, Sand zwischen den Zehen. Ein lukrativer Job in der Stadt ist das eine, aber die eigenen Wurzeln lassen sich nicht so ohne weiteres verleugnen.“
„Dass du als Künstlerin einen besonderen Blick für die Details der Natur hast, ist keine Überraschung.“ Kim schaute Carina eindringlich an. „Aber glaub mir, Lennys Aufmerksamkeit gilt einzig und allein Vanessa. Er ist gekommen, um sie zurückzuerobern. Das ist sein Ziel, das ist sein Plan. Und er wird keine Ruhe geben, bis er sie wieder in sein Bett gekriegt hat.“
Carina starrte sie mit hochgezogener Augenbraue an. „Ach, und du kennst ihn so gut, ja?“
„Nein, aber ich kenne die Männer“, antwortete Kim. „Und wenn mich nicht alles täuscht, ist er einer, oder?“
„Also, wenn du mich fragt, ist das alles nur graue Theorie“, winkte Carina ab. „Solange Vanessa stark bleibt und sich nicht wieder auf ihn einlässt, spielt es doch überhaupt keine Rolle, warum er gekommen ist.“
„Und genau das sehe ich anders.“ Kim nahm einen tiefen Schluck aus ihrer Tasse, stellte sie wieder ab und dachte einen Moment lang nach.
„Wie meinst du das?“, fragte Carina.
„Ich finde, sie sollte ruhig auf seine Anmache eingehen, sobald er bei ihr angekrochen kommt“, fuhr Kim fort. „Seit der Trennung hat sie sich auf keinen Typen mehr eingelassen, warum also jetzt nicht endlich mal das Nützliche mit dem Vergnügen verbinden?“
„Und was wäre in diesem Fall das Vergnügen?“ Carina entwich ein leicht höhnisches Lachen.
„Sex natürlich. Wilder, hemmungsloser Sex, der all die deprimierenden Gedanken der letzten Monate wegfegt.“
„Mit Lenny?“ Carina starrte sie ungläubig an. „Also, deine Ideen werden auch von Mal zu Mal skurriler.“
„Das ist nicht skurril, sondern genial“, antwortete Kim. „Sie wird ihn mit den Waffen einer Frau verführen, ihm zeigen, was er in den letzten zwei Jahren verpasst hat, und ihn dann, wenn er sich fragt, wie er sie jemals hintergehen konnte, wieder vor die Tür setzen. Wenn das keine ausgeklügelte Strategie ist!. Rache ist süß, Baby. Oder besser gesagt: sexy!“
„Sorry, wenn ich das so direkt sage, Kim“, Carina konnte sich die Bemerkung nicht verkneifen, „aber aus deinem Mund klingen Rachepläne als Bestrafung für einen Seitensprung irgendwie absurd. Das wäre so, als würde sich Victoria Beckham als Moralapostel für zu dünne Mädchen aufspielen.“
„Es geht hier ja auch nicht um mich.“ Kim griff nach der schokoladenüberzogenen Waffel, die auf ihrer Untertasse lag, und schob sie sich genüsslich in den Mund. „Es geht um Vanessa. Sie war immer für Lenny da, hat alles für ihn getan. Und was macht er? Betrügt sie mit der nächstbesten Schlampe und schwängert sie auch noch. Es ist Zeit, sich dafür zu rächen.“
Carina hob abwehrend die Hände. „Das ist doch alles verrückt. Wir wissen überhaupt nicht, ob er wirklich wegen ihr hier ist. Alles, was wir haben, sind wilde Spekulationen. Vielleicht will er ja gar nichts mehr von ihr? Ich meine, es ist immerhin zwei Jahre her, oder? Was, wenn er längst mit einer anderen zusammen ist? Was, wenn er gar kein Interesse mehr an Vanessa hat?“
„Ich bitte dich!“ Kim lachte. „So lange, wie er ihr damals nachgelaufen ist und um Vergebung gebettelt hat? Sicher kommt er wieder. Vermutlich stand er längst vor ihrer Tür, und sie hatte bisher nur keine Zeit, uns davon zu erzählen.“
„Wenn du meinst.“ Carina lehnte sich zurück, umklammerte ihre Tasse mit beiden Händen und schaute erneut auf die Promenade hinaus, die für sie trotz der Gegenargumente ihrer Freundin immer noch der triftigste Grund für einen Einheimischen war, auf seine Insel zurückzukommen.
„Also ich glaube es erst, wenn es uns Vanessa selbst erzählt“, sagte Carina. „Wenn es überhaupt etwas zu erzählen gibt.“
Kim holte einen Lippenstift und einen Klappspiegel aus ihrer Handtasche und musterte aufmerksam ihr Spiegelbild, während sie ihre Lippen mit chillifarbenem Rot ausfüllte.
„Du wirst schon sehen“, sagte sie – leise, aber laut genug, dass Carina es hören konnte.
*
Es gab Momente, in denen es zweifellos von Vorteil war, im selben Haus wie die eigene Mutter zu wohnen. Wenn man beispielsweise vergessen hatte einzukaufen, und sie die konfuse Tochter mit Zucker, Kaffee oder ganzen Mahlzeiten versorgte. Wenn allerdings der unermüdliche Nachbar von gegenüber wieder einen seiner zahlreichen Flirtversuche startet, sollte man besser nicht unter den Argusaugen der eigenen Mutter stehen.
