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Billig-Kulturreisen durch die Türkei, Nordzypern, Kroatien oder Kreta gibt es fast geschenkt. Die einwöchigen Busrundreisen durch Kappadokien, Dalmatien oder auf Paulus' Spuren durch die Westtürkei sind in der Vorsaison ab Preisen von 149 Euro zu haben. Möglich werden die Preise, weil die Touristen zu Teppich- und Schmuckhändlern gekarrt werden, die an den Reiseveranstalter Antrittsprämien und Provisionen zahlen. Die Preise dort sind überhöht. Der incognito recherchierte XXL-Report schildert eine solche einwöchige Kappadokien-Tour gegen Winterende - von Antalya startend durch das Taurusgebirge in das Herzland der Türkei nach Konya, Ürgüp und Göreme - und das dubiose System solcher Reisen samt der ausgeklügelten Verkaufsmaschen. Ein Infoteil ergänzt den Text. Ilustriertes eBook mit zahlreichen Fotos und Karten.
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Inhaltsverzeichnis
Türkische Kaffeefahrt
Kai Althoetmar
Durch das Land der Derwische und Feenkamine
Impressum:
Titel des Buches: „Türkische Kaffeefahrt. Durch das Land der Derwische und Feenkamine“.
Erscheinungsjahr: 2018.
Inhaltlich Verantwortlich:
Edition Kultour
Kai Althoetmar
Am Heiden Weyher 2
53902 Bad Münstereifel
Deutschland
Text: © Kai Althoetmar.
Titelfoto: Feenkamine, Göreme. Foto: Hydro-xy, CC BY-SA 2.0.
Die Recherchen zu diesem Buch erfolgten eigenfinanziert und ohne Zuwendungen oder Vergünstigungen Dritter.
Verlag und Autor folgen der bis 1996 allgemeingültigen und bewährten deutschen Rechtschreibung.
Die Gastfreundlichkeit ist perfekt choreographiert, alles tausendmal erprobt. Adrette junge Frauen servieren mit routiniertem Lächeln Tee, Kaffee, Fladenbrot und türkischen Minzjoghurt. Die Bustouristen haben auf Bänken Platz genommen. Schwungvoll rollen Helfer einen Teppich nach dem anderen aus, bis fast vierzig Knüpfwerke über den Fußboden des Verkaufsraums verteilt sind. Die Preise gehen bei etwa 5.000,00 Euro los. „Sie brauchen erst bei Auslieferung in Deutschland zu zahlen!“, ruft der Geschäftsführer, schiebt aber ein Argument nach, doch lieber sofort zu zahlen: den Preisnachlaß, den es nur bei Zahlung hier und jetzt gibt.
Anfang März. Tag vier der Kaffeefahrt durch Kappadokien, das Herzland der Türkei. Besuch einer „landestypischen Teppichmanufaktur“. Im Werbeflyer hatte alles nach Folklore und Tradition geklungen: „Sie werden alle Produktionsschritte dieses Handwerks kennenlernen und haben auch die Möglichkeit, eines dieser hochwertigen Stücke zu erwerben.“
„Kommen Sie mit uns auf eine Reise ins Märchenland!“, hatte der Reiseveranstalter gekobert. Nur jetzt war die „achttägige Erlebnisreise zum Vorteilspreis“ ab 149,00 Euro zu haben. Ab Mitte April kostete es schon das Doppelte. Von Mai bis September finden die Busrundfahrten gar nicht statt. Dann ist Hauptsaison in der Türkei, und die Hotels sind besser ausgelastet.
Der Einstieg in die Verkaufsshow: ein Vortrag des Geschäftsführers über die Tradition des Teppichknüpfens, über Merkmale hochwertiger Teppiche: Zahl der Knoten, Stoff, Farbreichtum, Motivwahl. Im Vorraum des Teppichzentrums von Uchisar hängen Fotos vom ältesten erhaltenen Teppich der Welt, zweitausendfünfhundert Jahre alt, gefunden in einem Skythengrab. „Die gleiche Technik wie heute!“
Vor den Teppichhändlern in Deutschland warnt der Chef: „Die verkaufen Ihnen Wollteppiche als günstige Seidenteppiche.“ Wie zum Beweis läßt er einen schlichten Schafswollteppich und einen Seidenteppich ausrollen. „Hier, der Seidenteppich. Neun mal neun Knoten je Quadratzentimeter! Bitte fühlen Sie, bitte gucken Sie!“ Der Herr der Teppiche zeigt Fachbücher, wälzt Folianten, zeigt Fotos aus dem Berliner Pergamonmuseum. Alles kommt historisch und wissenschaftlich daher, der Verkaufsprofi beherrscht die Rolle des Orientalistik-Gelehrten perfekt, sein Deutsch ist makellos, wie ein Seminar soll alles wirken, der nolens volens herangekarrte Kunde sich am Ende als kleiner Teppichkenner fühlen. Teppiche sind Wertanlagen, doziert er und raunt, daß die Preise noch dieses Jahr zehn bis zwanzig Prozent anziehen würden. Die Botschaft: jetzt noch schnell kaufen. „Hier, unser teuerstes Werk: 25.000 Euro!“ Der handtuchgroße Seidenteppich zeigt Jesus und seine Jünger beim Letzten Abendmahl in zwölf mal zwölf Knoten pro Quadratzentimer - Leonardo da Vinci mal anders.
Teppichverkaufsshow in Uchisar. Foto: Kai Althoetmar.
Im Nachbarraum arbeiten vier Knüpferinnen, alle in Tracht. „Künstlerinnen! Meine Besten!“, salbadert der Maître. Auf den Rahmen stecken kleine Seidenteppiche. Es ist nur Schau. Die echten Teppichfrauen arbeiten im anatolischen Hinterland. „Ich zahle den Knüpferinnen den Mindestlohn – dreihundert Euro im Monat.“ Das hört das Publikum gerne. Die Arbeit ist lohnintensiv, die Konkurrenz aus Iran, Afghanistan und Nordafrika schläft nicht. Später stellt sich heraus, daß die Vorzeigeknüpferinnen kein festes Gehalt bekommen. „Sonst werden sie faul“, weiß der Geschäftsführer. Zahlt er Akkordlohn? „Nein, dann werden die Teppiche schlecht.“ Wonach dann? „Nach Wertschätzung!“
„Teppichherstellung ist nur in Gegenden wie Anatolien möglich“, sagt er dann. „In Deutschland hergestellte Teppiche könnte niemand bezahlen.“ Fürwahr. Trotzdem will niemand aus der neunköpfigen Reisegruppe einen kappadokischen Teppich. Die zwei Biologiestudentinnen aus Göttingen sind der personifizierte Käuferstreik, andere sind eingedeckt, vorgeschädigt oder durchschauen die subtilen Tricks. „Wir haben schon mal 'was überhastet gekauft“, erzählt eine Dame aus Kaarst am Niederrhein. Eine Kölnerin ist ob der Preise mißtrauisch. „Nachher sehen wir das in Deutschland für die Hälfte!“ Den Teppichkauf bei der letzten Troja-Fahrt hat sie schon bereut. Trotzdem glaubt sie, das „Deutsche Generalkonsulat“ subventioniere die Tour.
Im Preis der Reise ins „Märchenland“ enthalten sind der Flug mit Billig-Airline nach Antalya, sieben Nächte in Hotels mit vier oder fünf türkischen Sternen, Frühstücksbuffet, Busrundreise, Eintritte, Transfers, deutschsprachige Reiseleitung.