Drachenhof Feuerfels - Band 3 - Marion Meister - E-Book

Drachenhof Feuerfels - Band 3 E-Book

Marion Meister

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Beschreibung

Ein unheimlicher Schatten bricht beim Alchemisten des Drachenritterordens ein. Er stiehlt hochexplosive Feuerquilm-Paste. Jaromir, der Anführer der Roten Kralle, schwört, dass der Dieb weder ein Mensch noch ein Drache war. Er war eine furchterregende Mischung aus beidem ... Ein Drachendämon! Um Jaromirs Unschuld zu beweisen, geht Yu auf die Jagd nach dem Dämon der Drachenstadt. Hat etwa die Flugkünstlerin Osiria etwas mit dem Diebstahl zu tun? Und was will ein Dämon mit der äußerst gefährlichen Feuerquilm-Paste? Yu, Lilja und Rosabella stehen vor einem Rätsel und ahnen nicht, mit welchen bösen Mächten sie sich anlegen ... Dies ist der 3. Band der 6-bändigen Drachenhof-Feuerfels-Reihe. Drachenhof Feuerfels ist eine magische Abenteuerreihe für alle, die Cornelia Funkes "Drachenreiter" oder "Drachenzähmen leichtgemacht" lieben. Presse "Yu, Lilja, Rosabella - Abenteuer und Spannung pur." Lesen macht Spaß, Nr. 55 "Das Buch ist so spannend, dass ein langer Abend reicht, um es drachenmäßig zu verschlingen..." Treff - Wissensmagazin für Schüler "Pfiffig und humorvoll geschriebene Drachenbücher, die zum Schmökern verführen." HFK 28 "... liest sich wie eine Detektivgeschichte und ist spannend bis zur letzten Seite." GEOlino

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Seitenzahl: 214

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Drachenhof Feuerfels

Band 3

 

Der

Dämon der

Drachenstadt

 

 

Roman von

Marion und Derek Meister

 

 

 

– Digitale Originalausgabe –

als überarbeitete Ausgabe

- 2020 -

 

 

 

 

 

Copyright © 2020 by Derek Meister und Marion Meister

Umschlaggestaltung und Innenillustrationen von Marion Meister

 

v2. 04082021

 

 

 

Impressum

StoryTown – Derek Meister & Marion Meister GbR

Ackerrain 79

30938 Burgwedel

 

 

Besuchen Sie StoryTown unter

www.Storytown.info

 

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Marion Meister – www.marionmeister.info

Derek Meister – www.derekmeister.com

 

 

 

 

Über die Autoren

Derek und Marion Meister haben sich während ihres Studiums an der Filmhochschule Konrad Wolf in Potsdam-Babelsberg kennengelernt. Schnell haben sie ihre gemeinsame Liebe für Geschichten entdeckt und schreiben seit 2004 immer wieder gemeinsam Kinderbücher.

Inzwischen sind die beiden verheiratet, haben zwei Kinder und leben auf dem flachen Land in Niedersachsen, wo sie Hirsche, Hasen und Drachen zählen und spannende Geschichten schreiben.

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Inhaltsverzeichnis

1

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Für

Johannes

 

 

Und einen besonderen Dank

an die Drachenforscher

Georgos Drago

und

Eleonora Manu Pinta

für die Entdeckung des Feuerlanddrachen

 

1

Dunkelheit füllte den schmalen Raum. Nur das Licht des Vollmonds, das durch die grünen Butzenfenster fiel, tauchte das Bürgermeisterzimmer in einen matten Schimmer und ließ den Staub funkeln. Magisch glitzerte er auf den Bodendielen, dem Schreibtisch und dem mächtigen Ohrensessel.

Tagsüber empfing hier der Bürgermeister von Grinfjörd Bittsteller und Geschäftsmänner, rief Anweisungen, unterzeichnete Pergamente oder stopfte schimpfend seine Meerschaumpfeife. Mit den gedrungenen, dunkelbraunen Möbeln strahlte Tissels Bürgermeisterzimmer Macht und Reichtum aus. Es lag im obersten Stockwerk des einzigen Turms, den das Grinfjörder Rathaus noch besaß, nachdem vor gut hundert Jahren ein Drache den anderen Turm mit einem Feuerstoß zum Einsturz gebracht hatte.

