Ebereschenzauber - Felicity Green - E-Book

Ebereschenzauber E-Book

Felicity Green

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Beschreibung

DAS GEHEIMNIS VON CONNEMARA wird endlich gelüftet!


Alice muss alles aufs Spiel setzen, damit Morrigan ihr wahres Gesicht zeigt …

Seit ihrer Entführung in die Anderswelt verfolgt Alice ein Ziel: Ciaras Seele, die in ihr wiedergeboren wurde, vor der mächtigen Phantomkönigin der Sidhe zu retten. Als sie sich deshalb den Rebellen anschließt, riskiert sie dafür sogar ihr Liebesglück mit Fee Dylan.


Doch nun mischen sich noch dunklere Mächte ein und Freunde und Familie in der Menschenwelt schweben in tödlicher Gefahr. Alice scheint nichts anderes übrig zu bleiben, als Ciaras Seele aufs Spiel zu setzen und sich mit der undurchsichtigen Königin Morrigan zu verbünden.


Jetzt beginnt ein Wettlauf gegen die Zeit – und das Schicksal. Denn auch Menschensklaven und Feen in der Anderswelt setzen ihre Hoffnung auf Alice. Wird sich die Prophezeiung des Druiden erfüllen und Alice die rote Königin der Anderswelt werden? Oder können Alice und Ciara beide endlich frei sein?

Lass dich von Alice auf eine fantastische Reise durch das Irland der Anderswelt mitnehmen und erlebe mit ihr den abenteuerlichen Kampf gegen böse Mächte und ihr vermeintliches Schicksal: Mit EBERESCHENZAUBER kommt die fesselnde CONNEMARA-Saga zu einem fulminanten Ende. Möchtest du herausfinden, was das Geheimnis von Connemara ist? Dann jetzt "kaufen" klicken!

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Veröffentlichungsjahr: 2016

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Ebereschenzauber

Das Geheimnis von Connemara

Felicity Green

Felicity Green

Ebereschenzauber

Das Geheimnis von Connemara

Band 3

© Felicity Green, 2. Auflage 2018

www.felicitygreen.com

Veröffentlicht durch:

A. Papenburg-Frey

Schlossbergstr. 1

79798 Jestetten

[email protected]

Umschlaggestaltung: CirceCorp design–Carolina Fiandri, circecorpdesign.com Coverbild: Depositphotos ©heckmannoleck, FlexDreams, DanFLCreativo

Korrektorat: Wolma Krefting, bueropia.de

Alle Rechte, einschließlich dem des vollständigen oder teilweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.

Personen und Handlungen sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden und verstorbenen Personen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.

www.felicitygreen.com

Erstellt mit Vellum

Inhalt

Prolog

Kapitel Eins

Kapitel Zwei

Kapitel Drei

Kapitel Vier

Kapitel Fünf

Kapitel Sechs

Kapitel Sieben

Kapitel Acht

Kapitel Neun

Kapitel Zehn

Kapitel Elf

Kapitel Zwölf

Kapitel Dreizehn

Kapitel Vierzehn

Kapitel Fünfzehn

Kapitel Sechzehn

Kapitel Siebzehn

Kapitel Achtzehn

Kapitel Neunzehn

Kapitel Zwanzig

Kapitel Einundzwanzig

Kapitel Zweiundzwanzig

Kapitel Dreiundzwanzig

Kapitel Vierundzwanzig

Kapitel Fünfundzwanzig

Kapitel Sechsundzwanzig

Kapitel Siebenundzwanzig

Kapitel Achtundzwanzig

Kapitel Neunundzwanzig

Kapitel Dreissig

Kapitel Einunddreissig

Kapitel Zweiunddreissig

Kapitel Dreiunddreissig

Kapitel Vierunddreissig

Danke & gratis Geschichte

Die Autorin

Prolog

22. Juli 1691

Morrigan

Vor der Silhouette des Felsens tanzten die Lichter auf den schwarzen Wellen gleich Abertausenden von Glühwürmchen im Dunkel der Nacht.

Einen gefährlichen Moment lang nahm mich der Anblick gefangen. Zu frisch waren die Erinnerungen daran, wie das Mädchen, das ich noch vor wenigen Stunden gewesen war, seine Umgebung wahrgenommen hatte. Wie sie die Schönheit in solchen Naturphänomenen gesehen, sich von Emotionen hatte mitreißen lassen. Jeden Tag aufs Neue hatte sie Dutzende Wunder erlebt, über sie gestaunt und sich an ihnen erfreut oder unter ihnen gelitten.

Ach, die menschliche Essenz: wie ich sie liebte, hasste, brauchte.

Gerade noch rechtzeitig wurde ich mir gewahr, dass dieses Mädchen nicht mehr lebte, dass ich nicht länger in seinem Körper gefangen war. Denn das Blatt hatte sich gewendet und ich hatte ihren Körper gefangen genommen. Ihre Seele war immer noch in mir, ich würde mich noch ein Menschenleben lang an ihren Erinnerungen laben können. Aber ich hatte endlich die Kontrolle. Ich war wieder ich: Morrigan, Phantomkönigin der Sidhe.

Und die Lichtpunkte waren keine Glühwürmchen, sondern die Seelen der über siebentausend Soldaten, die gerade bei der Schlacht von Aughrim gefallen waren. Ich beobachtete hier kein wundersames Naturereignis, im Gegenteil; die Natur war von meiner Schwester hier und heute aufs Übelste pervertiert worden.

Schon kam sie aus dem Tunnel geflogen, der in der Mitte gleich einem Loch quer durch den Felsen ging.

Meine geliebte Schwester, Badb.

Ich duckte mich hinter einem Felsvorsprung, bevor sie mich auf der kleinen Insel unweit des Felsens stehen sah, von der aus ich sie und die Seelen beobachtete. Ich brauchte einen Augenblick, um zu überlegen, was zu tun war. Dafür hatte ich bislang keine Zeit gehabt. Seit ich vom Plan meiner Schwester erfahren hatte, war eine panische Impulshandlung der anderen gefolgt. Aber wie hätte ich auch anders reagieren können? Meine Schwester hatte den Zeitpunkt, für was immer sie gleich vorhatte, gut gewählt. Ich war das schöne, schwarzhaarige Mädchen in der Menschenwelt gewesen. Ich war so nahe der Schlacht, deren Ausgang sie so blutig wie möglich gestalten wollte, und doch unfähig gewesen, sie daran zu hindern, Geschichte umzuschreiben.

Es hatte mich all meine Kraft und mein Können gekostet, an die Oberfläche des Bewusstseins dieses Menschenmädchens zu dringen, um den jakobitischen Soldaten vor dem Verräter zu warnen. Eine Warnung, die einfach ignoriert worden war. Die Erinnerung des Mädchens, wie es auf dem vom Blut schlüpfrigen Gras ausrutschte und fassungslos die Leichen der Soldaten um sich herum wahrnahm, trieb mir Tränen in die Augen. Pure Verzweiflung hatte mich angetrieben, das Mädchen zum Festungsgraben gehen zu lassen, sich die Kapuze des Umhangs mit Steinen zu beschweren und sich im Wasser des tiefen Grabens zu ertränken. Wie furchtbar auch die Konsequenzen dieser unsäglichen Handlung sein mochten, nur als Morrigan in der Anderswelt würde ich Badb stoppen können. Deshalb hatte ich mir das Menschenleben selber nehmen müssen.

Dann war ich an diesen Ort geeilt, den Donn geschaffen hatte, um die Seelen vor ihrer letzten Reise nach Tír na nÓg zu versammeln. Hier würde Badb die Früchte ihrer grausamen Arbeit ernten. Doch zu welchem Zweck? Was hatte sie mit ihnen vor?

