Drei Western Band 1006 - Thomas West - E-Book

Drei Western Band 1006 E-Book

Thomas West

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Beschreibung

Dieser Band enthält folgende Western: Tötet Shannon (Thomas West) Die Patriotin (Pete Hackett) Ihr werdet bezahlen! (W. A. Hary) Man schrieb den 3. Juli 1863. Über zwei Jahre schon tobte der Krieg zwischen Nord und Süd. Das Land drohte im Blut seiner Männer zu ertrinken. Seit zwei Tagen wurde in den Hügeln vor Gettysburg gekämpft ... Es war früher Morgen. Zwischen den Bäumen wob das Morgengrauen. Über den östlichen Horizont kroch das erste Rot des neuen Tages. Nebelschwaden wallten. Noch schwiegen die Batterien auf beiden Seiten. Es war ruhig – es war wie die Ruhe vor dem Sturm. Die Männer in den grauen Uniformen waren nervös. Sie lagen in ihren Deckungen, die schweißnassen Hände um die Karabiner verkrampft. Rastlosigkeit prägte die bleichen Gesichter. In den Herzen wühlte die Angst, in den Gemütern wüteten Besessenheit und selbstmörderischer Fanatismus. Es galt an diesem Morgen, den Hügel, auf dem sich einige Kompanien der Yankees postiert hatten, zu erobern ... Der Befehl zum Angriff kam. Das Hornsignal mutete an wie eine Botschaft des Grauens und des Schreckens, wie ein Gruß aus der Hölle. "Auf sie, Männer! Gott sei mit euch!"

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Thomas West, Pete Hackett, W. A. Hary

Drei Western Band 1006

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Inhaltsverzeichnis

Drei Western Band 1006

Copyright

​Tötet Shannon!

​Die Patriotin

Ihr werdet bezahlen!

Drei Western Band 1006

Thomas West, Pete Hackett, W. A. Hary

Dieser Band enthält folgende Western:

Tötet Shannon (Thomas West)

Die Patriotin (Pete Hackett)

Ihr werdet bezahlen! (W. A. Hary)

Man schrieb den 3. Juli 1863. Über zwei Jahre schon tobte der Krieg zwischen Nord und Süd. Das Land drohte im Blut seiner Männer zu ertrinken. Seit zwei Tagen wurde in den Hügeln vor Gettysburg gekämpft ...

Es war früher Morgen. Zwischen den Bäumen wob das Morgengrauen. Über den östlichen Horizont kroch das erste Rot des neuen Tages. Nebelschwaden wallten. Noch schwiegen die Batterien auf beiden Seiten. Es war ruhig – es war wie die Ruhe vor dem Sturm.

Die Männer in den grauen Uniformen waren nervös. Sie lagen in ihren Deckungen, die schweißnassen Hände um die Karabiner verkrampft. Rastlosigkeit prägte die bleichen Gesichter. In den Herzen wühlte die Angst, in den Gemütern wüteten Besessenheit und selbstmörderischer Fanatismus.

Es galt an diesem Morgen, den Hügel, auf dem sich einige Kompanien der Yankees postiert hatten, zu erobern ...

Der Befehl zum Angriff kam. Das Hornsignal mutete an wie eine Botschaft des Grauens und des Schreckens, wie ein Gruß aus der Hölle.

"Auf sie, Männer! Gott sei mit euch!"

Copyright

Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfred Bekker, Alfred Bekker präsentiert, Casssiopeia-XXX-press, Alfredbooks, Uksak Sonder-Edition, Cassiopeiapress Extra Edition, Cassiopeiapress/AlfredBooks und BEKKERpublishing sind Imprints von

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​Tötet Shannon!

Western von Thomas West

Ein CassiopeiaPress E-Book

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© 2012 der Digitalausgabe 2012 by AlfredBekker/CassiopeiaPress

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Die Rauchschwaden hingen wie schwerelose Wattefetzen unter den Lampen. An den Tischen und um die Theke drängten sich Cowboys, Geschäftsleute, Eisenbahner, Kartenhaie und erfreulich viele Frauen.

Trevor Shannon trat durch die Schwungtür und nahm seinen Stetson ab. Wasser tropfte von der Hutkrempe auf die Holzdielen des Saloonbodens. Mit dem Hut klopfte er sich die Nässe von seinem dunkelbraunen Hirschledermantel.

Er spürte den erschrockenen Blick des Wirtes, bevor er ihn sah. Einige Männer am Tresen drehten sich um und musterten Trevor neugierig. Er kannte sie nicht. Auch nicht den Großen in dem schwarzen Lodenmantel. Doch das zerfurchte sonnenverbrannte Gesicht und die schmalen grauen Augen des Mannes fielen Trevor sofort auf.

Mit dem für ihn so typischen federnden Gang schritt Trevor durch die Tische zur Theke. Er legte den Hut auf einen freien Barhocker, lehnte seinen .44er Winchester Sattelkarabiner daneben und stellte sich zu dem Mann in dem schwarzen Lodenmantel. "'n Abend, Mister."

Der Mann nickte. Seine Augen schienen Trevors Stirn zu durchbohren und sein dunkles glattrasiertes Gesicht blieb reglos, als wäre es aus gebranntem Ton. Eine quastige Narbe zog sich von seiner rechten Schläfe bis fast zum Unterkiefer herab. Dunkelgraue Locken quollen unter seinem schwarzen Hut heraus. Aus den Augenwinkeln nahm Trevor die beiden elfenbeinbeschlagenen Revolver an seinen Hüften wahr. .44er Colts – das sechsschüssige Grenzland-Modell.

"Ich bräucht mal'n Kaffee, Tonio", rief Trevor dem Wirt zu. "Und 'nen doppelten Whisky dazu."

Der Wirt, ein kleiner dürrer Kahlkopf mit einem gewaltigen Schnurrbart, schluckte und tastete sich hinter seiner Theke entlang, bis er Trevor gegenüberstand. "Ein Tipp unter alten Freunden, Trevor – schwing dich in den Sattel und reite in die nächste Stadt. Whestlers Bruder ist seit einem Jahr Town-Marshal bei uns in Ellsworth."

"Es regnet, Tonio, und dunkel ist es auch schon. Die Whestlers können mich am Arsch lecken", sagte Trevor. "Also – einen Kaffee, einen Doppelten, dann haust du mir ein Steak in die Pfanne. War den ganzen Tag unterwegs." Er grinste den Großen neben sich an. "Ich müsste einen Bogen um viele Städte machen, wenn ich auf die Nerven all der Pappnasen Rücksicht nehmen wollte, die in Kansas herumlaufen."

Im Barspiegel zwischen den Flaschen entdeckte er sein Gesicht. Ein schmales weiches Jungengesicht, aus dem zwei hellblaue Augen leuchteten. Ein Gesicht, in dem meistens ein spöttisches Grinsen hing.

Die Hebamme, vor etwas mehr als zweiunddreißig Jahren, hatte kaum das Blut seiner Mutter von ihm abgewischt, da habe er schon gegrinst, erzählte Trevors Vater immer. Trevor strich sich eine Strähne seines tiefschwarzen schulterlangen Haares aus der Stirn.

"Ärger mit dem Town-Marshal?" Die Stimme des Großen klang rau und kehlig.

"Da war er noch kein Marshal", sagte Trevor. "Da war er noch ein Arschloch unter vielen."

"Und du hast ihm beim Pokern die Hosen ausgezogen."

"Seinem Bruder." Trevor griff in seinen Hirschledermantel und zog zwei Zigarillos heraus. "Und auch nicht beim Pokern. Hab ihm eine Frau ausgespannt." Er bot dem anderen einen der Zigarillos an. Der griff zu und kramte Schwefelhölzer aus seiner schwarzen Lederweste. "Tja – das hat man nicht so gern. Und dann habt ihr euch faustmäßig unterhalten."

Trevor beugte sich über die Flamme. Rauchwolken stiegen auf. "Nein. Jimmy Whestler wollte mich erschießen, und das hab ich nicht so gern. Jedenfalls war ich schneller und seitdem fehlen ihm zwei Finger seiner rechten Hand. Kann vorkommen, oder?"