Das Rathaus lag direkt am Marktplatz, und Tissel liebte es, ans Fenster zu treten und das bunte Treiben unter sich zu beobachten. Das Treiben seiner Stadt, seiner Bürger.

Aber hätte Tissel geahnt, was in dieser Vollmondnacht in seiner schönen Schreibstube geschah, es hätte ihn aus dem Schlaf gerissen und ihm die Haare zu Berge stehen lassen …

Denn mit einem Mal verdeckte ein Schatten das Mondlicht. Vor den Butzenfenstern erschien eine gedrungene, merkwürdige Gestalt. Eine dünne Metallschlaufe schob sich durch den Spalt der Fensterrahmen und schnippte den Riegel weg. Leise schwang das Fenster auf, und der Schatten zog sich auf das Sims, sprang in das Zimmer. Staub wirbelte auf und tanzte im Mondlicht.

Zufrieden sah sich der Einbrecher um. Auf dem Schreibtisch warteten Pergamente auf ihre Bearbeitung, sauber gestapelt und von einem kunstvoll verzierten Brieföffner beschwert. An den Wänden lächelten die Väter der Stadt Grinfjörd von Gemälden auf ihn herab, und in zwei Vitrinen glänzten matt Wappen und Statuetten der Urdrachen.

Der Blick des Eindringlings blieb auf einer dritten, niedrigen Vitrine gegenüber des Schreibtisches haften. Mit schnellen Schritten huschte er hinüber und musterte den Inhalt.

Gegen das Mondlicht zeichnete sich die Silhouette des Fremden unheimlich ab, während er sich über das Glas beugte. Die Gestalt war sehr schlank, aber unter seinem Mantel, der ihm zu groß war, wölbte sich deutlich ein entstellender Buckel.

Immer tiefer beugte sich der Einbrecher über die Vitrine, bis ein haarsträubendes Knirschen und Zischen zu hören war. Es endete abrupt mit einem Knacken, als das Glas nachgab.

Kichernd richtete sich der Dieb wieder auf. Er hatte ein kreisrundes Loch in das Glas geschnitten, und das Samtkissen darunter war leer.

Der Räuber schlich zurück zum Fenster und sprang elegant auf die Fensterbank. Unter ihm lag der verlassene Marktplatz. Die Pflastersteine glitzerten im Mondlicht. Zwei Nachtwächter drehten ihre Runden, doch sie sahen von oben nur wie Puppen aus, die mit ihren Laternchen über den Platz wackelten. Noch einmal zog der Dieb seine Beute aus der Tasche des Mantels. Prüfend drehte er das Diebesgut zwischen den schlanken Fingern. Es war ein wunderschöner und alter Siegelring, der so manches Siegel geformt hatte. Das Mondlicht brach sich geheimnisvoll in den Graten und Kerben des Wappens.

Der Einbrecher wartete, bis die Nachtwächter in einer Gasse verschwunden waren, dann richtete er sich auf. Es war viel zu hoch, um hinunterzuspringen, doch der Dieb stieß sich, ohne zu zögern, vom Sims ab und stürzte sich in die Tiefe.

Bevor er auf dem Kopfsteinpflaster aufschlug, schnappten zwei sehnige Flügel aus seinem Mantel hervor und stoppten abrupt seinen Sturz. Direkt aus seinen Schultern, aus seinem Buckel, waren der Gestalt dämonische Schwingen gewachsen.

Ihr leises Schlagen erfüllte die Luft, als der menschliche Drache höher stieg. Langsam flog der Dieb dem Mond entgegen und verschwand schließlich in der Nacht.

2

„Jetzt lass das. Nicht. Hör auf!“ Genervt drückte Lilja Gefions Schnauze von sich weg, aber immer wieder versuchte der Fjörd-Drache, den Striegel anzuknabbern, mit dem Lilja seine kurze Mähne bürsten wollte.

