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Da haben Sie den Salat! Sie haben ein Buch geschrieben, und es ist Ihnen tatsächlich gelungen, eine Lesung an Land zu ziehen. Und jetzt? Wie geht so etwas? Wie bereitet man sich auf eine Lesung vor, was muss man beachten? Welche Fallstricke lauern? Was ist die beste Dramaturgie für einen gelungenen Abend? Mischa Bach und Arnd Federspiel, beide erfahrene Lesungsprofis, geben in diesem kompakten Ratgeber ihre Erfahrungen weiter und verraten Tricks und Kniffe für einen gelungenen Veranstaltung. Ergänzt wird der Beitrag durch einen exemplarisch eingerichteten Lesungstext ("Vollmond" von Mischa Bach). "Drama, Baby!" ist ein E-Single aus dem Tatort-Schreibtisch-Ratgeber "Hört mir jemand zu?". Mehr Informationen unter www.tatort-schreibtisch.de
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Seitenzahl: 59
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Tatort Schreibtisch ist eine Buchreihe, in der ausschließlich versierte Profis zu Wort kommen. Basierend auf ihren langjährigen Erfahrungen, geben Fachleute ihr Wissen weiter und ermöglichen einen grundlegenden und vor allem praxisorientierten Einblick in ihre Arbeit. Mehr Informationen und weitere Texte unter: www.tatort-schreibtisch.de
Mischa Bach und Arnd Federspiel
Drama, Baby!
Tipps zur Dramaturgie einer spannenden Autorenlesung
KICKVerlag
Inhalt
Prolog
1. Wo lese ich? – Die Rahmenbedingungen klären
2. Was lese ich? – Den Raum mit Inhalt füllen
3. Wie lese ich? – Die Praxis des Vorlesens
4. Fortgeschrittenenkurs: Ballast abwerfen! Kürzen, aber richtig
5. Die Kür: Dialog findet nicht nur in der Geschichte statt
Anhang A: Die Checkliste zur Lesung
1. Was Sie Ihren Veranstalter fragen sollten
2. Textauswahl
3. Zuhause: Lesungsvorbereitung
4. Vor Ort: Stolperfallen vermeiden
Anhang B: Ein eingerichteter Lesetext
Vollmond, von Mischa Bach
Prolog
Gratulation! Sie haben Ihre erste Lesung an Land gezogen! Das ist wunderbar!
Nur … was machen Sie jetzt?
Eine alte Weisheit besagt, dass sich der Mensch vor Gericht und auf See in Gottes Hand befindet. Gleiches gilt auch für Autoren während einer Lesung. Doch bevor Sie jetzt voller Sorge fürchten, auf der Bühne Schiffbruch zu erleiden oder vom gestrengen Urteil der Zuhörer niedergestreckt zu werden, Kopf hoch: Die während einer Lesung herrschenden Gefahren können wir minimieren und kontrollieren, und Sie werden sehen, am Ende kann man bei der ganzen Sache sogar Spaß haben.
Gehen wir einfach gemeinsam Schritt für Schritt voran.
1. Wo lese ich? – Die Rahmenbedingungen klären
Lesungen finden fast überall statt: in Buchhandlungen und Bibliotheken, Schulen und Altenheimen, Restaurants und Kneipen, in Lesecafés, auf Kleinkunstbühnen sowie im Theater, manchmal sogar in Bus und Bahn, in Privathäusern, in Schwimmbädern und Galerien oder auch schon mal draußen im Schlosshof, im Stadtpark, etc.
Als Anlass dient – neben Buchpremieren und den Lesereisen bekannterer Autoren – beinahe alles: Fest etablierte Veranstaltungsreihen in Buchhandlungen oder Bibliotheken, Schulen oder Leseclubs stehen neben größeren und kleineren Literaturfestivals mit oder ohne Genrebindung. Firmenjubiläen oder ganz private Veranstaltungen ergänzen das Spektrum. Der Fantasie der Veranstalter sind kaum Grenzen gesetzt. Als lesender Autor sollte man sich davon nicht erschrecken, sondern höchstens inspirieren lassen.
1.1 Bei welchem Anlass lese ich?
Beginnen Sie damit, sich ein Bild von den Rahmenbedingungen Ihrer Lesung zu verschaffen: Es macht einen himmelweiten Unterschied, ob Sie als Solistin Ihr neues Buch in Ihrer Lieblingsbuchhandlung vorstellen oder als einer von mehreren Autoren bei der Benefizlesung „Wasserratten treffen Leseratten“ zugunsten des örtlichen Schwimmvereins auftreten.
Deshalb sollte immer der erste Schritt bei der Lesungsvorbereitung sein: Sprechen Sie mit Ihrem Veranstalter und informieren Sie sich darüber, für welche Art Veranstaltung Sie gebucht worden sind und was das Publikum von Ihnen erwartet.
Eine ganz wesentliche Frage ist die nach der Lesungsdauer – und genau darum geht es im nächsten Punkt:
1.2 Wie lange soll ich lesen?
Die Beantwortung dieser Frage ist besonders wichtig, weil Sie erst, wenn Sie den Zeitrahmen kennen, damit beginnen können, ihn inhaltlich zu füllen.