Der Große verzog keine Miene, er nickte nur. Der Wirt stellte Kaffee und Whisky vor Trevor auf den Tresen. "Zwei Kumpels von Jimmy Whestler haben dich erkannt", flüsterte er. "Sie sind gerade aus dem Saloon gegangen. Jede Wette, die kommen mit Jimmy und dem Marshal zurück." Seine Augen zuckten unruhig hin und her. "Ich warne dich, Trevor – trink aus und hau ab."

"Du fürchtest um deinen schönen Barspiegel, was, Tonio?" Trevor lachte, langte über die Theke und schlug dem Kleineren auf die Schulter. "Keine Sorge, Alter. Nenn mir einen friedlicheren Menschen zwischen Kansas City und Pueblo, als ich es bin, und ich spendier dir eine Flasche Whisky." Der Wirt machte eine ängstliche Miene und zog ab.

"Was treibst du so?" Der Große in dem schwarzen Lodenmantel spähte hinunter auf Trevors Sattelkarabiner.

"Begleitschutz bei der Wells Fargo", sagte Trevor. "Zur Zeit ruht mein wachsames Auge auf der Postkutsche, die zwischen Kansas City und Denver pendelt." Er betrachtete den anderen. Der Mann war sicher zehn oder fünfzehn Jahre älter als er selbst. Er trug eine teure Lederweste und ein Jackett unter dem Mantel. Das weiße Hemd darunter schien gestärkt und gebügelt zu sein. Ordentlich verheiratet, schätzte Trevor. "Und was treibst du?"

Der Große kniff seine schmalen Augen noch enger zusammen. Er sog an seinem Zigarillo und zuckte mit den breiten Schultern. "Dies und das." Dann griff er in seine Manteltasche und holte einen Satz Karten heraus. "Ein Spielchen?"

Trevor nickte. Der kahlköpfige Wirt stellte einen Teller vor ihm ab. Das Steak schwamm in einer blutigen Brühe, die Zwiebeln waren etwas zu dunkel angebraten, die Bratkartoffeln dampften.

Während Trevor sich über das Essen hermachte, spielten sie 17 und 4. Trevor verlor ein Spiel nach dem andern, und je mehr er verlor, desto lauter lachte er.

Er hatte sein Steak noch nicht mal zur Hälfte verputzt, als er im Barspiegel vier Männer den Saloon betreten sah. Sie blickten sich nicht erst suchend um – ihre Augen hefteten sich sofort an Trevors Rücken. Der zog seinen Mantel aus, rollte ihn zusammen und legte ihn unter seinen Hut auf den Barhocker. Dabei wandte er den Männern an der Tür die linke Seite zu. Niemand sah die flinke Bewegung, mit der er den Hahn seines .45er Peacemaker im Holster an seiner rechten Hüfte spannte. Niemand außer dem Großen im schwarzen Mantel.

Trevor fuhr fort, die Bratkartoffeln in sich hineinzuschaufeln. Doch keinen Augenblick ließ er jetzt mehr den Barspiegel aus den Augen.

Einer der Männer, ein langer blonder in einem hellen Anzug und einer roten Weste, trug einen Stern an der Brust. Den Stern eines Town-Marshals. Tom Whestler. Er blieb am Eingang stehen. Die anderen drei pirschten sich an den Tischen vorbei zur Theke. Alle drei trugen dunkle grobe Baumwollhemden. Die Säume brauner Lederchaps wedelten bei jedem Schritt um ihre Beine. Es waren Cowboys, und den mittleren kannte Trevor – Jimmy Whestler. Blond wie sein Bruder, aber jünger und bulliger von Gestalt. An seiner Rechten fehlten der kleine Finger und der Ringfinger.

"So eine Überraschung!" Breitbeinig blieb er etwa zehn Schritte hinter Trevor stehen. "Trevor Shannon ist nach Ellsworth zurückgekehrt und will seine Rechnung bezahlen!" Die Hände der beiden Männer rechts und links von ihm schwebten schon über den Kolben ihrer Revolver.

"Sei nicht so nachtragend, Jimmy." Trevor drehte sich nicht um. "Du wolltest mich umlegen, und ich war dagegen. Und schneller war ich auch. So kanns halt gehen, oder?" Seelenruhig säbelte er ein Stück von seinem Steak ab.

"Ich hab zwei Jahre gebraucht, bis ich wieder schießen konnte. Jetzt kann ichs besser als je zuvor." Jimmy sprach leise. Gefährlich leise.

"Na siehst du", sagte Trevor. Der Große neben ihm packte die Karten zusammen und rückte ein paar Schritte von Trevor ab. Auch die Männer rechts von ihm rutschten von ihren Barhockern und räumten das Feld. Im Barspiegel sah Trevor, wie sich ein Tisch nach dem anderen leerte. Der Town-Marshal stand mit verschränkten Armen an der Wand neben der Schwungtür und beobachtete die Szene.

"Dreh dich gefälligst um, wenn ich mit dir rede!", schrie Jimmy plötzlich. Sein Gesicht lief rot an.

"Hättest du nicht ein bisschen später kommen können?" Trevor schob sich ein Stück Steak zwischen die Zähne. "Irgendwie verdirbst du mir den Appetit..."

Jimmy Whestler stürmte los, packte Trevor an den Schultern und riss ihn von der Bar weg. Der fuhr herum und knallte ihm den Teller mit den restlichen Bratkartoffeln und dem halben Steak ins Gesicht. Jimmy schrie laut, denn das Zeug war noch heiß. Er taumelte gegen einen Tisch und prallte zwischen Gläsern und Flaschen auf der Tischplatte auf. Fast gleichzeitig zog er seinen Revolver.

Trevor sah, dass auch seine Begleiter zu den Waffen griffen. Er hechtete zwischen Barhocker und Tresen, riss seinen Peacemaker aus dem Holster und drückte dreimal ab. Genau dreimal.

Jimmy und die beiden anderen schossen fast gleichzeitig. Aber nur fast. Kugeln heulten durch den Saloon, Glas und Holz splitterte, Frauen kreischten und Männer riefen durcheinander. Dann war alles still.

Jimmy Whestler hockte auf dem Tisch und presste die Linke gegen seine rechte Schulter. Blut sickerte durch seine Finger. Er starrte Trevor an, wie man eine nächtliche Erscheinung anstarrt – mit weitaufgerissenen Augen und aus fahlem Gesicht. Die anderen beiden lagen reglos zwischen den Tischen.

Tom Whestler, der Town-Marshal, und Trevors Spielpartner beugten sich über sie.

"Tot", schnarrte der Große in dem Lodenmantel. Ernst richteten sich seine Augen auf Trevor. Der rappelte sich auf.

Der Town-Marshal zog seinen Revolver. "Lass deine Waffe fallen, Trevor Shannon!", rief er. "Ich verhafte dich wegen zweifachen Mordes." Mit einer Kopfbewegung deutete er zu seinem Bruder. "Und wegen Mordversuchs."

"Mal langsam, Tommy." Das Grinsen war Trevor längst aus dem Gesicht gefallen. "Die haben zuerst gezogen! Ich musste mich meiner Haut wehren!"

"Er hat zuerst gezogen!" Männer traten aus der eng an der Seitenwand zusammengedrängten Menschenmenge. "Trevor Shannon hat zuerst gezogen!", riefen sie.

Etwas Hartes bohrte sich in Trevors Rücken. "Weg mit dem Revolver, Trevor!", schrie Tonio. "Sonst durchlöchere ich dich mit deinem eigenen Gewehr!" Die Stimme des Wirtes vibrierte vor Angst.

"Verflucht...", knurrte Trevor.

Sein Blick traf sich mit dem des Großen mit dem schwarzen Mantel. Der Mann verzog keine Miene, sah ihn nur an und sagte: "Schon wieder ziemlich schlechte Karten, Junge." Mehr nicht.

In Handschellen führten ihn Tom Whestler und ein paar Männer der Bürgerwehr in den Zellentrakt des Marshal Office. Drei, vier Stunden lang hockte Trevor auf seiner Pritsche im Dunkeln. Die anderen Zellen waren leer. Er fluchte vor sich hin.

Zwei Türen weiter, im Office des Marshals hörte er Männerstimmen palavern. Er verstand kein Wort.