„Dann eben zuerst die Krallen“, meinte sie trotzig und suchte aus der Pflegebox, die bei dem Wassertrog stand, die Krallenfeile heraus.

Neben Gefion standen Fexx und Ping-Ping und wurden ebenfalls von ihren Besitzerinnen herausgeputzt. Denn Yu, Lilja und Rosabella waren von Bürgermeister Tissel höchstpersönlich eingeladen worden, eine Ehrenauszeichnung entgegenzunehmen. Da sollten ihre Drachen morgen natürlich besonders hübsch aussehen. Doch während Yu und Rosabella keine Probleme hatten, ihre Drachen zu striegeln, wollte Gefion einfach nicht stillhalten.

Yu war mit Fexx‘ Mähne schon fertig. Seidig leuchtete das rote Haar des Drachens in der Sonne und wippte frech im Wind. Mit einem gezielten Wurf beförderte Yu den Striegel zurück in ihre Pflegebox, wischte sich die staubigen Finger an ihrem Lederwams ab und sah zu Lilja hinüber. Kopfschüttelnd beobachtete Yu, wie Gefion immer wieder mit der Schnauze Lilja wegstupste und spielerisch an ihrem Schlabberpulli herumknabberte. Yus Freundin hatte inzwischen zwar keine Angst mehr vor Drachen, doch so richtig selbstbewusst trat Lilja ihnen noch immer nicht gegenüber.

Rosabella kam zu Yu herüber. „Einen explosiven Trank zu mischen, macht sie kein bisschen nervös“, meinte sie und nickte zu Lilja. „Aber ihren Drachen zu striegeln, ist der Weltuntergang.“ Sie säuberte den Mähnenkamm und zupfte ein paar von Ping-Pings langen, weißen Haare heraus.

„Ich finde, mit Lilja und Gefion haben sich die zwei Richtigen gefunden. Gefion ist ja auch nicht gerade der Mutigste unter den Drachen. Weißt du noch, wie er bei den Höhlen von Pneck ins Zelt kriechen wollte?“ Yu grinste. Der Drache hatte ihnen allen einen Riesenschreck eingejagt.

Auch Rosabella musste lachen. Erneut stupste Gefion Lilja an, die mit aller Kraft versuchte, seinen Vorderlauf hochzustemmen, um ihm die Krallen feilen zu können. Diesmal jedoch stieß Gefion etwas zu heftig, und Lilja plumpste mit einem Aufschrei auf den Hintern.

Yu und Rosabella halfen ihr prustend auf.

„Ja, haha“, beschwerte sich Lilja und rieb sich den Hintern. „Wieso sind eure Drachen immer so lieb? Und meiner ist ein echter Rüpel.“ Sauer musterte sie Gefion, der ihr zur Entschuldigung für den Rempler übers Gesicht schlecken wollte.

„Du musst eben strenger mit ihm sein“, meinte Yu und fütterte Fexx eine zerbröselte Haffa-Rolle, die sie aus einer Tasche ihres Wamses gekramt hatte. „Wenn du ihm die Krallen kürzen willst, musst du näher an ihn herangehen.“

Lilja lächelte gequält und wich Gefions Schnauze aus. „Du hast gut reden. Gefion ist so ungeschickt. Und seine Tatzen, die sind einfach riesig. Wenn er mir mit denen aus Versehen …“ Sie konnte nicht weiter sprechen, weil Gefion ihr die Feile aus der Hand mopste und drauf rumkaute. „He, Gefion. Nein! So eine Feile ist Pfuiiiii. Die schmeckt doch nicht. Heeee, gib her!“

„Hier. Stell dich so an seine Flanke.“ Yu zeigte es bei Fexx, indem sie sich dicht an seinen Vorderlauf stellte. Sie tippte Fexx mit der flachen Hand an die Tatze, und sofort hob der Wilddrache bereitwillig sein Bein an. Yu setzte die Krallentatze auf den Trog vor sich. „Siehst du? Ganz einfach.“

„Einfach? Einen induzierten und abgeseihten Verformungstrank zuzubereiten ist einfach!“ Vergeblich versuchte Lilja, dem Jungdrachen die Feile aus dem Maul zu ziehen. „Eure Drachen lutschen immerhin keine … keine … äh, Werkzeuge!“

