Drei Musketiere - Eine verlorene Jugend im Krieg, Band 13 - Frank Hille - E-Book

Drei Musketiere - Eine verlorene Jugend im Krieg, Band 13 E-Book

Frank Hille

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Beschreibung

Die deutsche Führung hatte die Operation "Zitadelle" bei Kursk Mitte Juni 1943 abbrechen müssen. Der bei Orel mit der Stoßrichtung Kursk angetretenen Nordgruppe der deutschen Streitkräfte war es nicht gelungen, das von den Russen festungsartig ausgebaute Verteidigungssystem zu durchbrechen. Dazu kam, dass die Sowjets ihrerseits einen breit angelegten Gegenstoß vorbereitet hatten, der vor allem das südlich gelegene rohstoffreiche Donezbecken wieder in ihren Besitz bringen sollte. Das hatte zur Folge, dass Teile der deutschen Kräfte eilig umgruppiert werden mussten, um diese Bedrohung abwehren zu können. Ohne es voneinander zu wissen, waren Fred Beyer und Günther Weber mit ihren Einheiten an diesen Abschnitt verlegt worden. Die Kämpfe dort waren brutal, verbissen und äußerst verlustreich. Über allem stand die Gefahr, dass die deutsche Ostfront mit ihren ausgezehrten Truppen nunmehr wieder zum Rückzug gezwungen werden könnte. Glücklicherweise waren die sowjetischen Armeen ebenfalls erschöpft, so dass deren Schlagkraft für eine sofortige und durchschlagende Offensive nicht ausreichte. Martin Haberkorns Boot war ein Einsatzgebiet im Mittelatlantik zugewiesen worden, aber es kam dort nicht an.

