Die Wittelsbacher - Barbara Beck - E-Book

Die Wittelsbacher E-Book

Barbara Beck

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Beschreibung

Seit Otto von Wittelsbach im September 1180 mit dem Herzogtum Bayern belehnt wurde, sind die Geschicke von Land und Dynastie für 738 Jahre eng miteinander verknüpft. 1214 kam die Kurpfalz unter wittelsbachische Herrschaft. Trotz einer Aufsplitterung in viele Nebenlinien behauptete sich das Hochadelsgeschlecht jahrhundertelang erfolgreich in diesen beiden zentralen deutschen Territorien. Dreimal stellte es den König bzw. Kaiser des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation. Zeitweise nahmen Angehörige des Hauses auch auf den Thronen von Dänemark, Norwegen und Schweden sowie Griechenland Platz. Das Buch zeichnet die in all ihren Höhen und Tiefen spannende Geschichte des Geschlechts vom 12. Jahrhundert bis 1918 nach. Neben knappen Einführungstexten über die historischen Zusammenhänge stellt es 27 prominente Vertreter der Dynastie in Kurzporträts vor.

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Barbara Beck

Die Wittelsbacher

Vom 12. bis ins 20. Jahrhundert

INHALT

VORWORT

ANFÄNGE UND AUFSTIEG

OTTO I., Herzog von Bayern

LUDWIG I., DER KELHEIMER, Herzog von Bayern

LUDWIG IV., DER BAYER, Römisch-deutscher Kaiser, Herzog von Bayern

DIE ZEIT DER LANDESTEILUNGEN IN BAYERN

LUDWIG VII., DER GEBARTETE, Herzog von Bayern-Ingolstadt

ELISABETH (ISABEAU), Königin von Frankreich

GEORG, DER REICHE, Herzog von Bayern-Landshut

ALBRECHT IV., DER WEISE, Herzog von Bayern-München bzw. von Bayern

DAS KURFÜRSTENTUM PFALZ

RUPRECHT (III.), Römisch-deutscher König, Kurfürst von der Pfalz

OTTHEINRICH, Kurfürst von der Pfalz, Pfalzgraf von Neuburg

FRIEDRICH V., DER WINTERKÖNIG, Kurfürst von der Pfalz, König von Böhmen

ELISABETH CHARLOTTE (LISELOTTE), Herzogin von Orléans und Valois

JOHANN WILHELM, Kurfürst von der Pfalz

DAS KURFÜRSTENTUM BAYERN

SABINA, Herzogin von Württemberg

MAXIMILIAN I., Kurfürst von Bayern

MAXIMILIAN II. EMANUEL, Kurfürst von Bayern

VIOLANTE BEATRIX, Erbprinzessin der Toskana, Gouverneurin von Siena

KARL VII. (KARL ALBRECHT), Römisch-deutscher Kaiser, Kurfürst von Bayern

KARL THEODOR, Kurfürst von Pfalz-Bayern

DAS KÖNIGREICH BAYERN

MAXIMILIAN IV./I. JOSEPH, Kurfürst von Pfalz-Bayern, König von Bayern

LUDWIG I., König von Bayern

LUDWIG II., König von Bayern

ELISABETH (SISI), Kaiserin von Österreich, Königin von Ungarn und Böhmen

LUITPOLD, Prinzregent von Bayern

LUDWIG III., König von Bayern

THERESE, Prinzessin von Bayern

WITTELSBACHER AUF FREMDEN KÖNIGSTHRONEN

KARL XII., König von Schweden

OTTO I., König von Griechenland

AUSBLICK

AUSWAHLBIBLIOGRAFIE

VORWORT

Die Wittelsbacher, die zu den bedeutendsten Herrscherfamilien in Europa gehören, können unter den großen Fürstenhäusern zugleich auf eine der längsten kontinuierlichen dynastischen Traditionen zurückblicken. Über 700 Jahre lang entschieden sie über die Geschicke ihres Stammlandes Bayern, in dem sie seit der Belehnung des Grafen Otto von Wittelsbach mit dem bayerischen Herzogtum im September 1180 in ununterbrochener Folge als Herzöge, Kurfürsten und Könige bis zur Revolution von 1918 regierten. Obwohl es in ihrer Geschichte Phasen gab, in denen sie dieses Land gegen ein größeres und somit auch prestigeträchtigeres Territorium eintauschen wollten, blieben sie letztlich eng mit Bayern verbunden und prägten diesen Staat nachhaltig. Selbst im 21. Jahrhundert genießt die ehemalige Herrscherfamilie weiterhin so hohes gesellschaftliches Ansehen im Freistaat Bayern, dass ihre Vertreter bei vielen staatlichen und öffentlichen Veranstaltungen als Ehrengäste anwesend sind.

Nicht ganz so lange, fast 600 Jahre, haben die Wittelsbacher in ihrem anderen wichtigen Machtzentrum geherrscht, der einstigen Kurpfalz, die 1803 von der politischen Landkarte verschwand. Hier spielt die Erinnerung an die Dynastie anders als in Bayern eine vergleichsweise geringere Rolle. Noch weniger präsent sind die Wittelsbacher heute in ihren übrigen vormaligen Nebenterritorien, in denen sie für unterschiedlich lange Zeit regierten.

Die Wittelsbacher waren nicht nur die Landesherren in zwei zentralen Territorien des Heiligen Römischen Reichs, sondern sie stellten auch drei seiner Könige bzw. Kaiser. Auch außerhalb der deutschen Grenzen gelang es ihnen, zeitweilig Königsthrone zu besetzen. Während sie etwa drei Generationen lang die Geschicke des Königreichs Schweden bestimmten, blieb es in Griechenland bei einem einzigen Throninhaber, der noch dazu ins Exil gehen musste.

Wegen der ungeheuren Aufmerksamkeit, die der »Star« des Hauses, der sogenannte »Märchenkönig« Ludwig II. von Bayern erfährt, gerät leider häufig die beachtliche Vielfalt an verschiedenartigen und interessanten Persönlichkeiten, die dieses Herrschergeschlecht in all seinen Verästelungen über die Jahrhunderte auszeichnete, aus dem Blickfeld der breiteren Öffentlichkeit. Die anscheinend grenzenlose Faszination, die Ludwig II. ausübt, sorgt nicht selten in unangemessener Weise dafür, dass andere Familienmitglieder von Belang wie auch die Gesamtgeschichte der Dynastie in den Hintergrund gedrängt werden.