Anstatt zu antworten, musterten Yu und Rosabella ihre Freundin verdutzt. „Einen was zuzubereiten?“, fragte Rosabella schließlich. „Du bist noch nicht mal einen Monat auf der Alchemisten Akademie, Lilja, und schon verstehen wir kein Wort mehr.“

Mit wichtiger Miene rückte sich Lilja die Brille zurecht. „Ein induzierter und abgeseihter Verformungstrank ist ein hochkomplexer Sud, den man auf konstanter Temperatur erhitzt, bevor man seine festen Bestandteile von den Flüssigen …“

„Psssst!“ Yu legte den Finger an die Lippen und lauschte angestrengt. „Hört mal, was ist das? Dieses komische Knattern in der Luft?“

Sauer verdrehte Lilja die Augen. „Schon klar“, meinte sie entrüstet. „Mach dich nur lustig über mich. Danke Yu. Erst fragen, und dann nicht zuhören wollen.“

„Nein, nein … Hör doch mal.“ Sie deutete auf die Wolken. „Da!“

Über dem Köhler Wald tauchte ein Windschiff auf. Es war noch weit weg, aber gut zu erkennen, denn es zog eine dunkle Rauchwolke hinter sich her.

Neugierig rannte Yu auf das Hoftor zu.

Immer wieder sackte das Schiff ab und geriet ins Schlingern. Einer seiner Motoren tuckerte ungleichmäßig, und Qualm stieg von ihm auf. Als das Schiff näher herangekommen war, konnte Yu die Propeller erkennen, die in grellen Farben gestrichen waren. Eine schlanke Gondel, in der der Pilot eher lag, als saß, war unter einem länglich geformten Ballon befestigt und schwang hin und her. Als eine Windböe die Rauchfahnen verwehte, sah Yu, dass die ganze Seite des Schiffes mit einem geschwungenen Werbespruch bemalt war:

Drachenfrau Osiria O’Simaris! – Todesspringerin des Haluu!

Unter dem Spruch reckte sich das riesige, aufgemalte Gesicht einer Frau in den Flugwind. Sie hatte eine breite Flugbrille auf und ließ ihre Haare und ihren Schal im Wind flattern.

Aufgeregt lief Yu zum Eingangstor, gefolgt von Fexx, der wohl auf einen Ausritt hoffte. „Fexx, schau dir das an! Osiria und Haluu! Endlich.“ Yus Augen funkelten vor Begeisterung. Seit Wochen hatte sie sich darauf gefreut, die legendäre Kunstfliegerin und ihren Drachen kennenzulernen. Vielleicht konnte sie ihr ja den einen oder anderen Trick abgucken.

„Die berühmteste Drachenreiterin des Grinfjördtals fliegt ein defektes Windschiff?“ Skeptisch sah Lilja ebenfalls in den Himmel. Sie und Rosabella stellten sich zu Yu und beobachteten, wie das Schiff knatternd über den Koppeln des Drachenhofs angeschlingert kam.

„Keine Angst, sie stürzt nicht ab, und wenn, dann rettet Haluu sie bestimmt“, meinte Yu. Nachdem sie Liljas fragenden Blick bemerkt hatte, setzte sie hinzu: „Ihr Drache. Der heißt Haluu. Ich hab mal gelesen, dass Osiria auf ihm Handstand macht und runterspringt.“ Mit der Hand machte Yu eine Sturzflugbewegung und pfiff dabei leise. „Mitten im Flug! … Sprung und freier Fall.“

Ungläubig sah Rosabella sie an. „Und dann?“

„Haluu fliegt einen Looping, geht in den Sturzflug, und sie landet genau wieder im Sattel. Paff! … Wenn der Drache zu spät kommt, und sie verpasst ihn in der Luft, dann …“ Yu ließ die Hände zusammenklatschen.