Die schwarze Krähe umrundete den Felsen ein paarmal, so als würde sie ihre Schäfchen zusammentreiben. Denn die Seelen trieben alle auf eine Längsseite des Felsens vor die Öffnung zu. Die Krähe ließ sich auf einem Vorsprung über dem Tunnel nieder. Ich konnte im Schein des Lichtermeers deutlich sehen, wie sie sich nach und nach in eine Greisin verwandelte.

Badb war die älteste von uns drei Schwestern, aber wir waren alle alt. Macha und ich hatte beide unsere eigenen Methoden, ein jüngeres Erscheinungsbild zu bewahren, doch Badb versteckte ihr Alter nicht. Sie hatte die wenigen grauen Haarsträhnen, die ihr geblieben waren, zu zwei langen, rattenschwanzdünnen Zöpfen geflochten. Die Kopfhaut schimmerte an vielen Stellen durch. Ihr Gesicht hätte beinahe skelettartig gewirkt, so scharf waren die Wangenknochen, so tief lagen die Augen, wenn es nicht eine überproportional große Hakennase verunzieren würde, aus der weiße Haare sprossen. Die lederartige weiße Haut warf derart Falten, dass dicke Warzen darin verschwanden. Ihr Körper war ebenso alt und sie hatte einen Buckel, doch davon sollte man sich nicht täuschen lassen. Badb war genauso agil wie ich, die jüngste der drei Anand-Schwestern, in der immer wiederkehrenden Gestalt des jungen, anmutigen Mädchens.

Gespannt wartete ich, was Badb als Nächstes tun würde. Ich hatte keine Ahnung, was genau sie unternehmen würde, um die Welten zu erobern und mich zu vernichten, deshalb wusste ich noch nicht, wie ich sie daran hindern sollte. Ich befürchtete, es hatte etwas mit Tír na nÓg zu tun, wo die Seelen der Soldaten hinkommen sollten. Würde sie versuchen, mit ihnen zu gehen? Nur mir hatten die Götter die Gabe gegeben, Tír na nÓg zu betreten. Eines von vielen Privilegien, die Badb mir neidete.

Badb sprach ein paar Worte – ein Zauberspruch, den ich schnell zu deuten versuchte. Es war unsere Sprache, aber nicht unsere Magie. Es war, was wir schwarze Magie nannten. Kaum waren die Worte ausgesprochen, verwandelte sich meine Schwester wieder in eine Krähe. Sie flog zu den Lichtern hinunter und pflückte sie mit dem Schnabel von den Wellen. Während ich noch fieberhaft über den Zauberspruch nachdachte, strengte ich mich an, zu sehen, wo sie die Seelen hinbrachte. Nirgendwohin. Es war, als ob sie in ihrem Schnabel verschwanden. Als ich verstand, was sie da tat, lähmte mich der Schock.

Sie konsumierte sie. Badb fraß die Seelen der toten Soldaten auf.

Noch nie hatte ich von so etwas gehört, geschweige denn gesehen. Eine dunkle, dunkle Ahnung machte sich in mir breit.

Ohne es zu bemerken, musste ich mich vor lauter Faszination aufgerichtet haben. Denn die Krähe hielt inne, blieb mitten in der Luft stehen und schaute mich an. Es war vielleicht nur noch die Hälfte der Seelen auf dem Wasser, dennoch gaben sie genug Licht, sodass ich die Augen der Krähe glutrot aufleuchten sah. Es waren Badbs Augen, die mich anstarrten.

Bevor ich reagieren konnte, kam sie auf mich zugeschossen. Ich verstand nicht wieso, aber die Krähe wurde größer und größer, bis sie mir so groß wie der Felsen erschien, auf dem sie gerade noch gesessen hatte. Waren es die Seelen, die ihr diese Kräfte verliehen hatten?

Ich konnte mich nicht bewegen, war mir aber dumpf bewusst, dass ich ihr sowieso nicht ausweichen könnte. Es gab nur eins, was ich tun konnte. Meine tauben Lippen formten die Worte, die mich die Götter gelehrt hatten. Ich würde sie nur ein einziges Mal aussprechen können. Die riesige schwarze Krähe war keine Armlänge von meinem Gesicht entfernt, als sie sich in Luft auflöste.

Ich wagte nicht zu atmen. Hatte ich es tatsächlich getan? Ich blieb auf der kleinen Felsinsel stehen, bis die Sonne aufging. Erst da begriff ich, dass es mir gelungen war.

Ich hatte Badb, meine Schwester, aus der Anderswelt verbannt. Sie würde mich nicht vernichten können, nicht, solange ich in der Anderswelt weilte. Sie würde die Herrschaft über diese Welt nicht an sich reißen können. Ich hatte mein Volk, die Sidhe, vor ihrer schwarzen Magie beschützt.

Doch es gab keinen Anlass zu jubilieren. Meine Welt war gerettet, aber andere Welten musste ich damit verdammt haben. Irgendwo musste Badb schließlich hingegangen sein. Ich war mir auch bewusst, welche Welt am meisten darunter leiden würde.

Die der Menschen. Denn die Seelen der toten Soldaten von Aughrim würden nicht von den weißen Pferden geholt werden, die sie nach Tír na nÓg geleiteten. Ein dunkler Sog entstand vor dem Tunnel im Felsen des Donn. Dort wurden die Seelen hineingezogen, eine nach der anderen. Wo auch immer sie hinkommen würden, es konnte nichts Gutes verheißen.

Denn ich hörte ihre schrillen Schreie, als ich mich vom Felsen abwandte und mich auf den Weg nach Hause, nach Connemara machte.

Kapitel Eins

Alice

Auf dem Gipfel des Berges Lurigethan blies ein eisiger Wind. Ich zog meinen Mantel enger um mich und trat näher an die raue, aber schützende Mauer des Forts. Mein Gesicht war jetzt schon kalt; ich hätte daran denken sollen, Schal und Mütze anzuziehen. Es war schließlich früh am Morgen und der Sonnenaufgang noch fern. Außerdem war es bereits … Mitte Dezember.

Mitte Dezember! Ich hatte in letzter Zeit keinen Gedanken daran verschwendet, welchen Monat, geschweige denn, welches Datum wir hatten. Schließlich gab es für mich wichtigere Dinge, um die ich mich sorgen musste. Aus dem Palast der Sidhe-Königin zu fliehen, beispielsweise. Herauszufinden, was Königin Morrigan mit der Seele des Mädchens Ciara vorhatte, die immer noch in mir wohnte und die Morrigan um jeden Preis haben wollte. Wieder ins Dublin der Menschenwelt zu gelangen, um mich zu vergewissern, dass es meiner Familie und meinen Freunden dort gut ging. Meine beste Freundin Bridget zu retten, die von einem bösen Sidhe besessen worden war. Vor Badb, Morrigans Schwester, zu fliehen, die dafür verantwortlich gewesen war und finstere Pläne für mich hatte. Einen Weg zu finden, Ciaras Seele nach Tír na nÓg zu bringen, wo sie hoffentlich ewigen Frieden finden würde.