Gegen Mitternacht vernahm er Schritte vieler Stiefel draußen auf dem Bürgersteig. Durch das Zellenfenster sah er ein halbes Dutzend Männer die Straße überqueren. Die Tür zum Office öffnete sich. Tom und Jimmy Whestler traten vor seine Zelle, Jimmy mit einem dicken Verband um Schulter und Brustkorb. Hass funkelte in seinen Augen.

"Wir ersparen uns den weiten Weg nach Kansas City", sagte Tom Whestler, der Marshal. "Der Richter hat sowieso viel zu viel Arbeit am Hals." Seine Stimme klirrte vor Kälte. "Seit der Bürgerkrieg vorbei ist, kommen eine Menge Revolverhelden wie du in unsere Stadt, weißt du, Trevor? Deswegen haben unsere braven Bürger auch eine Bürgerwehr gegründet." Sein Gesicht verzog sich zu einem Grinsen. "Wir haben Erfahrung mit Schnellgerichten."

Trevors Fäuste schlossen sich um die Gitterstäbe. Seine Lungen füllten sich mit Eis. Er konnte kaum atmen.

"Ihr Schweine...", keuchte er.

"Du kriegst gleich morgen früh deinen Prozess", sagte der Marshal. "Es wird nicht lange dauern – außer Jimmy gibt es noch zwei weitere Männer, die ganz genau gesehen haben, wer zuerst gezogen hat..."

Jimmy Whestler trat einen Schritt an die Zelle heran. Er schürzte die Lippen und spuckte Trevor ins Gesicht. "Morgen Mittag wirst du hängen, Shannon..."

*

Wie immer Freitagabends drängten sich die Leute in Paul Harpers Store. Cowboys, Farmer, Hausfrauen und Durchreisende auf dem Weg nach Dodge City oder Garden City.

Cimarron war längst nicht mehr das kleine Nest wie vor dem Bürgerkrieg. Aber noch immer gab es nur einen einzigen Laden in der Stadt – Paul Harpers Laden. Alles was man so brauchte, kaufte man bei ihm und sonst nirgends.

Groß und massig stand er hinter seinem Ladentisch und sprach mit Will Rowley, einem der vielen kleinen Farmer im Grasland um Cimarron.

"Hab gehört, du verkaufst jetzt doch an Dewlitt", brummte Harper.

"Wer erzählt denn solchen Blödsinn?", brauste Rowley auf. Sein vierschrötiges Gesicht lief rot an. Will Rowley war ein großer breitgebauter Kerl von etwa vierzig Jahren. Das rötliche Haar stand ihm wirr von seinem Quadratschädel ab, und seine braunen Augen funkelten angriffslustig. Selbst in Dodge City hatte es sich schon herumgesprochen, dass es in der Gegend von Cimarron einen rothaarigen Farmer gab, mit dem man besser keine Prügelei anfing.

Er hob die geballten Fäuste. "Solange diese Hände noch zupacken können, wird kein Stück Vieh von Dewlitt auf mein Land scheißen, das schwör ich dir!"

Harpers Gehilfe hievte Stacheldrahtrollen auf den Ladentisch. Rowley packte eine nach der anderen und warf sie in den kleinen Holzwagen neben sich. "Von wem hast du das gehört?"

Harper zuckte mit den Schultern. Das Fett seines Doppelkinns schwabbelte. "Erzählt man sich so." Sein Blick traf sich mit dem eines Mannes, der nicht weit vom Ladentisch entfernt ein Seil von der Wand nahm und es scheinbar prüfend durch die Finger gleiten ließ. In Wirklichkeit hatte er das Gespräch der beiden Männer an der Ladentheke verfolgt.

Der Mann trug ein rotes, bis über das Brustbein aufgeknöpftes Hemd und einen ledernen Hut. Ein dichter langer Schnurrbart wucherte in seinem knöchernen Gesicht. Graue Strähnen durchzogen sein schwarzes Kraushaar.

"Hallo Leonard." Harpers Gesicht verzog sich zu einem verkrampften Grinsen. Leonard Burns arbeitete für Dewlitt. Als Vorarbeiter. Und – wenn man den Gerüchten in Cimarron Glauben schenken wollte – als sein gefährlichster Killer.

Rowley sah sich um. Für einen Augenblick blieben seine Augen an der schlanken Frau hängen, die eben Harpers Store betrat. Sie trug ein rotbraunes Wollkleid. Ein tief ausgeschnittenes Kleid. Keine Frau in Cimarron würde sich mit einem solchen Kleid auf die Straße wagen.

Er riss seinen Blick von ihr los und wandte sich wieder dem Händler zu.

"Wahrscheinlich hat dieser Hund von Dewlitt das Gerücht selbst in die Welt gesetzt", sagte er mit gesenkter Stimme. "Dieser Satansbraten will mich mürbe machen. So wie er all die anderen mürbe gemacht hat." Wieder packte er eine Drahtrolle. Heftig, als wäre er wütend, warf er sie zu den anderen auf den Wagen. "Mich vertreibt er nicht von meinem Land, das schwör ich dir! Mich nicht!"

Die Frau ging an dem Wagen mit den Stacheldrahtrollen vorbei. Ziemlich nah, denn sie musste dem Regal mit den Werkzeugen ausweichen. Und prompt blieb ihr Wollkleid an einer der Drahtrollen hängen.

"Oh, sorry, Ma'am!" Rowley lief um den Wagen herum, bückte sich nach dem Kleid und löste es von dem Stacheldraht. Dabei blickte er ständig zu ihr hoch. "Das haben wir gleich... tut mir echt leid..."

Sie hatte ein schönes weiches Mädchengesicht. Ein Gesicht wie die Ladies in den Magazinen, die Rowley manchmal durchblätterte, wenn er in Dodge City beim Barbier saß. Brünettes, zu kleinen Locken frisiertes Haar hüllte ihren schmalen Kopf ein, wie ein Helm. Sie trug einen kleinen blauen Hut, von dessen Krempe ein feines Netz bis über ihre Nasenspitze hing. Rowley sog ihren süßen Duft ein. Endlich gelang es ihm, den Stoff des Kleides vom Draht zu lösen.

"Schauen Sie nur!" Die Frau machte ein bekümmertes Gesicht und hob den Saum ihres Kleides. Ein Faden hing heraus. "Ein Loch", sagte sie vorwurfsvoll. Rowley spähte auf ihre Beine. Weiße Haut leuchtete hinter weitmaschigen Netzstrümpfen. "Das Kleid ist ganz neu!"

Betreten sah Rowley sie an. Harper hinter seinem Ladentisch grinste.

"Was machen wir jetzt?", fragte Rowley. Ihre Augen waren blau wie der Sommerhimmel über seinen Weizenfeldern.

"Selbst schuld", sagte die Frau. "Hätte ja aufpassen können. Was laufe ich auch so nah an dem Wagen vorbei."

"Darf ich Sie zu einem Drink einladen?" Rowley nahm den Hut vom Kopf und hielt ihn mit beiden Händen vor der Brust fest. "Als kleine Wiedergutmachung."

"Gern", flötete die Frau, und dem fetten Harper fiel sein Doppelkinn herunter. Rowley war nämlich ein ausgesprochen hässlicher Bursche, obwohl er selbst sich für unwiderstehlich hielt.

Während die Frau sich von Harper Parfümflakons zeigen ließ, hatte es der Farmer sehr eilig, die Stacheldrahtrollen auf seinen Ochsenwagen zu laden. Er ließ den Wagen vor Harpers Store stehen und ging mit der Frau vier Häuser weiter in den Saloon.

Etwa eine Stunde lang plauderten sie über dies und das. Rowley prahlte damit, dass er einst sein Geld als Boxchampion in Philadelphia verdient hatte. Darüber, dass das schon zwanzig Jahre her war, verlor er kein Wort.

Die Frau erzählte, dass sie aus Oregon käme, wo sie als Tänzerin in einem Varieté-Theater arbeitete. Rowley hatte nie gehört, dass sie oben in Oregon auch Varieté-Theater hatten. Er dachte immer, dort vergnügten sich die Leute in erster Linie in den vielen Gotteshäusern. Sie sei unterwegs nach Kansas City, weil ihr Großvater im Sterben liege, erzählte die Frau. Und Rowley könne sie Sue nennen.

