Du bist  doch der Vater! - Jutta von Kampen - E-Book

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Jutta von Kampen

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Beschreibung

Die Familie ist ein Hort der Liebe, Geborgenheit und Zärtlichkeit. Wir alle sehnen uns nach diesem Flucht- und Orientierungspunkt, der unsere persönliche Welt zusammenhält und schön macht. Das wichtigste Bindeglied der Familie ist Mami. In diesen herzenswarmen Romanen wird davon mit meisterhafter Einfühlung erzählt. Die Romanreihe Mami setzt einen unerschütterlichen Wert der Liebe, begeistert die Menschen und lässt sie in unruhigen Zeiten Mut und Hoffnung schöpfen. Kinderglück und Elternfreuden sind durch nichts auf der Welt zu ersetzen. Genau davon kündet Mami. Hubertus Graf von Sutenau auf Sutenau stand auf dem Turm der Burg gleichen Namens und schaute hinunter auf das herrliche, reiche Land, das vor ihm lag. Der Graf war ein hagerer Herr von Ende Fünfzig mit einem blassen, verbitterten Gesicht, weißem Haar und müden, hellgrauen Augen. Er konnte sich nicht an der Schönheit der in ihrer Frühlingspracht vor ihm liegenden Landschaft freuen, denn er wußte, daß er der letzte Herr auf Sutenau war. Sein Sohn Erwin, der morgen seinen dreiundzwanzigsten Geburtstag feierte, würde sich nur mehr Graf von Sutenau nennen dürfen, denn alles, was von dem einst großen Besitz übriggeblieben war, waren ein verwildeter, tausend Quadrameter großer Park und diese Burg, die mehr eine Ruine als ein wohnliches Heim war. Abgesehen davon, daß auch auf diesen bescheidenen Rest der jetzige Bürgermeister von Stenau bereits eine Option hatte. Er wollte nach dem Tode des letzten Herrn auf Sutenau – oder wenn irgend möglich auch früher! – ein Heimatmuseum in den wenigen noch nutzbaren Räumen der Burg einrichten. Es war gewiß nicht die Schuld von Graf Hubertus, daß es so weit gekommen war: die beiden letzten Kriege, die verschiedenen Währungsreformen und die allgemeine schlechte Lage der Forst- und Landwirtschaft hatten die ehemals reichen Grundherren ruiniert. Die Löhne waren zu hoch, die Einnahmen aus der Landwirtschaft zu gering – nur mehr ein Familienbetrieb, in dem alle anpackten, konnte sich heute halten, und auch der nur mit Schwierigkeiten. Er hatte es ja versucht! Seine schöne, zarte Gemahlin war an Überanstrengung gestorben. Nein. Es war vorbei mit den Herren auf Sutenau. Jetzt waren die ehemaligen Leibeigenen an der Reihe – vor allem dieser unverschämte Riedl, der reichste Bauer im Umkreis, der inzwischen fast drei Viertel des ehemals gräflichen Besitzes sein eigen nannte. Noch zu Zeiten seines Vaters hatten diese Leute den Hut gezogen, wenn sie dem Herrn Grafen begegneten. – Jetzt schauten sie bestenfalls weg, und der Riedl, der lachte ihm sogar frech ins Gesicht, dieser – dieser Bauerntölpel! Ein Glück, daß wenigstens der Prior des Benediktinerklosters nicht darauf vergessen hatte, daß es die Herren von Sutenau waren, die vor siebenhundertfünfzig Jahren dieses Kloster gründeten und mit reichem Besitz ausstatteten. Wahrscheinlich, weil auch die Klöster heute zu kämpfen hatten! Früher hatten an die hundert Mönche in dem prächtigen Gebäude mit der weithin berühmten Kirche gelebt, heute waren es nur mehr neun Herren, den Prior mit eingeschlossen – und die Hälfte weit über Fünfzig! Doch im Gegensatz zu ihm hatten sie genug Geld, um die weitläufigen Gebäude zu erhalten und sie zu einem Gymnasium von bestem Ruf umzufunktionieren.

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Mami – 2086 –

Du bist doch der Vater!

