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Große Schriftstellerinnen wie Patricia Vandenberg, Gisela Reutling, Isabell Rohde, Susanne Svanberg und viele mehr erzählen in ergreifenden Romanen von rührenden Kinderschicksalen, von Mutterliebe und der Sehnsucht nach unbeschwertem Kinderglück, von sinnvollen Werten, die das Verhältnis zwischen den Generationen, den Charakter der Familie prägen und gefühlvoll gestalten. Mami ist als Familienroman-Reihe erfolgreich wie keine andere! Seit über 40 Jahren ist Mami die erfolgreichste Mutter-Kind-Reihe auf dem deutschen Markt! Der Wind fuhr durch die kahlen Zweige der Bäume, dass sie ächzten und stöhnten. Wo der Schnee bereits weggeschmolzen war, lagen noch die Blätter vom Vorjahr schwarz und feucht auf der Erde. Die Wolken hingen tief und grau am Himmel. Novemberwetter. Dabei war es Anfang März, und die Vögel probten bereits ihre Liebeslieder.Nur wenige Menschen standen fröstelnd um das offene Grab. Der Geistliche hatte sich bereits verabschiedet. Es war eine Beerdigung im engsten Familienkreis gewesen. Der Verstorbene hatte es sich so gewünscht.Angelika drängte sich eng an ihren Mann. Er legte den Arm um sie.»Meinst du nicht –?«, fragte er flüsternd.Sie schaute zu ihrer Mutter hinüber und schüttelte ärgerlich den Kopf. So lange Ella Hansen unbeweglich, in Gedanken oder Gebet versunken, am Grab ihres Mannes stand, mussten sie eben warten.Der Verstorbene, Heinrich Hansen, ein angesehener Rechtsanwalt, war nach langer schwerer Krankheit endlich von seinem Leiden erlöst worden.»Der Frühling hat ihn geholt«, hatte Ella gesagt. Und erzählt, dass er noch die Amseln singen gehört hatte. »Es ist gut so!«, hatte sie tapfer hinzugefügt.
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Seitenzahl: 109
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Der Wind fuhr durch die kahlen Zweige der Bäume, dass sie ächzten und stöhnten. Wo der Schnee bereits weggeschmolzen war, lagen noch die Blätter vom Vorjahr schwarz und feucht auf der Erde. Die Wolken hingen tief und grau am Himmel. Novemberwetter. Dabei war es Anfang März, und die Vögel probten bereits ihre Liebeslieder.
Nur wenige Menschen standen fröstelnd um das offene Grab. Der Geistliche hatte sich bereits verabschiedet. Es war eine Beerdigung im engsten Familienkreis gewesen. Der Verstorbene hatte es sich so gewünscht.
Angelika drängte sich eng an ihren Mann. Er legte den Arm um sie.
»Meinst du nicht –?«, fragte er flüsternd.
Sie schaute zu ihrer Mutter hinüber und schüttelte ärgerlich den Kopf. So lange Ella Hansen unbeweglich, in Gedanken oder Gebet versunken, am Grab ihres Mannes stand, mussten sie eben warten.
Der Verstorbene, Heinrich Hansen, ein angesehener Rechtsanwalt, war nach langer schwerer Krankheit endlich von seinem Leiden erlöst worden.
»Der Frühling hat ihn geholt«, hatte Ella gesagt. Und erzählt, dass er noch die Amseln singen gehört hatte. »Es ist gut so!«, hatte sie tapfer hinzugefügt.
Ja, es war wirklich gut. Aber – was wurde jetzt aus ihr? Sie war so viel jünger als ihr verstorbener Mann, und jetzt war sie plötzlich allein! Die letzten Jahre hatte die Aufgabe, ihn zu pflegen, sie vollkommen ausgefüllt. Aber wie würde sie mit der Einsamkeit zurechtkommen?
Darüber hatte man schon öfter gesprochen, auch ihr Mann, Heinrich, der Vater von Angelika, hatte sich darüber Gedanken gemacht. Er war siebzehn Jahre älter gewesen, achtundsiebzig, als er starb. Ella war erst einundsechzig. Und sah aus wie höchstens Mitte, Ende fünfzig. Nicht die letzte Zeit, in der sie so überarbeitet und unglücklich gewesen war. Aber zuvor. Und bestimmt auch, wenn sie sich wieder erholt hatte.
Auch die dreizehnjährige Franziska, das einzige Enkelkind, schaute immer wieder zu ihrer Großmutter hin. Sie trat von einem Fuß auf den anderen. Es half doch nichts, wenn sie sich alle einen Schnupfen holten! Und man hatte doch immer gesagt, sogar Opa selbst, dass die Schmerzen einfach unerträglich waren. Es war doch wirklich eine Erlösung! Er war so tapfer gewesen! Sie schnupfte auf.