Das vorliegende Buch widmet sich der abwechslungsreichen Historie der Wittelsbacher in der Zeit vom 12. bis zum frühen 20. Jahrhundert, als sie den Gang der Geschichte sowohl in politischer, kultureller und religiöser Hinsicht maßgeblich beeinflusst haben. Angesichts der großen Anzahl an Mitgliedern der Dynastie in diesem langen Zeitraum konzentriert sich die Darstellung weitgehend auf die in Bayern und der Kurpfalz regierenden Fürsten. Aus Platzgründen und um die Übersichtlichkeit für die Leserschaft zu bewahren, werden daher weder die zahlreichen Erzbischöfe und Bischöfe, die dem Haus entstammten, noch die nicht an die Regierung gekommenen Prinzen berücksichtigt, die durchaus auch mitunter beeindruckende Lebensgeschichten vorweisen können. Ebenso muss wegen des begrenzten Umfangs des Bandes darauf verzichtet werden, die verschiedenen wittelsbachischen Nebenlinien in ihrer Entwicklung im Einzelnen einzubeziehen. Um jedoch den weit verzweigten Einfluss der Familie zu veranschaulichen, sind einige bemerkenswerte wittelsbachische Prinzessinnen, die an anderen deutschen und europäischen Höfen zu Bedeutung gelangten, genauso mit einem knapp gefassten Porträt gewürdigt worden wie zwei Herrscher aus dem Hause Wittelsbach, die auf ausländischen Königsthronen saßen. Bei allen hier mit einer Kurzbiografie bedachten Personen handelt es sich um Persönlichkeiten, die der Autorin als besonders interessant und vielsagend für diese Dynastie erscheinen. Die Reihe der Lebensläufe beginnt mit dem Pfalzgrafen Otto von Wittelsbach, der 1180 mit dem Herzogtum Bayern belehnt wurde, wodurch der Aufstieg der Familie in den Kreis der europäischen Hocharistokratie seinen Anfang nahm. Ihren zeitlichen Abschluss findet die Serie bei dem letzten bayerischen König Ludwig III. und seiner Schwester Therese, die beide 1918 das Ende der Monarchie erlebten. Der 1718 unter nie ganz geklärten Umständen gefallene schwedische »Kriegerkönig« Karl XII. und der 1862 gestürzte König Otto von Griechenland runden den Porträtreigen ab. Eingebettet sind die insgesamt 27 Kurzbiografien in mehrere überblicksartige Einführungstexte, die die jeweiligen historischen Zusammenhänge verdeutlichen bzw. ergänzen sollen.

ANFÄNGE UND AUFSTIEG

Die Herkunft der Wittelsbacher ist bis heute nicht eindeutig geklärt. Es gibt zwar verschiedene Mutmaßungen über ihre Abstammung, aber urkundlich nachweisbar ist die Familie erstmals seit dem 11. Jahrhundert in Bayern. In Anbetracht der Tatsache, dass die Wittelsbacher bis in die Gegenwart hinein ihren Lebensmittelpunkt in Bayern haben, bekunden sie damit im Vergleich zu anderen Hochadelsgeschlechtern eine bemerkenswerte Bodenständigkeit.

Der erste namentlich bekannte Vorfahre der Dynastie, zugleich auch der Ahnherr aller späteren Wittelsbacher, ist ein Graf Otto von Scheyern. Um 1030 fungierte er als Vogt des reich begüterten Hochstifts Freising. Dies spricht dafür, dass seine Familie bereits damals zu den vornehmsten Geschlechtern des Landes zählte. Weil das Kirchenrecht es Geistlichen untersagte, selbst Krieg zu führen oder Todesurteile zu verhängen, benötigte ein Bischof hierfür einen weltlichen Vertreter, den Vogt, der gebührend entlohnt werden musste. Bei den großen Diözesansprengeln bot das Amt seinem jeweiligen Inhaber daher einträgliche Einkünfte. Wie viele andere Adelshäuser wussten die Wittelsbacher hieraus offensichtlich ihren Nutzen zu ziehen und dies ihrem Machtstreben dienstbar zu machen; denn entsprechend abfällig äußerte sich Bischof Otto von Freising über sie. Dieser hochbedeutende Geschichtsschreiber aus der Mitte des 12. Jahrhunderts vermerkte nämlich missfällig, dass diesem Geschlecht »zahlreiche Gewaltmenschen« entstammten.

Graf Ottos Eigenbesitz befand sich wahrscheinlich südlich von Kelheim. Die Burg Scheyern bei Pfaffenhofen an der Ilm, nach der sich die Familie für einige Jahrzehnte nannte, hatte ihm seine Ehefrau Haziga eingebracht. Um 1115 erscheint erstmals der Name »Wittelsbach« in den Quellen. Zu diesem Zeitpunkt war die Burg Wittelsbach bei Aichach, die an der Straße von Augsburg nach Regensburg lag, zum namengebenden Hauptwohnsitz der Familie geworden. Ihre Burg Scheyern hatte sich hingegen in der Zwischenzeit zu ihrem Hauskloster gewandelt. Bis 1253 diente ihnen, wie dies für hochadelige Dynastenfamilien üblich war, die Kirche dieser Benediktinerabtei auch als Begräbnisstätte.

Bereits im frühen 12. Jahrhundert gelang es den Wittelsbachern, mittels Erbschaften und dem Erwerb weiterer Kirchen- und Klostervogteien zu einem der mächtigsten Adelsgeschlechter in Bayern aufzusteigen. Dank ihrer ausgedehnten Vogteigewalt konnten sie große Gebiete, die ihnen nicht gehörten, kontrollieren und beherrschen. Es war deshalb nur folgerichtig, dass Kaiser Heinrich V. im Jahr 1120 Graf Otto V. das Amt eines Pfalzgrafen von Bayern übertrug, die zweithöchste weltliche Würde des Landes nach der des Herzogs. Als Pfalzgrafen überflügelten die Wittelsbacher schließlich ihre gräflichen Rivalen im Herzogtum Bayern.