Vanessa wusste nicht, welchen von Gregors Annäherungsversuchen ihre Mutter in den letzten Wochen mitbekommen hatte; zweifellos war Elisa aber nicht entgangen, dass der charmante Hüne mit dem aschblonden Haar ein Auge auf ihre Tochter geworfen hatte.
„Würdest du bitte etwas leiser reden, Mama? Ich habe die Kinder gerade erst ins Bett gebracht.“ Vanessa schloss die Tür hinter Elisa und stellte eine Vase in die Spüle, um sie mit Wasser zu füllen.
Wie so oft hatte ihre Mutter frischgepflückte Blumen aus ihrem Garten als Vorwand benutzt, um vorbeizuschauen und sie auf ihre aktuellste Beobachtung anzusprechen.
„Tut mir leid.“ Elisa sprach leiser, während sie einen der Küchenstühle zurückzog und sich an den weißen Holztisch setzte. „Aber ich hatte mich nur gefragt, was Gregor hier wollte. Er kann doch nicht schon wieder vergessen haben, Zucker zu kaufen, oder?“
„Wenn du es genau wissen willst: Der Briefträger hat Post bei ihm eingeworfen, die eigentlich für mich bestimmt war.“ Vanessa stellte die Vase mit den Margeriten auf den Tisch und setzte sich ebenfalls. „Und die hat er mir vorhin gebracht.“
„Aber das war doch sicher nicht alles?“ Elisa schaute sie augenzwinkernd an.
Vanessa erwiderte ihren neugierigen Blick schweigend. Das bernsteinfarbene Haar ihrer Mutter, die Haarfarbe, die sie an Vanessa weitergegeben hatte, war schon vor einigen Jahren einem künstlich erzeugten Rostbraun gewichen, mit dem Elisa den ersten grauen Strähnen in aufwendigen Hochsteckfrisuren trotzte. In ihrem noch immer recht attraktiven Gesicht gab es nicht allzu viele Falten, die ihren bevorstehenden 60. Geburtstag verrieten.
„Manchmal frage ich mich, wie es wäre, wenn wir nicht im selben Haus wohnen würden.“ Vanessa erschrak, als sie merkte, dass sie wieder einmal laut gedacht hatte. Der leicht beleidigte Blick ihrer Mutter rief sie augenblicklich zur Vernunft.
„Tut mir leid“, fuhr Vanessa fort, „aber ich verstehe einfach nicht, warum dich das so sehr interessiert, Mama. Gregor versucht, mich anzubaggern. Ja, das stimmt. Aber glaub mir, solange ich mich nicht darauf einlasse, gibt es auch keinen Grund für dich, nervös zu werden.“
„Aber ich werde ja gar nicht nervös, Liebes. Ich frage mich nur, wann du endlich erkennen wirst, was für eine gute Partie dieser reizende Gregor wäre. Als dein Vater noch lebte, sagte er immer: Wenn unsere Vanessa einmal heiratet, dann muss es ein Mann sein, der mit beiden Beinen im Leben steht, der auch mal anpacken kann. Ein Mann, der …“
„Ein Mann wie Gregor“, fiel Vanessa ihr ins Wort. „Ja, Mama, ich hab’s begriffen. Aber auch wenn es dich vielleicht überrascht: Nur weil jemand seine eigene Tischlerei betreibt, heißt das noch lange nicht, dass er automatisch auch zu meinem Traummann wird. Ein paar Aspekte mehr spielen da schon eine Rolle.“
Elisa zupfte die Blumen in der Vase zurecht. „Du meinst Aspekte wie Lenny.“
Vanessa spürte, wie ihr das Blut in den Kopf schoss. War sie so leicht zu durchschauen?
„Blödsinn“, murmelte sie verwirrt, „Lenny hat absolut nichts damit zu tun.“
„Kindchen.“ Elisa legte die Hand auf den Unterarm ihrer Tochter. „Es wird Zeit, dass du nach vorne schaust. Lass dich nicht davon verunsichern, dass seine Nichte hier ist. Sie ist ein Kind wie jedes andere und mit der Zeit …“
„Mit der Zeit“, unterbrach Vanessa sie erneut, „wirst vielleicht auch du begreifen, dass ich das mit Lenny schon lange überwunden habe. Trotzdem werde ich mich nicht auf Gregor einlassen, nur damit du mir das endlich glaubst.“
Elisa nahm die Hand von ihrem Arm und verlor sich in einem tiefen Seufzer, wie ihn nur Mütter von sich geben können. Die Art von Seufzer, die nur allzu deutlich machen, dass sie den Worten der eigenen Tochter zwar keinen Glauben schenken, aber (zumindest für den Moment) die Hoffnung aufgeben, ihr die Wahrheit zu entlocken.
„Letztendlich will ich doch nur, dass du glücklich bist“, sagte sie.
Ein Geräusch aus dem Schlafzimmer der Kinder, das sich direkt neben der Küche befand, lenkte Vanessas Aufmerksamkeit für einen Moment ab, dann richtete sie den Blick wieder auf ihre Mutter.
„Es tut mir leid, Mama, aber die Kleinen schlafen ohnehin schon viel zu unruhig. Es ist glaube ich besser, wenn wir das Gespräch ein anderes Mal fortsetzen.“
Elisa nickte mit verständnisvollem Lächeln und erhob sich langsam von ihrem Stuhl.
