Gekreuzigte Insel - Kai Althoetmar - E-Book
SONDERANGEBOT

Gekreuzigte Insel E-Book

Kai Althoetmar

0,0
3,99 €
1,99 €
Niedrigster Preis in 30 Tagen: 3,99 €

oder
-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Texel, Anfang April 1945: Noch leisten deutsche und georgische Soldaten scheinbar einträchtig gemeinsam Waffendienst auf der Nordseeinsel, die vom Krieg bislang verschont wurde. Die Georgier haben sich als Ostlegionäre für den Dienst in der Wehrmacht gemeldet, um der Kriegsgefangenschaft zu entkommen. Jetzt sollen sie aufs Festland an die Front. In der Nacht zum 6. April 1945 revoltieren sie gegen ihre Waffenbrüder und töten Hunderte deutsche Soldaten. Der Aufstand, dem sich der holländische Widerstand anschließt, erfaßt die ganze Insel. Die Wehrmacht schlägt brutal zurück. Die Insel versinkt in einem Blutbad, das das Ende des Krieges in Europa noch überdauert. Das Buch erzählt die Ereignisse auf Texel 1945 aus der Sicht georgischer, holländischer und deutscher Beteiligter. Für die Recherchen zu diesem Buch ist der Autor nach Texel gereist und hat die Kriegsschauplätze von damals besucht. - Illustriertes eBook mit zahlreichen Fotos und Karten. Auch als Taschenbuchausgabe erhältlich.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Inhaltsverzeichnis

Gekreuzigte Insel

Kai Althoetmar

Gekreuzigte Insel

6. April 1945. Der Aufstand der Georgier auf Texel

Impressum:

Titel des Buches: „Gekreuzigte Insel. 6. April 1945. Der Aufstand der Georgier auf Texel“.

Auch als eBook erhältlich.

Verlag und Autor folgen der bis 1996 allgemeingültigen und bewährten deutschen Rechtschreibung.

Erscheinungsjahr: 2018.

Inhaltlich Verantwortlich:

Edition Zeitpunkte

Kai Althoetmar

Am Heiden Weyher 2

53902 Bad Münstereifel

Deutschland

Text: © Kai Althoetmar.

Titelfoto: Leuchtturm, De Cocksdorp, Texel. Foto: J.A. van der Vlis, CC BY-SA 3.0.

Die Recherchen zu diesem Buch erfolgten eigenfinanziert und ohne Zuwendungen Dritter.

Auf dem Dach des Hauptquartiers, wo Meuterei und Mord begannen, grasen heute Schafe. Drei Schafe auf einem Wall, den man für ein holsteinisches Hünengrab halten könnte, wäre dies nicht Texel, das Dünenparadies unter Hollands Nordsee-Eilanden. Zum Grab wurde die Stätte schon. In der Nacht zum 6. April 1945, als Nemesis, die Tochter der Nyx, der „Nacht“, aus dem Reich der griechischen Sage nach Texel kam.

Der Hof heißt „Texla“. Das Spitzdach des schmächtigen Haupthauses ist mit roten Ziegeln gedeckt. Vom Zentrum Den Burgs sind es nur zwei Minuten mit dem Rad hierher, am Stadtfriedhof vorbei in die Kogerstraat, den Georgieweg rechts liegen lassen, schon ist Texels Hauptstädtchen Kuhdorf. Aus dem grünen Wall schauen graue Betonecken heraus, Bunkerreste, Fragmente von Decken und Wänden - das Hauptquartier „Texla“. Der Hügel ist eingezäunt, der Traktorweg um die Wiese matschig gefurcht, es riecht nach Gülle, der Wind bläst eiskalt. An der Wegeinfahrt warnt ein kleines Schild: Zugang verboten. Die Schrift ist verblichen. Irgendwann muß es dem Bauern zu viel geworden sein. Immer diese Fragen nach damals, die neugierigen Kriegstouristen aus Duitsland, die mit ihren Fotoapparaten über die Weide rennen und auf den Bunker kraxeln, wer will das schon. Und wo bleibt da die Pietät. Hunderte Tote, im Schlaf mit Dolchen gemordet, wie im „Macbeth“, aber bei Shakespeare, da traf es nur den König.