Vorausgesetzt, der Veranstalter lässt dem Lesenden in der Zeitfrage freie Hand, gilt als Faustregel: Bei einstündigen Lesungen (eine empfehlenswerte Länge, gerade, wenn man alleine liest) ist keine Pause vonnöten. Allerdings sollten Sie dann die angepeilte Lesezeit keinesfalls überziehen, da die Konzentration der meisten Menschen nach einer Stunde intensiven Zuhörens nachzulassen beginnt. Und genau das sollte tunlichst vermieden werden, damit am Ende alle Beteiligten die Veranstaltung mit einem guten Gefühl verlassen – die Zuhörer bestens unterhalten und zufrieden, der Vorleser ohne die Erinnerung an von Gähnen verzogene Gesichter. Bei längeren Lesungen, insbesondere solchen mit mehreren Lesenden und/oder musikalischer Begleitung, sind anderthalb Stunden, aufgegliedert in 50 Minuten Lesung, 10–15 Minuten Pause, gefolgt von weiteren 25–30 Minuten Lesung, ein guter Richtwert.
Diese beiden Grundmodelle lassen sich je nach Veranstaltung vielfältig variieren, sei es bei der langen Lesenacht eines Literaturfestivals, bei einer Wein- und Whiskyverkostung, eingebettet in ein mehrgängiges Dinner oder bei einer Museums- oder Schlossführung. In der Regel haben Veranstalter Erfahrungen mit dem Lesungsformat, für das Sie gebucht werden sollen, also fragen Sie genau nach. Auch ein Anruf bei Kolleginnen oder Kollegen, die schon einmal auf der Autorenliste des Veranstalters gestanden und bei diesem gelesen haben, kann hilfreich sein, versteckte Klippen zu umschiffen.
1.3 Gut geplant ist halb gewonnen
Egal, ob der Zeitrahmen vom Veranstalter vorgegeben wurde oder ob Sie ihn sich selbst gewählt haben: Ihr Vortrag sollte gut geplant sein, damit Sie den Zeitrahmen der Lesung auch gut füllen können. Hier gilt das Motto, dass weniger fast immer mehr ist. Soll heißen: So groß die Versuchung auch ist, Sie müssen nicht auf Biegen und Brechen versuchen, all Ihre Lieblingsstellen in der Lesung unterzubringen – um dann gehetzt durch zu viel Text zu rasen, sich dabei selbst zu stressen und die Zuschauer zu überfordern. Ziel der Lesung sollte vielmehr sein, auf Autor und Werk aufmerksam zu machen und die Zuhörer durch einzelne Appetithäppchen so neugierig zurückzulassen, dass sie gar nicht anders können, als das vorgestellte Werk zu kaufen und selber nachzulesen, wie die Geschichte weitergeht. (Wenn Sie unsicher sind, welche Textstellen Sie vorlesen sollen, bekommen Sie Tipps im 2. Kapitel „Textauswahl und Lesungsaufbau“)
Um das Timing Ihres Vortrags zu prüfen, lesen Sie in der Vorbereitungsphase die ausgesuchten Textstellen inklusive eventuell vorbereiteter Zwischentexte laut vor. Sie werden sich wundern, wie wenig Text Sie brauchen, um eine Lesungsstunde zu füllen. Natürlich kommt es darauf an, wie nuanciert und wie schnell Sie vorlesen. In dem sehr empfehlenswerten Beitrag „Mit der Stimme Bilder malen“ von Sebastian Fuchs erfahren Sie Hilfreiches zum Thema, sodass wir an dieser Stelle nur eine grundlegende Erfahrung weitergeben möchten: Lassen Sie sich bei Ihrem Vortrag Zeit! Ihre Geschichte braucht Raum, um in den Köpfen Ihrer Zuhörer ihre Wirkung entfalten. Nehmen Sie Ihre Zuhörer mit und wählen Sie ein Tempo, dass Ihnen und Ihrem Publikum die Zeit lässt, sich das gerade Gelesene im persönlichen Kopf-Kino vorzustellen. Probieren Sie es vorher zuhause aus, vielleicht finden Sie in Ihrem Familien- oder Freundeskreis Testpersonen, die Ihnen zuhören und eine Rückmeldung geben. Sie werden schnell spüren, bei welchem Lesetempo Sie und Ihre Zuhörer sich wohlfühlen.
Deshalb: Vertrauen Sie Ihrer Geschichte! Lesen Sie mit Genuss und mit Ruhe! So wie Sie ein gutes Essen nicht herunterschlingen, sondern Bissen für Bissen genießen, so sollten Sie auch Ihre Geschichte auskosten.
Neben dem Sprechtempo sind Pausen ein wichtiges Mittel, damit sich die volle Wirkung eines Textes entfalten kann. Erst die Atempause nach einer besonders spannenden, witzigen oder anderweitig aufgeladenen Stelle verschafft den Zuhörern die Gelegenheit, den emotionalen Effekt selbst zu fühlen. Auch an anderen Stellen, zum Beispiel nach einem Wechsel im Text zwischen Beschreibung zum Dialog oder zwischen zwei direkt aneinandergesetzten Dialogzeilen ist es sinnvoll, kurz innezuhalten. Genau wie die Modulation des Lesetempos gehören Pausen zum Basisrepertoire der Lesungsgestaltung. Sie geben auch dem Lesenden Zeit, sich kurz aus dem Lesefluss zu lösen und in Kontakt mit dem Publikum zu treten. Ob als Schrecksekunde, gemeinsamer Lacher oder gar für Szenenapplaus – Pausen tun gut.