Lilja rempelte Yu lachend an. „Du willst uns wohl verkohlen.“

Yu sah zu Fexx, der neugierig seinen Kopf an ihre Wange schmiegte. „Wenn man den richtigen Drachen hat und ein gutes Team ist … Wir würden uns das auch trauen, nicht Fexx?“

 

Das Windschiff landete vor dem Eingangstor zu Hof Feuerfels. Mittlerweile hatten sich auch andere Gäste des Hofes versammelt. Die Mädchen und Jungen hatten ihre Reitübungen auf der hinteren Koppel abgebrochen, hatten die Schubkarren und Striegel liegen gelassen und waren neugierig herbeigeeilt. Wegen des Rauchs hielten die meisten jedoch vom Windschiff Abstand.

Erwartungsvoll gingen Yu, Lilja und Rosabella auf die Gondel zu. Nachdem sich der aufgewirbelte Sand gelegt und der Rauch sich verzogen hatte, öffneten sich die beiden gläsernen Hauben der Gondel.

Anstatt einer Drachenreiterin kletterte jedoch ein Mann in blauem Kittel und mit Ölschmiere im Gesicht heraus. Er schob sich seine Fliegerbrille in die Stirn und streifte sich Lederhandschuhe über. Die Mädchen und Jungen ringsum schien er gar nicht zu bemerken, auch nicht den Wilddrachen, der interessiert seine Nase in den Rauch hielt. „Dann mach deinen Kram eben selbst!“, zischte der Mann wütend. „Hör auf, immer mir die Schuld zu geben! Wenn du mich nicht bezahlen kannst, Osi, kann ich es auch nicht reparieren. Basta!“

Mürrisch langte der Mann in die Gondel und riss einen Feuerlöscher heraus.

„Ferdinand, mach hier kein Tamtam. Hilf mir gefälligst raus, hörst du“, meinte eine Frau in strengem Ton, doch Ferdinand dachte gar nicht daran. Er ignorierte die zierliche Hand, die aus der Passagiergondel winkte. Ungestüm bahnte er sich einen Weg durch die Kinder und begann den qualmenden Motor mit Schaum einzusprühen.

„Du bist manchmal so was von … Also wirklich, Ferdinand“, hörte Yu es aus der Gondel. Aufgeregt trat sie noch einen Schritt näher und wagte einen Blick ins Innere. Bevor sie ihr Idol sehen konnte, flog ihr ein Seesack begleitet von einem Fluchen entgegen und kurz darauf erschien sie:

Osiria O’Simaris. Die Drachenfrau.

Yu konnte nicht sagen, wie alt sie war, denn im Gegensatz zum Bild auf dem Windschiff war ihr Gesicht mit Altersflecken übersät und von Sonne und Wind gegerbt. Ihre Haare, die sie zu einem straffen Zopf gebunden hatte, waren bereits grau. Trotz ihres Alters strahlte Osiria eine geradezu jugendliche Kraft aus. Ihre kakifarbene Pluderhose steckte in Lederstiefeln, die mit einem roten Flammenmuster an den Stulpen verziert waren. Dazu trug sie ein schickes Wams, das statt eines Gürtels von einem drachengrünen Seidentuch gehalten wurde.

Etwas herablassend musterte die Drachenfrau die Mädchen und Jungen des Hofes. Erst als sie Fexx bemerkte, der sie aufmerksam mit seinen grünen Augen beobachtete, nickte sie und lächelte die Kinder verhalten an. „Autogramme erst nach der Flugschau, meine Lieben.“

Yu wollte etwas erwidern, brachte aber außer einem „Äh“, keine Silbe heraus.

Osiria warf noch einmal einen Blick zu Ferdinand, der jedoch mit dem Löschen des Brands beschäftigt war. Seufzend hob sie den Seesack vom Boden auf. „Wer will mir tragen helfen?“

Einige Hände streckten sich empor, erste Rufe „Ich! Ich!“ ertönten. Auch Yu wollte sich melden, doch irgendwie war sie wie gelähmt.

Vermutlich weil sie das Glück hatte, direkt vor Osiria zu stehen, drückte die Frau tatsächlich ihr den Seesack vor die Brust.

„Danke“, murmelte Yu und fiel beinahe nach vorne über, weil der Sack überraschend schwer war.