Der nächste wichtige Karrieresprung für die Wittelsbacher stellte im September 1180 die Belehnung mit dem Herzogtum Bayern dar. Ihre Loyalität gegenüber dem Königsgeschlecht der Staufer zahlte sich auf diese Weise aus. Kaiser Friedrich I. Barbarossa setzte mit Graf Otto VIII. von Wittelsbach einen Mann an die Spitze des Herzogtums Bayern, der zu seiner engsten Umgebung gehörte und als Pfalzgraf von Bayern immer bedingungslos für ihn eingetreten war. Der Belehnungsakt im thüringischen Altenburg wirkte dynastiegründend. Von nun an verblieb Bayern im Besitz der Wittelsbacher bis 1918. Seit Herzog Otto I. führte das Geschlecht den Namen Bayern.

Durch geschicktes Agieren zwischen den um die Macht im Heiligen Römischen Reich ringenden Dynastien der Staufer und der Welfen gelang es den Wittelsbachern, ihre Position auszubauen und zum Kreis der Führungselite des Reichs zu zählen. Innerhalb nur weniger Jahrzehnte kam im Oktober 1214 mit der Pfalzgrafschaft bei Rhein bereits ein weiteres Fürstentum von Belang in ihren Besitz. Abgesehen von Altbayern, dessen Erblichkeit ihnen 1208 auch formell bestätigt wurde, kann die Pfalz als ihre bedeutendste und dauerhafteste Erwerbung betrachtet werden.

Unter den drei ersten Herzögen aus dem Hause Wittelsbach – Otto I., Ludwig I. und Otto II. – wurde das bayerische Herzogtum zu einem für mittelalterliche Verhältnisse straff organisierten Staatswesen umgewandelt. Als Herzog Otto II. 1253 starb, gab es erstmals zwei überlebende Söhne, Ludwig und Heinrich. Die nach dem Willen des Vaters vorgesehene gemeinsame Regierung der beiden jungen Herzöge funktionierte nicht gut, was wahrscheinlich an den sehr verschiedenen Charakteren der Brüder lag. 1255 schritten sie deshalb zu einer Teilung, womit die zahlreichen Landesteilungen im Herzogtum Bayern für die nächsten 250 Jahre ihren Anfang nahmen. Sie schufen damit einen Präzedenzfall im Reich, der zahllose Nachahmer fand. Ludwig II. »der Strenge« behielt die Pfalz und das nachmalige Oberbayern mit der Hauptstadt München. Der jüngere Bruder, Heinrich XIII., bekam das spätere Niederbayern mit der Hauptstadt Landshut. Die beiden Brüder teilten somit die Regierungsgeschäfte und Einkünfte auf. Insgesamt blieb Bayern jedoch als Reichslehen bestehen. Nachdem das Teilungsprinzip einmal in Bayern in Gebrauch genommen worden war, folgten weitere Teilungen nach. Mitunter existierten vier Teilherzogtümer gleichzeitig.

Während sich Ludwig II. stark in der Reichspolitik engagierte, lagen die Interessen seines Bruders mehr im Südosten. Die Linie Heinrichs XIII. starb 1340 in der vierten Generation wieder aus. Herzog Ludwig der Strenge hinterließ bei seinem Tod 1294 zwei Söhne. Die von ihm geplante gemeinsame Regierung seiner Söhne war allerdings von Anfang an zum Scheitern verurteilt, da die beiden Brüder schon aus persönlichen Gründen nicht miteinander auskamen, was erhebliche Differenzen zur Folge hatte. Der Jüngere von ihnen, der als Ludwig der Bayer in die Geschichte eingehen sollte, sah sich selbst als den Befähigteren und strebte nach der alleinigen Führung. Ihm gelang es tatsächlich, den älteren Bruder Rudolf beiseitezuschieben, zum König und dann zum römisch-deutschen Kaiser aufzusteigen.

Um den ständigen Erbstreitigkeiten in seinem Haus ein Ende zu bereiten, kam Kaiser Ludwig IV. mit den Nachkommen seines 1319 verstorbenen Bruders Rudolf im 1329 geschlossenen Hausvertrag von Pavia zu jener weittragenden Lösung, dass die Pfalzgrafschaft bei Rhein samt den Gebieten um Amberg, Neumarkt und Sulzbach an Rudolfs Nachfahren ging, während Oberbayern samt Lengenfeld, Schwandorf, Kallmünz und den Burggrafenrechten von Regensburg bei ihm und seinen Söhnen blieb. Diese Aufteilung in zwei Linien kam auch der letztlich bestehenden Unvereinbarkeit der bayerischen und pfälzischen Interessen entgegen. Als bedeutsam für die Zukunft sollte es sich erweisen, dass in dem Hausvertrag eine gegenseitige Beerbung der beiden Linien festgeschrieben wurde. Dass die Kurstimme im Wechsel zwischen ihnen ausgeübt werden sollte, wurde jedoch durch die Goldene Bulle Kaiser Karls IV., die das Kurrecht zur Verbitterung der bayerischen Linie dauerhaft den Pfälzern verlieh, hinfällig.

Wichtiger als die jahrzehntelange scharfe Auseinandersetzung zwischen Ludwig dem Bayern und den Päpsten von Avignon, die das letzte Kapitel im 250-jährigen Kampf zwischen Kaiser und Papst bildete, war für die wittelsbachische Dynastie, dass Ludwig seine Position an der Spitze des Heiligen Römischen Reichs entschlossen und erfolgreich zur Vergrößerung seiner Hausmacht zu nutzen verstand. Dieser »Landhunger« Ludwigs ist auch in der Tatsache begründet, dass er mehrere Söhne mit angemessen großen Herrschaften ausstatten musste. Das seit 1340 durch das Aussterben der niederbayerischen Linie in seiner Hand wieder vereinigte Herzogtum Bayern war dafür einfach nicht weiträumig genug. Ludwig wollte außerdem eine abermalige Teilung Bayerns unbedingt verhindern. Neben Reichspfandschaften in Schwaben brachte er die Markgrafschaft Brandenburg nebst deren Kurstimme an sein Haus, indem er seinen Sohn Ludwig 1323 damit belehnte. Durch seine zweite Heirat erlangte der Kaiser 1324 Erbansprüche auf die Grafschaften Holland, Seeland und Hennegau sowie die Herrschaft Friesland. Mit dem Erwerb der Gefürsteten Grafschaft Tirol mittels Verheiratung seines Sohnes Ludwig von Brandenburg mit der Tiroler Erbin Margarete »Maultasch« 1342 überreizte er jedoch das Blatt. Dass er sich anmaßte, die bereits bestehende Ehe Margaretes mit einem Prinzen aus dem Hause Luxemburg kraft kaiserlicher Macht mit dem Einverständnis der Tiroler Fürstin zu scheiden, wurde nicht allein von der päpstlichen Kurie als ein unglaublicher Eingriff in den kirchlichen Rechtsbereich empfunden, sondern erboste auch viele Bischöfe des Reichs. Hinzu kam die Empörung der Luxemburger, die er zuvor schon durch sein Hinweggehen über deren Ansprüche auf die Mark Brandenburg verprellt hatte, über diese Demütigung eines Mitglieds ihres Hauses. Nicht minder missfiel den anderen Reichsfürsten immer mehr die anwachsende Machtkonzentration bei den Wittelsbachern. Die Wahl eines Gegenkönigs in der Person des Luxemburgers Karl von Mähren stellte 1346 somit eine logische Konsequenz dar. Nach dem unerwarteten Tod Ludwigs des Bayern im Jahr 1347 dauerte es nicht lange und die von ihm beträchtlich erweiterte wittelsbachische Ländermasse wurde unter seinen sechs überlebenden Söhnen wieder aufgeteilt. Auch Bayern wurde 1349 wieder in Ober- und Niederbayern getrennt. In den folgenden Generationen intensivierte sich die Linienbildung noch. Für eine erfolgversprechende deutsche Königspolitik wurde die Machtbasis der Wittelsbacher damit im Gegensatz zu jener der Luxemburger und der Habsburger zu schmal.