Sie rückte ziemlich nahe an Rowley heran. So nahe, dass er die Wärme ihrer Schenkel spüren konnte. Und manchmal, während sie erzählte, beugte sie sich über den Tisch. So weit, dass Rowley die weißen Wölbungen in ihrem Dekolleté ausführlich bewundern konnte.

Das ließ ihn nicht kalt – ganz und gar nicht. Er begann nervös auf seinem Stuhl herumzurutschen, sein Mund wurde trocken und er sah sich vorsichtig um. Niemand im Saloon, der sie beobachtete – Rowley wagte es und legte die Hand auf ihren Schenkel. Der fühlte sich fest und warm an.

Zu seiner Verblüffung ließ sie es geschehen. Natürlich – eine Tänzerin... Eine verdorbene Frau, was sonst? Aber eine schöne Frau... Rowleys Schwanz begann zu pulsieren. Das strenge Gesicht seiner Gattin tauchte auf seinem inneren Auge auf. Für einen Moment überfiel ihn das schlechte Gewissen. Aber nur für einen Moment. Seine Gattin ließ ihn nicht öfter als einmal im Monat an sich heran. Und dann auch nur für zehn Minuten...

Rowley grübelte und grübelte, aber ihm wollte kein verschwiegener Ort einfallen, wo er mehr wagen konnte als nur seine Hand auf den Schenkel dieser verdorbenen Tänzerin zu legen.

Plötzlich spürte er ihre kleine Hand auf seiner Pranke. Sie zog seine Finger höher hinauf und auf die Innenseite ihres Schenkels. Rowley hielt die Luft an.

"Ein Pferd meines Gespanns hinkt", sagte die Frau namens Sue. "Du kennst dich doch sicher aus mit Pferden, Will. Könntest du mal nach ihm schauen? Es steht im Stall des Hotels." Ihre himmelblauen Augen bettelten ihn an.

Rowley konnte sein Glück nicht fassen. "Ehrensache, Sue." Er trank aus und bezahlte. Zusammen überquerten sie die Straße. Zwei Minuten später betraten sie die Stallung des einzigen Hotels von Cimarron. Sie griff nach seiner Hand und zog ihn hinter sich her an den Gäulen vorbei.

Die letzte Box war leer. Sie drängte ihn hinein und lehnte sich gegen die Wand. Breitbeinig stand Rowley vor ihr. Sein Atem ging keuchend. Die Frau namens Sue lächelte ihn an. In aufreizender Langsamkeit schwebten ihre schmalen kleinen Hände zur Knopfleiste ihres Wollkleides. Zum obersten Knopf. Sie löste ihn, sie löste den Knopf darunter, und sie löste noch einen Knopf und noch einen.

Mit der Linken zog sie den Kleiderstoff zur Seite, mit der Rechten holte sie ihre linke Brust heraus – so prall und so herrlich geformt wie ein kleiner weißer Kürbis. Rowley fielen fast die Augen aus dem Kopf. Zögernd näherte er sich der Frau. Die griff wieder in ihr Kleid und zog auch ihre rechte Brust ins Freie. Sie griff mit beiden Händen unter die weißen Kürbisse und hob sie ein wenig an. So als wollte sie Rowley ihre Brüste anbieten.

Ihre himmelblauen Augen schienen sich zu verschleiern. Ihr dunkelroter Mund glänzte feucht.

"Worauf wartest du, Farmer?", flüsterte sie.

Will stürzte sich auf sie, wie sich ein ausgehungerter Wolf auf einen Hasen stürzt. Er griff nach den himmlischen Früchten, knetete sie durch, biss in sie hinein, saugte an den Warzen.

Seine rechte Pranke raffte ihr Kleid hoch, hektisch und fahrig, aber irgendwie bekam er den oberen Saum ihrer Netzstrümpfe zu fassen. Ungeahnte Wonne durchströmte ihn, als seine Hand zwischen Maschen und Haut fuhr. Wie weich die Innenseite ihres Schenkels war, wie sie ihm ihr Becken entgegenstemmte...

Es gab kein Halten mehr – er griff ihr ins Höschen und sie fasste in seinen Schritt und griff ihm an die Eier. Rowley stöhnte auf, riss an seiner Gürtelschnalle herum, öffnete seine Hose und holte seinen Schwanz heraus.

Schamlos betrachtete sie sein Gerät.

"Gewaltig", flüsterte sie. Das hatte seine Frau am Anfang auch einmal gesagt, aber mit ängstlichem Gesicht. Die Frau namens Sue sagte es bewundernd. Sie zog ihr Höschen aus und schlang ihm ihr rechtes Bein um die Hüfte.

Rowley hatte es noch nie im Stehen gemacht. Er stellte sich ein wenig umständlich an, aber schließlich fasste er nach ihren Gesäßbacken und hob Sue ein wenig hoch. Sie war leicht, federleicht. Er drängte sich an sie heran, zwängte seinen Schwanz gegen ihre Schamlippen und keuchte, als hätte er einen Ochsenkarren voll Kartoffelsäcke in seine Scheune geschleppt.

Plötzlich sah er ihre Hand nach oben schnellen. Und er sah etwas Metallenes in ihrer kleinen Faust blinken. Und dann stach ein Schmerz durch seinen Brustkorb, der ihm den Atem raubte.

Er zuckte zurück. Sein Hemd saugte sich mit warmer klebriger Flüssigkeit voll. Rowley blickte an sich hinunter. Blut tropfte ins Heu. Der Griff eines Messers ragte schräg unter seinem linken Rippenbogen heraus. Röchelnd sog er die Luft ein und hob den Kopf.

Die Frau namens Sue knöpfte ihr Kleid zu. Ihr Gesicht war plötzlich kalt und abweisend. Und in den himmelblauen Augen funkelte es verächtlich.

Rowleys Knie gaben nach. Er sank ins Heu des Stallbodens. Die Gestalt der Frau verschwamm vor seinen Augen. Es wurde mit einem Mal sehr dunkel um ihn herum. Und aus der Dunkelheit hörte er wie von fern die eisige Stimme der Frau namens Sue. "Deine Witwe wird verkaufen, Will, verlass dich drauf..."

*

Trevor Shannon hatte die ganze Nacht kein Auge zugemacht. Die Wut würgte ihn. Und die Fassungslosigkeit.

Keine halbe Stunde lag er auf seiner Pritsche. Bis zum Morgengrauen tigerte er in seiner kleinen Zelle hin und her.

Als junger Texas-Ranger hatte er gegen Gesetzlose und Comanchen gekämpft. Im Bürgerkrieg hatte es zahllose Stunden gegeben, in denen er mit dem Leben abgeschlossen hatte. In den Monaten bei der Union Pacific Railway musste er sich als Sicherheitsmann mit besoffenen Chinesen, korrupten Landspekulanten und marodierenden Indianern herumschlagen. Von den Widerständen des Wetters und der Landschaft ganz zu schweigen. Und in den letzten zwei Jahren hatte er die seinem Schutz anvertrauten Postkutschen der Wells Fargo fast ein Dutzend Mal gegen Banditen verteidigt.

Kurz: Trevor Shannon war ein Mann, dem die Nähe des Todes so vertraut war wie anderen der Hut, den sie jeden Morgen aufsetzen, bevor sie ihr Haus verließen. Trotzdem hatte er seinen Humor nicht verloren. In all den Jahren nicht.

Aber das hier – das war mehr als er schlucken konnte. Man kommt nichts Böses ahnend in einen Saloon, bestellt was zu trinken und ein Steak, macht ein paar Spielchen, und eine Stunde später sperren sie einen in eine Zelle und sagen: "Morgen hängst du".

Noch am Vormittag, als sie ihn abholten, gab es eine Stelle in seinem Hirn, wo eine Stimme wisperte: "Mach dir bloß keine Sorgen, Trevor. Es ist alles ein einziges Missverständnis. Heute Abend sitzt du im Saloon und futterst in Ruhe dein Steak."

Als sie ihn abholten und über die Straße zerrten, sah er ein Holzpodest neben dem Marshal-Office. Zwei Männer errichteten darauf einen Galgen. Trevors hatte das Gefühl, ein Kaktus würde ihm in der Kehle hängen.