Ich seufzte. Die Liste meiner Sorgen war endlos. Kein Wunder, dass so etwas wie das bevorstehende Weihnachtsfest in der Menschenwelt völlig in den Hintergrund getreten war. Jetzt, an diesem dunklen, kalten Dezembermorgen, an dem ich, von einem Fuß auf den anderen tretend, auf Colleen wartete und nichts anderes zu tun hatte, als über die letzten Tage nachzudenken, fiel mir auf einmal ein, dass ich Weihnachten und meinen Geburtstag am 1. Februar nicht mit meiner Familie feiern würde. Eine Konsequenz meiner Entscheidung, Familie und Freunde zurückzulassen und in die Anderswelt zurückzukehren. In Anbetracht der Tatsache, was sonst gerade für mich und für sie auf dem Spiel stand und wie sehr ich um ihre Sicherheit besorgt war, war so etwas natürlich völlig nichtig. Nichtsdestotrotz liefen mir beim Gedanken daran sofort heiße Tränen das kalte Gesicht hinunter. In dem Augenblick sehnte ich mich nach nichts mehr als einem ordinären Weihnachten, mit Bauchschmerzen von zu viel Schokolade und Plätzchen, kitschiger Weihnachtsdeko, immer denselben nervigen Weihnachtsliedern und all den blöden Traditionen meiner Eltern, wie Toast Hawaii am Heiligabend und dem Abschließen der Wohnzimmertür, bis »das Christkind dagewesen war«. Als ob ich mit mittlerweile achtzehn immer noch daran glaubte. Dieses Jahr würden wir Weihnachten buchstäblich in verschiedenen Welten verbringen und ich hatte noch nicht einmal die Möglichkeit, ihnen ein frohes Fest zu wünschen, selbst wenn ich gewusst hätte, wo sie sich aufhielten. Zu ihrem Schutz war es besser, wenn ich das nicht wusste. Wann ich sie überhaupt wiedersehen würde, stand in den Sternen.

Meine Laune wurde immer düsterer und ich drohte, vollends in Depressionen zu versinken, als mich Colleens zarte Stimme aus den Gedanken riss.

»Alice!«

»Ich bin hier«, rief ich leise und wischte mir schnell die Tränen weg.

Colleens lange Haare waren so hell, dass sie sogar im Dunkeln leuchteten, und so konnte ich ihre schmale Gestalt schnell ausmachen, als sie um die Ecke kam. Ich winkte und trat einen Schritt vor. »Hier.«

»Brrr«, schüttelte sie sich, als sie schnellen Schrittes auf mich zueilte. »Kalt.«

»Ja, tut mir leid. Es gibt bestimmt einen gemütlicheren Ort, um sich zu unterhalten. Und eine angenehmere Uhrzeit. Aber ich wollte unbedingt ungestört mit dir reden, bevor weitere Pläne geschmiedet werden, und da drin«, ich zeigte auf das Fort, »haben die Wände ganz bestimmt Ohren.«

»Auf ein paar Stunden Schlafentzug mehr kommt es jetzt auch nicht an«, winkte Colleen fröhlich ab. Das Feenmädchen erlebte noch immer ihr gefühlsmäßiges Hoch. Vor wenigen Stunden hatte sie ihre außerordentlichen magischen Fähigkeiten dafür benutzt, eine Spionin als solche zu erkennen und im Glenariff-Tal am Fuße des Berges zu finden und zu ergreifen. Das Mädchen Rosie, das sich als Menschensklavin ausgegeben hatte und im nahegelegenen Flüchtlingslager untergekommen war, war in Wirklichkeit halb Mensch, halb Sidhe. Im Auftrag ihrer Mutter Maggie – die Schwester der Königin – hatte sie so das Lager der Anti-Royalisten infiltriert und wäre beinahe mit wichtigen Informationen entkommen. Dank Colleen war diese Gefahr abgewendet worden. Rosie lag jetzt in Ketten im Verlies des Forts. Die sonst so unsichere Colleen hatte sich den Anti-Royalisten als nützliche Verbündete erwiesen. Kurz nach Rosies Gefangennahme war Tio, Colleens Freund, nach mehrtägiger Abwesenheit von einem Auftrag zurückgekommen – mit mir und Dylan im Gepäck. Die Wiedersehensfreude war groß gewesen. Kein Wunder also, dass Colleen immer noch entsprechend aufgekratzt war.

Ich hingegen war mit mehr als gemischten Gefühlen hier angekommen. Aber ich freute mich aufrichtig darüber, wie gut es Colleen ging und wie viel selbstsicherer sie war – kein Vergleich mehr zu dem schüchternen Dienstmädchen, mit dem ich mich vor wenigen Wochen im Palast der Königin angefreundet hatte. Keine Frage: Wieder mit Colleen vereint zu sein, war einer der wenigen wirklich schönen Aspekte meiner Rückkehr in die Anderswelt. Lächelnd umarmte ich das Feenmädchen. »Ich bin froh, dass du hier bist.«

»Und ich kann dir gar nicht sagen, wie sehr ich mich darüber freue, dass du zurückgekommen bist«, antwortete Colleen aufgeregt. »Heißt das, du wirst dich den Anti-Royalisten anschließen und sie zusammen mit Fionn anführen, wie es Mog Ruith prophezeit hat?«

Genau die Frage hatte mir Fionn, Anführer der Anti-Royalisten, vorhin auch gestellt, als ich im Fort eingetroffen war. Ich war einer Antwort geschickt ausgewichen. Es herrschte sowieso Aufregung im Fort, nachdem die Krieger mit der Jagd auf Rosie endlich etwas zu tun gehabt hatten. Die Nachricht, dass ich wieder da war, trug zur ausgelassenen Stimmung bei. Die Rebellen klopften mir auf die Schulter und schüttelten mir die Hand. Fionn kam gar nicht dazu, nachzufragen. Außerdem war er gleichzeitig damit beschäftigt, Dylan misstrauisch zu beäugen. Es schien ihm wohl nicht zu passen, dass ich meinen Freund mitgebracht hatte. Dann stürmten Colleen und Tio in den Speisesaal, wo wir alle versammelt waren. Dylan und ich mussten natürlich sofort berichten, wie wir durch das Ebereschentor in die Anderswelt gekommen waren und uns von dort nach Tara durchgeschlagen hatten, wo Sympathisanten der Anti-Royalisten im Ältestenrat dafür gesorgt hatten, dass Tio uns abholte und mit zum Fort nahm.

Als sich endlich alles etwas beruhigte, schürzte ich Müdigkeit vor – es war schließlich mittlerweile spät in der Nacht, oder besser gesagt früh am Morgen. Ich versprach Fionn, dass wir am nächsten Tag alles ausführlich besprechen würden. Gottseidank erwischte ich auf dem Weg zu dem Zimmer, das Dylan und mir zugeteilt worden war, Colleen noch allein. Wir verabredeten uns eine Stunde später zu einem geheimen Treffen draußen, hinter dem Fort. Ich wollte sehr gerne ungestört mit ihr bereden, was ich vorhatte, bevor ich Fionn irgendetwas versprach. Ich wusste, auf Colleens Loyalität konnte ich auf jeden Fall zählen. Schließlich war sie nicht nur meine gute Freundin, sondern sie hatte sich in meinen Dienst gestellt. Klar war es mir unangenehm, Mog Ruiths komische Prophezeiung auszunutzen, die mir immer noch lächerlich unrealistisch vorkam. Wie bitte? Es war mir vorherbestimmt, Königin der Anderswelt zu werden? Na klar! Dennoch wusste ich, dass Colleen ein solches Versprechen immer ernst nehmen würde. Auch wenn sie noch so viel Selbstbewusstsein gewonnen, sich noch so sehr von Fionns Reden hatte beeindrucken lassen; sie war schließlich eine Sidhe und ihre Berufung als Cailín, Dienerin, machte ihre Identität aus.

»Mir bleibt im Moment wohl nichts anderes übrig, als mich den Anti-Royalisten anzuschließen«, seufzte ich jetzt. Trotz der Dunkelheit konnte ich Colleen ansehen, dass sie sich darüber freute.

»Was ist aus deinem Plan geworden, Badb zu finden und Ciara nach Tír na nÓg zu bringen?«, fragte sie.

Eben das war es, wovon ich Colleen im Vertrauen berichten wollte. Sie war die einzige hier, die über mein Vorhaben Bescheid gewusst hatte – und dabei sollte es auch bleiben. Denn auch wenn ich eine bittere, bittere Niederlage hatte erleiden müssen, hatte ich meinen Plan ganz sicher nicht aufgegeben. Je weniger davon wussten, desto besser.

»Oh, Badb habe ich gefunden – oder besser gesagt, sie hat mich gefunden.« Meine Antwort hörte sich gallig an, was Colleen nicht entging.