„Stell dich nicht so an, Mädchen“, sagte Osiria.

„Natürlich, Frau O’Simaris. Äh, ich … Also wir … Ähm …“, stammelte Yu.

Endlich sprang Rosabella Yu bei. „Wir wollten Sie im Namen von Leopoldina und Nanthian auf Hof Feuerfels willkommen heißen.“

„Danke, Kinder. Sehr nett. Wirklich.“ Osiria lächelte in die Runde, zückte eine ellenlange Zigarettenspitze. Eine frische Zigarette steckte in dem schicken Mundstück. Doch anstatt sie anzuzünden, posierte Osiria damit. „Wie? Keine Reporter gekommen? Hm … Hat denn niemand mein Kommen der Presse mitgeteilt?“

Höflich bot Rosabella Osiria den Vortritt und zeigte auf das Querhaus von Hof Feuerfels. „Wenn Sie uns bitte folgen würden, dann bringen wir Sie zu Frau Leopoldina.“

Hof Feuerfels hatte in diesem Jahr die Ehre, die Flugschauen und Auktionen für die Händler auszurichten. Es würden nicht nur Drachenzüchter und -käufer in den Gästezimmern des Querhauses übernachten, in einigen der Ställe, die direkt in die Felswand geschlagen waren, würden für die nächsten Tage auch ein paar sehr kostbare Drachen einquartiert werden.

„Ich trag Ihr Gepäck. Kein Problem“, meinte Yu in der Hoffnung, ihr blödes Gestammel wieder gutzumachen. Es war ihr sehr unangenehm, schließlich hatte sie sich schon tagelang darauf gefreut, Osiria persönlich kennenzulernen. Und nun war sie sauer auf sich, dass sie sich so dämlich verhalten hatte. Osiria und ihr Feuerlanddrache Haluu waren legendär. Weswegen Nanthian sie auch für das Abschlussfest des Marktes angeheuert hatte.

Osiria knurrte unwirsch, beachtete Yu nicht weiter und ging mit Rosabella über den Hof.

Im lang gestreckten Haus neben dem windschiefen Turm hatte die Herbergsmutter Leopoldina ihre Küche, an deren großen Backöfen sie sich am liebsten aufhielt. Seit Tagen war Leopoldina wie ein aufgescheuchtes Huhn hin und her gehetzt und hatte den Drachenhof herausgeputzt. Für die Gäste musste alles blitzblank sein. Sogar die Fugen des Querhauses waren frisch gekalkt und leuchteten in der Sonne. Der neue Schuppen, den Herbergsvater Nanthian zu zimmern begonnen hatte, war mit bunten Bändern und Fahnen geschmückt. Momentan hatte sich der alte Hofdrache Knorre zwischen dem Gerippe aus Holzstämmen gemütlich eingerollt und schnarchte vor sich hin.

Yu glaubte, Knorre habe es sich zur Aufgabe gemacht, den neuen Schuppen persönlich zu bewachen. Aber wahrscheinlich dachte er bloß, es sei seine neue Hütte.

„Was hat die denn da drin?“, fluchte Yu. „Schmiedeeisen?“ Sie versuchte, Rosabella und Osiria zu folgen, aber der Seesack ließ sich einfach nicht heben.

Fexx schnüffelte kurz daran und trollte sich dann zum Futtertrog. „Du könnest mir ruhig helfen“, rief Yu ihm hinterher, doch für Fexx schien zu gelten: Nur wer mit mir fliegt, dem helfe ich auch.

Grinsend packte schließlich Lilja mit an. „Wie gut, dass dein Drache auch mal nicht so will, wie du.“

Dazu sagte Yu nichts, denn sie hatte keine Puste, um zu antworten. Nur mit Mühe schafften die beiden es, Osirias Seesack an den Trögen vorbei und zur Küchentür zu zerren. Stöhnend ließen sie den Sack mitten in der Küche fallen.