„Wie du meinst“, sagte sie leise und küsste Vanessa auf die Stirn.
„Es geht mir gut“, antwortete sie auf den letzten schweigenden Blick ihrer Mutter, bevor die Tür schließlich hinter ihr ins Schloss fiel.
Nein, es ging ihr nicht gut. Zweifellos hatte das auch ihre Mutter längst durchschaut. Seit Kims SMS schlugen Vanessas ohnehin schon chaotische Gedanken nur noch Purzelbäume.
Süße, ich hab ihn gesehen. Lenny! Er hat auf dem Supermarktparkplatz neben mir geparkt. Ich wollte dich nur vorwarnen, falls du ihm selbst über den Weg laufen solltest. Wir reden später, ja? Bleib tapfer. Kuss & Umarmung, K.
Er war wieder da, so wie sie es befürchtet hatte. Und ob Vanessa es wahrhaben wollte oder nicht, es war nur eine Frage der Zeit, bis er auch bei ihr auftauchen würde.
Sowohl Marleen als auch Jonas waren bereits von ihren Müttern abgeholt worden, nur die kleine Jenna saß noch immer mit einem Bilderbuch in den Händen auf einer der bunt lackierten Holzbänke im Spielzimmer.
Vanessa schaute auf die Uhr über dem Regal. Zehn nach fünf. Katie hatte versprochen, pünktlich zu sein. Das Verrückte daran war, dass Vanessa nicht im geringsten überrascht war. Sie wusste, dass es etwas mit ihm zu tun haben musste. Sie fühlte, dass er dahintersteckte. Trotzdem – nein, gerade deshalb – wuchs ihre Nervosität ins Unermessliche. Was sollte sie tun, falls er tatsächlich vor ihr stehen würde? Ihm die Tür vor der Nase zuknallen?
Vanessa kniete sich neben die Holzbank und strich Jenna eine weißblonde Strähne hinter das winzige Ohr. „Soll ich dir etwas vorlesen?“
Jenna schüttelte den Kopf und zeigte mit dem Finger auf eine Giraffe in dem Buch. „Mama. Zoo.“
„Du warst mit der Mama im Zoo?“, fragte Vanessa. „Das war bestimmt toll. Hast du da auch so was gesehen?“
Jenna nickte. Dabei lächelte sie so selig, dass ihre Augen leuchteten. Neugierig blätterte sie weiter und hämmerte mit ihrem Zeigefinger auf einen Braunbären.
„Ein Bär“, sagte Vanessa langsam und deutlich.
„Bär“, wiederholte Jenna fröhlich quiekend.
Ein Klopfen an der Tür unterbrach ihre Erkundungstour durch das Bilderbuch.
Jenna, die unbeeindruckt weiter in dem Buch blätterte, blieb auf der Bank sitzen, während Vanessa langsam zur Tür ging. Sie öffnete, und ihr Verdacht bestätigte sich.
Er war es. Er war es wirklich. Eine Erinnerung aus einer Welt, die sie längst hinter sich gelassen glaubte.
„Ich frage mich, warum ich mir so sicher war, dass du vor der Tür stehst“, sagte sie nach einem Moment des Zögerns.
Er lächelte. Ein Lächeln ohne Erwartungen, ohne Ansprüche. Das Anrecht darauf hatte er verspielt, zumindest das war ihm klar. Trotzdem konnte er seinen Charme nicht vollkommen unterdrücken. Seine aquamarinblauen Augen blitzten auf, als sich ihre Blicke trafen. Sein kohlschwarzes Haar war etwas länger, als sie es in Erinnerung hatte, und wellte sich leicht am Hinterkopf; wenn man genauer hinsah, konnte man sogar noch leichte Kammspuren erkennen.
„Ness“, sagte er leise. Eine einzige Silbe genügte, um sie völlig aus der Fassung zu bringen.
„Ich habe es geahnt. Ich habe gewusst, dass du kommen würdest, und doch habe ich …“ Sie bemühte sich, ruhig zu atmen.
„Und doch hast du was?“ Er trat einen Schritt näher, bis er mit einem Fuß in der Küche stand, dann senkte er den Kopf leicht zur Seite, suchte ihren Blick.
Instinktiv trat sie ein Stück zurück, während sie seinem Blick auswich. „Bitte tu das nicht, Lenny. Du kannst hier nicht einfach auftauchen und so tun, als wäre nichts geschehen.“
„Woher wusstest du, dass ich kommen würde?“, fragte er vorsichtig.
„Es spielt doch keine Rolle, ob ich es gewusst, geahnt oder befürchtet habe“, antwortete sie.
Er schob die Hände in die Taschen seiner Lederjacke und lächelte in altvertrauter Selbstsicherheit. „Ich hatte gehofft, dass du zumindest etwas überrascht wärst.“
„Das würde aber nichts daran ändern, dass es eine blöde Idee von dir war herzukommen.“ Vanessa räusperte sich und erwiderte seinen Blick mit dem letzten bisschen Selbstbewusstsein, das sich in seiner Anwesenheit abrufen ließ.
„Du siehst gut aus.“ Er musterte sie aufmerksam. Den Zopf, der ihr seitlich über die Schulter fiel, das schwarze Tanktop, das sie unter der weißen Strickjacke trug.