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Impressum

Drei Musketiere

Eine verlorene Jugend im Krieg

Band 13

1943

Copyright: © 2018 Frank Hille

Published by: epubli GmbH, Berlin

www. epubli.de

Fred Beyer, 27. Juli 1943, bei Slawjansk

Günther Weber, 27. Juli 1943, bei Snischne

Martin Haberkorn, 28. Juli 1943, bei Island

Fred Beyer, 27. Juli 1943, bei Slawjansk

Günther Weber, 30. Juli 1943, bei Snischne

Martin Haberkorn, 27. Juli 1943, südlich von Island

Fred Beyer, 27. Juli 1943, Slawjansk

Günther Weber, 27. Juli 1943, Sawur-Mohyla

Martin Haberkorn, 27. Juli 1943, südlich von Island

Fred Beyer, 28. Juli 1943, Slawjansk

Günther Weber, 28. Juli 1943, Sawur-Mohyla

Martin Haberkorn, 28. Juli 1943, südlich von Island

Fred Beyer, 29. Juli 1943, Slawjansk

Günther Weber, 30. Juli 1943, Bahnstation

Martin Haberkorn, 30. Juli 1943, vor La Rochelle

Fred Beyer, 30. Juli 1943, Slawjansk

Martin Haberkorn, 1. Juli 1943, La Rochelle

Fred Beyer, 27. Juli 1943, bei Slawjansk

Das auf den ersten Blick strategisch vollkommen unbedeutende Dorf Golaja Dolina sollte Fred Beyer und den Männern seiner Besatzung noch lange als Ort einer bitteren Niederlage im Gedächtnis bleiben. Nachdem sich die Lage an der Mius-Front etwas übersichtlicher dargestellt hatte waren sie von der Truppenführung als mit in den Bestand der 17. Panzervision eingegliedertes Kampffahrzeug – zusammen mit den wenigen anderen bei „Zitadelle“ noch davongekommenen „Panther“ - gemeinsam mit der SS-Panzergrenadierdivision „Wiking“ zum Angriff auf den sich nun klar zu erkennenden Brückenkopf der Russen in ihrem Bereich am 21. Juli befohlen worden. Die deutschen Stäbe hatten allerdings kostbare Zeit verstreichen lassen und den Russen damit die Möglichkeit gegeben, immer mehr Truppen und schwere Waffen über den Fluss zu bringen, und das von ihnen bis dahin eroberte Gebiet zügig weiter auszudehnen. Aus den ersten kleinen und noch voneinander isolierten Geländeabschnitten heraus waren die gegnerischen Infanteristen immer weiter vorgerückt und wurden dabei durch die Artillerie und Bomber unterstützt. Anfangs war der von den Russen eingenommene Raum noch auf das Gebiet direkt am Fluss begrenzt gewesen, aber die Sowjets hatten mit der ihnen eigenen Rücksichtlosigkeit auch den möglichen ungewollten Beschuss der eigenen Truppen in Kauf genommen und versucht, knapp auf den Bereich vor ihnen zu feuern. Die schwere Artillerie war der ganze Stolz der Roten Armee und in Bezug auf deren Ausstattung und Schlagkraft war diese Auffassung vollends gerechtfertigt, auf die Zielgenauigkeit bezogen allerdings nicht. Erwartungsgemäß waren etliche russische Soldaten dem eigenen Feuer zum Opfer gefallen, aber auch die Deutschen hatten erhebliche Verluste gehabt und mussten sich bald auf die zweite Verteidigungslinie zurückziehen. Über die schnell errichtete 60-Tonnen-Ponton-Brücke der Russen waren schon ungefähr 30 T 34 und einige gezogene Geschütze über den Fluss gebracht worden, die die Infanteristen jetzt im Gefecht unterstützten. Mit der Unterstützung dieser schweren Waffen hatten die Russen den Brückenkopf bis auf Golaja Dolina erweitern können. Der Ort lag vom Terrain her gesehen für die dort in Verteidigungsstellung gegangenen russischen Einheiten recht günstig, denn er befand sich auf einer kleinen Anhöhe, und die angreifenden Deutschen würden bergan kämpfen müssen. Das Gelände war nahezu deckungslos und die Sowjets hatten sich in aller Eile eingegraben und auch ihre Geschütze in Stellung bringen können. Die deutsche Aufklärung hatte nur Truppenbewegungen des Feindes dorthin feststellen können aber konnte nicht genau einschätzen, über welche Kräfte und Waffen der Gegner dort verfügte. Um die Ausweitung der russischen Positionen zu verhindern, waren die beiden deutschen Panzerdivisionen zum Angriff auf den Ort angesetzt worden. 84 Panzer rollten mit dem Befehl an, einen weiteren Einbruch der Russen in die deutschen Stellungen zunächst zu stoppen, und den Ort dann im Gegenangriff wieder in die eigene Hand zu bekommen.

Fred Beyer war klar, dass das Gelände die Verteidiger begünstigte. Die Angriffsformation wurde überwiegend von Panzern IV der Ausführung G und H gebildet, deren Höchstgeschwindigkeit im Gelände bei 16 Kilometern in der Stunde lag, und die auf dem leicht ansteigenden Terrain noch langsamer vorankommen würden. Auch die 24 Kilometer pro Stunde Geländegeschwindigkeit der „Panther“ würde sich deutlich reduzieren. Die Russen hätten somit gute Chancen, die nur langsam auf sie zurollenden Fahrzeuge unter gezielten Beschuss zu nehmen. Welche Kaliber dem Gegner zur Verfügung standen konnte niemand wissen, aber die weitverbreiteten 76-Millimeter-Divisionskanonen, die berüchtigten "Ratsch-Bumm", wären sicher auch mit dabei, und diese Waffen waren immer noch äußerst gefährlich. Beyer war froh, dass ihr Panzer mit der abgeschrägten Panzerung deutlich besser geschützt war als die fortlaufend verbesserten Panzer IV. Aus der Not geboren, war dieser schon lange eingeführte und schon in den dreißiger Jahren entwickelte Typ am Bug mit zusätzlichen 30 Millimeter starken Platten auf insgesamt 80 Millimeter aufgepanzert worden, aber die Bugplatte war eben nicht homogen, sie wies keine durchgängig gleiche Stärke auf. Dieser Nachteil des Panzers wurde durch die erheblich verbesserte Kampfwagenkanone mit nunmehr 48 Kaliberlängen etwas ausgeglichen, denn die deutschen Standard-Panzergranaten konnten jetzt auch die Bugplatte des T 34 auf 1.000 Meter Entfernung durchschlagen. Beyer hoffte, dass die Russen von ihren höher liegenden Verteidigungspositionen Probleme haben würden, ihre PAK mit einer entsprechenden negativen Rohrerhöhung anrichten zu können. Dennoch waren sie im Vorteil. Der deutschen Angriffsformation waren die Grenadiere der „Wiking“ zugeordnet, die bis zum Absitzen auf dem Gefechtsfeld mit Schützenpanzerwagen transportiert wurden, und in den Fahrzeugen bis dahin zumindest vor Infanteriewaffenbeschuss geschützt waren.

