2,99 €
Das Märchenspiel "Dornröschen" gehört zu Ricarda Huchs frühen Werken. Auf Anregung eines Lesezirkels bediente sie sich 1893 des bekannten Motivs aus der Märchenwelt, wandelte dies aber im Verlauf des Bühnenwerkes immer wieder in ihrem Sinne ab. Das Stück steht exemplarisch für Ricarda Huchs konservativen und gleichzeitig unkonventionellen literarischen Stil.
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 44
Veröffentlichungsjahr: 2025
Dornröschen
Ein Märchenspiel
RICARDA HUCH
Dornröschen, Ricarda Huch
Jazzybee Verlag Jürgen Beck
86450 Altenmünster, Loschberg 9
Deutschland
ISBN: 9783988681553
www.jazzybee-verlag.de
PERSONEN... 1
ERSTE SZENE.. 2
ZWEITE SZENE.. 10
DRITTE SZENE.. 13
VIERTE SZENE.. 17
FÜNFTE SZENE.. 21
SECHSTE SZENE.. 22
SIEBTE SZENE.. 26
ACHTE SZENE.. 29
NEUNTE SZENE.. 32
ZEHNTE SZENE.. 33
ELFTE SZENE.. 34
ZWÖLFTE SZENE.. 36
DREIZEHNTE SZENE.. 37
VIERZEHNTE SZENE.. 41
FÜNFZEHNTE SZENE.. 45
Dornröschen
König
Prinz
Die Parzen
Kanzler
Astrologe
Hofdichter
Koch
Chor
(Der König. Seine Räte, darunter der Kanzler, der Astrologe, der Hof dichter, der Koch. Im Vordergrund sitzt die Parze als alte Frau und spinnt.)
König: Ihr meines Reiches abgeschäumte Weisheit,
Ihr gute Herrn und Räte, ich berief euch,
Dass ihr ein krauses Rätsel zu entwirren
Und eine Drangsal mir zu enden helft,
Die mich, zugleich als Vater und als König,
Seit langem heimsucht.
Ihr wisst, ich hab’ ein Kind, ein einz’ges nur,
Doch mit so vielen Reizen ausgestattet,
Dass Gott mit nur dem zehnten Teil zehn andre
Zu Wundern dieser Welt hätt’ machen können.
Dies Kind, Dornröschen, ist mein Wohl und Wehe:
Dass sie mit ihrem lock’gen Haupt die Schranken
Bescheidener Natur weit überragt,
Erfüllt mein Vaterherz mit frommem Stolz
In einer Hinsicht. Aber leider scheint’s,
Als wär’ zu große Trefflichkeit im Menschen
Stets durch gleich große Übel ausgewogen.
Dies süße Kind, so gut, so harmlos sonst,
Erschreckt mich durch verweg’nen Übermut
Und torenmäß’ge Überschwänglichkeiten.
Sie will sich - das sagt alles! - nie vermählen!
Warum? Das sagt noch mehr! Um nie zu sterben.
Woher der Unsinn? Eine böse Fee
Setzt ihr die Mücken in das kind’sche Hirn,
Die nun drin schwirren und das edle Licht
Vernunft verdunkeln. Doch beim klaren Himmel!
Ich will des Spuks nun endlich Meister werden.
Parze (spinnend): Worte weben, Pläne spinnen
Ist der Menschen dreist Beginnen.
Doch was ist’s, das sie erhaschen?
Fallen täppisch in die Maschen,
Die ich webe, die ich spinne –
Sause, Rad, und Faden, rinne.
König: Unleidliches Geräusch von einem Spinnrad
Durchbraust mein königliches Ohr.
Der Lärm gehört in eine Mägdekammer,
In eine Ratsversammlung passt er nicht.
Du, Alte, bist mir überhaupt ein Gräuel,
Und sehr bereu’ ich, dass ich einst die Kindheit
Domöschen’s dir vertraute; denn du hast
Den blauen Schwärmersinn in ihr genährt
Und sie bestärkt in ihren Gaukeleien.
