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Um 1900 streiften noch rund 100.000 Tiger durch Asien. Anfang der 1980er Jahre waren es nur noch 8.000, heute sind es nach Schätzungen des WWF noch etwa 3.200. Die Weltnaturschutzunion warnt: "Der Niedergang hält an und könnte unumkehrbar sein." Vier von neun Unterarten des Tigers gelten heute als ausgestorben. Wilderei und eine schier unaufhaltsame Habitatzerstörung setzen den Großkatzen weiter zu. Zugleich kommen aber aus verschiedensten Winkeln des Kontinents Hoffnungszeichen. Ist Asiens Symboltier noch zu retten? Der Autor ist nach Indien gereist, wo er mit Wildhütern im Tigerschutzgebiet Periyar in den Kardamombergen unterwegs war, hat in Vietnam zu neuen Monitoring-Methoden recherchiert und Tigerexperten im In- und Ausland interviewt. - Illustriertes eBook mit zahlreichen Fotos. Auch als Taschenbuch erhältlich.
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Inhaltsverzeichnis
Dschungel ohne König
Kai Althoetmar
Asiens letzte Tiger. Bald nur noch im Zoo?
Impressum:
Titel des Buches: „Dschungel ohne König. Asiens letzte Tiger. Bald nur noch im Zoo?“.
Erscheinungsjahr: 2022.
Inhaltlich Verantwortlich:
Verlag Nature Press
Kai Althoetmar
Am Heiden Weyher 2
D-53902 Bad Münstereifel
Text: © Kai Althoetmar. Titelfoto: Sumatra-Tiger. Foto: Dupan Pandu, CC BY-SA 2.0.
Verlag und Autor folgen der bis 1996 allgemeingültigen und bewährten deutschen Rechtschreibung.
Zu Fuß zum Dschungelkönig? Durch Wald, Elefantengras und sumpfige Seelandschaft auf der Spur des Tigers? In einem abgelegenen Winkel Südindiens in der Bergkette der Western Ghats, im Periyar-Nationalpark im Bundesstaat Kerala, macht sich zweimal die Woche ein Trupp Ex-Wilderer auf den „Periyar Tiger Trail“, im Schlepptau eine Handvoll Wildlife-Touristen. Das Hinterland des Periyar-Stausees, aus dem geisterhaft tote Bäume ragen, ist Tigerland. 38 der Großkatzen streifen hier umher, ergab die letzte Zählung.
Drei Tage geht es quer durch die Wildnis, mit Trägern, Koch und Fährtenleser in olivgrünen Tarnanzügen, vorneweg ein Ranger der Forstverwaltung mit Gewehr im Anschlag. Tiger bekommen die wenigsten Dschungelcamper auf dem Pfad zu sehen. Zu menschenscheu sind die Katzen.
Nie ohne Gewehr: auf dem Periyar Tiger Trail.Foto: Thierry Leclec, CC BY-ND 2.0.
Tag zwei: Auf dem Weg zum Lager entdeckt Noushad, der Fährtenleser, einen Elefantenknochen, dann eine Tigerspur. Sie ist zwei, drei Tage alt. Beim Essen erzählt Tanghan, der Anführer des Trupps, daß er erst vier Tiger in Periyar gesehen hat, darunter ein verendetes Tier. Dafür umso mehr Kobras, fünf Meter lange Königskobras.
Im Morgengrauen der dritten Nacht kriecht Nebel über den Boden. Um sechs Uhr früh reißt ein langgezogenes „Auuuun“ alle aus dem Schlaf. Der Tiger ist da. Den Dezibel nach könnte er vor dem Zelt stehen. Tanghan läuft aufgeregt ins Camp. Er hat den Tiger gesehen, gerade als er im Schlafanzug zum Waschen an einen nahen Tümpel ging.
Sofortiger Aufbruch. Noushad sagt, der Tiger jage einen Hirsch. Durch Grasland geht es zum Waldrand, wo Tanghan die Katze zuletzt gesehen hat. Noushad entdeckt Tatzenabdrücke. „Es ist ein Tigerweibchen mit Jungen“, sagt er. Alle halten Ausschau, Noushad findet neue Spuren. Ratlos stehen wir am Waldrand. Der Dschungel hat die Tigerin verschluckt. „Wir gehen lieber nicht weiter, im Wald ist es zu unübersichtlich und zu gefährlich“, sagt Tanghan. Wir packen unsere Sachen und kehren um. Tanghan hat seinen fünften Tiger gesehen. Wir haben Shir Khan, den König des Dschungels, nur gehört.