Als sie zu ihrer Mutter hinsah, schüttelte diese verweisend den Kopf. Papi drehte das Gesicht zur Seite. Man sah ihm an, dass er auch gern gegangen wäre.
Sie holte tief Luft – und trat leise zu ihrer Großmutter.
»Omi! Bitte! Es ist so kalt!«
Ella sah sie an. Sie war ganz weiß im Gesicht, nur die feine kleine Nase war von der Kälte gerötet.
»Natürlich«, erwiderte sie mit dünner Stimme. »Entschuldigt. Du hast ja recht, Franzi. Es ist nur – ich habe solche Angst davor, nach Hause zu kommen!« Und jetzt weinte sie zum ersten Mal an diesem Tag.
»Omilein!« Franzi weinte sofort mit.
»Was redest du da?!« Auch Angelika war zu ihrer Mutter getreten und hatte sie in die Arme genommen. Auch ihr liefen Tränen über die Wangen. »Du kommst jetzt mit uns nach Hause! Es ist doch das Haus, das ihr uns geschenkt habt, du und Vater! Es ist selbstverständlich, dass du, solange du willst, bei uns bleibst! Vater würde das auch so wollen! Wir lassen dich doch nicht allein!«
»Ja!« Ella nickte und wischte sich die Tränen ab. Gott sei Dank musste sie nicht in die leere Wohnung zurück. Heute nicht und vielleicht auch nicht die nächsten Tage.
Dr. Frank Rieder, Anwalt wie sein verstorbener Schwiegervater, ging langsam hinter den dreien her: Schwiegermutter, Ehefrau und Tochter.
Er hatte beide Schwiegereltern immer sehr geschätzt und sich ausgezeichnet mit ihnen verstanden. Er und Heinrich waren sich darüber im Klaren, dass es auf die Dauer nicht gut gehen würde, wenn sie alle zusammen in dem großen alten Haus lebten – auch wenn theoretisch genug Platz wäre. Quadratmetermäßig. Aber es waren keine abgeschlossenen Wohnungen. Es war eine der großen Einfamilienvillen, wie sie um 1900 gebaut wurden.
Deshalb hatte Heinrich erklärt, als Franzi unterwegs war, das Kindergeschrei würde ihn nervös machen, und hatte die schöne Dachterrassenwohnung in der Mitte der Stadt gekauft. Hier war alles leicht zu erreichen – Museen, Theater und Freunde. Und bis zu seiner Erkrankung war es ja auch ideal gewesen. Sie hatten ein Abonnement für Konzert und Oper, und manchmal gingen sie auch ins Theater, um über die neumodischen Inszenierungen zu schimpfen und zu lachen.
Aber jetzt? Vielleicht hätte er mit Heinrich darüber reden sollen, als es ihm noch besser ging. Aber verständlicherweise hatte er sich gescheut. Doch vielleicht waren seine Befürchtungen umsonst. Ella war ja eine kluge Frau!
Er holte die drei ein.
»Beeilt euch! Damit wir ins Warme kommen!« Und er lief voraus, um die Heizung im Wagen gleich anzustellen.
*
»Bleib sitzen! Bleib sitzen! Ich mache das schon!«, rief Ella und lachte aufgeregt. »Du hast den ganzen Tag im Garten gearbeitet, Geli. Bestimmt hast du morgen einen fürchterlichen Muskelkater! Aber die Beete sind wunderschön geworden, all die bunten Tulpen. Und die Rosen sehen auch vielversprechend aus!«
»Franzi, hilf der Oma abtragen!«, sagte Frank streng zu seiner Tochter.
»Oooch!«
»Nichts och! Du hilfst!«, fuhr er sie ungeduldig an.
»Ich bin auch müde! Wir haben für das Frühlings-Turnfest trainiert!«, protestierte Franzi und verzog ihren hübschen Mund zu einem Schmollen.
»Lass sie doch, wenn sie müde ist! Mir macht das nichts, zweimal zur Küche und zurück, das schaffe ich gerade noch!«, rief Ella vergnügt und eilte mit dem beladenen Tablett ins Haus. Es war ein warmer Maiabend, und sie hatten zum ersten Mal in diesem Jahr auf der Terrasse zu Abend gegessen.
Franzi sah ihre Eltern an. Sie grinste.
»Was macht ihr für Gesichter? Seid doch froh, wenn sie euch etwas abnimmt!«
»Wenn ich sage, dass du helfen sollst – dann hilfst du! Verstanden?« Frank war am Explodieren.