Parze: Bin drum nur ein schwaches Weib.
Guter König, lass mich bleiben,
Lass mich sehn, wie du der Parze
Gab und Wunsch und Fluch vereitelst.
Denn obwohl ich alt bin, alt
Wie die Tann’ im Böhmerwalde,
Wie der Stein am Brockenberge,
Sah ich doch noch keinen Menschen
Übertrumpfen das Geschick.
König: Ein König, altes Weib, ist selbst Geschick. –
Doch eh’ ich meines hohen Amtes walte,
Will ich noch hören, was mein Chor der Weisen
Mir rät; verschmäht der Mond doch auch
Der dienstbereiten Sterne Lämpchen nicht,
Wenn’s gilt, die dunkle Erde zu beleuchten.
Vernehmt, ihr Guten: Wen’ge Stunden alt,
Lag das geliebte Kind, Dornröschen, schlafend
Unfern dem königlichen Himmelbett
In schmucker Wiege da. Ich lag noch wach,
Des Erstlings Zukunft sorglich überdenkend,
Da plötzlich sah ich an dem winz’gen Bett drei
Frau’n wie aus dem Boden auf getaucht,
In graulichten Gewändern, riesengroß.
Sogleich bedacht ich im erfahr'nen Sinn:
Das sind die Parzen, sind die Schicksalsweiber,
die eines Königs Kind begaben wollen,
Und hielt mich still.
Zwei dieser Feen versprachen nun dem Kinde
Viel Schönes: klugen Geist, tiefschau’nde Augen,
Und sel’ges Lächeln voll Beglückungskraft,
Und nie verblüh'nden Rosenschein im Antlitz,
Und Stimme wie beseeltes Saitenspiel
Und manches mehr. Ihr kennt sie ja - sie ward so.
Jedoch die dritte Parze, die mir gleich
Nicht recht geheuer schien, sprach etwa so:
Was unterscheidet Menschen von uns Göttern?
Wir bleiben ewig, und der Mensch vergeht.
Was sind sie anders wert, als zu verschwinden,
Wie Staub, wie Schnee, wie Nebel, wie das Glück?
In einem Nu spinnt meiner Schwestern eine
Solch mürben Faden an, und ich zerreiß ihn.
Dein Faden, Kind, ist gülden und besteht.
Nur eine Frucht sei deinem Mund verboten:
Die Liebe. Isst du sie, so issest du
Dir Menschenlos: liebst, leidest, liebst und stirbst.
Ich lege dir die Hand aufs kleine Herz:
Kind, liebe nicht. Wenn du dich je vermählst,
Wirst du vergänglich - Lieb und Tod sind eins.
Parze(singt): Wie Spinn web zerreiß ich
Die Fäden der Menschen.
Dein Faden ist gülden,
Oh Kind, und besteht.
Ein funkelndes Schlänglein,
So fliegt er in Lüften,
Ich warf ihn ins Weite,
Ich fang ihn nicht mehr.
Goldfaden in Lüften,
Die Sonne vermeide,
Die Sonne der Liebe,
Dich schmilzt ihre Glut.
Verwehr deinem Herzen
Zu heben, o Kindlein,
Denn lieben ist sterben,
Die Lieb’ ist der Tod.
König: Lasst mich das tolle Lied nicht wieder hören!
Nicht lieben! Ist doch lieben angenehm,
Und davon abgeseh'n seit alters üblich!
Was soll die Neuerung? Und ewig leben!
Seit Menschendenken stirbt man seinerzeit,
Und alle haben’s gut und recht gefunden,
Wenn nicht, den Nutzen davon eingeseh'n
Und sich gefügt. Man hat einmal genug.
Das sind Phantome! Das ist Unvernunft!
Und Unvernunft muss ausgerottet werden.
Doch was ereifere ich mich? Ihr Herren, sprecht,
Was haltet ihr von diesen Seltsamkeiten