Jutta von Kampen

Hubertus Graf von Sutenau auf Sutenau stand auf dem Turm der Burg gleichen Namens und schaute hinunter auf das herrliche, reiche Land, das vor ihm lag.

Der Graf war ein hagerer Herr von Ende Fünfzig mit einem blassen, verbitterten Gesicht, weißem Haar und müden, hellgrauen Augen. Er konnte sich nicht an der Schönheit der in ihrer Frühlingspracht vor ihm liegenden Landschaft freuen, denn er wußte, daß er der letzte Herr auf Sutenau war.

Sein Sohn Erwin, der morgen seinen dreiundzwanzigsten Geburtstag feierte, würde sich nur mehr Graf von Sutenau nennen dürfen, denn alles, was von dem einst großen Besitz übriggeblieben war, waren ein verwildeter, tausend Quadrameter großer Park und diese Burg, die mehr eine Ruine als ein wohnliches Heim war.

Abgesehen davon, daß auch auf diesen bescheidenen Rest der jetzige Bürgermeister von Stenau bereits eine Option hatte. Er wollte nach dem Tode des letzten Herrn auf Sutenau – oder wenn irgend möglich auch früher! – ein Heimatmuseum in den wenigen noch nutzbaren Räumen der Burg einrichten.

Es war gewiß nicht die Schuld von Graf Hubertus, daß es so weit gekommen war: die beiden letzten Kriege, die verschiedenen Währungsreformen und die allgemeine schlechte Lage der Forst- und Landwirtschaft hatten die ehemals reichen Grundherren ruiniert.

Die Löhne waren zu hoch, die Einnahmen aus der Landwirtschaft zu gering – nur mehr ein Familienbetrieb, in dem alle anpackten, konnte sich heute halten, und auch der nur mit Schwierigkeiten.

Er hatte es ja versucht! Seine schöne, zarte Gemahlin war an Überanstrengung gestorben. Nein. Es war vorbei mit den Herren auf Sutenau.

Jetzt waren die ehemaligen Leibeigenen an der Reihe – vor allem dieser unverschämte Riedl, der reichste Bauer im Umkreis, der inzwischen fast drei Viertel des ehemals gräflichen Besitzes sein eigen nannte.

Noch zu Zeiten seines Vaters hatten diese Leute den Hut gezogen, wenn sie dem Herrn Grafen begegneten. – Jetzt schauten sie bestenfalls weg, und der Riedl, der lachte ihm sogar frech ins Gesicht, dieser – dieser Bauerntölpel!

Ein Glück, daß wenigstens der Prior des Benediktinerklosters nicht darauf vergessen hatte, daß es die Herren von Sutenau waren, die vor siebenhundertfünfzig Jahren dieses Kloster gründeten und mit reichem Besitz ausstatteten. Wahrscheinlich, weil auch die Klöster heute zu kämpfen hatten!

Früher hatten an die hundert Mönche in dem prächtigen Gebäude mit der weithin berühmten Kirche gelebt, heute waren es nur mehr neun Herren, den Prior mit eingeschlossen – und die Hälfte weit über Fünfzig!

Doch im Gegensatz zu ihm hatten sie genug Geld, um die weitläufigen Gebäude zu erhalten und sie zu einem Gymnasium von bestem Ruf umzufunktionieren. Die meisten Lehrer und Lehrerinnen waren weltlich. Und natürlich gingen heute auch Mädchen in diese Klosterschule! Zum Beispiel die einzige Tochter von diesem unverschämten Riedl.

Aber immerhin hatte der Prior Erwein damals einen Freiplatz zugestanden und war bereit, ihm das Studium zu bezahlen – sollte er sich für eine geistliche Laufbahn entschließen.

Warum nicht, dachte Graf Hubertus: In seiner Familie gab es viele Bischöfe, mehrere Kardinäle, von den Äbtissinnen und Nonnen ganz zu schweigen! Und sogar eine Heilige!

Als Priester hätte Erwein mit seinem bemerkenswerten Verstand garantiert die Chance zu einer echten Karriere.

Natürlich war es schade – aber was sollte sonst aus ihm werden?