„Schmeichel mir nicht, Lenny. Das hat damals nicht funktioniert, und das funktioniert heute noch viel weniger.“ Sie rang um Fassung. „Kommt Katie noch? Bist du hier, um mir etwas von ihr auszurichten?“
„Katie hat mich gebeten, Jenna abzuholen.“
„Du bist nicht als bevollmächtigte Person eingetragen“, antwortete sie kühl. „Und das weiß Katie.“
„Das werden wir nachholen“, erwiderte er. „Wir sind ja noch neu auf diesem Gebiet und wussten nicht, was es alles zu beachten gilt.“
„Wir?“, fragte sie unbeeindruckt. „Wenn ich mich recht entsinne, ist es Katies und Igors Tochter und nicht deine.“
„Na komm schon, Ness. Du weißt doch selbst, wie nahe Katie und ich uns stehen. Du willst mich doch jetzt nur ärgern, oder?“
„Ich will dich nicht ärgern.“ Sie räusperte sich. „Ich habe dich lediglich darauf hingewiesen …“
„Dass ich nicht als bevollmächtigte Person eingetragen bin, ja, ich hab’s kapiert. Warum fragen wir nicht Jenna, was sie davon hält, dass sie heute von ihrem Onkel abgeholt wird?“
Vanessa presste schweigend die Lippen aufeinander.
Wie aufs Stichwort kam Jenna aus dem Spielzimmer. Mit glucksenden Lauten lief sie mit ausgestreckten Armen auf ihn zu. Lenny bückte sich und nahm sie lachend hoch. „Na, wenn das nicht meine Lieblingsnichte ist.“
Ihn derart vertraut mit Jenna zu sehen erfüllte eine blasse Erinnerung für einen Moment mit Farbe. Es war eher eine Erinnerung an vergangene Pläne als an die Wirklichkeit. Der Gedanke an gemeinsame Ziele, Gespräche über das Gründen einer eigenen Familie. Fast kam es ihr vor wie ein Blick in ein fremdes Leben, bei dem sie nur Zuschauer gewesen war. Das Leben einer Fremden, mit der sie nichts mehr gemeinsam hatte. Und ein Traum, der sich – wenn auch auf andere Weise – für eine Frau erfüllt hatte, die ein Kind von dem Mann ausgetragen hatte, das ihres hätte werden sollen.
„Was hältst du davon, wenn du schon mal deine Jacke und deine Schuhe holst?“ Lenny ließ Jenna wieder herunter. „Du bist doch schon ein großes Mädchen.“
Jenna nickte mit einem Strahlen, als hätte sie den Auftrag vom Weihnachtsmann höchstpersönlich erhalten, dann lief sie durch die offene Küchentür zur Garderobe am Ende des Raumes.
„Sie scheint dich zu mögen“, sagte Vanessa, während sie Jenna hinterherschaute.
„Wenn du willst, kannst du Katie anrufen.“ Er holte sein Handy aus der Jackentasche und begann, in seiner Kurzwahlliste zu blättern. „Sie wird dir bestätigen, dass alles seine Richtigkeit hat.“
Sie wusste, dass ihr Kommentar lächerlich gewesen war. Niemand stand Katie und ihrem Mann Igor so nahe wie Lenny. Seine Berechtigung, Jenna abzuholen, in Frage zu stellen, war zweifellos unbegründet.
„Schon gut.“ Vanessa hob die Hand. „Das wird nicht nötig sein. Aber bitte sag Katie, dass sie mich das nächste Mal vorher informieren soll.“
„Damit du dich vor mir verstecken kannst?“ Er musterte sie mit wissendem Lächeln.
Vanessa senkte den Blick. Die Situation hatte etwas Absurdes an sich. Zwei Jahre waren vergangen. Zwei Jahre, in denen sie sich fast jeden Tag gefragt hatte, wie er ihr gemeinsames Leben, ihre Hoffnungen und Träume wegen eines billigen Abenteuers hatte verraten können. Und jetzt stand er vor ihr. Nach all der Zeit. Nach all den Schmerzen.
Sie ertrug es nicht, ihm nahe zu sein. So nahe, dass sie sein Aftershave riechen konnte.
„Soll ich dir helfen?“, rief sie schließlich zu Jenna hinüber, als wolle sie sich vor den eigenen Gedanken schützen. Jenna antwortete ihr kichernd mit einem Kopfschütteln.
Lenny, der ihr Ablenkungsmanöver zweifellos durchschaute, trat einen Schritt näher und zog ihr Kinn mit seinem Zeigefinger sanft nach oben, bis ihr Blick auf seinen traf.
„Es ist alles wahr“, sagte er fast lautlos. „Ich bin wegen dir hergekommen. Ich wollte dich sehen, mit dir reden. Es ist so viel Zeit vergangen. Und vielleicht genügend Zeit, um …“
Er stockte.