OTTO I.

* um 1117 vermutlich in Kelheim

† 1183 in Pfullendorf

Herzog von Bayern

»Im Jahre des Herrn 1180 hat Kaiser Friedrich Herzog Heinrich von Bayern und Sachsen seines Amtes enthoben und im gleichen Jahr am 16. September den Pfalzgrafen Otto als Herzog in Bayern eingesetzt. Das ist geschehen zu Altenburg.« Mit diesen nüchternknappen Sätzen hielten die Regensburger Annalen jenes wahrlich bedeutsame historische Ereignis fest, dass die Geschichte Bayerns über Jahrhunderte hinweg nachhaltig prägen sollte. Durch die Belehnung des Pfalzgrafen Otto von Wittelsbach mit dem Herzogtum Bayern stieg sein Haus in den exklusiven Zirkel der Reichsfürsten auf, der höchst einflussreichen Führungselite im Heiligen Römischen Reich, womit eine eindrucksvolle dynastische Erfolgshistorie ihren Anfang nahm. Für 738 Jahre entschieden die Wittelsbacher seitdem in ununterbrochener Folge als Herzöge, Kurfürsten und Könige über die Geschicke des Landes. In dieser langen Zeitspanne wurde die wittelsbachische Geschichte zur bayerischen Geschichte.

Herzog Otto I. von Bayern stammte aus einem alteingesessenen bayerischen Adelshaus, das auf eine gut fundierte Machtgrundlage im Land verweisen konnte. Die Wittelsbacher zählten zu dem Kreis der mehr als zwanzig Hochadelsgeschlechter im damaligen Bayern. Geboren wurde der Dynastiegründer um 1117 wahrscheinlich auf der Burg Kelheim an der Donau. Er war der Sohn des Grafen Otto IV. von Scheyern-Wittelsbach, der mit Heilika von Lengenfeld eine reiche Erbin geheiratet hatte und seit etwa 1120 als Pfalzgraf von Bayern fungierte. Mit dem Amt des Pfalzgrafen war die zweithöchste weltliche Würde des Landes nach der des Herzogs verbunden. Ihm oblag die Aufsicht über das Reichsgut. Als bedeutendste pfalzgräfliche Funktion hat die übergeordnete Gerichtsbarkeit zu gelten.

Nach dem Tod seines Vaters 1156 konnte Otto nicht nur dessen Besitzungen übernehmen, sondern ihm auch als Pfalzgraf von Bayern nachfolgen. Er setzte den von seinem Vater begonnenen Ausbau der wittelsbachischen Hausmacht erfolgreich fort. Entscheidend für seine weitere »Karriere« wurde, dass er sich immerzu als treuer und tatkräftiger Parteigänger der Staufer an herausgehobener Stelle positionierte. Für ihn und seine Nachkommen sollte sich dieser einsatzfreudige Königsdienst auszahlen.

Mehrfach übernahm Otto wichtige diplomatische Missionen für den Stauferherrscher Friedrich I. Barbarossa, zu dessen engsten Räten er gehörte und dessen Politik als römisch-deutscher König bzw. Kaiser er seit 1152 stets unterstützte. Konstant findet sich sein Name in den Zeugenreihen der Kaiserurkunden. Am bekanntesten wurde jedoch jener kühne Einsatz Ottos für den Kaiser, als er für diesen auf dem Rückweg vom ersten Italienzug 1155 die Veroneser Klause erstürmte. An dieser Engstelle im Etschtal wurde das kaiserliche Heer durch den Veroneser Ritter Alberich in einen Hinterhalt zwischen den steil aufragenden Felsen und der Etsch gelockt. Für den Weitermarsch wurde Lösegeld gefordert. Zusammen mit 200 klettergewandten Soldaten bestieg Otto von Wittelsbach als kaiserlicher Bannerträger daraufhin die Höhenzüge. Die Wegelagerer konnten nun von oben und unten in die Zange genommen und völlig überwunden werden. Durch diese Aktion sicherte der Wittelsbacher dem kaiserlichen Heer den Rückzug nach Deutschland, den nördlichen Reichsteil. Seine unbedingte Kaisertreue stellte Pfalzgraf Otto erneut eindrucksvoll 1157 unter Beweis, als er auf dem Reichstag von Besançon den päpstlichen Legaten Kardinal Roland von Siena, den zukünftigen Papst Alexander III., mit dem gezogenen Schwert bedrohte. Die dort um den Kaiser versammelten Fürsten hatten bereits empört reagiert, als der in dem überreichten päpstlichen Schreiben verwendete Begriff »beneficium«, der sich auf die Kaiserkrone bezog, vom Reichskanzler Rainald von Dassel tendenziös mit »Lehen« übersetzt wurde. Dieses Wort konnte allerdings auch die Bedeutung von »Wohltat« haben. Der päpstliche Gesandte Roland von Siena verhielt sich in dieser aufgeheizten Situation mehr als undiplomatisch. Durch einen unklugen Zwischenruf goss er nämlich noch zusätzlich Öl ins Feuer, indem er diese provokante Interpretation vom Kaisertum als einem bloßen Lehen des Papstes bestätigte. Nur das rasche Eingreifen von Kaiser Friedrich Barbarossa bewahrte den Kardinal davor, von dem erzürnten Pfalzgrafen Otto erschlagen zu werden.