Geld heiraten? Womöglich unter seinem Stand? Niemals!

Der Stolz war den Sutenaus geblieben. Auch Erwein. Dessen war sein Vater sich sicher.

Vorläufig war er noch beim Bund, machte dort seinen Reserveoffizier. Beim Bund bleiben – das wäre natürlich auch eine standesgemäße Lösung. Aber Erwein hatte bereits erklärt, daß ihm das nicht liegen würde.

Ob ihm die geistliche Laufbahn lag?

Wenn er das nächste Mal nach Hause kam, mußte er ernsthaft mit ihm reden!

Jetzt hörte Graf Hubertus die Glocken der Klosterkirchen zur Messe läuten.

Er beeilte sich, die brüchigen Stufen hinunter zu steigen. Er versäumte nie die Messe an den Feiertagen. Die Sutenaus waren, seit das Kloster bestand, Patronatsherren. Dies war der letzte Ehrenposten, der ihnen geblieben war. Sie hatte ihren eigenen Kirchenstuhl, dessen Tür mit ihrem Wappen geschmückt war. Das konnte ihnen niemand nehmen, gleichgültig, wie reich man sein mochte. Jedenfalls nicht, solange das Kloster bestand.

Dieses verbriefte Vorrecht nicht – und auch nicht ihren Stolz.

Auch wenn manche diesen Stolz mit Hochmut bezeichneten.

Der Neid sprach da aus ihnen!

Graf Hubertus lachte verächtlich.

Er zog die Trachtenjacke aus Schilfleinen an, setzte den Trachtenhut auf und steckte an seine Linke den Siegelring mit dem alten Wappen.

Er war ihm sehr weit geworden! Besser, er trug ihn am Mittelfinger, damit er ihn nicht verlor.

Dann stieg er in seinen alten Wagen und ratterte über die steinerne Brücke, die über den Burggraben führte, hinunter ins Dorf zur Kirche.

*

Vor der Kirche standen, wie es auf dem Lande üblich war, die sonntäglichen Meßbesucher und Besucherinnen in ihren Feiertagskleidern und tauschten die letzten Neuigkeiten aus der Umgebung aus.

Früher, dachte Graf Hubertus, als er seinen schäbigen Wagen zwischen den protzigen Gefährten der Bauern parkte, da trugen die Frauen ihre schönen Trachten und die Männer ebenfalls und das hat zu ihnen gepaßt und sie würdig aussehen lassen. Heute zwängten sie sich in modische Kleidung – und wirkten nur mehr komisch und etwas unbeholfen.

Wenn nur Erwein da wäre! Er haßte es, so allein zwischen ihnen durchzugehen und von ihnen übersehen oder mit einem flüchtigen, unhöflichen Gruß bedacht zu werden. Er merkte nicht, wie er diese Leute trotz allem immer noch herausforderte.

Wenn wenigstens der Riedl nicht auch da wäre!

Aber da stand er! Groß, dick und protzig, die wertvolle, antike Scharivarikette über der Weste mit den Silberknöpfen, den Hut mit dem teuren Gamsbart in den Nacken geschoben und grinste ihm entgegen, geradeso, als erwartete er, daß er zuerst grüßte.

»Grüß Gott, alle zusammen«, sagte der Graf, und ein hochmütiges Lächeln glitt über seine Züge, ein dumpfes Murmeln antwortete ihm. So hatte er eine spezielle Begrüßung des am feindseligsten eingestellten Mannes übergangen.

Aber der Riedl war nicht auf den Kopf gefallen und fühlte sich vor allem in der stärkeren Position, was er vielleicht auch war.

»Da geht er hin, der Herr Graf von Habenichts und Hättegern«, sagte er laut und deutlich, nachdem Graf Sutenau an ihm vorbeigegangen war.

Sutenau spürte, wie ihm das Blut erst in den Kopf und dann zum Herzen strömte. Ich darf mich nicht aufregen! Ermahnte er sich und atmete langsam durch. Ich darf ihnen ganz einfach nicht die Genugtuung geben, daß ich die Fassung verliere.