»Ich ahne Böses.«

»Böse ist der richtige Ausdruck. Colleen, Badb hat mit Tír na nÓg nichts zu tun, im Gegenteil.« Wir hatten irrtümlicherweise angenommen, dass die dritte der Anand-Schwestern auch die dritte Welt regiert, oder sich zumindest dort aufhielt. Schließlich war Morrigan Königin der Anderswelt, Maggie sorgte angeblich in der Menschenwelt für Recht und Ordnung und Badb ward schon ewig nicht mehr in der Anderswelt gesehen worden. Da lag die Vermutung nahe, dass Badb irgendwas mit Tír na nÓg zu tun hatte, wo die Seelen aller Sidhe und Menschen nach ihrem Tod hinkamen.

»Wir dachten, Morrigan und Maggie wären schlimm. Und das sind sie auch. Skrupellos. Gemein. Despotisch. Morrigan unterdrückt ihr eigenes Volk, indem sie ihm vormacht, Schicksal und Berufung eines jeden Einzelnen seien vorherbestimmt. Die königliche Familie und die Adligen leben in Palästen, während die ordinären Sidhe für sie ackern müssen. Die Menschen werden ebenfalls für ihre undurchsichtigen Zwecke benutzt. Ganz zu schweigen davon, wie sie ihre Menschensklaven behandeln. Was Maggie angeht: Ich werde nie vergessen, wie kalt sie Ciara in den Selbstmord trieb. Und du hast vorhin erzählt, dass Maggie ihrer eigenen Tochter, Rosie, Liebe und Zuneigung vorenthält, damit sie darum kämpfen und sich ihr beweisen muss. Keine Frage, die beiden sind böse. Aber nicht so böse, wie Badb, Colleen. Die fällt noch mal in eine ganz andere Kategorie.«

Ich erzählte Colleen von den enttäuschenden Antworten, die mir die Druidinnen Claire Brennan und Avalynn Wannaugh in der Menschenwelt bezüglich Badb gegeben hatten. In der irischen Mythologie wurde Badb als blutrünstige Alte dargestellt. Als Krähe auf dem Schlachtfeld, die sich an Kriegen und blutigen Kämpfen erfreute. Ich hatte gehofft, dass die Legenden irrten, bis mir meine Freundin Bridget aus erster Hand von Badb berichtet hatte.

Colleen hörte mit offenem Mund zu, als ich erzählte, was meiner Gastfamilie, den O’Tools, zugestoßen war. Sie zitterte längst nicht mehr. Auch ich hatte Kälte und Dunkelheit schnell vergessen, als ich die schmerzhaften Erinnerungen wieder aufkommen ließ.

Professor Seamus O’Tool, den ich liebevoll Prof nannte, war es überhaupt erst zu verdanken gewesen, dass ich in Dublin eine zweite Heimat gefunden hatte. Und jetzt hatte meine Bekanntschaft die O’Tools ins Unheil gestürzt.

Vor einigen Monaten war ich in meiner Heimat Deutschland nach einem Unfall im Krankenhaus aufgewacht. Ich konnte niemanden mehr verstehen und sprach auf einmal eine andere Sprache. Bald stellte sich heraus, dass es Irisch war. Ein Doktor im Krankenhaus rief seinen irischen Bekannten an, der bestätigte: Ich war auf einmal einer Sprache mächtig, mit der ich noch niemals zuvor in Berührung gekommen war. Mehr noch, ich beherrschte sie, als sei sie meine Muttersprache. Der irische Bekannte erzählte seinem Kollegen am Trinity College, Professor O’Tool, von mir. Der Linguistik-Professor war fasziniert von meiner urplötzlichen Sprachbegabung und lud mich nach Dublin ein. Meine Eltern, die beide auf ihre unterschiedliche Weise versuchten, damit fertigzuwerden, wie sich ihre Tochter von ihnen entfremdete, kamen mit. Es entstand eine Freundschaft zwischen den Familien Lohmann und O’Tool, insbesondere zwischen Professor O’Tools Tochter Bridget und mir. Mit Bridgets und Professor O’Tools Hilfe wurde ich Studentin am Trinity College. So entkam ich meinem alten, mir fremd gewordenem Leben.

Natürlich wusste Colleen längst, dass das Problem nicht nur meine neuen Sprachkenntnisse gewesen waren. Ich fühlte mich wie eine andere Person, weil ich die Träume und Erinnerungen eines Mädchens namens Ciara hatte, deren Seele in mir wiedergeboren worden war. Es war ihre Sprache, die jetzt meine Muttersprache war, ihre Erinnerungen, die meine Persönlichkeit ausmachten. Die Familie O’Tool, die mich als Gasttochter bei sich aufgenommen hatte, hatte mir auch dabei geholfen, nach Ciara zu suchen, erzählte ich Colleen jetzt.

Die Spuren führten nach Roundstone, Connemara, wo Ciara Anfang der 1950er-Jahre gelebt hatte und auf mysteriöse Weise gestorben war. Gemeinsam mit den O’Tools reiste ich dorthin. Sie unterstützten mich unvoreingenommen bei meinen Nachforschungen, selbst als solch mysteriöse Dinge wie Hexenbeutel mit Druidenzaubern in unserem Cottage in Roundstone auftauchten. Wieder zurück in Dublin schuf Vera O’Tool ein gemütliches zweites Zuhause für mich, in dem ich mich sehr wohlfühlte. Bridget und ich wurden schnell beste Freundinnen. Sie stand mir emotional zur Seite, als jemand als mein Kommilitone an der Uni auftauchte, den ich aus Ciaras Erinnerungen kannte: Dylan, ihre große Liebe. Bridget erklärte mich nicht für verrückt, sondern glaubte mir, als ich ihr erzählte, dass Dylan ein Sidhe, ein Feenwesen aus der Anderswelt, war und dass er immer noch so aussah wie in den 1950er-Jahren, weil Feenwesen theoretisch unsterblich waren. Bridget vertraute mir ihrerseits an, dass sie eine geheime Affaire mit Padraig O’Cadhla, meinem Seminarleiter hatte. Leider musste ich ihr berichten, dass O’Cadhla ebenfalls ein Sidhe war. Der Ältestenrat der Sidhe hatte den Garda geschickt, um mich in Dylans Gegenwart zu beobachten. Menschen, die von den Sidhe wussten, »verschwanden«. O’Cadhla sollte einschätzen, ob ich durch Ciara zu viel wusste. Gleichzeitig arbeitete er auch für Maggie, wie wir später erfuhren. Als sie hörte, wer der gut aussehende Seminarleiter wirklich war, erklärte sich Bridget mutig dazu bereit, für Dylan und mich bei ihm zu spionieren.

Nach meiner Entführung in die Anderswelt durch Maggie wurde das Zuhause der O’Tools auch ein Zufluchtsort. Für meine Eltern, auf der Flucht vor Maggie, denen die O’Tools schonend beibrachten, warum ich mich so sonderbar verhalten hatte. Für Claire und Avalynn, die sich vor O’Cadhla verstecken mussten. Mit ihren Schutzzaubern schützten die beiden Druidinnen das Haus der O’Tools vor Maggie und Morrigan. Leider nicht vor Badb, einer Feindin, von der wir gar nicht wussten, dass wir sie hatten. Und die auf ganz perfide Weise in diesen Zufluchtsort eingedrungen war und das Leben der O’Tools für immer verändert hatte.