Für einen Mann seines Standes und Ranges in jener Zeit scheint Pfalzgraf Otto vergleichsweise spät geheiratet zu haben. Erst um 1169 vermählte er sich mit der jungen Agnes von Loon, einer aus dem Lütticher Raum stammenden Grafentochter. Von den neun Kindern aus dieser Ehe sicherte jedoch lediglich ein einziger ihn überlebender Sohn die Nachfolge, der spätere Herzog Ludwig I., genannt »der Kelheimer«. Die sieben Töchter des Fürstenpaares konnten unter dynastischen Gesichtspunkten geschickt verheiratet werden.

Belohnt wurde Ottos langjährige Loyalität, bedingungslose Treue und fortgesetzter Einsatz für die Staufer schließlich am 16. September 1180, als ihn Kaiser Friedrich I. Barbarossa in der thüringischen Pfalz Altenburg mit dem Herzogtum Bayern belehnte. Einige Monate zuvor waren dem bisherigen Herzog von Sachsen und Bayern, dem der Acht verfallenen Welfen Heinrich dem Löwen, seine Reichslehen entzogen worden. Zwischen dem Welfen und Barbarossa war es wegen Heinrichs Weigerung, den fünften Italienzug des Kaisers 1176 zu unterstützen, zum endgültigen Bruch gekommen. Im Zusammenwirken mit Heinrichs zahlreichen norddeutschen Gegnern entledigte sich Friedrich Barbarossa daraufhin dieses Konkurrenten, der ihm inzwischen vor allem wegen seiner großen Machtfülle gefährlich gewordenen war, und ersetzte ihn etwas später durch einen zuverlässigeren Parteigänger seines Hauses. Um den neuen Herzog nicht auch zu mächtig werden zu lassen, wurde das Herzogtum Bayern allerdings vorher noch um die Steiermark verkleinert, die zu einem eigenen Herzogtum erhoben wurde.

Dem neuen bayerischen Herzog Otto I., der sich bereits in einem fortgeschrittenen Lebensalter befand, blieb nur eine dreijährige Regierungszeit beschieden. Auf seinem ersten Landtag am 23. November 1180 in Regensburg, der für die Huldigung der Großen des Landes bestimmt war, glänzte die Mehrzahl der bayerischen Grafen und Edelfreien durch Abwesenheit. Der höhere weltliche Adel zeigte damit unmissverständlich, dass er mit Ottos Erhöhung nicht einverstanden war, und verweigerte ihm die Anerkennung. Der bayerische Episkopat nahm hingegen unter der Führung von Ottos Bruder, Erzbischof Konrad von Salzburg, eine loyale Haltung gegenüber dem neuen Herzog ein. Otto I. gelang es trotzdem in der ihm verbliebenen knappen Zeit, sein Haus als die maßgebliche Macht in Bayern zu etablieren und die herzogliche Autorität zu behaupten. Der Abt Konrad von Scheyern aus dem 13. Jahrhundert vermerkte daher lobend: »Zu seiner Zeit genoß Bayern Frieden und ungestörten Wohlstand«.

Wie von Kaiser Friedrich Barbarossa bezweckt, blieb Otto auch als Herzog weiterhin auf das Engste mit der staufischen Reichspolitik verbunden. Bis kurz vor seinem Tod war er unermüdlich im Auftrag des Kaisers unterwegs bzw. befand sich in dessen näherer Umgebung. Im Frühjahr 1183 hielt sich Otto zum letzten Mal in Norditalien auf, weil er zu Barbarossas Unterhändlern gehörte, die mit der Vorbereitung eines Friedensvertrags mit den lombardischen Städten befasst waren. Im Juni war der alte Herzog zusammen mit dem Kaiser in Konstanz, wo der von ihm mit ausgehandelte Friedensvertrag unterzeichnet werden konnte. Auf dem Rückweg vom Bodensee in sein Herzogtum starb Otto I. am 11. Juli 1183 auf der staufischen Burg Pfullendorf. Der im Mittelalter so gefürchtete jähe Tod blieb dem Wittelsbacher aber offensichtlich erspart, da er noch verschiedene Verfügungen vor seinem Ableben treffen konnte. Auf seinen Wunsch hin wurde Otto im Benediktinerkloster Scheyern, dem einstigen Stammsitz und nunmehrigen Hauskloster der Wittelsbacher, beigesetzt. Auch zwei Söhne des Kaisers nahmen an den Begräbnisfeierlichkeiten teil – ein Beleg für die damals enge Verbindung zwischen den Staufern und den Wittelsbachern.

Herzog Ottos Sohn Ludwig konnte ihm, obwohl er noch ein unmündiges Kind war, nachfolgen. Die Erblichkeit des Herzogtums war den Wittelsbachern demnach vermutlich schon 1180 zugestanden worden. Trotz seiner kurzen Regierungszeit als Herzog hatte es Otto I. verstanden, die Position des Herzogs in Bayern dank seines Durchsetzungsvermögens soweit zu stärken, dass sich sein Sohn Ludwig I. nach dem Ende seiner langen Vormundschaftszeit erfolgreich darauf beziehen konnte.

LUDWIG I., DER KELHEIMER

* 1173 in Kelheim (?)

† 1231 in Kelheim

Herzog von Bayern

Der am 23. Dezember 1173 geborene bayerische Herzog Ludwig I., genannt der Kelheimer, gilt als der eigentliche Begründer des bayerischen Herzogstaates. Darüber hinaus gelang es ihm, 1214 die Pfalzgrafschaft bei Rhein an sein Haus zu bringen, mit der wichtige reichsfürstliche Funktionen verbunden waren. Ihren Aufstieg zu einem der führenden Fürstengeschlechter im Heiligen Römischen Reich verdanken die Wittelsbacher daher zu einem nicht geringen Teil dem geschickten Agieren von Ludwig dem Kelheimer.