„Genügend Zeit wofür?“ Ihr Ton wurde schärfer. „Genügend Zeit, um mich wieder rumzukriegen? Ein paar schmachtende Blicke, ein bisschen Süßholzraspelei – und ich falle in deine Arme, als sei nichts gewesen?“
„Nein, so hab ich das nicht gemeint. Ich weiß, dass das nicht so einfach ist. Wenn du doch nur begreifen würdest, dass ich niemals aufgehört habe, dich zu lieben. Dass das mit dieser Frau nichts zu bedeuten hatte. Was die Affäre auch immer für Folgen hatte, hat nichts, rein gar nichts, mit meinen Gefühlen für dich zu tun. Du bist mein Leben, Ness. Noch immer. Und du wirst es immer bleiben.“
Vanessa starrte ihn sprachlos an. Wie konnte er es wagen? Nach allem, was geschehen war? Nach all den seelischen Schmerzen, die er ihr zugefügt hatte?
Jenna hüpfte mit einer halb angezogenen Windjacke und zwei winzigen Schuhen in den Händen in die Küche.
Dankbar für eine Tätigkeit, die sie davor bewahrte, das letzte bisschen Fassung zu verlieren, nahm sie Jenna die Schuhe aus den Händen. Dann schob sie ihr den kleinen Hocker hin, auf dem sie gewöhnlich den Kindern beim Anziehen half.
„Ich würde gern mit dir reden“, sagte Lenny, während sie Jenna den ersten Schuh anzog. „Woanders. Nicht hier. Nur ein paar Minuten. Hast du vielleicht heute Abend Zeit?“
Vanessa atmete tief durch und griff nach dem zweiten Schuh.
„Ness?“ Seine Stimme klang hoffnungsvoll und ängstlich zugleich.
„Nicht heute“, antwortete sie schließlich mit fester Stimme. „Nicht morgen. Nicht in hundert Jahren.“
„Aber ich wollte doch nur …“
„So, meine Süße“, unterbrach sie seine Annäherungsversuche, während sie sich Jenna zuwandte, „nun bist du fertig. Und am Montag machen wir einen ganz tollen Spaziergang mit den anderen. Dann zeig ich euch, wie man einen Blumenkranz macht, ja?“
„Marleen“, quiekte Jenna vergnügt. „Marleen.“
„Ja, Marleen kommt auch mit“, antwortete Vanessa.
Beinahe mechanisch griff Lenny nach der Hand seiner Nichte, dennoch war er unfähig, seinen Blick von Vanessa abzuwenden. Anscheinend hatten ihre Worte ihn ernsthaft überrascht. Eine Tatsache, die sie noch wütender machte. Hatte er denn wirklich geglaubt, dass es so einfach werden würde? Dass allein seine Anwesenheit genügte, um alles vergessen zu machen?
Mit größter Beherrschung wich sie seinem Blick aus und öffnete die Tür.
„Ness“, sagte er, als er mit Jenna für einen Moment auf der Türschwelle stehen blieb. „Ich wollte dich nicht so überfallen, das musst du mir glauben. Aber wäre nach zwei Jahren nicht jede Art der Begegnung ein Überfall gewesen? Der erste Schritt ist nun mal immer der schwerste.“
„Ein erster Schritt ist überflüssig“, antwortete sie ruhig, „wenn es keinen zweiten geben wird. Und jetzt entschuldige mich bitte, aber ich habe Wichtigeres zu tun.“
Flüchtig strich sie über Jennas Haare, dann schloss sie die Tür hinter den beiden.
Keine Sekunde zu früh. Außer Atem lehnte sie mit dem Rücken an der Tür und versuchte, ihren Kopf wieder freizubekommen. Ihre Ängste vor dieser Begegnung hatten sich nicht nur bestätigt, sondern waren noch weit übertroffen worden. Ihn zu sehen war schmerzvoll, außerdem versetzte es jede Faser ihres Körpers in Aufruhr.
Dieser eindringliche Blick. Die kräftigen Schultern, an die sie sich so oft beim Tanzen geschmiegt hatte. Seine großen und doch zarten Hände, mit denen er sie all die Jahre über wie kein anderer zu berühren verstand.
Warum dachte sie ausgerechnet jetzt an Sex? An den verregneten Nachmittag, als sie sich nach einer Reifenpanne auf einem verlassenen Feldweg im Wagen geliebt hatten, während der Atem die Scheiben von innen vernebelte, und an den peinlichen Moment, als der Pannendienst eintraf? Oder an die Silvesternacht vor drei Jahren, als sie von der Party auf einem Kreuzfahrtschiff kurz vor Mitternacht in ihre Kabine verschwunden waren, um dem Höhepunkt des Jahres eine ganz eigene Definition zu geben?
Es war ihnen immer schwergefallen, die Finger voneinander zu lassen. Vom ersten Tag ihrer Beziehung an bis zum letzten. Umso schockierender war der Moment, als Vanessa erfuhr, dass er diese intimen Momente auch mit einer anderen geteilt hatte. Mit einer Frau, die ihr gesamtes Glück von einem Tag auf den anderen zerstört hatte.
Nein, dieser Mann verdiente keinen einzigen ihrer Gedanken. Er war es nicht wert, dass sie sich an großartigen Sex erinnerte oder dass sie das leichte Kribbeln auf ihrer Haut zuließ, das allein die Erinnerung an gewisse Momente ihrer Beziehung verursachte.
Er hatte sie betrogen und damit alles zerstört, was ihr lieb und teuer war. Das allein durfte jetzt noch zählen. Jeden anderen Gedanken würde sie sich ab jetzt aus dem Kopf schlagen, ganz gleich, zu welchen Mitteln auch immer sie greifen musste, um das zu schaffen.