Yu wischte sich mit dem Ärmel Schweiß von der Stirn. „Was ist denn in dem Ding?“, keuchte sie. „Jetzt sagen Sie bloß, Sie haben da Haluu reingesteckt!“

Eisig sah Osiria sie an. Ihr Schweigen trieb Yu noch mehr Schweiß auf die Stirn. Sie hatte schon wieder etwas Falsches gesagt, oder? Osiria musterte Yu jedenfalls ernst, zog an ihrer langen Zigarettenspitze, obwohl die Zigarette gar nicht angezündet war, und meinte schließlich: „Ein Alchemist hat mir einen Diebstahlschutz eingebaut. Ein Star zu sein ist nicht einfach, weißt du? Man hat es schwer. Man muss auf seine Sachen aufpassen.“

„Etwa einen Gravitationszauber? Deswegen ist der Sack so schwer?“ Lilja war begeistert. „Wodurch wird der Zauber ausgelöst? Darf ich mal sehen?“ Sie ging in die Hocke und zog aus ihrer Umhängetasche eine Lupe hervor.

„Was’n das schon wieder?“, fragte Yu und wollte auch durch die Lupe sehen.

„Kinder, lasst das. Ja?“, meinte Osiria streng und sah sich um. „Wo ist denn nun diese Leopoldina?“

„Ich geh sie holen“, antwortete Rosabella und verschwand in den Flur zum Speisesaal.

„Es ist ein auf Granit basierender Bannspruch, glaub‘ ich.“ Begeistert hielt Lilja Yu die Lupe hin. „Hier“, erklärte sie Yu. „Damit kann ich erkennen, ob ein elementarer Bann auf einem Objekt oder einer Substanz liegt. Gehört zur Grundausrüstung im ersten Jahr bei der Akademie.“

„Neugierig seid ihr zwei gar nicht, oder täusche ich mich da?“, meinte Osiria schnippisch und ließ ihre Zigarettenspitze abfällig durch die Luft fahren.

„Wir? … Nö. Ganz und gar nicht“, antwortete Yu und biss sich sogleich auf die Lippen. War das schon wieder zu vorlaut gewesen?

„Na, dann reicht es jetzt auch!“ Ohne weiter auf die beiden zu achten, riss Osiria Yu den Sack aus der Hand. Er rutschte ihr jedoch weg und fiel auf den Küchenboden. Der Stoff platzte auf, und der Inhalt kullerte heraus.

„Verflixt!“, zischte Osiria. „Geht weg, los. Geht beiseite.“

Hilfsbereit wollten Yu und Lilja die Sachen wieder einsammeln, doch Osiria blaffte die Mädchen an. „Geht weg, lasst das. Ich mach das schon. Habt ihr nichts anderes zu tun?“ Hastig raffte sie Döschen und Tuben, kleine Flakons und Tiegelchen zusammen, die aus dem Sack gefallen waren. Es schienen Kosmetika zu sein, Cremes und Make-up. Theaterschminke in unterschiedlichen Farben, rot, orange, gelb und sogar grün. Ein Döschen war durch den Aufprall aufgesprungen, doch bevor Yu sehen konnte, was darin war, hatte Osiria es eilig zugeklappt und zurück in den Sack gesteckt.

„Nun macht schon. Verschwindet! Ich brauch eure Hilfe nicht“, wiegelte Osiria ab.

Verwundert beobachtete Yu, wie hektisch die Drachenfrau war – so als wäre in dem Seesack etwas Geheimes.

Endlich kam Rosabella mit der Herbergsmutter in die Küche.

„Wir sind sehr stolz, eine so berühmte Persönlichkeit bei uns –“, setzte Leopoldina sofort an, nur um bei Yus Anblick und dem aufgerissenen Seesack zu zetern: „Kinder! Was habt ihr schon wieder angestellt? Habt ihr was kaputtgemacht?“ Peinlich berührt musterte Leopoldina die ältere Dame, die noch immer ihre Sachen zusammensuchte.