Ludwig war der einzige überlebende Sohn des ersten Wittelsbacher Herzogs von Bayern, Otto I., der allerdings schon am 11. Juli 1183 verstarb. Der minderjährige Ludwig konnte ihm trotzdem im Herzogsamt nachfolgen. Die Erblichkeit muss demnach seit 1180 für Ottos Nachkommen verbürgt gewesen sein. Zusammen mit den beiden Brüdern des verstorbenen Herzogs übernahm dessen Witwe, die aus den Niederlanden stammende Gräfin Agnes von Loon, die Regentschaft für Ludwig. Die energische Herzoginwitwe verstand es offenbar, die politischen Geschäfte klug zu führen und ihren Sohn gut auf seine künftigen Aufgaben vorzubereiten. Als sie 1191 starb, hatte Ludwig wenige Jahre zuvor die Volljährigkeit erlangt. Von 1187 an zählte er seine Regierungsjahre als Herzog.

In den Anfängen seiner selbstständigen Regierung sah sich Ludwig I. mehrfach durch Aufstände konkurrierender Adelsfamilien und Widerstände seitens der Bischöfe in seiner Herrschaft gefährdet. Nur dank des Eingreifens von Stauferkaiser Heinrich VI. konnte er sich gegen eine vom Grafen Albert III. von Bogen angeführte bedrohliche Adelsopposition behaupten. Wie einst sein Vater gehörte er seitdem zur engeren staufischen Gefolgschaft. Er begleitete Heinrich 1194 nach Unteritalien und Sizilien, 1196 zu den Reichstagen in Würzburg und Mainz sowie 1197 nochmals nach Sizilien. Nach Heinrichs Tod im Herbst 1197 wurde Ludwig ein wichtiger Parteigänger von dessen jüngstem Bruder Philipp von Schwaben und unterstützte diesen im Thronstreit gegen den Welfen Otto von Braunschweig.

Um das Herzogtum Bayern in ein geschlossenes Staatsgebiet ohne fremde Gewalten innerhalb seiner Grenzen umzubilden, verfolgte Ludwig I. konsequent die politische Linie, durch Todesfälle frei werdende Lehen und Grafschaften auf dem Weg des sogenannten Heimfallrechts einzuziehen, diese dem eigenen Territorium einzugliedern und so seine Machtposition zu stärken. Es erwies sich für ihn dabei als ausgesprochen vorteilhaft, dass während seiner Regierungszeit viele große Adelsgeschlechter ausstarben. Geschickt setzte er bei seiner Territorialpolitik auf die Gründung von Städten. Diese neuen Städte – Landshut, die Straubinger Neustadt und Landau an der Isar – dienten hauptsächlich als Stützpunkte und Landesfestungen, aber auch als Zentren der Territorialverwaltung. Weniger erfolgreich verliefen seine Versuche, in der reichen Königs- und Herzogsstadt Regensburg seine Position auszubauen. Zunehmend gelang es den dortigen Bürgern, sich vom Kaiser in größerem Umfang Privilegien und Freiheitsrechte zu sichern. Ludwig selbst erlebte nicht mehr, dass Regensburg 1245 »Freie Reichsstadt« wurde. Der Umwandlung Bayerns in einen wittelsbachischen Territorialstaat kam auch die von ihm betriebene Einrichtung einer herzoglichen Kanzlei zustatten. Aus den von ihm geschaffenen Ämtern in jenen Teilen des Herzogtums, die direkt seiner Gerichtsgewalt unterstanden, entwickelten sich seit der Mitte des 13. Jahrhunderts die Herzoglichen Landgerichte. Um 1228 sorgte er für eine Erneuerung des früheren Chorherrenstifts am alten Pfalzort Altötting, womit die jahrhundertelange enge Verbindung der Wittelsbacher zu diesem später wichtigen Wallfahrtsort seinen Anfang nahm.

Von Beginn seiner Herrschaft an bediente sich Ludwig I. zur Unterfütterung seiner Politik einer zielgerichteten Heiratspolitik. Nicht nur konnten seine sieben Schwestern erfolgreich mit Vertretern bedeutender Dynastenfamilien verheiratet werden, auch er selbst vermählte sich geschickt. Im Oktober 1204 heiratete er Ludmilla von Böhmen, die Witwe seines ärgsten politischen Widersachers, des Grafen Albert III. von Bogen. Als Gatte der Přemyslidin Ludmilla fand Ludwig Rückhalt in Böhmen und damit ein Gegengewicht zu den sich von Wien ausbreitenden Babenbergern. Gegenüber den Söhnen, die seine Ehefrau aus ihrer ersten Ehe mitbrachte, erwies sich Ludwig als fürsorglicher Stiefvater. Ihm selbst schenkte seine Gattin nur einen einzigen Sohn, seinen späteren Nachfolger Otto II., der 1206 geboren wurde.

Als der Stauferkönig Philipp im Juni 1208 von einem Verwandten Ludwigs, dem Pfalzgrafen Otto von Wittelsbach, in Bamberg ermordet wurde und zwei Mitglieder des bedeutenden bayerischen Adelsgeschlechts derer von Andechs der Mitwisserschaft der Tat verdächtigt wurden, wusste Herzog Ludwig die Situation zu seinen Gunsten zu nutzen. Er gab die in seinem Haus übliche staufische Gefolgschaft auf und unterstützte als erster der deutschen Fürsten den bisherigen Gegenkönig Otto aus der Dynastie der Welfen. Der nun einstimmig gewählte Welfenkönig Otto IV. belohnte den Bayernherzog für seine Hilfe großzügig, indem er ihm am 15. November 1208 zahlreiche Reichslehen zuerkannte, die bis dato der der Reichsacht verfallene Königsmörder Pfalzgraf Otto und die beiden ebenso geächteten Andechser, der Bischof Ekbert von Bamberg und der Markgraf Heinrich IV. von Istrien, in Besitz hatten. Ludwig I. hatte jetzt die Möglichkeit, das Haus Andechs, seinen bis dahin größten weltlichen Kontrahenten in Bayern, in den Hintergrund zu drängen. Selbst als sich die Unschuld der beiden Andechser am Königsmord herausstellte, gab er deren Gebiete nicht mehr heraus. Außerdem erhielt Ludwig vom neuen König noch die Bestätigung der Erblichkeit des bayerischen Herzogtums für seine Nachkommen. Otto IV. verzichtete damit auf welfische Ansprüche auf Bayern. Um die Beziehung zwischen den Welfen und Wittelsbachern zu festigen, kam es an Pfingsten 1212 zu einer Verlobung zwischen Herzog Ludwigs einzigem Sohn, dem sechsjährigen Otto, mit Agnes, der rund fünf Jahre älteren Nichte des Welfenkönigs und Tochter des damaligen welfischen Inhabers der rheinischen Pfalzgrafschaft.