*
„Ich verstehe gar nicht, was du gegen meine Idee einzuwenden hast.“ Kim zog eine silberne Bluse heraus, betrachtete sie prüfend und hängte sie wieder zurück an den Ständer mit dem verlockenden Schild Sale.
„Was ich dagegen einzuwenden habe? Soll das vielleicht ein schlechter Scherz sein? Ich werde mich doch nicht auf eine Affäre mit einem Typen einlassen, der mich verarscht und betrogen hat und nach zwei Jahren hier auftaucht, als wäre nichts gewesen.“
„Von Affäre hat niemand was gesagt“, antwortete Kim, während sie in wie immer viel zu hohen Riemchen-Pumps neben Vanessa durch die Gänge der Boutique stöckelte. „Ich rede davon, ihn vielleicht ein- oder zweimal in dein Bett zu lassen, um ihm danach die rote Karte zu zeigen. Das wird schlimmer für ihn sein als jede Abfuhr, die du ihm jetzt geben könntest. Er wird leiden, er wird bluten. Und er wird endlich begreifen, was er verloren hat.“
„Das hat er bereits jetzt begriffen.“ Vanessa lehnte sich gegen ein Regal neben den Garderoben. „Dafür muss ich ihn nicht derart quälen. Und mich gleich mit.“
Kim seufzte. „Ach daher weht der Wind. Du hast Angst, dich wieder in ihn zu verlieben. Das sind wir doch schon so oft durchgegangen, Liebes. Sex muss nicht zwingend etwas mit Liebe zu tun zu haben. Manchmal kann man sich sogar am besten entspannen, , wenn man keinerlei Erwartungen damit verbindet.“
„Und genau das ist es, was uns voneinander unterscheidet, Kim. Die Erwartungen! Während ich an die wahre Liebe glaube, geht es für dich immer nur um Sex und Selbstbestätigung.“
„So schätzt du mich also ein, ja?“ Sie imitierte die Beleidigte.
„Du weißt, was ich meine.“
„Eben.“ Kim legte den Arm um ihre Schulter. „Und deshalb solltest du mir auch vertrauen. Ein bisschen Leidenschaft wird dir guttun. Außerdem hast du selbst gesagt, dass du mit ihm damals den besten Sex deines Lebens hattest.“
Vanessa schaute sich irritiert in der überfüllten Boutique um. „Geht’s vielleicht noch ein bisschen lauter?“
Kim lachte. „Nun mal nicht so verklemmt, Süße. Wir wissen doch beide, dass stille Wasser tief sind. Und genau deshalb denkst du insgeheim auch schon lange darüber nach, wie du meine Idee in die Tat umsetzen kannst.“
„Das ist doch Blödsinn!“
Blödsinn, ja. Das war es tatsächlich. Nichts war dummer als der Gedanke, sich erneut – egal in welcher Form und aus welchem Grund – auf Lenny einzulassen. Allerdings gab es tatsächlich etwas an Kims Worten, das Vanessa keine Ruhe ließ: Es war die Vorstellung, sich endlich wieder vollkommen fallen und nur von seinen körperlichen Bedürfnissen lenken zu lassen. Wie sehr vermisste sie das Gefühl, auf dem Höhepunkt der eigenen Leidenschaft den Rest der Welt – und damit auch all ihre Traurigkeit – hinter sich zu lassen. Warum sie in diesem Moment an Gregor dachte, war ihr nicht sofort klar. Aber manchmal – zumindest das wusste sie – war es gar nicht nötig, die eigenen Gedanken zu verstehen. Oberste Priorität hatte das Vorhaben, Lenny zu vergessen, bevor er sich erneut in ihrem Herz einnistete. Und dafür war ihr jedes Mittel recht.
„Du glaubst gar nicht, wie sehr ich mich über deinen Anruf gefreut habe. So musste ich mir ausnahmsweise mal keine Ausrede überlegen, um der samstäglichen Kneipentour mit meinem Kumpel zu entgehen.“
Sie erwiderte Gregors mittlerweile dritten Kommentar, der seine Freude über ihren Anruf ausdrücken sollte, mit einem stummen Nicken. Er war in ihrer Gegenwart ziemlich nervös, das war offensichtlich.
„Ist alles in Ordnung?“, hakte er nach, während er in gekünstelter Gleichgültigkeit einen Stein über dem Wasser balancieren ließ.
„Ja“, antwortete sie leicht abwesend. „Ja, natürlich.“
Sie blieb neben ihm stehen und ließ ihren Blick über das Meer wandern. Der Strandabschnitt war an diesem Abend menschenleer. Nicht zuletzt deshalb hatte sie sich dafür entschieden, seine Einladung zu einem Spaziergang endlich anzunehmen.
„Du wirkst irgendwie abwesend“, stellte er mit prüfendem Blick fest.
„Tut mir leid“, antwortete sie. „Es war ein langer Tag. Ich bin mit den Gedanken wohl woanders.“
Woanders, ja. Vor allem bei jemand anderem. Die Nachricht, die sie am Morgen auf ihrem Handy gefunden hatte, spukte noch immer in ihrem Kopf herum.