Yu wollte etwas antworten, aber Leopoldina strafte sie mit einem Blick und wandte sich an Osiria. „Ähm, lassen Sie doch. Ich heb es gleich auf. Ich kann Ihnen das auch nähen. Möchten Sie ein Stück Apfelkuchen? Ach nein, Sie sind sicher müde von der langen Reise. Ich hoffe, sie war angenehm. Wollen Sie auf ihr Zimmer? Ja? … Haben Sie schon den Hof gesehen? Schon all die Drachen? Nein? Ihr Zimmer ist im Gästehaus. Sehr ruhig. Vielleicht doch einen Snöb, Frau O’Simaris?“

Die Drachenfrau musterte Leopoldina einen Moment, dann wandelte sich ihr Gesicht zu einem Lächeln. „Sehr aufmerksam“, meinte sie schließlich und hob den Sack auf die Arbeitsplatte. „Ich müsste mich in der Tat ein wenig frisch machen.“

„Natürlich“, antwortete Leopoldina verständnisvoll. „Lassen Sie nur, Ihr Gepäck wird umgehend auf Ihr Zimmer gebracht. Ich veranlasse das. Wenn Sie mir kurz folgen mögen?“ Sie wandte sich an Yu: „Bist du so lieb?“

Den Sack? Den ganzen Flur runter, die ganze Strecke bis zum Quergebäude und zu den Gästezimmern? Yu wurde blass.

„Danke. Ich nehme ihn selber“, sagte Osiria, warf den Mädchen einen arroganten Blick zu und hob den Seesack an, als wäre er nicht schwerer als ein Bündel Kandiswurzeln.

3

Am nächsten Morgen trafen die ersten Händler ein, und auf dem Platz vor den Felshöhlen drängelten sich an die vierzig Tiere. So viele Drachen waren noch nie gleichzeitig auf Hof Feuerfels gewesen. Alte, junge, große und kleine Drachen, Hof- und Hausdrachen. Aber auch ein paar edle Reitdrachen entdeckte Yu, während sie zusammen mit Rosabella und Lilja Gefion aus seiner Felshöhle holte.

„Ach du grüne Drachenschuppe.“ Fassungslos beobachtete Rosabella, wie sich zwei Riowig-Drachen um die Wassertröge stritten. Sie fauchten und stellten ihre Halskrause drohend auf.

„Gleich spuckt einer Feuer!“ Yu biss in den Snöb, den sie vom Frühstücksbuffet gemopst hatte.

„Hoffentlich nicht. Ist das nicht etwas unverantwortlich? So viele Drachen auf Hof Feuerfels.“ Unbehaglich sah Lilja über ihre Schulter.

„Ach, Lilja! Bald bist du genauso wie Leopoldina“, meinte Yu. Die Herbergsmutter hatte nämlich große Angst vor den lieben Tieren.

Lilja errötete. „Ich hab keine Angst vor Drachen, klar?“ Wie um es zu zeigen, streichelte sie Gefion über den Nasenrücken. „Jedenfalls nicht vor allen“, fügte sie dann kleinlaut an. „Nur vor denen mit großen Tatzen.“

„Schon klar“, meinte Yu und öffnete Fexx‘ Stalltür.

Der Wilddrache begrüßte sie und wollte sofort aus seiner Höhle heraus, aber Yu fand, es standen schon genug Drachen im Hof. „Kommst ja gleich raus.“ Sie tätschelte Fexx‘ Halsschuppen. „Und dann fliegen wir in die Stadt.“ Gutgelaunt schnappte sie sich den Eimer, um frisches Wasser aus dem Brunnen zu holen, klappte jedoch den oberen Teil der Tür auf, damit Fexx wenigstens in den Hof sehen konnte.

Am Brunnen wartete sie mit Lilja und Rosabella, bis sie an der Reihe war. Nachdem ein paar Männer, die für ihre Drachen ein Fass mit Wasser füllten, endlich zur Seite getreten waren, bemerkte Yu bei den beiden Steinpfeilern, die das Eingangstor von Hof Feuerfels schmückten, Osiria.

Die Kunstfliegerin holte aus dem Windschiff, das mittlerweile an der Ringmauer festgezurrt war, lange weiße Stangen. Sie waren zu einem Bündel zusammengeschnürt.

„Du bist dran.“ Lilja stupste Yu an.

---ENDE DER LESEPROBE---