Er drehte sich langsam um und maß Riedl mit einem spöttischen Blick vom Kopf bis zu den teuer beschuhten Füßen, Größe 48 mindestens.

»Wie schade, Herr Riedl«, bemerkte er leise – aber laut genug, daß alle, deren Gespräche schlagartig verstummt waren, ihn hören konnten, »daß Sie sich für all das Geld, mit dem Sie meine Gründe gekauft haben, nicht auch ein bißchen gutes Benehmen und Bildung erstanden haben. Aber wahrscheinlich sollte man es Ihnen nicht übel nehmen. Das ist eben nicht käuflich zu erwerben.«

Und damit wendete er sich um und ging an der schweigenden Menge vorbei in die Kirche. Als erster. So wie es früher einmal üblich war.

Der Riedl bekam vor Wut einen dunkelroten Kopf.

»Dieser arrogante Kerl! Was ist er denn schon? Der meint, weil meine Vorfahren bei den seinen Leibeigene waren, könnte er sich heute noch so aufblasen! Aber dem werd ich es zeigen!«

»Geh, laß ihn doch«, versuchten einige, ihn zu beruhigen. »Er hat doch nichts mehr außer seiner Einbildung! Und daß du ein gescherter Hammel bist, das wissen wir doch alle!«

Die Umstehenden lachten, und langsam gingen sie alle in die Kirche, denn die Orgel spielte bereits das Eingangslied.

Nur der Riedl hatte sich noch nicht so weit beruhigt, daß er es ertragen hätte, den Grafen vorn in seinem Patronatsstuhl sitzen zu sehen.

Daß die anderen Bauern über ihn lachten und ihn auf grobe Art hochnnahmen, nahm er ihnen nicht übel. Das war der Ton, der zwischen ihnen herrschte, und er wußte nur zu gut, daß sie ihn trotzdem bewunderten, weil er so reich und auch so erfolgreich war.

Aber dieser Habenichts! Daß der sich erfrechte –!

Jakob Riedl stand noch immer schwer atmend vor der Kirchentür, als seine Tochter Veronika wieder herauskam.

Vroni hatte die Szene nicht mitbekommen, da sie nicht zu denen gehörte, die vor der Messe erst einmal die letzten Ereignisse durchhecheln mußten. Ihr Vater hatte sie zu den Benediktinern aufs Gymansium geschickt, damit sie das lernen sollte, was der Graf ihm eben abgesprochen hatte.

Als er seine Tochter sah, glätteten sich seine wutverzerrten Züge zu einem stolzen Grinsen.

So ein hübsche Mädel! Und fein sah sie aus! Ganz anders, als die meisten der Bauerntöchter aus der Gegend. Freilich, ihre Mutter war ja auch eine Feine gewesen: von der großen Brauerei in der Stadt. Noch heute war der Riedl stolz auf seine verstorbene Frau.

Ehrlich gesagt, oft stolzer als zu ihren Lebzeiten, wo ihr vornehmes Gehabe ihm gelegentlich auf den Geist gegangen war.

Aber die Vroni war anders, als die Mathilde gewesen war: sie war zwar hübsch und fein, aber dabei lieb und lustig, fleißig und gescheit.

Sie trug ihr hellblondes, lockiges Haar in einem langen, dicken Zopf, der ihr bis auf die schlanke Taille herabhing. Ihre Augen waren groß und veilchenblau, mit dichten, geschwungenen Wimpern und zart gezeichneten Brauen auf der hohen Stirn. Ihr Näschen war fein und ihr Mund so rot wie ein Röschen. Und ihre Hände sahen aus, als wären sie für die Stallarbeit viel zu zart – dabei war sie tüchtig und konnte ordentlich mit zulangen, wenn sie aus ihrer vornehmen Schule nach Hause kam.

Kein Wunder, daß die Bauernburschen aus der ganzen Gegend seinen Hof umschlichen wie die raunzigen Kater. Aber da tat sich nichts! Mit der Vroni wollte er höher hinaus!

Mindestens einen Akademiker! Aber keinen wo notigen – sondern einen, mit dem er rundherum angeben konnte. Und um seine Tochter für einen Akademiker interessant zu machen, wollte der Riedl seinen großen Hof zumindest zu einem kleinen Gutsbetrieb ausbauen.