„Texla“, einstiges Hauptquartier. Foto: Kai Althoetmar.

Die Georgier hatten einen Namen für die Revolte: Operation „Tag der Geburt“. Den meisten von ihnen sollte der Todestag bevorstehen. Im Kampf gegen ihre „Waffenbrüder“. Die Georgier bildeten mit den Deutschen das Georgische Infanteriebataillon 822 „Königin Tamar“. Das Bataillon zählte zur Georgischen Legion der Ostlegionen. Etwa 800 Georgier, rund 400 Deutsche. Wie alle Ostlegionen eine gemischte Kampfeinheit, zusammengestellt aus deutschen Landsern und sowjetischen Kriegsgefangenen und Freiwilligen. In den Legionen kämpften Angehörige der sowjetischen Minderheitenvölker: Georgier, Aserbaidschaner, Armenier, Kalmücken, Tataren, Nordkaukasier, Turkmenen, Kirgisen, Usbeken, Tadschiken. 53 Bataillone, 53.000 Mann, angeheuert in den Kriegsgefangenenlagern. Hitler hielt sie für wackere Gefährten im Kampf gegen den Bolschewismus.

Donnerstag, 5. April 1945. Seit ein paar Wochen teilen Georgier mit den Deutschen die Quartiere in den Baracken beim Bunker Texla und in anderen Stellungen. Die Georgier tragen Wehrmachtsuniform. Und Dolche, so scharf, daß sie sich damit rasieren.

Es ist 1.00 Uhr nachts. Eine von Den Burg abgeschossene Leuchtrakete gibt das Zeichen zum Losschlagen. Auf der ganzen Insel erheben sich die Georgier: im Hauptquartier Texla, am Flugplatz, am Leuchtturm, am Hafen, in den Dörfern. Die Georgier fallen über die deutschen Wachen und die schlafenden deutschen Soldaten her. Schneiden ihnen lautlos die Kehlen durch, erstechen sie mit Bajonetten. Geht es nicht anders, erschießen sie sie. Es ist genau verabredet, wer wen töten soll. 408 deutsche Soldaten sterben. Gefangene werden nicht gemacht. Jewgeni Artemidse, ein Schullehrer, damals 25, Politischer Kommissar der georgischen Legion und einer der Anführer des Aufstands, sagte später kurz und bündig: „Wir besetzten das Hauptquartier. Ich erschoß 13 Deutsche.“1

Am Morgen weht die niederländische Fahne über Texla. Etwa 200 Holländer schließen sich dem Aufstand an, 50 erhalten von den Georgiern Gewehre. Waffen haben die Legionäre jetzt reichlich. Ihr Kommandant Schalwa Loladse hält eine kämpferische Rede. Er verspricht, jetzt breche der Aufstand in ganz Holland los. Am Ende ruft er: „Lang lebe Holland! Lang lebe die Sowjetunion!“2 Die Aufständischen zerstören die Telefone auf der Post in Den Burg. Sie übersehen, daß die Wehrmacht in Texla und in den Batteriestützpunkten Funk hat. Ein deutscher Soldat, der das Massaker in Texla überlebt hat, schlägt Alarm. Den Meuterern gelingt es nicht, die beiden stark gesicherten Batterien im Norden und Süden der Insel einzunehmen. Jede Batterie ist mit 250 Deutschen besetzt. Dem Aufstand schließen sich auch keine anderen Bataillone von Legionären an, die entlang der Küste stationiert sind.

Texel und die Niederlande. Karte: Wikimedia.

Jewgeni Artemidse sagt 2009 in dem Dokumentarfilm „De Russenoorlog“, auf ein Kriegsfoto von sich zeigend: „Meine Uniform gehörte Hitler, aber mein Herz Stalin.“ Ursprünglich planten die Georgier erst am 1. Mai 1945 loszuschlagen, doch dann mußte es schnell gehen. Schon am 6. April 1945 sollten 500 von ihnen an Land. An die Front.