Sie brachten ihn tatsächlich zurück in den Saloon. In ein Hinterzimmer, wo sich normalerweise die Profis unter den Kartenhaien treffen. Aber keine runden Tische standen in dem Raum, sondern Stuhlreihen für gut vierzig Leute. Und die trudelten nach und nach auch ein. Ausschließlich Männer.

An der Stirnseite des Raumes stand ein Tisch. Davor drei Stühle. Ein dürrer Mann in schwarzem Frack und mit Zylinder nahm auf dem mittleren der Stühle Platz. Der Bürgermeister. Neben ihm Tom Whestler und einer seiner Assistenten.

Zwei weitere Assistenten des Town-Marshals führten Trevor nach vorn an die rechte Längsseite des Raumes. Er trug Handschellen und musste sich zwischen sie setzen. Ihm gegenüber an der linken Längsseite des Raumes hockten drei Männer auf Stühlen. Einer war Jimmy Whestler. Die anderen beiden hatte Trevor gestern Abend schreien gehört: "Trevor Shannon hat zuerst gezogen..."

Herzlichen Glückwunsch, Trevor, dachte er.

Der Bürgermeister eröffnete die Verhandlung. "Ihr alle wisst, wie sehr die Plage durch schießwütige Revolvermänner in den letzten Jahren zugenommen hat. Unsere Stadt hat eine Bürgerwehr gebildet und sich erfolgreich gewehrt. Wie viele andere Städte westlich des Mississippi auch. Der Staatsrichter in Kansas City hat noch nie Widerspruch gegen ein Urteil unseres Schnellgerichts eingelegt. Und Isaac Parker, der Bundesrichter, unterstützt alle ehrlichen Bürger, die sich gegen schießwütige Verbrecher zur Wehr setzen. Also eröffne ich hiermit den Prozess gegen Trevor Shannon, angeklagt wegen zweifachen Mordes und Mordversuchs in einem Fall..."

Er verlas die Namen der erschossenen Männer, die Namen der Zeugen und den Bericht des Town-Marshals. Trevor war so übel, dass er gegen einen Brechreiz ankämpfen musste. Unter dem Publikum entdeckte er den Großen in dem schwarzen Lodenmantel. Dessen Augen fixierten ihn unablässig.

Die Zeugen wurden aufgerufen. Erst Jimmy Whestler, und dann die beiden Männer. Der eine war ein Spieler, dessen Name Trevor schon einmal begegnet war. Vielleicht in St. Louis, vielleicht auch unten in Austin. So genau wusste Trevor das nicht mehr. Er wusste nur noch, dass der Kerl ein windiger Hund war.

Der andere war der Arzt von Ellsworth. Er schwor Stein und Bein, dass Trevor zuerst gezogen hatte. Und Jimmy Whestler erzählte, er wäre ahnungslos in den Saloon gegangen, um eine Kleinigkeit zu trinken, und da hätte Trevor ihn angepöbelt. Völlig grundlos hätte er ihm sein Essen ins Gesicht geschleudert und dann die Waffe auf ihn und seine Freunde gerichtet.

"Lüge!", brüllte Trevor. "Eine gottverdammte Lüge ist das!"

Seine Bewacher rammten ihm erst die Ellenbogen in die Rippen und dann ihre Revolver.

Der Bürgermeister dankte den Zeugen für ihre Aussage. "Die Meinung des Angeklagten haben wir ja gerade gehört", sagte er. "Es stehen die Aussagen dreier ehrbarer Bürger gegen die Aussage des Revolvermanns Trevor Shannon. Ich denke die Sache ist klar – Trevor Shannon wird zum Tode durch den Strang verurteilt. Das Urteil wird gleich nach der Verhandlung vollstreckt." Er blickte über die vierzig Männer in den Stuhlreihen vor seinem Tisch. "Irgendwelchen Widerspruch?"

Trevor sah nur Kopfschütteln. Ja – alle schüttelten ihre Köpfe, und jetzt erst begriff er, dass sein Leben zu Ende ging. Unter seiner Schädeldecke wurde es plötzlich eiskalt. Er schielte nach den Revolvern, die ihm die beiden Marshal-Assistenten noch immer in die Rippen drückten.

Er würde kämpfen, das war klar. Es würde ihm zwar nicht nützen, aber ein Trevor Shannon, der sich nicht mit aller Kraft gegen den Tod aufbäumte, konnte nur ein Trevor Shannon sein, der schon tot war. Und das war er nicht. Er atmete noch.

Ein Mann in der vorletzten Reihe stand auf. Ein Mann in einem schwarzen Lodenmantel. Der Große mit der Narbe in seinem gemeißeltem Gesicht.

"Ja", sagte er. "Widerspruch, Sir." Sämtliche Köpfe fuhren herum. "Ich war gestern Abend auch im Saloon." Trevor starrte ihn mit offenem Mund an.

"Und was hast du gesehen?", fragte der Bürgermeister gelangweilt. Trevor sah, wie der Marshal ihm etwas ins Ohr flüsterte.

"Jimmy Whestler hat den Angeklagten von hinten angegriffen", sagte der Große. "Das hab ich gesehen." Die Männer im Raum verrenkten sich förmlich die Köpfe, taxierten den großen Burschen mit dem grauen Lockenkopf und begannen aufgeregt zu tuscheln. "Und ich habe gesehen, wie Jimmy Whestler und seine beiden Kumpanen zuerst ihre Waffen zogen." Der Große hob seine Stimme. "Der Angeklagte hat in Notwehr geschossen."

Das Getuschel wurde lauter, Stimmengewirr brandete auf. Jimmy Whestler und die anderen beiden Zeugen fluchten.

"Ein Saufkumpan von Shannon!", rief Whestler.

"Eine Aussage gegen drei." Der Bürgermeister zuckte mit den Schultern.

"Gegen zwei!", schrie Trevor Shannon.

"Von mir aus gegen zwei", sagte der Bürgermeister. "Jedenfalls bleibt es bei dem Urteil. Führt ihn zum Galgen!"

"Wenn ihr das tut, werde ich euch wegen Mordes anzeigen!" Die Stimme des Großen donnerte so brachial durch den Raum, dass die Männer die Köpfe einzogen und das Stimmengewirr augenblicklich verstummte. "Und zwar nicht nur beim Staatsrichter in Kansas City, sondern auch beim Bundesrichter Isaac Parker in Fort Smith!"

Es war die energische Stimme, die Trevor Hoffnung schöpfen ließ. Der Bürgermeister und der Marshal sahen sich unsicher an. Alle wirkten plötzlich seltsam hilflos. Nur Jimmy Whestler nicht. Er stand auf und stemmte die gesunde Hand in die Hüfte.

"Lasst euch doch nicht von einem dahergelaufenen Fremden ins Bockshorn jagen!", brüllte er. "Der Kerl steckt doch mit Shannon unter einer Decke! Hängt Trevor Shannon an den Galgen und basta!"

Stühle rückten, Stiefelsohlen scharrten – der Große Kerl in dem schwarzen Lodenmantel drängte sich durch seine Sitzreihe. Seine Sporen klirrten, als er durch den Mittelgang nach vorn schritt. Er beugte sich über den Tisch des Chairmans und flüsterte mit dem Bürgermeister. Kurz darauf verließen beide den Raum, der Bürgermeister und der Große in dem schwarzen Lodenmantel. Trevor konnte sich keinen Reim darauf machen.

Die Männer, die als Zuschauer gekommen waren, redeten durcheinander. Jimmy Whestler stand auf und brüllte: "Bringt ihn auf die Straße und hängt ihn auf! Das Urteil ist gefallen!"

Trevors Bewacher rissen ihn vom Stuhl hoch. Jimmy Whestler und sein Bruder stürzten sich auf ihn. Zu viert zerrten sie ihn zu einer Hintertür, um ihn hinaus auf die Straße zu bringen. Durch die Fenster sah Trevor eine Menge Menschen, die sich auf der Straße um das Podest mit dem Galgen versammelten. Er brüllte wie ein Stier, den man zur Schlachtbank führt, er schlug um sich, er spuckte, er trat nach allen Seiten aus.