Das Dirndl, das sie trug, betonte ihre hübsche Figur, und wie sie so auf ihn zuschritt, konnte er nicht mal mehr dem Grafen böse sein, sondern sagte nur zufrieden:

»Fesch bist, Vroni!«

»Warum kommst denn nicht, Vater? Die Messe hat schon angefangen!« ermahnte sie ihn.

»Ach, dieser eingebildete Tropf!« fing er prompt wieder zu schimpfen an.

Die Vroni wußte gleich, um wen es sich handelte. Sie fühlte, wie sie rot wurde, und wendete sich schnell ab.

»Jetzt komm schon, Vater! Unser Kirchenstuhl ist doch so weit vorne!«

»Wie es sich gehört!« erwiderte er zornig. »Die was sind, die sollten nach vorn – und deren Vorfahren vor ein paar hundert Jahren vielleicht einmal was waren, die gehören nach hinten!«

»Ach, Vater! Laß das doch! Auch wenn sie kein Geld mehr haben, sind die Grafen Sutenau doch eine gute, traditionsreiche Familie.«

»Was redest du da für einen Schmarren?« fuhr er auf. »Lernst du das in deiner feinen Schule?«

»Im Geschichtsunterricht, da wird immer wieder der Name Sutenau erwähnt. Die waren beim Kaiser und später bei den bayrischen Herrschern – «

»Ich hör immer ›waren‹! Und das streite ich ja nicht ab! Aber jetzt! Was sind sie jetzt? Und wieso verteidigst du sie plötzlich?« fragte er auf einmal aufmerksam und mißtrauisch.

»Ich will nur gerecht sein«, erwiderte sie unwillig und fühlte, wie sie wieder dunkelrot wurde. »Und jetzt geh ich in die Kirche, sonst ist die Messe aus! Und du kannst meinetwegen hier stehen bleiben und dich weiterärgern!«

Aber das wollte der Riedl natürlich nicht, sondern er hakte sich bei seiner Tochter unter und marschierte mit ihr durch das Kirchenschiff, bis nach vorn zu seinem angestammten Platz, von wo er den Grafen Sutenau gut im Blick hatte.

Und dieser ihn.

*

Natürlich hatte das verlegene Erröten der Vroni Riedl einen Grund. Und dieser Grund war niemand anderer als ein besonders gut aussehender, fröhlicher junger Mann, der eben seine Ausbildung zum Reserve-Offizier bei der Bundeswehr machte.

Auch der Veronika Riedl wäre es als stolze Bauerntochter lieber gewesen, wenn es sich bei dem jungen Herrn, der sie so tief beeindruckt hatte, nicht um den Grafen Erwein von Sutenau gehandelt hätte.

Aber – was konnte man schon gegen das Schicksal unternehmen?!

Die frommen Herren des Benediktinerordens hatten als Zugeständnis an die modernen Zeiten, wie alle anderen Gymnasien, denen ein Internat angeschlossen war, für die 16- und 17-jährigen einen Tanzkurs eingeführt. Und weil es sich bei den Besuchern der Schule in dem ländlichen Gebiet zumeist um Landwirtssöhne handelte und diese sehr oft nach dem Einjährigen bereits die Schule verließen und somit den Kurs nicht mehr mitmachten, waren sie auf die Idee gekommen, als Tanzstundenpartner die Soldaten aus der naheliegenden Kaserne einzuladen, vorzugsweise die Offiziersanwärter.

Und zu denen gehörte der elegante junge Graf.

Natürlich gefiel er nicht nur der Vroni Riedl, er gefiel eigentlich allen jungen Mädchen, mit denen er zu tun hatte, und dies nicht nur im Tanzkurs. Und er wäre nicht Anfang Zwanzig gewesen, wenn ihm das keinen Spaß gemacht hätte.

Natürlich hatte man sie streng ermahnt, wie man sich den Schülerinnen einer Klosterschule gegenüber zu benehmen hatte und daß es bei einem bißchen Schmusen bleiben müsse, wenn überhaupt, sonst…