Bridget, ein lebendiges, etwas wildes und abenteuerlustiges Mädchen mit einem Kopf voller blonder Locken, war schon seit einiger Zeit wie ausgewechselt gewesen, so hatte man mir erzählt, als ich vor wenigen Tagen in die Menschenwelt zurückgekommen war. Während wir alle davon ausgegangen waren, dass O’Cadhla mit Maggie im Bunde war, hatte er längst aufgegeben, um Morrigans Gunst zu buhlen. Ihm war wohl der Geduldsfaden gerissen, als er immer nur hingehalten wurde. O’Cadhlas Hunger nach Macht hatte ihn zu einem Bündnis mit Badb getrieben. Sie hatte ihn gelehrt, wie er von Bridget Besitz ergreifen konnte, damit er für Badb im Hause O’Tool spionieren konnte. Bridget war tatsächlich nicht mehr sie selbst gewesen. Sie war O’Cadhla gewesen.

Bis zu diesem Zeitpunkt hatte Colleen mir schweigend zugehört.

»Moment mal«, unterbrach sie mich jetzt. »Du meinst, O’Cadhlas Geist war die ganze Zeit in Bridgets Körper? Und wo war O’Cadhlas Körper?«

»In einer komischen Konservierungsflüssigkeit in der Badewanne in seiner Wohnung. Maggie, die Bridget schnappen wollte, um mich unter Druck zu setzen, ist ihr eines Tage gefolgt und war überrascht, als sie in O’Cadhlas Wohnung ging. Maggie hat Bridget mit einem Immobilisierungszauber gelähmt und hat dann die O’Tools kontaktiert. Dylan und ich sind sofort dorthin. Maggie hat nur mich in die Wohnung gelassen und hat mir O’Cadhlas Körper in der Badewanne gezeigt – sie wusste selber nicht, was das alles zu bedeuten hatte.«

Colleen schüttelte ungläubig den Kopf. »Von so etwas habe ich ja noch nie etwas gehört.«

»Es ist ja auch keine Sidhe-Magie. Badb beherrscht noch eine andere, eine schwarze Magie. Maggie musste den Immobilisierungszauber lösen und wurde von Bridget in eine schwarze Katze verwandelt, bevor sie überhaupt ein weiteres Wort herausbringen konnte. Sie ließ die große Maggie, erste Druidin in der Menschenwelt, wie eine Amateurin dastehen. Es war natürlich Badbs Zauber, den sie O’Cadhla alias Bridget beigebracht hatte. O’Cadhla gab sich mir gegenüber zu erkennen und verwandelte sich zurück. Ich bekam nichts davon mit, denn die Druckwelle dieses Zaubers haute mich um und ich schlug mir den Kopf an. Aber Dylan gelang es, in die Wohnung zu kommen, O’Cadhla – jetzt wieder in seinem Körper – zu überwältigen und Bridget gerade noch rechtzeitig ins Krankenhaus zu bringen.«

»Bridget ist also nichts passiert?«, fragte Colleen erleichtert.

»Wie man’s nimmt. Körperlich stand es kurz vor knapp. Sie konnte gerade so gerettet werden. Aber seelisch …« Ich brach ab. Die Erinnerung daran, wie ich Bridget im Krankenhausbett vorgefunden hatte, überwältigte mich, und ich musste mich an der Steinmauer des Forts festhalten. »Ihre Augen waren so leer gewesen, Colleen. Ich weiß gar nicht, wie ich das beschreiben soll … so als sei sie innerlich tot. Als sei ihr inneres Licht, das so hell gebrannt hatte, erloschen … Es war nicht mehr Bridget, die da lag.«

Colleen legte einen Arm um meine Schulter und drückte mich. »Das tut mir so leid, dass deine Freundin das durchmachen musste. Meinst du, sie hat irgendwie mitbekommen, was mit ihr geschehen ist?«

»Das meine ich nicht nur, das weiß ich. Das ist ja das Schlimmste daran. Bridget hat mir erzählt, dass sie ab und zu in ihm wach war, und das, was er getan hat, wie einen Albtraum miterleben musste. Sie meinte, der Horror für sie war, die Gedanken einer so bösen Person im eigenen Kopf zu haben. Und sie war wie gefangen in ihrem eigenen Körper, konnte gegen seine Gräueltaten nichts unternehmen. Ich weiß nicht, ob sie sich je wieder davon erholen wird.«

Dann erzählte ich Colleen von Bridgets Warnung vor Badb, die sie in O’Cadhlas Körper kennengelernt hatte, und meinem Versprechen, dass ich mich vor Badb in Acht nehmen würde. »Das war einer der Gründe, warum ich in die Anderswelt gekommen bin. Badb wurde aus der Anderswelt verbannt, sie kann mich hierher nicht verfolgen.«

»Und jetzt gibst du dir die Schuld daran, was Bridget passiert ist«, stellte Colleen fest.

»Ihr Leben wird nie wieder dasselbe sein. Ich weiß, wie sehr der Professor seine Anstellung am Trinity College liebt, und womöglich muss er sie aufgeben. Die O’Tools werden sich vielleicht gezwungen sehen, ihr Zuhause zu verlassen. Wer weiß, ob Bridget ihr Studium weitermacht, am Trinity oder sonst wo. Womöglich wird Badb Bridget etwas antun, wenn sie erfährt, dass sie das Ganze überlebt hat. Schlimm genug, dass meine eigenen Eltern in Gefahr sind, aber ich habe das Leben dieser Familie zerstört.«

»Du hast es nicht zerstört«, widersprach mir Colleen sanft. »Du kannst doch selber nichts dafür, dass dir das alles passiert ist, dass Maggie, Morrigan und Badb dich verfolgen.« Sie hielt kurz inne. »Hmm. Warum Maggie und Morrigan hinter dir her sind wissen wir ja. Morrigan will Ciaras menschliche Essenz. Sie wurde in Ciara wiedergeboren, hat nun ihre Gestalt und will aus irgendwelchen Gründen unbedingt ihre Seele. Du musst sie ihr aber freiwillig geben. Sie kann sie nicht mit irgendwelchem Zauber aus dir herausholen. Maggie hilft ihr, dieses Ziel zu erreichen. Aber was wollte Badb mit ihren Taten bezwecken?«

»Bridget hat mir gesagt, dass Badb sich an ihren Schwestern rächen will. Wegen ihnen wurde sie wohl aus der Anderswelt verbannt. Sie will Morrigan zerstören und sie sieht mich irgendwie als Instrument dafür.«

Colleen starrte mich mit großen Augen an. »Aber wie? Wie sollst du ihr Instrument sein?«

Ich zuckte mit den Schultern. »Offen gestanden hoffe ich, dass ich mich nicht damit auseinandersetzen muss. Hier kann sie mich ja für nichts benutzen, schließlich hat sie hier keinen Einfluss auf mich. Und ehrlich gesagt, habe ich schließlich genug mit Morrigan zu tun. Ciara nach Tír na nÓg zu bringen, das Richtige für sie zu tun, ist immer noch meine Priorität.«

Colleen sagte nichts und ich sprach aus, was sie wahrscheinlich dachte. »Natürlich beunruhigt mich, dass Badb durch Bridget wirklich alles über mich weiß. Nicht nur von den O’Tools, meinen Eltern und Dylan, sondern direkt von mir. O’Cadhla hat mit uns am Küchentisch gesessen, als ich allen von meinen Erlebnissen hier erzählt habe, inklusive der Anti-Royalisten-Bewegung und wie ich darin involviert bin. Mir ist ganz und gar nicht wohl bei dem Gedanken, dass Badbs Ziele sich mit denen der Anti-Royalisten decken. Es sieht ganz so aus, als ob auch Badb will, dass ich Ciaras Erinnerungen dafür benutze, Morrigans wunden Punkt zu finden und so den Rebellen dabei helfe, Königin und Adel zu stürzen. Vielleicht bin ich damit auch ihr Instrument. Ich weiß es nicht.«

»Aber trotzdem bist du hierhergekommen. Trotzdem willst du Mog Ruiths Prophezeiung erfüllen und den Anti-Royalisten helfen?« Colleen klang hoffnungsvoll und ich wusste, dass sie sich das wünschte.