Plötzlich die Stimme des Bürgermeisters. "Halt!" Alle Köpfe fuhren herum. "Lasst den Mann los!", rief der Bürgermeister. Er stand im Türrahmen hinter der letzten Stuhlreihe. Neben ihm der Große mit dem schwarzen Lodenmantel. "Das hier ist Kirk Michigan!", rief der Bürgermeister, und augenblicklich trat Ruhe ein.

"US-Marshal Kirk Michigan!", wiederholte der dürrre Mann im schwarzen Frack. "Er arbeitet für den berühmten Richter Isaac Parker, und ich halte ihn für glaubwürdiger als die Zeugen! Trevor Shannon hat in Notwehr gehandelt! Er ist freigesprochen!"

*

Wyatt Axen trat an die Brüstung der Veranda seines kleinen Farmhauses. Sein langes weißes Haar flatterte in der Morgenbrise. Ein warmer Südwind hatte die Regenwolken verjagt. Der Himmel war aufgerissen und die Sonne leckte das Wasser aus den großen Pfützen zwischen Haus und Stallungen.

Aber nicht nur der Wind kam aus dem Süden. Axen legte seine knorrige Hand an die Stirn, um seine Augen gegen die noch tief stehende Sonne abzuschirmen, und blickte über das Grasland. Sieben dunkle Punkte bewegten sich am Horizont. Reiter.

Axen sah, dass die Punkte größer wurden. Die Reiter hatten es eilig. Und sie schienen ein Ziel zu haben: Wyatt Axens Farm.

"O Bullshit!" Axens verwittertes Altmännergesicht verzog sich zu einer angewiderten Miene. Er spuckte über die Brüstung der Veranda in eine Pfütze und ging zurück ins Haus. "Rose! Utanka! Wir bekommen Besuch!"

Er durchquerte den kleinen, mit Tisch, Stühlen, Herd und Schränken vollgestopften Raum. Zwischen einem grobgezimmerten Regal und der Tür in die Schlafräume hingen fünf Gewehre an der Wand. Axen nahm seine Winchester von einem der Nägel.

Eine junge Frau erschien im Türrahmen. Langes schwarzes Haar, ein schmales bronzefarbenes Gesicht. Ein großkariertes Baumwollhemd hing ihr über die weite blaue Hose. Rose Axen, die Tochter von Wyatt Axen.

Hinter ihr tauchte Utanka auf. Ein Lederband hielt sein volles graues Haar hinter den Ohren fest. Er trug eine lange dunkelbraune Fransenjacke über einer ausgebleichten Armeehose. Utanka war Apache und der fünfzehn Jahre ältere Halbbruder von Rose.

"Dewlitt schickt seine Höllenhunde, wenn mich nicht alles täuscht", knurrte Axen. Er lud seine Winchester. Schweigend griffen Rose und Utanka nach den Gewehren an der Wand.

Zurück auf der Veranda, sah Axen die Reiter in der flachen Uferböschung des Flusses verschwinden. Der Arkansas lag keine halbe Meile von seinem Farmhaus entfernt. Kurz darauf tauchten die sieben Männer diesseits des Flusses zwischen den niedrigen Büschen auf, die Axens Kartoffelfeld von der Flussböschung trennten. Sie ritten in gestrecktem Galopp.

Links von sich sah Axen Utanka über den Hof laufen und durch eine offene Tür in den Schweinestall huschen. Rechts rannte Rose auf die andere Seite des Hofes und ging zwischen Scheune und Werkstatt hinter einem Holzstoß in Deckung.

Ein paar Minuten später waren die sieben Reiter nur noch einen Steinwurf vom Torbogen seiner Farm entfernt. Axen sah, dass sie die Gewehre aus den Sattelholstern zogen. Er schoss in die Luft.

"Was wollt ihr?!", rief er den Männer zu. Sie eröffneten das Feuer.

Schüsse pfiffen über Axen hinweg. Einige schlugen in das Holz der Hauswand ein. Axen merkte, dass sie ungezielt schossen. Er legte seine Winchester an und jagte eine Kugel vor die Vorderhufe ihrer Pferde. Zwei der Pferde stiegen hoch und scheuten.

"Was ihr wollt, hab ich gefragt!?" brüllte Axen.

"Deine Farm!", schrie einer der Männer zurück. Axen erkannte ihn an dem großen Schnurrbart und der krausen Mähne. Es war Leonard Burns. "Sie gehört Ronald Dewlitt – er hat sie dir beim Pokern abgenommen!"

"Zur Hölle mit Dewlitt! Er hat falsch gespielt! Jeder, der dabei war, konnte es sehen! Schert euch zum Teufel!" Er jagte eine zweite Kugel vor die Hufe der Pferde.

"Mr. Dewlitt bietet dir einen günstigen Pachtvertrag für seine Farm!", rief der Sprecher der Reiter. "Du kannst hier bleiben und für ihn arbeiten, wenn du pünktlich zahlst!"

Axen schoss erneut. Die Erde zwischen den Reitern spritzte auf. "Nehmt ihm das als Anzahlung mit!"

"Wie du willst!", brüllte Leonard Burns. "Dann holen wir uns Dewlitts Eigentum mit Gewalt! Wo willst du begraben werden, Wyatt!?"

Auf ein Handzeichen ihres Anführers hin spuckten die Gewehre der Angreifer erneut ihre Kugeln. Axen warf sich flach auf die Veranda und robbte ins Haus zurück. Dort riss er ein Fenster neben der Tür auf und schoss auf die Reiter.

Die waren inzwischen ausgeschwärmt. Je zwei jagten am Zaun entlang, um die Farm in die Zange zu nehmen. Sie ritten geradewegs in die Schusslinien von Utanka und Rose. Drei setzten an verschiedenen Stellen über das Gatter und preschten in den Hof hinein, unter ihnen Leonard Burns.

Axen fluchte und nahm sie unter Feuer. Einer stürzte vom Pferd und blieb reglos in einer Pfütze liegen. Die anderen beiden suchten hinter einem Bretterstapel Deckung.

Axen begriff schnell, dass Dewlitts Leute ihn sträflich unterschätzt hatten. Wahrscheinlich wussten sie nicht, dass Utanka seit einem Monat auf der Farm lebte, um Axen und seine Halbschwester bei der schweren Erntearbeit zu unterstützen. Und dass Rose besser mit der Waffe umgehen konnte als ihr Vater, schienen sie auch nicht zu wissen.

Jedenfalls gelang es dem Apachen vom Schweinestall aus die beiden Reiter aus den Sätteln zu schießen, die um das Grundstück herumreiten wollten. Danach griff er die Männer im Hof von hinten an. Ehe sie sich versahen, wurden sie von zwei Seiten beschossen. Einer starb, einer gab auf. Mit über den Kopf erhobenen Händen kam Burns aus seiner Deckung. Rose hatte ebenfalls zwei der Reiter getroffen. Beide waren verwundet.

Axen und Utanka entwaffneten Leonard Burns. Sie banden die vier Toten auf die Rücken ihrer Pferde.

"Lasst euch nie wieder hier blicken!", brüllte der alte Farmer die drei Überlebenden an. "Nie wieder!"

Burns, der einzige unverletzte Angreifer, half seinen verwundeten Kumpanen in die Sättel. Seine Kaumuskulatur arbeitete.

"Dafür bezahlt ihr", krächzte er. "Ihr alle drei." Er kletterte auf sein Pferd und führte den traurigen Tross dem Fluss entgegen.

Mit seiner Tochter und ihrem Halbbruder stand Axen unter dem Torbogen seines Hofes und feuerte in die Luft. "Beste Grüße an euren Boss!" Die Reiter trabten quer über sein Kartoffelfeld zur Flussböschung. Axen lachte grimmig. "Der Tag hat gut angefangen, meint ihr nicht?" Er drehte sich zu seiner Tochter und dem Apachen um.

„Sie werden wiederkommen, Dad", sagte Rose. "Dewlitt wird keine Ruhe geben, bis er sich auch unsere Farm unter den Nagel gerissen hat."

"Wir haben ihm die Zähne gezeigt, Darling." Axen schnaubte verächtlich. "Er weiß jetzt, dass man einen Wyatt Axen nicht wie einen räudigen Hund verscheuchen kann."