Die Russen hatten selbst erkannt, dass sie das Feuer auf die deutschen Panzer zeitig genug eröffnen mussten, ansonsten würden ihre Rohrwaffen die bergan fahrenden gegnerischen Fahrzeuge bald nicht mehr im Schussbereich haben. Die schwache deutsche Artillerie belegte die russischen Stellungen mit Sperrfeuer, aber es war mehr eine moralische Unterstützung für die eigenen Truppen, denn die Rohrdichte war an der langgezogenen Front am Mius ausgesprochen gering. Die Luftwaffe war für diesen Tag nahezu abgemeldet, denn die Russen beherrschten den Himmel. Das begünstigte auch den Einsatz der berüchtigten Iljuschin Il 2, die jetzt in 4 Rotten anflogen. Die Maschinen hatten sich gut gestaffelt und sie mussten weder deutsche Jäger noch Flakartillerie fürchten. Die Russen hatten das Muster mit der Version Il-2M-3 nochmals weiterentwickelt, die gefeilten Außenflügel sorgten jetzt für deutlich bessere Flugeigenschaften. Mit ihren zwei 23 Millimeter Maschinenkanonen, den beiden 7,62 Millimeter MG und dem 12,7 Millimeter MG des Bordschützen sowie ihrer enormen Panzerung stellten die Maschinen eigentlich eine potentiell hochgefährliche Waffe dar. Teilweise wurden ungelenkte Raketen unter den Tragflächen mitgeführt. Diesen guten Kampfeigenschaften standen allerdings die vollkommen unzureichenden Zielerfassungssysteme entgegen, denn die Flugzeuge verfügten als Visier nur über individuell an der Frontscheibe angebrachte Markierungen. Aufgrund des vorherrschenden Konstruktionsmerkmals der Maschine, der extrem starken Panzerung, war es auch nicht möglich, das Flugzeug in einen Angriff mit hohem Sturzflugwinkel zu bringen, so dass sich ein Anflug in einem flachen Winkel bis maximal 30 Grad als beste Variante herausgestellt hatte. All das schränkte die Treffgenauigkeit stark ein, sie lag bei nicht einmal 10 Prozent. Bei Kursk waren erstmalig und nur vereinzelt in Kassetten befindliche panzerbrechende Bomben mit gutem Erfolg auf die massiert vorgehenden deutschen Panzereinheiten eingesetzt worden, aber der Gegner hatte die Konzentration seiner Kräfte danach schnell aufgegeben und die Formationen weit auseinandergezogen und aufgelockert. Die Il 2 waren jetzt tiefer gegangen und hatten den Anflug eingeleitet. Die deutschen Jagdflieger hatten es zwar jetzt schwerer diese Maschine zu bekämpfen, da der Bordschütze nunmehr den rückwärtigen Raum deckte, aber während „Zitadelle“ hatten die Russen wieder hohe Verluste hinnehmen müssen, da die deutschen Jäger nun vor allem von unten her angriffen. Rein materiell gesehen waren die Verluste für die in den Osten verlagerte sowjetische Industrie kein Problem, denn die Rüstungsproduktion lief dort auf Hochtouren. Weit schwerwiegender war die viel zu kurze Ausbildungszeit der Piloten.