Die große Nähe zu den Welfen stellte für Ludwig I. jedoch bloß ein Intermezzo dar. Nachdem der junge Staufer Friedrich II. im Herbst 1212 erfolgreich in Süddeutschland auf den Plan trat, wandte er sich diesem zu und wählte ihn in Frankfurt zusammen mit den anderen Fürsten zum Römischen König. Seitdem hielt sich der Bayernherzog meistens in der engsten Umgebung Friedrichs auf, den er 1220 auch zur Kaiserkrönung nach Italien begleitete. 1221 brach er in kaiserlichem Auftrag zu einem Kreuzzug nach Ägypten auf, der wegen Ludwigs geringem Geschick in Kriegsdingen zu einem Misserfolg wurde. In Ägypten geriet der Herzog sogar vorübergehend in die Geiselhaft des Sultans.

Sein erneuter Wechsel auf die staufische Seite zahlte sich für den Wittelsbacher wiederum bestens aus. Er bescherte Ludwig einen beachtlichen Machtzuwachs außerhalb Bayerns und einen grandiosen Aufstieg in der reichsfürstlichen Rangfolge. Nach dem kinderlosen Tod des letzten rheinischen Pfalzgrafen aus dem welfischen Fürstenhaus 1213 war die Pfalzgrafenwürde an das Reich zurückgefallen. Im Oktober 1214 wurde Ludwig für seinen unmündigen Sohn Otto, der seit zwei Jahren mit der Schwester des verstorbenen Pfalzgrafen verlobt war, von Friedrich II. mit der Pfalzgrafschaft bei Rhein belehnt. Ludwig wurde damit der Lehensvormund seines noch keine neun Jahre alten Sohnes. Durch diese zeitweise Vereinigung der bayerischen Herzogswürde mit dem Amt des Pfalzgrafen bei Rhein, des vornehmsten weltlichen Reichsfürsten nach dem König, stand Ludwig an der Spitze der weltlichen Fürsten im Reich. Diese mehr oder weniger enge Verknüpfung zwischen Bayern und der Pfalzgrafschaft bei Rhein hatte bis ins 20. Jahrhundert hinein Bestand. 1222 fand Ottos Heirat mit der Welfin Agnes statt, wodurch der Dynastiewechsel in der Pfalzgrafschaft auch erbrechtlich legitimiert wurde. 1228 übernahm Ludwigs Sohn selbst die Regierung am Rhein.

Im Juli 1226 bestimmte Kaiser Friedrich II. den Bayernherzog während seiner Abwesenheit zum Reichsverweser, zu seinem bevollmächtigten Vertreter in Deutschland, und zum Vormund seines 15 Jahre alten Sohnes, des Königs Heinrich (VII.). Wegen der vielfältigen Komplikationen, die dieses ehrenvolle Amt mit sich brachte, entschloss sich Ludwig erst nach einigem Zögern zur Annahme dieser Aufgabe. Dank der dem Reichsverweseramt innewohnenden herausgehobenen Stellung sah sich Ludwig in alle Probleme der Reichspolitik, vor allem in den heftigen Gegensatz zwischen Papsttum und Kaisertum verstrickt. Seine Rolle als Vormund über den jungen König bot zudem Konfliktstoff, da der heranwachsende Heinrich und Herzog Ludwig I. nicht gut miteinander auskamen. Heinrich (VII.) strebte in Süddeutschland vehement nach einer eigenen Einflusssphäre, was zwangsläufig zu Auseinandersetzungen führen musste. Ludwigs außenpolitische Manöver, mit denen er auf den staufischen Druck zu reagieren versuchte, scheiterten. Nachdem es im Dezember 1228 zum offenen Bruch zwischen den beiden Fürsten gekommen war, rückte Heinrich (VII.) im Sommer 1229 überraschend in Bayern ein und schloss sich mit den innerbayerischen Feinden Ludwigs zusammen. Insbesondere Ludwigs Hauptgegner, die Andechser, fanden sich unter den Verbündeten Heinrichs. Der für ihn äußerst bedrohlichen Situation konnte der Herzog nur Herr werden, indem er sich zu erheblichen Zugeständnissen gegenüber dem Adel und den Bischöfen von Salzburg und Freising bereitfand. Außerdem griff Kaiser Friedrich II., der seine Italienpolitik durch die Aktivitäten seines Sohnes gefährdet sah, zu Ludwigs Gunsten ein.

Die über weite Strecken hin gute Beziehung Ludwigs zu Friedrich II. wurde allerdings durch die abermalige Zuspitzung im Konflikt zwischen Kaisertum und Papsttum getrübt. Seit Papst Gregor IX. 1227 den Kirchenbann über Friedrich verhängt hatte, schwelte Misstrauen zwischen dem Kaiser und den deutschen Fürsten. Ludwig sah sich bald dem Verdacht der Illoyalität und des Verrats gegenüber dem Kaiser ausgesetzt. Gegen ihn wurde das Gerücht in Umlauf gebracht, er konspiriere heimlich mit dem Papst, unterhalte dubiose Verbindungen zum päpstlichen Legaten und liebäugele mit einem Gegenkönigtum.

Völlig unerwartet fand das Leben Herzog Ludwigs I. ein tragisches Ende. Am 15. September 1231 wurde er von einem Unbekannten auf der Donaubrücke von Kelheim niedergestochen, womit eine mehr als 40 Jahre dauernde Herrschaft jäh abbrach. Aus der Sicht seiner Zeitgenossen wurde ihm damit ein schrecklicher Tod zuteil; denn ein plötzliches Ende ließ dem Sterbenden keine Zeit für eine ausreichende innerliche Vorbereitung auf den Tod, wodurch sein Seelenheil in höchstem Maße gefährdet war. Zum Gedächtnis an dieses in der bayerischen Geschichte beispiellose Geschehen wurde Ludwig deshalb später der Beiname »der Kelheimer« beigelegt. Da der Mörder noch am Tatort sofort von den Begleitern des Herzogs niedergestreckt wurde, blieben sowohl das Motiv als auch die Hintergründe für den Mordanschlag im Dunkeln. Ein näherer Augenzeugenbericht zum Tathergang ist nicht überliefert. In verschiedenen zeitgenössischen, aber auch späteren Quellen wurde die Vermutung geäußert, dass Kaiser Friedrich II. oder sein Sohn, König Heinrich (VII.), darin verstrickt seien. In dem nach 1250 begonnenen Geschichtswerk des antikaiserlich eingestellten Abtes Hermann von Niederaltaich etwa heißt es, dass dieses Attentat »durch die Tücke des Herrn Kaisers Friedrich« geschah. Auf jeden Fall kühlten danach zeitweilig die Beziehungen zwischen den Wittelsbachern und Staufern ab, bevor es 1235 zu einer Aussöhnung zwischen Ludwigs Sohn, Herzog Otto II., und dem Kaiser kam. Seine letzte Ruhestätte fand Ludwig I. im Hauskloster der Wittelsbacher, dem Benediktinerkloster Scheyern, wo er neben seinem Vater bestattet ist.