Liebe Ness. Es tut mir leid, dass ich dich gestern überfallen habe. Ich wollte deine Gefühle nicht aufwühlen oder dich verletzen. Ich will einfach nur mit dir reden. Bitte denk noch mal darüber nach. Alles Liebe, Lenny
Alles Liebe. Von wegen. Was bildete er sich eigentlich ein, ihre Gefühle derart auf die Probe zu stellen? Für wie labil hielt er sie?
Gregor hatte inzwischen seine Schuhe ausgezogen und trug sie in der rechten Hand, während er barfuß durch den Sand spazierte. Aus dem Augenwinkel bemerkte sie, wie er sie von der Seite musterte. Nicht stalkermäßig, sondern eher mit distanziertem Interesse, darum bemüht, eine möglichst angenehme Gesellschaft für sie darzustellen. Trotzdem überforderte sie seine Anwesenheit stärker, als sie vermutet hatte. Anfangs war ihr die Idee einer Ablenkung noch brillant erschienen, aber in diesem Moment störte jeder, der sie daran hinderte, in selbstquälerische Gedanken an Lenny zu versinken.
„Ich hoffe, du bist meiner Einladung nicht nachgekommen, um es endlich hinter dir zu haben.“ Er bückte sich nach einer Muschel. „Wir sind jetzt nämlich seit einer halben Stunde unterwegs, und ich finde, dafür dass deine Stimme sehr viel schöner klingt als meine, habe ich mich selbst in dieser halben Stunde eindeutig zu oft reden gehört.“
Vanessa blieb stehen. Ihr gedankenverlorener Blick wich einem Lächeln. War er die ganze Zeit über so charmant und originell gewesen und es fiel ihr erst in diesem Moment auf? Oder brachte ihn ihre kalte Schulter dazu, dass er langsam die Geduld verlor und in die Vollen ging?
„Fragt sich nur, ob du zu viel redest oder ich zu wenig“, antwortete sie augenzwinkernd.
Gregor ließ seine Schuhe neben sich in den Sand fallen und griff nach ihrer linken Hand. Er schaute ihr für den Bruchteil einer Sekunde tief in die Augen, dann senkte er den Blick auf ihre Handfläche und strich mit dem Zeigefinger die Linien auf ihrer Haut nach. „Deine Liebeslinie sagt eindeutig, dass dir schwerwiegende Veränderungen bevorstehen.“
„So so, das sagt sie also.“ Vanessa löste sich langsam aus seiner Berührung. „Dann kann ich nur hoffen, dass ich das passende Kleid für die schwerwiegenden Veränderungen im Schrank hängen habe.“
„T-Shirt und Jeans genügen völlig“, antwortete er.
Der Umstand, dass er ihrem Blick nicht auswich und seine Nervosität plötzlich verschwunden schien, weckte ungewohntes Interesse in ihr. Zumindest wollte sie einen erneuten Versuch wagen, in seiner Gegenwart für ein paar Stunden Lennys Rückkehr zu vergessen.
„Gut zu wissen“, erwiderte sie lächelnd.
Jetzt, da sie zum ersten Mal, noch dazu außerhalb ihres Hauses, wirklich allein mit ihm war, fiel ihr auf, wie außerordentlich gut er gebaut war. Seine Schultern waren breiter, als sie in Erinnerung hatte, und unter dem offenen Kragen seines schilfgrünen Kurzarmhemdes konnte sie sehen, dass seine Brust rasiert war. Das blonde Haar war leicht zerzaust und sah aus, als hätte er es nach dem Schwimmen an der Luft trocknen lassen. Im Grunde stand das Klischee eines Beachboys vor ihr, das ihr unter anderen Umständen nicht mehr als ein müdes Lächeln abverlangt hätte. In diesem Moment jedoch erkannte sie die Genialität ihrer Suche nach Ablenkung in vollem Umfang.
„Es tut mir übrigens leid, dass ich bisher so abwesend war“, fügte sie hinzu.
„Kein Problem.“ Er zwinkerte ihr zu. „Noch habe ich die Hoffnung auf einen redseligeren Spaziergang nicht aufgegeben.“
„Ich meine nicht diesen Spaziergang.“ Sie beugte sich nach unten, streifte ihre Ballerinas von den Füßen und nahm sie in die Hand, um den Weg barfuß fortzusetzen. „Ich meine alles.“
Er hob seine Schuhe auf und ging neben ihr den Strand entlang, während die Zungen belebender Wellen in sanften Stößen ihre nackten Füße umspülten. „Ach du meinst meine selbsterniedrigenden, mittlerweile vier Monate andauernden Versuche, dich endlich zu einem Date zu überreden?“
Sie lachte. „Genau die. Aber weißt du, manchmal ist man einfach nicht bereit. Nicht mal für etwas Oberflächliches.“
„Auch wenn meine Hartnäckigkeit vielleicht einen anderen Eindruck erweckt hat, ich will dich weder heiraten noch bei dir einziehen, Vanessa. Einfach nur ein harmloses Date.“ Er schaute auf das Wasser. „Oder eben einen Spaziergang am Meer.“
„Darf ich dich was fragen?“, begann sie.
„Alles.“
„Warum Tischler?“
„Warum Tagesmutter?“
Sie blieb stehen. „Ich hab zuerst gefragt.“
Er lächelte. „Also gut. Mein Großvater war Tischler war, mein Vater war Tischler und nach zwei Generationen Familienbetrieb stellt man es nicht mehr in Frage, ob man selbst auch Tischler werden möchte. Manche Dinge sind eben so unumgänglich wie die Vererbung der Haarfarbe.“
„Haare kann man färben“, antwortete sie mit aufforderndem Grinsen.