Kolja Valtenschuk hatte sich schon als Junge immer wieder am Flugplatz von Orel herumgetrieben und den startenden und landenden Maschinen zugesehen. Für ihn war es unverständlich, dass sich so ein stählerner Kasten einfach in die Luft erheben konnte und nicht gleich wieder auf den Boden krachte. Er war damals in der 5. Klasse gewesen und für ihn hatte festgestanden, dass er eines Tages Pilot werden würde. Mit 15 Jahren hatte er sich den Segelfliegern am Platz angeschlossen und nachdem er lange Theorie gebüffelt und für die anderen jungen Männer nur Hilfsarbeiten ausgeführt hatte, durfte er erstmals im Sommer 1939 in eine Maschine klettern. Als das Flugzeug abgehoben hatte und er durch die günstige Thermik schnell höher gestiegen war sah er seine Heimat das erste Mal aus der Vogelperspektive und war so ergriffen, dass er jetzt noch mehr Kraft einsetzen würde, um seinen Traum erfüllen zu können. Er war ein intelligenter und zielstrebiger junger Mann und das Lernen fiel ihm leicht. Außerdem brachte er viel Talent für das Fliegen mit und beherrschte das Segelflugzeug bald fast mühelos. Als der Krieg ausgebrochen war fand er sich zusammen mit seinen Eltern schnell nach der Evakuierung weit im Osten des Landes wieder. Als gelernter Dreher und Fräser wurde er in einem Betrieb zur Herstellung von Motorenteilen eingesetzt und bedrängte seine Vorgesetzten ständig, ihn doch endlich zur Ausbildung als Pilot abzustellen. Zu dieser Zeit war er 17 Jahre alt gewesen und ihm war mitgeteilt worden, dass er viel zu wichtig für den Betrieb wäre, denn die älteren Männer waren größtenteils schon eingezogen worden. Er ließ nicht locker, und da die Deutschen im Jahr 1943 weitestgehend gestoppt worden waren und die Rüstungsproduktion jetzt wie ein Uhrwerk und auf Hochtouren lief, aber der Front die Piloten ausgingen, erinnerte man sich an seine Ausbildung zum Segelflieger, und rief ihn zur russischen Luftwaffe ein. Natürlich war die Beherrschung der von 1.700 PS angetriebenen und 400 Kilometer in der Stunde schnellen und mehr als 5 Tonnen wiegenden Il 2 eine ganz andere Sache als der antrieblose Segelflug, aber Valentschuk brachte schon fliegerische Fähigkeiten mit. Der Druck auf die künftigen Flieger war groß, und während der Ausbildung stürzten drei Maschinen wegen Pilotenfehlern ab. Nach gerade einmal 30 Stunden wurden die jungen Männer an die Front kommandiert, und übernahmen auf einem Feldflughafen bei Kamenka ihre Maschinen, die sie dann nach Senischeno verlegten. Dieser Ort lag in fast gerader Linie nördlich von Slawjansk. Am Nachmittag hatten 4 Rotten Il 2 ihre Einsatzbefehle erhalten, sie sollten die bei Gojala Dolina angreifenden deutschen Panzer vernichten. Kolja Valentschuk war guter Dinge, er glaubte fest an einen Erfolg des Einsatzes.