»Bitte, Frank!« Seine Frau legte ihm die Hand auf den Arm. »Sie meint es doch gut!«
»Sie meint es zu gut!«, entgegnete er unwirsch. »Dich nervt das doch auch! Ich sehe es dir an! Sie schmeißt inzwischen den ganzen Haushalt, und ich komme mir vor wie zu Besuch!« Mürrisch legte er die Serviette zusammen und schob sie in den silbernen Ring mit seinem Namenszug. Ein Geschenk der Schwiegereltern. Auch Angelika und Franzi hatten den gleichen.
»Es ist doch nur, bis sie sich ans Alleinsein gewöhnt hat«, bat Geli. Natürlich hatte er recht, und es nervte sie auch. Aber sie verstand ihre Mutter und hatte Mitleid mit ihr. »Sie gibt sich solche Mühe!«
»Viel zu viel! Heinrich wäre meiner Meinung!«
»Was ist mit Heinrich?« Ella war mit dem leeren Tablett zurückgekommen und hatte die letzten Worte gehört.
Frank schluckte, dann sagte er betont freundlich: »Er würde bestimmt finden, dass du dich entspannen und ausruhen sollst!«
»Aber das bisschen Haushalt ist doch keine Arbeit. Das mache ich gern! Für die schweren Arbeiten habt ihr ja ohnehin eine Zugehfrau. Und es ist ja nicht so, dass für Geli nichts zu tun übrig bleibt«, erwiderte Ella, während sie die restlichen Teller und Platten auf das Tablett stellte. »Ich möchte mich doch nur ein bisschen nützlich machen – zum Dank, dass ich hier wohnen darf!« Und nach diesen Worten nahm sie das Tablett und trug es wieder hinaus in die Küche.
»Es sind jetzt fast drei Monate«, begann Frank erneut, als Ella ihn nicht mehr hören konnte.
»Mein Gott, Frank! Drei Monate!« Geli schüttelte den Kopf.
»Und wie lange soll es noch gehen?«
»Ihr wolltet doch immer schon eine schöne Reise machen«, fiel es Franzi ein. »Bisher ging es nicht, weil ihr auf das Haus und mich aufpassen musstet – jetzt ist Omi da! Die passt gern auf mich auf!« Sie kicherte.
»Franzi hat recht!«, ging Geli sofort auf den Vorschlag ihrer Tochter ein. »Ich wollte schon lange eine Mittelmeerkreuzfahrt machen. Oder wenn es dir lieber ist: Die Ostsee hinauf bis Helsinki und dann die baltischen Staaten und das ehemalige Ostpreußen. Deine Familie kommt doch von dort!« Sie und Franzi tauschten einen Blick: Sie hatten gewonnen!
»Stimmt. Das würde mich wirklich interessieren. Aber so schnell kann ich nicht weg.«
»Im August! Wenn ich Ferien habe!«, rief Franzi schnell.
»Und so lange soll sie noch hierbleiben?«
»Zwei Monate!«, riefen Mutter und Tochter. Was war das schon.
»Gut. Aber vorher muss geklärt werden, dass sie dann sofort zurück in ihre Wohnung geht«, legte Frank energisch fest.
Geli seufzte. Das würde nicht einfach werden.
»Doch! Darauf bestehe ich!«, sagte er, und es klang ausgesprochen gereizt. »Als ich das letzte Mal spontan mit ein paar Kollegen ankam, mussten wir wieder gehen, weil sie ein paar alte Freundinnen zum Bridge geladen hatte. Ich habe nichts dagegen, wenn sie sich jemanden einlädt. Aber es geht nicht, dass ich in meinem Haus anfragen muss, ob es passt!«
»Die Spülmaschine läuft jetzt schon!«, rief Ella, die aus der Küche zurückkam. Sie ließ sich in den Korbsessel fallen, auf dem sie zum Abendessen gesessen hatte, und sah sich lächelnd um. »Was für ein schöner Garten!«, stellte sie zufrieden fest. »Und? Habt ihr schon nachgesehen, was das Fernsehen uns bietet?«
»Fußball!«, sagte Frank patzig.
»Oje!« Sie lachte. »Da haben wir leider nichts zu melden!« Und weil alle etwas betreten schwiegen, schlug sie schnell vor: »Was meint ihr: Ich könnte doch unseren Breitwandfernseher hierherbringen lassen …«
»Kommt nicht infrage! Dieser scheußliche Gegenstand passt nicht in unser Wohnzimmer!« Frank verlor endgültig die Nerven.