Sie gingen zurück zum Farmhaus. "Er wird andere schicken, Dad." Rose konnte den Optimismus ihres Vaters nicht teilen. "Die werden nicht mehr so blind vor unsere Flinten laufen."

"Bullshit!" Axen spuckte in eine Pfütze. "Dewlitt, dieser Geier – der Teufel soll ihn holen!"

"Es ist zwei Jahre her, seit er die Ranch seines Vaters übernommen hat", sagte Rose. "Seitdem haben sechs Farmer aufgegeben. Vier haben freiwillig an ihn verkauft, zwei sind tot. Glaub mir, Dad – er wird keine Ruhe geben, bis dein Land ihm gehört."

Axen stieß die Tür des Farmhauses auf. Auf dem Tisch in der Mitte des Raumes stand noch das Frühstücksgeschirr. Und eine halbvolle Flasche Whisky. Er griff danach, entkorkte sie und nahm einen großen Schluck. "Und was schlägst du vor, Täubchen?!" Er reichte die Flasche Utanka. "Klein beigeben? Deine Mutter würde sich im Grab umdrehen."

Rose wich seinem Blick aus. "Zu dritt können wir ihnen nicht lange widerstehen." Erschöpft ließ sie sich auf einen Stuhl sinken. Sie wusste selbst, dass "aufgeben" ein Wort war, welches im Sprachschatz ihres Vaters nicht vorkam. Eine der vielen Eigenarten, für die sie ihn liebte. Aber sie machte sich keine Illusionen: Mächtigere Männer als ihr Vater es war, hatten schon vor der unersättlichen Habgier Ronald Dewlitts kapituliert – Farmer mit einem Stall voll erwachsener Söhne, die alle mit Schießeisen umgehen konnten, Rancher mit einem Dutzend schwerbewaffneter Cowboys, Geschäftsleute in Cimarron, die sich sicher wähnten, weil sie glaubten, sogenannte Freunde würden im Bürgerrat für sie eintreten.

"Einen Tagesritt hinter Garden City haben zwanzig Jäger meines Stammes ein Sommerlager aufgeschlagen", sagte Utanka. "Vielleicht helfen sie uns. Du hast einen guten Ruf bei den Apachen."

"Bullshit!", fluchte Axen. "Dann reite los und hol sie...!"

*

"Und? Wie fühlst du dich, Shannon?" Sie saßen in Michigans Hotelzimmer, tranken Kaffee und rauchten Trevors Zigarillos.

"Als hätten sie mir die Haut abgezogen, sie in kochendes Wasser getaucht und mir wieder übergestülpt." Trevor hatte seine Beine auf den Tisch vor dem offenen Fenster gelegt. Er blickte den Rauchschwaden seines Zigarillos hinterher. Kaum eine Wolke hing noch am Himmel, und das Licht der Nachmittagssonne lag auf den Dächern von Ellsworth wie ein verglühender Seidenschleier.

Scheißstadt, dachte Trevor. Selbst der intensive Duft des Zigarillos konnte seinen Körpergeruch nicht überlagern. Mit jedem Atemzug sog Trevor den Gestank seines getrockneten Angstschweißes ein.

"Warum hast du mir nicht gesagt, womit du deine Dollars verdienst?" Er drehte sich zu Michigan um. Der lag auf seinem Bett und starrte an die Decke. "Und warum trägst du deinen verdammten Stern nicht? Jeder kleine Town-Marshal in Kansas rennt doch mit dem lächerlichen Blechding an der Brust herum."

"Spiel nicht den Hohlkopf, Shannon", sagte Michigan. "Du machst nicht den Eindruck auf mich, als könntest du nicht eins und eins zusammenzählen."

"Also gut." Trevor stand auf und ging zum Bett. "Dann versuch ich's mal so: Warum sollen die Leute nicht wissen, dass du ein US-Marshal bist?"

"Jetzt wissen Sie's – weil du mir in die Quere gekommen bist." Kirk Michigans graue Augen richteten sich auf Trevor. "Der Bundesrichter will, dass ich ein paar Leute im Westen von Kansas an das Gesetz der Vereinigten Staaten erinnere. Leute, die keine Hemmungen hätten, einen US-Marshal zu erschießen, wenn sie wüssten, dass er unterwegs ist, um ihnen in die Suppe zu spucken."

"Gratuliere", grinste Trevor. "Scheint ja ein gesunder Job zu sein, den du dir da ausgesucht hast."

"Kann man so sagen." Michigan sog an seinem Zigarillo und blies dem Jüngeren den Rauch entgegen. "Wir waren zu zweit, als wir von Fort Smith aufbrachen. Mein Assistent starb in Wichita. Jemand schoss aus dem Hinterhalt auf uns."

"Die Leute, von denen du gesprochen hast, brauchen wohl keinen Stern, um einen US-Marshal zu erkennen?"

"Schon möglich."

"Und der Arm ihrer Gesetzlosigkeit reicht schon vom Westen Kansas' bis nach Wichita?"

"Schon möglich."

Trevor zuckte mit den Schultern. Er drehte sich um und ging zurück zu seinem Stuhl am Fenster. "Mein Tipp: Du telegrafierst nach Fort Smith und lässt dir einen neuen Assistenten schicken." Er griff nach seinem Kaffeebecher und leerte ihn. "Oder besser zwei. Oder noch besser: Du suchst dir einen anständigen Job. Bei der Wells Fargo ist seit heute eine Stelle als Postkutschenbegleitschutz frei."

"Keine schlechte Idee." Michigans Stimme klang unbeteiligt.

Trevor setzte sich und legte seine Beine wieder auf den Tisch. "Was sind das für Leute, hinter denen du her bist?"

"Keine Ahnung", sagte Michigan. "Ich weiß nur, dass zwischen Dodge City und Garden City ein paar Farmer und Rancher aufgegeben haben. Und einige nur ungern. So ungern, dass sie jetzt unter der Grasnarbe liegen."

"Vermutlich haben sie sich die Kugeln nicht selbst in den Kopf oder sonst wohin geschossen."

"Korrekt, mein Junge."

Trevors Augenbrauen zuckten. So hatte ihn lange niemand genannt. "Du sprichst immer von 'Leuten' – sind es mehrere, ist es einer, hast du irgendeinen Verdacht?"

Michigan zuckte mit den Schultern. "Da gibts ein Nest, das heißt Cimarron. Kann sein, sie stecken dort alle unter einer Decke. Angefangen vom Bürgermeister, über den Sheriff, bis zum Barbier. Was weiß ich. Kann sein, ein einzelner Mann steckt dahinter. Die Farmer, die in dieser Gegend verkaufen mussten, nannten einen Viehzüchter namens Dewlitt."

"Na, schön – dann weißt du ja, wen du an das Gesetz der Vereinigten Staaten erinnern musst", grinste Trevor. "Lies es ihm vor, er wird richtig dankbar sein, schätz ich." Sein Zigarillo war ausgegangen. Er holte ein Schwefelholz aus der Brusttasche seines Hemdes und riss es am Stiefelabsatz an.

"Was wirst du jetzt tun, Shannon?", wollte Michigan wissen.

"Mich erst einmal daran gewöhnen, dass ich noch lebe", sagte Trevor. "Und dann..." Er zuckte mit den Schultern. "Vielleicht reite ich nach Abilene oder Kansas City und such mir einen Job. Meine Postkutsche ist weg, und ich hab gehört, dass die Wells Fargo keine Männer beschäftigt, die vor einem Gericht standen."

"Ich hätte da was für dich."

Trevor drehte sich zu Michigan um. Der steckte seine Finger in die Westentasche und zog einen Stern heraus. "Ich bräuchte einen wie dich."

Trevor riss sich den Zigarillo aus dem Mund. Er starrte den Stern in Michigans großer braungebrannter Hand an, wie er seine Sonntagsschullehrerin angestarrt hätte, wenn sie ihm barbusig aus der Bibel vorgelesen hätte. Dann schüttelte ihn ein Hustenreiz. Er drückte den Zigarillo aus und wischte sich die Tränen aus den Augen. "Du bist ein gottverdammter Witzbold, Michigan!"

"Schon möglich." Der US-Marshal streckte seinen Arm aus und hielt Trevor den Stern hin. "Ich brauche einen wie dich, Shannon. Nimm den Stern und steck ihn ein. Morgen früh reiten wir zusammen weiter."