Feldwebel Erich Winkler hatte seine Beklemmungen noch nie richtig überwinden können, wenn der Panzer mit geschlossenen Luken ins Gefecht ging. 1940 war er als Soldat zur Panzerwaffe eingezogen, dort zum Richtschützen ausgebildet worden und bis jetzt nur mit viel Glück aus zwei brennenden Fahrzeugen herausgekommen. Da die Ausfälle der Truppe hoch waren war er die Leiter der Dienstgrade recht schnell hochgestiegen, ohne dass er es extra darauf angelegt hatte, es hatte sich aufgrund der Verluste einfach so ergeben. Er besaß viel Kampferfahrung, und sein Gefühl sagte ihm, dass das Gefecht heute schwierig werden würde. Das vor den deutschen Panzern liegende Terrain war ungünstig und er hatte auch mit Sorge während der Wartezeit in der Bereitstellung festgestellt, dass die Luftwaffe kaum Einsätze flog. Das hieß, dass die Panzer nur durch die eigene Infanterie begleitet die auf dem Hügel festsitzenden russischen Einheiten angreifen mussten. Früher hatte erst die Artillerie lange Vorbereitungsfeuer geschossen, danach hatten die Stuka wichtige Ziele bombardiert, und erst dann waren die Panzer angetreten. Was ihm aber Zuversicht gab war die Tatsache, dass der Panzer IV in der Ausführung H eine kampfstarke Maschine geworden war, deren Hauptbewaffnung sämtliche gegnerischen Fahrzeuge vernichten konnte und die homogene 80 Millimeter starke Bugpanzerung guten Schutz gewährleistete. Des Weiteren schützten 5 Millimeter starke Stahlplatten den Turm und die Seiten des Kampfwagens gegen Panzerbüchsenbeschuss - die Schürzen. Dass jetzt gleichzeitig 80 Panzer auf einem begrenzten Abschnitt ins Gefecht gingen würde auch bedeuten, dass die Russen sich kaum auf die Bekämpfung einzelner Ziele konzentrieren konnten. Der 23jährige Erich Winkler hatte wie viele andere Panzermänner auch den Namen seiner Verlobten auf das Stirnteil des Panzeroberkastens gepinselt: Edeltraut.

Der Anflug war Kolja Valentschuk gut gelungen, und er drückte die Maschine weiter vorsichtig an. Es war sein erster scharfer Einsatz und bislang hatte er nur einige Salven in der Ausbildung auf Attrappen auf dem Übungsplatz abgegeben. Dabei war ihm aufgefallen, dass sich das Flugzeug bei der Nutzung der Maschinenkanonen regelrecht schüttelte und das provisorische Visier vollkommen nutzlos war. Ein genaues Zielen war damit unmöglich aber er sagte sich, dass er mit der Zeit schon ein Gefühl für die richtige Entfernung und den Winkel für den Angriff bekommen würde. Als die Panzer ungefähr noch 800 Meter entfernt waren befanden sich die 8 Il 2 in 200 Meter Höhe und bei 400 Meter Abstand betätigte Valentschuk die Knöpfe für die Auslösung der Waffen. Er konnte erkennen, dass die Geschosse viel weiter entfernt als von ihm vermutet zwei Panzer an Bug und Turmfront trafen, aber offensichtlich keinen Schaden angerichtet hatten, denn die Kampfwagen rollten weiter. Die 23 Millimeter Geschosse aus den Maschinenkanonen hatten zu wenig Energie besessen um die Panzerung durchschlagen zu können. Valentschuk hatte gerade einmal die Hälfte der Munition verschossen und die Angriffsformation der Deutschen schon überflogen. Auf ein Kommando des Rottenführers hin kurvte er nach links ein, und das Manöver gelang ihm gut. Er hatte sofort die Absicht des anderen Piloten verstanden, sie würden jetzt die Panzer von hinten angreifen und versuchen, die schwächer gepanzerten Motorraumabdeckungen und Turmoberseiten zu treffen. Die Kurve hatte sie ein ganzes Stück von den Angreifern weggebracht, und als sie wieder auf geraden Kurs gingen merkte Valtenschuk instinktiv, dass er diesmal besser und auch weniger hoch in Position gekommen war. Als er dann das Feuer eröffnete sah er, dass die Geschosse bei einem Panzer wie an einer Schnur gezogen in den Motorraum und den Turm einschlugen, ohne abzuprallen. Er verschoss die restliche Munition beim Abflug ohne wirksame Treffer, dann drehten die Il 2 ab.