»Es ist meine beste Option. Wenn es den Anti-Royalisten gelingt, Morrigan zu stürzen oder wenigstens zu schwächen, bin ich vielleicht in einer Position, dass Morrigan mir helfen kann. Schließlich hast du mir selber gesagt, sie kann oder konnte Tír na nÓg betreten. Bislang scheint sie die Einzige zu sein, die weiß, wie Ciara dorthin gelangen könnte. Außerdem scheint sich Mog Ruith ja sicher zu sein, dass Ciara irgendwelche Erinnerungen daran hat, dass Morrigan in ihr war. Oder zumindest irgendwas weiß, irgendein Bewusstsein hat. Das hat Ciara in ihrem Leben sehr gut verdrängt. Ich bin gespannt darauf, wie Mog Ruith plant, an dieses Wissen, das Morrigan ja verwundbar machen soll, heranzukommen. Vielleicht kann mir das auch irgendwie dabei helfen, das Richtige für Ciara zu tun.«

»Mal ganz davon abgesehen, dass wir für eine gerechte Sache kämpfen«, grinste Colleen.

Ich nickte nur. »Komm, wir gehen rein, meine Nase fühlt sich ja fast wie ein Eiszapfen an.« Ich hakte mich bei Colleen unter. Am Horizont bildete sich schon ein roter Streifen. Viel Schlaf würden wir nicht abbekommen, bis ich das leidige Gespräch mit Fionn führen würde. Mich Fionn und den Rebellen anzuschließen, war tatsächlich meine beste Option, auch wenn ich mich nicht hundertprozentig festlegen und ihn ein bisschen hinhalten würde.

Ich war mir noch nicht ganz sicher, ob ich Mog Ruith, der die Anti-Royalisten-Bewegung ins Leben gerufen hatte, trauen konnte. Aber Morrigan war tatsächlich eine despotische Herrscherin, die ihr Volk belog. Und die Anti-Royalisten halfen dabei, Menschensklaven zu rehabilitieren und wieder in die Menschenwelt zu bringen. Alles in allem konnte ich mich hinter die Sache der Rebellen stellen – wenn ich mich auch schwer damit tat, als ihre Anführerin oder gar Königin gehandelt zu werden. Ich war schließlich ein Mensch. Durch Ciara war ich in die Angelegenheiten der Sidhe verwickelt worden, aber das ging doch ein bisschen zu weit. Ich wollte Ciaras Seele in den Himmel bringen, wo sie den Frieden hatte, den sie verdiente. Aber ich tat das nicht aus reiner Selbstlosigkeit.

Nachdem ich Ciaras Seele abgegeben hatte, wäre ich frei. Niemand wäre wegen irgendwas an mir interessiert und meine Freunde und Familie wären wieder in Sicherheit. Das war mein Ziel.

Nicht, eine heroische Schlacht gegen die Königin der Feen zu anzuführen und dann die Anderswelt zu regieren.

Kapitel Zwei

Alice

Ich nahm einen Schluck Ziegenmilch und versuchte, ein Gähnen zu unterdrücken. Zum ersten Mal wünschte ich mir, dass es in der Anderswelt Kaffee geben würde. Ich stellte mir vor, wie mir der aromatische Duft von frischgebrühtem Kaffee in die Nase stieg, wie das heiße, bittersüße Getränk …

» … was hältst du davon, Alice?«

»Hmm?« Ich schaute Fionn an, der neben mir saß und wohl anscheinend gerade mit mir geredet hatte.

Der Rebellen-Anführer unterbrach sein Frühstück und rutschte ein bisschen näher. Erst jetzt wurde mir bewusst, dass er nicht wie üblich, an der Kopfseite des großen Tisches Platz genommen, sondern sich neben mich auf die lange Bank gesetzt hatte. Besser gesagt, zwischen mich und Dylan. Und dem war es auf jeden Fall aufgefallen, denn er saß mit rotem Kopf über seinen Teller gebeugt.

»Ich habe gesagt, dass ich am besten mitkomme, wenn du Mog Ruith nach dem Frühstück im Tal triffst.«

Schnell versuchte ich, meine Müdigkeit abzuschütteln und mich zu konzentrieren. Dann hatte man schon ein Treffen mit dem zauberkundigen Druiden organisiert. Meine Rückkehr wurde anscheinend so gedeutet, dass ich voll kooperieren würde. Ich musste hier einiges klarstellen, bevor man mir, ohne dass ich es merkte, eine Rüstung überziehen, ein Schwert in die Hand drücken und mich auf ein Pferd setzen würde – oder so etwas. Ich wusste ja noch nicht einmal, wie ein Feldzug in der Anderswelt überhaupt aussah.

»Mit Mog Ruith würde ich erst einmal gerne allein sprechen«, beeilte ich mich zu sagen. Ein Treffen mit dem Druiden war mir sehr recht. Ich musste mir irgendwie ein besseres Bild von ihm machen, was schwierig war, da Mog Ruith mich einschüchterte. Fionn dabei zu haben, würde mich nur noch nervöser machen. »Colleen hat mir erzählt, dass er ihr geholfen hat, sich auf ihr Inneres zu konzentrieren und so ihre Fähigkeiten besser zu nutzen. Ich hoffe, dass er mir auch dabei helfen kann, tiefer in Ciaras Bewusstsein einzudringen und so an ihr Wissen über Morrigan zu kommen. Das ist doch schließlich das, mit dem ich euch helfen kann, nicht wahr?«

Fionn schaute mich amüsiert an. Das rotblonde, schulterlange Haar fiel ihm in die Stirn, als er den Kopf schief legte. Er hatte sich mittlerweile so zu mir gedreht, dass Dylan hinter seinem breiten Rücken völlig verschwand. Dylan tat mir ein bisschen leid; neben dem großen, breitschultrigen, muskulösen Rebellen-Anführer wirkte er geradezu schmächtig. Fionns nächster Kommentar ließ bei mir den Gedanken aufkommen, ob er sich extra neben meinen Freund gesetzt hatte, um ihn so aussehen zu lassen.

»Du kannst mir mit vielen Dingen helfen, Alice. Ich sehe dich nicht nur als Informantin, dank der wir eine Strategie gegen die unbesiegbar erscheinende Morrigan entwickeln können. Laut der Prophezeiung bist du viel mehr als das. Du wirst eine entscheidende Rolle im Kampf gegen die Königin spielen. Und ich vertraue darauf. Ich sehe dich an meiner Seite. Im Kampf … und auch sonst.«

Ich verschluckte mich fast an dem Bissen Haselnussbrot, den ich gerade im Mund hatte. Hustend griff ich nach dem Glas Milch. Bevor ich den Bissen heruntergeschluckt hatte, kam mir Dylan mit einer Antwort zuvor.

»Wollten wir nicht zusammen ins Glenariff-Tal gehen, Alice?«, vernahm ich seine Stimme hinter Fionn. Der ignorierte ihn völlig.

»Ich kann nachvollziehen, wie ich euch mit Informationen über Morrigan helfen kann. Alles andere … müssen wir dann sehen.« Mir lag auf der Zunge, zu sagen, dass ich keine Ahnung von Kämpfen hatte. Dass ich nur ein Mensch war, ein junges Mädchen, ohne Kampferfahrung. Die Anti-Royalisten, die hier um den Tisch versammelt waren, waren alles Krieger mit besonderen Fähigkeiten. Selbst Colleen, ein zierliches Feenmädchen, hatte magische Fähigkeiten, die den Rebellen bei einer Schlacht anscheinend zugutekommen würden. Zumindest hatte ihr Mog Ruith prophezeit, dass sie der Erlenschild für die Krieger sein würde – und als solchen hatte sie sich gestern schon bewiesen. Ich hatte keine solchen Fähigkeiten. Wieso sollte ausgerechnet ich die Rebellen bei einer Schlacht anführen? Diese Prophezeiung ergab überhaupt keinen Sinn, ja, sie schien mir lächerlich. Aber all das sagte ich nicht. Denn ich wollte ja tatsächlich an Fionns Seite sein, wenn Morrigan besiegt wird – damit ich ihre geschwächte Position ausnutzen und von ihr etwas über Tír na nÓg erfahren konnte.