"Klar doch!" Trevor hustete und lachte dabei. "Morgen früh reiten wir zusammen weiter!", krächzte er. "Ich hab schon immer davon geträumt, in die Hölle zu fahren und dem Teufel den Arsch zu küssen." Er kicherte und schlug sich auf die Schenkel.

Kirk Michigan schwang sich aus dem Bett. Breitbeinig stand er an der Bettkante. "Du gefällst mir, Junge. Dein Problem ist nur – ohne mich würdest du jetzt auf der Mainstreet von Ellswort an einem Strick baumeln." Er legte den Stern vor Trevor auf den Tisch. "Anders ausgedrückt: Du hast deine Rechnung bei mir noch nicht bezahlt..."

*

Der Mann betrat den Barbierladen wie einer, der hier zu Hause war. Er stieß die Tür auf und hängte seinen schwarzen Biberfellhut an die Garderobe. Ohne die Männer, die an der Längsseite des schmalen Raumes auf den beiden Bänken saßen, auch nur eines Blickes zu würdigen, ging er zu dem freien der beiden Lehnstühle vor den Spiegeln und Waschbecken.

Er war nicht besonders groß und auch nicht ungewöhnlich stark gebaut. Aber seine federnden Schritte und die Geschmeidigkeit seiner Bewegungen verrieten einen kraftvollen Mann. Einen Mann, der ein Ziel hatte. Er ließ sich in das dunkelrote Lederpolster des Lehnstuhls sinken.

Fast auf Tuchfühlung hinter ihm betraten zwei junge Burschen in schmutzigen Hosen und grauen Schnürhemden den Laden. Sie machten nicht den Eindruck, als würden sie dazu neigen Haar- und Bartpflege einem Barbier anzuvertrauen: Wilde Bärte wucherten in ihren braungebrannten Gesichtern und ihr langes Haar quoll fettig und drahtig unter den Hutkrempen hervor.

Der Linke trug eine Kette aus Elfenbeinperlen um den Hals, in den Ohrläppchen des Rechten baumelten große goldene Kreolen. Sonst aber sahen die beiden aus wie Brüder.

Abgegriffene Revolverkolben ragten aus den Holstern an ihren Hüften. Ihre Sporen klirrten, als sie den schmalen langgezogenen Raum durchschritten und rechts und links neben den Wartebänken an der Wand stehen blieben.

Der Mann, den sie offensichtlich begleiteten, schien äußerlich nichts mit ihnen gemein zu haben: Er trug einen großkarierten schwarzen Anzug, zwischen dessen Kragenaufschlägen sich die Rüschen seines weißen Hemdes aufwarfen. Das Leder seiner schwarzen Stiefel glänzte und die Sporendorne an ihren Absätzen schienen aus Silber zu sein.

Sein weißblondes Haar wellte sich bis über die Schultern. Er hatte eine kleine scharfgeschnittene Nase, eine auffallend gewölbte Stirn und schmale blutleere Lippen. Auf den ersten Blick ging er meist als gerade mal Zwanzigjähriger durch. Kaum jemand schätze ihn so alt, wie er wirklich war: Anfang dreißig.

Er löste den obersten Knopf seines schwarzen Jacketts und schlug die Beine übereinander. An seiner linken Hüfte wurde der Kolben seines langläufigen Revolvers sichtbar – ein fabrikneuer Remington mit Elfenbeinbeschlag. Aus der Brusttasche seines teuren Zwirns zog der Mann eine Zigarre.

Die fünf Männer auf den dunklen Holzbänken an der Wand hinter den beiden Lehnstühlen wirkten plötzlich eigenartig verkrampft. Cowboys und Farmer aus dem Umland von Cimarron. Teilweise warteten sie schon seit einer halben Stunde darauf, dass Phil Lennart, der Barbier, ihnen die Mähne stutzte und die Bartstoppeln aus dem Gesicht hobelte. Sie sahen sich verstohlen an. Einige verkrochen sich hinter Zeitungen, andere betrachteten konzentriert ihre Fingernägel. Keiner wandte den Blick nach links oder rechts zu den beiden Begleitern des blonden Schönlings.

Phil Lennart legte die Schere beiseite, wandte sich von dem Kunden ab, dem er gerade den Pelz stutzte, und trat neben den Lehnstuhl des Blonden. "Guten Tag, Mr. Dewlitt." Er kramte ein Zündholz unter seiner weißen Schürze hervor, riss es an der Rückseite der Stuhllehne an und gab dem Blonden Feuer. "Was kann ich für Sie tun?"

"Haarspitzen stutzen und rasieren." Ronald Dewlitts Stimme klang wie die eines Jungen – hoch und klar.

"Wie immer also." Lennart, ein hochgewachsener Endvierziger mit schütterem grauen Haar, setzte ein Lächeln auf. "Ich bin gleich für Sie da, Mr. Dewlitt." Er eilte zu den Wartebänken, holte eine Zeitung aus dem Ständer an der Wand und reichte sie Dewlitt. "Eine Sekunde noch." Er drehte sich zu den Wartenden um. "Mr. Dewlitt ist angemeldet." Keiner der Männer murrte. Aber ihre Mienen sprachen Bände.

Hastig fertigte der Barbier den Mann im Lehnstuhl neben Dewlitt ab. Er kassierte und widmete sich dann dem Blonden. Lennart legte ihm ein Tuch um die Schultern. Sorgfältig stutzte er ihm die Haare. Danach schäumte er sein Gesicht mit Rasierseife ein.

"Perlman ist schon hinten", flüsterte er. "Er badet." Dewlitt nickte. "Ich muss nachher noch mit Ihnen sprechen." Lennart lugte in den Spiegel. Die Wartenden beobachteten ihn und seinen Kunden. Er neigte sich zu Dewlitt Ohr und sprach noch leiser: "Hab da was gehört, was Sie interessieren dürfte."

Dewlitt reichte dem Barbier seine Zigarre. Der drückte sie im Ascher auf der Waschbeckenkonsole aus. Weder die Männer auf der Wartebank noch die struppigen Begleiter Dewlitts sprachen ein Wort. Die ganze Zeit über nicht.

Sorgfältig rasierte Lennart seinen Edelkunden. Abschließend klatschte er ihm Rasierwasser auf die glattgeschabte Haut und eilte zur Garderobe. Er langte nach Dewlitts Biberfellhut. Mit einem tiefen Diener reichte er ihn ihm. "War mir eine Ehre, Mr. Dewlitt."

Der blonde Mann drückte dem Barbier einen Silberdollar in die Hand.

"Wir sprechen uns gleich", sagte er. Er wandte sich einer dem Ausgang gegenüberliegenden Tür zu, ganz am Ende des schlauchartigen Raumes. Seine Begleiter folgten ihm.

Durch die Tür traten sie in einen Hinterhof. Links ein mannshoher Holzzaun, recht Stallungen, vor denen zwei Pferde angebunden waren. Eine kleine Kutsche stand mitten im Hof. Vor dem Tor eine Hundehütte. Davor ein großer schwarzer Rüde, ein Bastard. Er belauerte sie misstrauisch. Gegenüber ein flaches Gebäude. Anders als die meisten Häuser in Cimarron war es nicht aus Holz gebaut, sondern aus rotem Backstein. Das Badehaus von Cimarron.

Gefolgt von seinen Revolvermännern durchquerte Dewlitt den Hof. Der Hund beäugte jeden ihrer Schritte. Aber er gab keinen Laut von sich. Als würde er Dewlitt kennen.

Im Badehaus war es warm. Feuchte Luft waberte den drei Männern entgegen. Ein halbes Dutzend Zuber stand in dem einzigen Raum. Bis auf einen alle leer.

Wasserdampf stieg aus dem gefüllten Zuber. Aus dem Schaum ragten die knochigen Schultern und der schmale kahlköpfige Schädel eines etwa sechzigjährigen Mannes. Er hielt ein halbvolles Whiskyglas in der Rechten. Überrascht wandte er sich um, als Dewlitt und seine Revolvermänner das Badehaus betraten.

"Sieh an", krächzte er, "bis in die Badewanne verfolgt mich Ronald Dewlitt, um seinen gierigen Schlund zu stopfen!"