„Heißt das, du magst meine Haare nicht?“, fragte er mit gespieltem Entsetzen.
„Das war mehr eine Metapher.“
„Verstehe.“ Er senkte seinen Kopf zur Seite und befeuchtete die Lippen, was sie sofort in einen Zustand unangenehmer Nervosität versetzte. Er kam nicht näher, vielmehr schien er darauf zu warten, dass sie den ersten Schritt machte.
Vanessas Herz begann zu rasen. Panik überkam sie.
Was genau ließ ihn denken, dass sie zu mehr als einem unverbindlichen Spaziergang bereit war?
Okay, vielleicht war sie bereit. Bereit für irgendetwas. Zumindest war der Wunsch nach Ablenkung der Grund für ihren Anruf gewesen, aber war das ein Grund, seine Lippen zu befeuchten und einen Blick aufzusetzen, als hätte sie ihn gerade darum gebeten, ihr die Kleider vom Leib zu reißen?
Er schien ihr Unbehagen zu spüren; unweigerlich verschwand sein erwartungsvoller Blick, und er setzte wieder ein unbeschwertes Lächeln auf. Er schaute auf seine Armbanduhr.
„Es ist kurz nach sieben“, sagte er. „Hast du Hunger?“
„Hunger?“
„Wir könnten zu Laszlo gehen. Ich lad dich ein.“
Vanessa dachte einen Moment über seinen Vorschlag nach. „Um ehrlich zu sein, ich bin nicht so der Fisch-Fan.“
„Wie kann man als Insulanerin kein Fisch-Fan sein?“, fragte er lachend.
„Überrascht?“
„Laszlo bietet in seinem Restaurant nicht nur Fischgerichte an.“
„Ich weiß, aber ich würde viel lieber …“ Sie verstummte.
„Weiter spazieren gehen?“
Sie nickte lautlos, während sie darüber nachdachte, ob es tatsächlich der Wahrheit entsprach. Sie hatte keinen Hunger, das stimmte. Gleichzeitig war sie sich aber völlig unklar darüber, was genau sie eigentlich wollte. Ablenkung? Ja. Immerhin war sie deswegen hier. Aber war es überhaupt möglich, sich abzulenken? Warum gelang es ihr dann nicht, die Begegnung mit Lenny endlich aus dem Kopf zu bekommen?
Gregor stand noch immer vor ihr wie eine Offenbarung. Er schien zu spüren, dass sie nicht so recht wusste, was sie wollte. Gleichzeitig war nicht zu übersehen, dass ihn dieser Zustand überforderte.
„Kann ich dich was fragen, Gregor?“, fragte sie schließlich.
„Natürlich.“
Sie suchte nach Worten. „Warum wolltest du dich unbedingt mit mir treffen?“
„Na ja. Ich mag dich eben.“ Er nahm ihre Hand. „Du bist nicht nur klug und attraktiv, du machst auch noch dein ganz eigenes Ding. Ich finde es bemerkenswert, dass eine so junge Frau bereits seit Jahren ihre eigene Tagespflegeeinrichtung betreibt. Und wie du mit den Kindern umgehst, ist einfach … ich weiß auch nicht … du beeindruckst mich eben in vielerlei Hinsicht.“
„Ich beeindrucke dich?“
„Ja, einfach alles an dir ist beeindruckend.“ Er schien in seinem Element zu sein. „Ich kann mich nur nicht entscheiden, ob ich deinen Job beeindruckender finde oder deinen Hintern.“
Es war das erste Mal, dass er sie wirklich zum Lachen brachte.
Sie hatte begriffen, dass er sich für sie interessierte. Zu hören, wie er dieses Interesse in Worte fasste, war jedoch unerwartet erheiternd. Und irgendwie süß.
„Wenn es etwas ist, das ich an dir beeindruckend finde“, sagte sie, „dann die Tatsache, dass du mich selbst nach dem langweiligsten aller Spaziergänge noch anziehend findest.“
„Ich sagte beeindruckend“, stellte er richtig.
Sie wurde rot. „Sorry. Mein Fehler.“
Ihre Verlegenheit schien ihn auf den Plan zu rufen. Instinktiv kam er einen Schritt näher. „Wobei beeindruckend natürlich auch Adjektive wie anziehend, sexy und umwerfend beinhaltet.“
„Tatsächlich?“, fragte sie, nun beinahe flüsternd.
„Aber ja.“ Gregor beugte sich zu ihr herunter. „Wusstest du das nicht?“
So dicht vor ihm fühlte es sich plötzlich nicht mehr falsch an, den nächsten Schritt zu wagen. Während sie seine Lippen näher kommen sah, stellte sie mit Erleichterung fest, wie sich all die selbstzerstörerischen Gedanken langsam in Luft auflösten. Die Erkenntnis, dass sie tatsächlich noch so etwas wie Instinkt besaß, war regelrecht beflügelnd.
Er legte seine Hände um ihre Wangen und küsste ihre Stirn, dann wanderten seine Lippen langsam über die Nase zu ihrem Mund.
Vanessa erwiderte seinen Kuss erst zögernd, bis sie ihre Hemmungen schließlich nach und nach fallen ließ.