Erich Winkler sah angestrengt durch die Winkelspiegel der Kommandantenkuppel, das war in dem sich rasselnd und schaukelnd vorwärts bewegenden Fahrzeug nicht einfach. Die Russen hatten das Feuer aus ihren Panzerabwehrgeschützen zu spät eröffnet, und jetzt waren die an der Spitze der Angriffsformation fahrenden deutschen Kampfwagen schon aus dem Richtbereich herausgekommen und krochen langsam den Hügel hinauf. Die Sowjets feuerten aus allen Rohren auf die hinteren Reihen der Formation und konnten drei Panzer in Brand setzen, ein weiterer explodierte. Winkler sah durch seine Winkelspiegel ausschnittsweise, dass sein Panzer bald aus dem Beschussfeld der Russen heraus sein musste. Der Panzer fuhr im vierten Gang mit Höchstdrehzahl und erreichte so, auch durch die Steigung bedingt, eine Geschwindigkeit von lediglich 10 Kilometern in der Stunde. Winkler war sich sicher, bald aus der größten Gefahr heraus zu sein, denn er ging davon aus, dass die russischen Nahbekämpfer sie zwar erwarten würden, aber außer geballten Ladungen, Brandflaschen und den üblichen lanzenartigen Panzerbüchsen nicht allzu viel aufbieten könnten. Die russischen Geschütze wären auf die kurze Distanz dann nutzlos, und wenn es gelingen würde einige Panzer gleichzeitig in die gegnerischen Stellungen einbrechen zu lassen, wäre das vermutlich schon eine Vorentscheidung des Gefechtes. Als er angestrengt nach vorn schaute sah er rechts neben seinem Fahrzeug Geschossgarben in den Motorraum des etwas versetzt vor ihnen fahrenden Panzers hämmern. Mit einem Ruck blieb die Maschine stehen. Er wollte die Situation noch weiter beobachten, aber in diesem Moment trafen die Geschosse aus den Maschinenkanonen und MG der Il 2 von Kolja Valentschuk die Turmrückwand, die Kommandantenkuppel und die Turmdecke. Die 14,5 Millimeter Panzerstahl der Turmrückwand und der Kommandantenkuppel konnten der Wucht der Projektile nicht standhalten und wurden glatt durchschlagen. Zwei der panzerbrechenden Brandgeschosse trafen Winkler in den Kopf und ließen seinen Schädel zerplatzen. Dem vor ihm sitzenden Richtschützen fuhren drei Geschosse in den Rücken und rissen große Teile seiner Organe aus den riesigen Austrittswunden in der Brust und im Bauch heraus. Ein Projektil schlug direkt neben dem Ladeschützen in eine Halterung für die Bereitschaftsmunition ein und ließ eine Sprenggranate explodieren. Sekundenbruchteile später entzündete sich die übrige Munition, und die hochgehenden Granaten rissen den Turm des Panzers ab und schleuderten ihn einige Meter weit weg. Die vorn in der Panzerwanne sitzenden Fahrer und Funker wurden durch die Wucht der Explosion einer wahnsinnigen Beschleunigung ausgesetzt, an die Frontpanzerung katapultiert, dort zerquetscht, und gleichzeitig durch die Explosion vollständig zerrissen.

Falls es den Deutschen gelingen sollte das Gebiet wieder in ihren Besitz zu bringen würde das Gräberkommando von den fünf Männern der Besatzung des Panzers nichts mehr vorfinden, was noch irgendwie an Menschen erinnern könnte. Die gerade noch jungen und gesunden Körper der Soldaten waren in Sekundenbruchteilen in unzählige undefinierbare Fragmente verschiedener Größe zerlegt, und im Gelände zerstreut worden.

Günther Weber, 27. Juli 1943, bei Snischne

„Was soll der Quatsch“ hatte einer der SS-Männer erbost in die Runde der in dem Transportwaggon auf dem Boden sitzenden Männer gefragt „wir kutschen hier bei schönstem Sommerwetter durch halb Russland rum als ob wir im Urlaub wären. Der Unterschied ist bloß der, dass wir seit Tagen hier in dieser stinkenden Kiste sitzen und uns zu Tode langweilen. Ich verstehe nicht, warum man uns fast 800 Kilometer weit in den Süden auf die Reise schickt. Bei Orel dampft die Kacke doch auch gewaltig!“