»Nun ja, natürlich nicht hier ins Wohnzimmer. In den Schrank, in dem euer kleinerer steht, würde er auch gar nicht Platz haben. Aber vielleicht …«
»Nein! Mir kommt kein zweiter Fernseher ins Haus!« Frank sprang auf und verließ die Terrasse.
»Was hat er denn? Ich meine es doch nur gut!«, sagte Ella betroffen.
»Der beruhigt sich schon wieder!« Franzi gab sich Mühe, nicht zu lachen.
»Ich sehe mal nach ihm.« Geli stand auf. »Wahrscheinlich hat er Ärger in der Kanzlei.«
»Natürlich.« Ella war voller Verständnis. »Heinrich war in so einem Fall auch schwierig!« Sie blinzelte Franzi zu. »Männer!«
Angelika hatte sich nicht geäußert, sondern war ihrem Mann in sein Arbeitszimmer gefolgt, um ihn zu beruhigen.
»Omi …« Franzi sah ihre Großmutter an. »Ich muss dir etwas sagen.«
»Ja, mein Schatz!«
Franzi holte tief Luft und brachte es dann doch nicht über sich. Sie liebte ihre Oma. Schon, weil die fast immer auf ihrer Seite war, wenn es schlechte Noten gab oder sie abends länger wegbleiben oder bei einer Freundin übernachten wollte. Aber auch ohne diese Dinge verstand sie sich sehr gut mit ihr.
»Mach es nicht so spannend, sonst werde ich noch ganz nervös!« Ella lachte, und Franzi dachte wieder einmal, wie jung und hübsch ihre Großmutter aussah. Gar nicht wie eine alte Oma, sondern immer noch wie eine attraktive Frau mit ihren schönen weißen Haaren, dem gepflegten Gesicht und den strahlend blauen Augen. »Nun sag schon!«
»Omi, du weißt doch, dass Mami und Papi immer schon einmal eine Schiffsreise machen wollten. Aber es ging nicht – wegen mir und dem Haus und was weiß ich. Opa war auch die letzten Jahre so krank …«
»Und du meinst, ich soll ihnen anbieten, auf dich und das Haus aufzupassen, damit sie endlich diese Reise machen können? Aber das tue ich doch gern!«, rief Ella. »Ich bin doch froh, wenn ich mich dafür revanchieren kann, dass ihr mich nicht in meiner Wohnung allein lasst!«
»Prima!«, sagte Franzi etwas ernüchtert. Ganz offensichtlich hatte Oma vor, hier wohnen zu bleiben. Aber eigentlich war das Haus ja wirklich groß genug! Man sollte ihr nur irgendwie klarmachen, dass sie vielleicht – nicht immer – überall – dabei war!
Aber: Wie sagte man das, ohne sie zu verletzen?
Jetzt kam ihre Mutter zurück.
»Geli!«, rief Ella sofort. »Franzi hat mir eben von der Schiffsreise erzählt, die ihr so gern machen möchte. Selbstverständlich passe ich auf Franzi auf!«
»Natürlich, Mama! Aber was sich Frank vorstellt, wird bestimmt drei bis vier Wochen dauern und entsprechend teuer sein. Es war nur so eine Idee. Eigentlich ist es mir auch zu lange. Vierzehn Tage würden mir vollauf genügen!«
»Unsinn. Wenn schon, denn schon!« Man sah Ella an, dass sie nachdachte. Dann ging ein Strahlen über ihr Gesicht. »Ich kann euch doch etwas dazuschießen. Schau, so angestrengt, wie ihr beide seid, braucht ihr bestimmt erst mal einige Zeit, um euch zu entspannen.«
»Bitte, Mama!« Du liebe Zeit! Das passte Frank bestimmt nicht!
»Du musst es ihm ja nicht sagen!«, erriet ihre Mutter ihre Gedanken. »Außerdem kann ich meiner Tochter doch etwas schenken!«
»Natürlich, Mama. Aber mache jetzt bitte keine Bemerkung bei ihm. Ich möchte es ihm lieber unter vier Augen vorschlagen. Er muss doch erst einmal sehen, wann er von seiner Kanzlei am besten fort kann.«
»Am besten im Juli«, schlug Franzi vor. Dann waren sie weg, wenn die Zeugnisse kamen, und ersparten sich die zu erwartende Aufregung. Vier Wochen später sah alles schon ganz anders aus.
Jetzt kam Frank zurück, öffnete die Türen des schönen, alten Schrankes, in dem der Fernsehapparat verborgen war, und stellte ihn an. Er hatte eine Flasche Wein mitgebracht und holte jetzt zwei Gläser. Zwei!
Franzi sah ihre Mutter an. Die seufzte.