Im Gänsemarsch durch den Dschungel. Foto: Thierry Leclec, CC BY-ND 2.0.
Wie lange wird das Brüllen Shir Khans noch zu hören sein? Indien hat 27 Tigerreservate. 1.909 Bengaltiger streifen durch das Land, jeder dritte außerhalb der Reservate. Indien ist die letzte Tiger-Hochburg. Hier könnte sich das Überleben der Art entscheiden. Aber es sieht nicht gut aus. Die ersten Tigerreservate wurden schon tigerfrei geschossen. Der Zählappell von 2010 strafte so manche für den Tourismus geschönten Bestandszahlen Lügen. Im Schutzgebiet Sariska, 110 Kilometer von Delhi entfernt, wurden alle Tiger getötet. Gleiches Bild im nahen Panna-Nationalpark. Die Kamerafallen, mit deren Hilfe Forscher Tierbestände ermitteln, lügen nicht.
Um 1900 streiften noch rund 100.000 Tiger durch Asien. Anfang der 1980er Jahre waren es nur noch 8.000. Heute sind es nach Schätzungen des WWF noch 3.200, andere Experten gehen von bis zu 4.000 Tieren aus. Längst wird der Tiger von der Weltnaturschutzunion - je nach Unterart - als „vom Aussterben bedroht“ oder „stark gefährdet“ gelistet. „Der Niedergang hält an und könnte unumkehrbar sein“, schreibt die IUCN. Keine einzige Subpopulation - also der Bestand in einer bestimmten Region - mache mehr als 250 Tiere im Fortpflanzungsstadium aus.
Bis in die 1930er Jahre war es die als Sport verbrämte Jagd weißer Großwildjäger, die die Tiger dezimierte. Von 1940 bis 1980 ließ vor allem die Abholzung der Wälder die Bestände weiter einbrechen. Seit den 1990er Jahren ist die Wilderei, befeuert durch den Handel mit Tigerknochen, die Hauptursache für das Tigersterben. Vor allem in China blüht die Quacksalberei. Tigerprodukte - vom Knochen über die Kralle bis zum Tigerpenis - gelten dort als Allheilmittel, obwohl eine medizinische Wirkung nie erwiesen wurde. Die gestiegene Wirtschaftskraft heizt die Nachfrage an. Dazu kommen Siedlungsdruck, Abholzung und Ölpalmplantagen. Letztere füllen nicht nur per Palmölbeimischung hiesige Dieselautotanks, sondern liefern auch das Billigfett für Schokocreme und Schokoriegel, Speiseeis, Margarine, Fertiggerichte und alles, was die Supermarktregale an Palmfettprodukten sonst bereithalten. Ein weiterer Sargnagel: revenge killings, Tötungen aus Rache - Rattengift oder eine Gewehrkugel für den Tiger, der dem Bauern die Kuh oder den Wasserbüffel gerissen hat. Längst gibt es in Gefangenschaft mehr Tiger als in freier Wildbahn. Die meisten gefangenen Exemplare in Texas. Mehr als 2.000 Tiger sollen dort in Hinterhof-Privatzoos dahinvegetieren - ein Folge laxer Tierhaltungsgesetze. Vor allem in China, aber auch in Laos, Vietnam und Thailand werden Tiger auf Farmen gezüchtet und in engen Käfigen gehalten. Auf den rund 20 chinesischen Farmen soll es 5.000 bis 10.000 Tiger geben.
Manche Farmen sind für Touristen geöffnet: Gegen Bares läßt man die Tiger vor den Augen des Publikums ein paar Hühner oder eine Kuh reißen. Die meisten Farmtiger werden jedoch geschlachtet und enden zermahlen als Rheumasalbe, Potenzpille oder Tee. „Tiger-Wein“ aus Knochen, die Flasche zu 120 Dollar, gilt als Statussymbol im Reich der Mitte. Seit 1993 ist der Handel mit Tigerprodukten in China verboten, Korruption macht das Gesetz aber zum Papiertiger.