»Eins nach dem anderen. Auf jeden Fall möchte ich mitkommen, wenn ihr heute zu dem neuen Lager weiterzieht«, versuchte ich ihn zu beschwichtigen.

Dylan räusperte sich.

»Möchten wir mitkommen. Wie du weißt, sind Dylan und ich zusammen hergekommen … und äh … ja, zusammen.« Ich starrte auf meinen Teller und zupfte den Rest der Scheibe Brot auseinander. Vielleicht hatte ich Fionns Andeutung auch falsch verstanden, da war es mir peinlich, zu betonen, dass Dylan und ich ein Paar waren. Wieso sollte Fionn an mir auf diese Weise interessiert sein? Mit meinen glatten braunen Haaren und blaugrünen Augen sah ich wirklich durchschnittlich aus. Und so ein gut aussehender, charismatischer Mann – in Menschenjahren wäre Fionn bestimmt schon dreißig – , zu dem alle Rebellen aufsahen und der von einem mächtigen Druiden als Anführer ausgewählt wurde, dem liefen die Frauen doch wohl hinterher. Aber anscheinend hatte ich ihn ganz und gar nicht missverstanden.

Ohne mit der Wimper zu zucken oder sich umzudrehen, sagte Fionn: »Dylan, könntest du uns bitte für einen Moment allein lassen, damit Alice und ich etwas Wichtiges besprechen können?«

Allein? Ich schaute mich um. Tatsächlich hatten die meisten der Rebellen den großen Speisesaal in der Mitte des runden Forts schon verlassen, einschließlich Colleen und Tio. Auch wenn ich beim Frühstück die meiste Zeit noch geschlafen zu haben schien, war mir beim Hineinschlurfen in den Saal nicht entgangen, dass alle anderen im Gegensatz zu mir äußerst motiviert schienen. Colleen hatte mir erzählt, dass die Anti-Royalisten voller Tatendrang waren, der durch die Aufregung letzte Nacht wohl noch mehr angekurbelt worden war. Vielleicht waren alle schon am Packen – dass die Rebellen bald weiterziehen mussten, schien unausweichlich, wo klar war, dass die Königin über ihren Aufenthaltsort Bescheid wusste. Nachdem die Spionin Rosie nicht zurückkehren würde, wäre es nur eine Frage der Zeit, bis Maggie und Morrigan mit einem Großaufgebot hier einmarschieren würden, Eisenberge hin oder her. Die gesamte Rebellen-Bewegung einschließlich ihres Anführers saß hier auf dem Berg praktisch auf dem Präsentierteller.

Dylan stand auf. Seine moosgrünen Augen funkelten gefährlich. Oh oh. Einen Hahnenkampf zwischen Fionn und Dylan konnte ich im Moment wirklich nicht gebrauchen. Ich warf ihm einen flehenden Blick zu. Fionn, der mich unverwandt ansah, entging das natürlich nicht. »Dylan, warte doch am besten auf unserem Zimmer auf mich. Ich rede noch kurz mit Fionn und dann gehen wir zusammen ins Tal, wie besprochen.«

Dylan zögerte einen Moment, entspannte sich dann aber. Demonstrativ gab er mir einen Kuss und verließ den Speisesaal.

Fionn sah ihm nach und schüttelte den Kopf. »Ich verstehe nicht, warum du ihn mitgebracht hast, Alice.«

»Dylan ist mein Freund.« Ich zuckte mit den Schultern. Mehr musste ich doch wohl dazu nicht sagen. Mein Liebesleben ging ihn ja auch wirklich eigentlich nichts an. Er kannte mich kaum – die paar Tage, die ich nach meiner Flucht vom Palast hier verbracht hatte, war ich hauptsächlich bei den entlaufenen Menschensklaven gewesen – und sein sonderbares Interesse an mir konnte höchstens auf der Prophezeiung beruhen. Wahrscheinlich würde er das Interesse sehr bald verlieren.

Fionn zog eine Augenbraue hoch. »Das ist doch der Dealan, der so unsterblich in Ciara verliebt war, dass er für ihre Wiedergeburt gesorgt hat. Ihre Wiedergeburt in dir. Und jetzt hat er sich zufällig auch in dich verliebt? Entschuldige meinen Zynismus, aber du kannst mir doch wohl nicht verübeln, dass ich die Echtheit seiner Gefühle für dich anzweifle. Und was deine Gefühle für ihn angeht: Bist du sicher, du bringst da nicht etwas durcheinander?«

Ich seufzte. Es war mir klar, dass es von außen so aussehen konnte, als ob Dylan nur mit mir zusammen war, weil Ciaras Seele in mir wohnte. Und dass es in Wirklichkeit Ciaras Liebe war, dich ich für ihn fühlte. Aber ich wusste, dass beides nicht stimmte. Im Gegenteil. Gerade weil ich Ciaras Liebe zu Dylan von meiner unterscheiden konnte, wusste ich, dass meine Gefühle wirklich meine waren. Es hatte mir sogar dabei geholfen, Ciaras Persönlichkeit von meiner abzugrenzen – etwas, womit ich in den ersten Wochen nach dem Koma meine Schwierigkeiten gehabt hatte.

Und Dylan war auch aus anderen Gründen mit mir zusammen, als denen, die ihn mit Ciara verbunden hatten. Er beschrieb seine Liebe zu Ciara wie einen Rausch, wie eine wilde erste Liebe. Liebe auf den ersten Blick, die auf reiner Anziehungskraft beruhte. Ciara kam damals mit Dylans Geständnis, ein Sidhe zu sein, nicht klar. Damit sie ihn vergessen konnte, verließ er sie. Doch dann ertrank sie im Meer – es sah wie Selbstmord aus. Dylan nutzte seine magischen Fähigkeiten für Ciaras Reinkarnation.

Nach eigener Aussage hatte er ihr damit die Chance auf ein zweites, gutes Leben, einen natürlichen Tod und die Möglichkeit auf ewigen Frieden in Tír na nÓg geben wollen. Insgeheim hatte er doch wohl gehofft, dass er in mir seine große Liebe Ciara wiedertreffen würde. Aber Ciara und ich hätten unterschiedlicher nicht sein können, auch wenn mich ihre Persönlichkeit beeinflusste und veränderte. Ein großer Unterschied zwischen uns bestand darin, dass Ciara passiv gewesen war, wohingegen ich nicht davon abzubringen war, allem auf den Grund zu gehen und dafür zu kämpfen, Ciara Gerechtigkeit zu verschaffen. Besonders als ich herausfand, dass Maggie für Ciaras Tod verantwortlich gewesen war.

Dylans ursprünglicher Plan, als er seine Magie aufgegeben hatte, um am Trinity College an meiner Seite zu sein, war es gewesen, mir zu helfen. Wenn ich mir vier Jahre lang in nächster Nähe von Dylan nichts anmerken lassen würde, hätte ich den Test des Ältestenrates bestanden. Da machte ich aber nicht mit. Ich hatte nicht vor, eine so lange Zeit untätig zu bleiben und anderen die Bestimmung über mein und Ciaras Schicksal zu überlassen. Und so verliebte sich Dylan in die eigenwillige Alice, die so anders war als Ciara.

Nach meiner Entführung hatte er alles unternommen, um mich zu retten. Er war sogar bereit gewesen, Ciara zu opfern, damit ich frei sein konnte und damit wir zusammen sein konnten. Er hatte Morrigan in Ciaras Gestalt widerstehen können. Und der größte Liebesbeweis für mich: Am Schluss hat er mich meinen Weg gehen lassen. Dann war er zu mir zurückgekehrt und hatte mir versichert, immer an meiner Seite zu bleiben, komme, was wolle.