LUDWIG IV., DER BAYER

* wohl Ende 1281/Anfang 1282 in München

† 1347 bei Kloster Fürstenfeld

Römisch-deutscher Kaiser, Herzog von Bayern

Unter den wittelsbachischen Herrschern gebührt Ludwig dem Bayern ein herausgehobener Platz, nicht nur weil er als erster Fürst des Hauses die Krone des Heiligen Römischen Reichs gewann, sondern auch weil er ein bedeutender Landesfürst und ein äußerst umtriebiger Hausmachtpolitiker war. Als nicht selten sehr widersprüchlich wahrgenommene, aber darum umso interessantere Herrscherpersönlichkeit nimmt Ludwig IV. darüber hinaus einen besonderen Rang unter den deutschen Königs- und Kaisergestalten des Mittelalters ein. Kurioserweise ist der ihm schon zu Lebzeiten beigelegte Beiname »der Bayer«, der von Papst Johannes XXII. bewusst herabwürdigend gedacht war, längst zu einem positiv aufgeladenen Identifikationsbegriff geworden. Hatte der Papst im Streit mit dem Wittelsbacher diesem nicht einmal mehr seinen bayerischen Herzogstitel zugestanden, sondern ihn bloß »Ludwig der Bayer« genannt, so klingt das inzwischen geradezu wie eine Ehrenbezeichnung.

Über Ludwigs Kindheit und Jugend ist so gut wie nichts bekannt. Selbst über sein Geburtsjahr besteht keine Gewissheit. Der zweitgeborene Sohn von Ludwig II. dem Strengen, Herzog von Oberbayern und Pfalzgraf bei Rhein, und dessen dritter Ehefrau Mechthild, einer Tochter König Rudolfs I. von Habsburg, kam entweder um 1281/1282 oder um 1286 zur Welt. Wohl nach dem Tod des Vaters im Jahr 1294 wurde der Prinz für einige Zeit zur standesgemäßen Erziehung nach Wien geschickt, wo er am verwandten Habsburger Hof in den ritterlichen Tugenden und in höfischer Sitte unterwiesen wurde. Er stand damals noch unter der Vormundschaft seiner Mutter und seines älteren Bruders Rudolf. Die beiden Brüder kamen zeitlebens nur schlecht miteinander aus und rivalisierten fast ständig um die Macht. Ludwig gelang es, sich gegenüber dem Älteren zu behaupten und letztendlich die Oberhand zu gewinnen: Auf seine 1302 erkämpfte Mitregierung folgte acht Jahre später die Herrschaftsteilung Oberbayerns. Mit der alleinigen Wahrnehmung der Vormundschaft über die minderjährigen niederbayerischen Herzöge stellte er Rudolf bereits in den Schatten, bevor er ihn 1317 endgültig von der politischen Bühne verdrängte.

Mit Ludwigs niederbayerischer Vormundschaftsregierung endeten seine bis dahin guten Beziehungen zu den Habsburgern, die dort eigene Interessen verfolgten. Die Differenzen wurden mit Waffengewalt entschieden. In der Schlacht bei Gammelsdorf am 9. November 1313 siegte Ludwig über Friedrich den Schönen von Habsburg. Dieser Sieg wirkte sich bei der anstehenden römisch-deutschen Königswahl für Ludwig günstig aus. In den Augen der luxemburgischen Partei sprach für ihn, dass er in der Lage war, die Habsburger militärisch in die Schranken zu weisen, und dass er über keine zu große Hausmacht verfügte. Sie wählten ihn daher am 20. Oktober 1314 zum König. Es kam jedoch zu einer Doppelwahl, weil sich beinahe gleichzeitig die übrigen Wahlberechtigten für Friedrich den Schönen aussprachen. Am 25. November erfolgte Ludwigs Krönung in Aachen, Friedrichs in Bonn. Da sich beide Fürsten als rechtmäßig gewählte Könige fühlten, mündete der Thronstreit in jahrelange Auseinandersetzungen. Diese Unruhe spiegelte sich in den zeitgenössischen Chroniken: »Als so zwei Könige gewählt und gekrönt worden waren, hörte jede Ordnung auf, und der Friede wurde aller Orten empfindlich gestört; das römische Reich schien auf die Spitze des Schwertes gestellt aus den Fugen zu geraten.« Die Entscheidung brachte am 28. September 1322 die Schlacht von Mühldorf am Inn, in der Ludwig abermals über seinen einstigen Wiener Spielkameraden triumphierte. Friedrich der Schöne geriet dabei in Gefangenschaft. Angeblich soll ihn sein siegreicher Kontrahent, der nun sein Anrecht auf die Königskrone ungefährdet durchsetzen konnte, mit den Worten begrüßt haben: »Vetter, es freut uns, Euch hier zu sehen.«

Bevor sich Ludwig IV., der den Papst um keine Approbation seiner Wahl gebeten, sondern sie diesem nur bekannt gegeben hatte, der Verwirklichung seines Anspruchs auf das Kaisertum widmete, führte er im September 1325 einen Ausgleich mit den Habsburgern herbei. Er erkannte Friedrich den Schönen als Mitregenten an. Laut dem Münchner Vertrag wollten beide Könige das Heilige Römische Reich gemeinsam regieren. Diese Aussöhnung war wichtig, denn Ludwig befand sich bereits in einem schweren Konflikt mit dem Papst. Es kam zum letzten Mal zu einem mit aller Schärfe geführten Machtkampf zwischen Kaisertum und Papsttum.