Am 4. April 1945 hatten die Georgier davon erfahren. Noch am Nach-mittag zogen sich sechs ihrer Offiziere in den Wald zurück und machten einen Plan. Artemidse sagte damals, der Aufstand sei jetzt unausweichlich. Loladse, ein Pilot, stimmte ihm zu: „Es ist ein Glück, daß die Deutschen uns die Waffen gelassen haben und schon Extra-Munition ausgehändigt haben. Es wird ihr eigener Untergang sein.“ So berichtet es der holländische Autor Henri A. van der Zee in dem 1982 erstmals erschienenen Buch „The Hunger Winter - Occupied Holland 1944/45“.3

Texel. Karte: Roepers, CC BY-SA 3.0.

Artemedise und seine Leute steckten in einem Dilemma. „Die Deutschen wollten einen Teil von uns an die Front schicken und einen Teil auf Texel lassen.“ Die Georgier waren als Kanonenfutter für die neuerlichen Kämpfe bei Arnheim bestimmt. Den Legionären, die verlegt werden sollten, wurde klargemacht: „Sollten die Georgier die Deutschen verraten und zu den Engländern überlaufen, würden die Georgier auf Texel getötet.“4

Die Georgier hatten sich von der Wehrmacht rekrutieren lassen. Manche waren entschiedene Kommunisten, andere hofften, Hitler werde den kaukasischen Republiken die Unabhängigkeit zurückgeben. Georgien, das nach dem Sturz des Zarenregimes die Republik ausgerufen hatte, war 1921 von der Roten Armee der Sowjetunion einverleibt worden.

Mit der Freiwilligkeit der Legionäre war es nicht weit her. In den Kriegsgefangenenlagern regierte der Tod. Kaum Essen, im Winter extremer Frost, keine Winterkleidung, das ganze Jahr Krankheiten, Seuchen, willkürliche Massenhinrichtungen. Bei der Zusammenstellung der Legionen gab es oft nur eine Wahl: deutsche Uniform oder sofortige Exekution. Von den etwa 5,5 Millionen sowjetischen Kriegsgefangenen überlebte nur die Hälfte. Die Rekrutierung durch die Wehrmacht war vor allem eins: ein Hoffnungsschimmer, den Krieg zu überleben.

Dorfleben im Hafenort Oudeschild. Foto: Kai Althoetmar.

Anfang April 1945 war den Georgiern klar, daß Deutschland den Krieg verlieren würde. Sie wußten, daß sie daheim als Kollaborateure gelten würden. Stalins Regime verlangte nur eins: „Kampf bis in den Tod!“

Texel, Provinz Nordholland, 1170 von der Allerheiligenflut vom Festland getrennt, größte und westlichste der Westfriesischen Inseln, 170 Quadratkilometer Land, dünn besiedelt, 24 Kilometer lang, von West nach Ost sind es maximal zehn Kilometer. Die heute 13.551 Einwohner leben hauptsächlich vom Tourismus, daneben von Landwirtschaft, Wollverarbeitung und Fischerei. Früher war die Reihen-folge umgekehrt. Hungern mußten die Texelaner im Krieg kaum. Die Bauern hatten eigenes Getreide, buken Brot, schlachteten zum Winter ein Schwein.

Im Juni 1940 kam die Wehrmacht. Die Insel war Teil des Atlantikwalls. Bunker, Unterstände und Munitionsdepots wurden am Westufer in den Sand gesetzt, Minenfelder und Stacheldraht schützten die Batterien. In der Brandung „Rommelspargel“ - Hemmbalken und Hochpfähle gegen eine alliierte Seeinvasion. Den Krieg hatte die Insel bis Anfang 1945 relativ ruhig überstanden. Aufklärungsflugzeuge der Royal Air Force schoß die deutsche Flak vom Himmel. Die Georgier, zuvor im holländischen Zandvoort stationiert, hatten erst am 10. Januar 1945 ein kaukasisches Bataillon abgelöst. Zuvor war ein Bataillon Inder, die der Wehrmacht in Nordafrika in die Hände gefallen waren, auf der Insel stationiert. Schon bald wurden die Inder wieder verlegt.

---ENDE DER LESEPROBE---