Ich streckte den Rücken durch und schaute Fionn direkt in die Augen. Ich wollte ihm sagen, dass er sich irrte, dass Dylan und mich eine starke Liebe verband, zwischen die nichts und niemand kommen würde. Ich wollte Fionn als Verbündeten und riskierte, ihn damit vor den Kopf zu stoßen. Aber so etwas würde er bestimmt schnell verschmerzen.

Doch Fionn missverstand mein Schweigen und den Augenkontakt und nahm mein Gesicht in seine großen Hände. Ich war so verdutzt, dass ich wie gelähmt dasaß.

»Du brauchst doch einen richtigen Mann an deiner Seite, Alice. Nicht so einen liebeskranken … Jungen.« Fionn ließ Dylan tatsächlich wie einen Jungen aussehen, das musste ich zugeben. Fionn war so imposant – ich konnte schon verstehen, dass manche Frauen bei seinem Anblick weiche Knie bekamen. Ich wollte nicht behaupten, dass ich seinem Charme gegenüber immun war. So wie er jetzt in meine Augen schaute, seine raue Hand an meine Wange schmiegte … Doch dann erinnerte ich mich an Dylans süßes Lächeln, bei dessen Anblick mir immer das Herz stehen blieb. Er hatte zwei Grübchen auf der linken Wange, die sein Lächeln leicht schief aussehen ließen – ich fand das unwiderstehlich!

Sanft löste ich mich von Fionns Händen. »Damit keine Missverständnisse aufkommen. Dylan und mich gibt es nur im Doppelpack. Wir sind ein Paar, ob du es verstehen magst oder nicht. Und eigentlich, Fionn«, ich rückte ein Stück von ihm ab, »hätte ich gedacht, dass du dich mit wichtigeren Dingen als solchen zu beschäftigen hast. Dylan ist nicht nur als mein Freund hier. Er genießt das Vertrauen des Ältestenrates. Er wurde sogar von ihnen eingeschworen.«

Fionns Gesichtszüge entgleisten. Ich konnte mich nicht erinnern, ihn mal überrascht gesehen zu haben. Es war mir doch tatsächlich gelungen, den Rebellen-Anführer zu verdutzen.

»Wir haben gerade ein Bündnis mit ein paar Mitgliedern des Ältestenrates geschlossen. Da hat man mir nichts davon gesagt. Es hieß nur, dass man uns unterstützen wird, wenn du dich uns anschließt.«

»Dylan hatte seine Unterredung mit Riordan und Tlachtga«, sagte ich vorsichtig. Er nickte nur. Tlachtga war Mog Ruiths Tochter. Ich konnte mir vorstellen, dass das Bündnis deshalb zustande gekommen war. Wenn Tlachtga darüber Bescheid wusste, dass alle Sidhe in Wirklichkeit das Potenzial für alle magischen Fähigkeiten hatten, dann wusste es Mog Ruith auch.

»Es stimmt doch, dass Mog Ruith dich sozusagen erleuchtet hat, oder? Er hat dir gesagt, dass Berufung nicht in den Sternen steht, dass Morrigan die Sidhe mit dieser Behauptung in Schach hält, damit niemand aufmuckt und höher hinaus will, als ihm oder ihr angeblich vorherbestimmt ist. Er hat dir prophezeit, dass du die Sidhe von der Herrschaft der Königin und der Unterdrückung des Adels befreien wirst, dass du das Volk auf den Weg der Selbstbestimmung führst. Dann hat er dir bestimmt auch nicht verschwiegen, dass die magischen Fähigkeiten, die ihr besitzt, überhaupt nichts mit Berufung zu tun haben? Dass ihr theoretisch zu allen magischen Fähigkeiten in der Lage seid, für manches nur mehr, für anderes weniger Talent besitzt? Und dass ihr von Kindesbeinen an dazu erzogen werdet, alles andere zu unterdrücken, außer das, was für eure Berufung nützlich ist?«

Fionn hatte die Stirn in Falten gelegt. Sein Kiefer sah angespannt aus. Ich legte das als eine negative Antwort aus.

Mog Ruith hatte Fionn also auch nicht alles gesagt. Wieso würde er den Anti-Royalisten, einer Bewegung, die er selbst gegründet hatte, etwas so Fundamentales vorenthalten?

»Dylan hat das selber herausgefunden«, fuhr ich fort. »Nachdem er seine Magie eigentlich aufgegeben haben sollte, musste er feststellen, dass er sie doch noch hatte. Und dann fand er heraus, dass er sogar noch andere magische Fähigkeiten hat. Dylan hat den Ältestenrat zur Rede gestellt. Und da hat man es ihm gesagt. Tlachtga meint, Dylan hätte besonders viel Energie. Es fällt ihm leicht, magische Fähigkeiten, die mit Energie zusammenhängen, auszubilden. Natürlich trifft das nicht auf jeden zu. Ein Talent wie Colleens, die Wünsche und Bedürfnisse anderer zu lesen, braucht wahrscheinlich jahrelange Übung. Und bestimmt hilft dabei auch gute Intuition. Aber das Entscheidende ist, dass alle Sidhe das Potenzial haben, viel mehr zu können, als ihnen vorgemacht wird. Dylan ist mit seinen leicht demonstrierbaren Fähigkeiten ein lebender Beweis dafür, dass Morrigan ihr Volk unterdrückt. Er könnte sehr nützlich für euch sein … schließlich müssen die Anti-Royalisten die Masse hinter sich bringen, um genug Dynamik für eine Revolution zu erlangen, oder?«

Fionn schwieg einen Moment. Dann sagte er mit angespannter Stimme: »Es ist Zeit, dass du dich zum Wasserfall im Tal aufmachst, um mit Mog Ruith zu sprechen. Ich weiß, Dylan wollte dich begleiten, aber schick ihn zu mir. Wenn er wirklich nützlich für unsere Bewegung sein will, dann sieht er ein, dass das wichtiger ist.« Ich stand auf und kletterte über die Bank. Ich hatte Fionn verärgert, ihn in seinem Stolz verletzt. Das war vielleicht kein so kluger Schachzug gewesen. Dabei hatte ich nur gewollt, dass er Dylan ernst nimmt. »Und, Alice?«

Ich drehte mich um.

»Bitte berichte Mog Ruith von dem, was du mir gesagt hast. Ich komme nachher selber ins Tal, um mit ihm darüber zu reden. Er kann mich an dem Ort erwarten, an dem wir uns immer treffen.«

Ich nickte. »Fionn, ich wollte damit sagen, dass Dylan und ich uns bewusst entschieden haben, hierher zurückzukommen und uns den Anti-Royalisten anzuschließen. Du vertraust auf eine Prophezeiung. Ich kann dir ehrlich nicht sagen, ob ich daran glaube. Aber lass uns doch einen Schritt nach dem anderen machen. Wir helfen gerne und zwar so, wie wir es können. Ich wollte dir damit klarmachen, dass Dylan auch einiges beizutragen hat.«

Ein Lächeln breitete sich auf Fionns angespanntem Gesicht aus. »Und dass ihr im Doppelpack kommt. Ich hab’s verstanden.«

Erleichtert wandte ich mich ab. Da hatte ich wohl noch mal die Kurve gekratzt. Fionn wusste, wo ich stand, ich hatte meine und Dylans Loyalität bewiesen und wir würden zur Sache der Anti-Royalisten beitragen, ohne dass die Erwartungen an mich zu hoch geschraubt waren.

Na ja, ob ich wirklich helfen konnte, stand noch nicht fest. Alle behaupteten, ich könnte etwas über Morrigan wissen, das sie verwundbar machen würde. Aber Ciara hat zu Lebzeiten alles abgeblockt, mit dem sie nicht klarkam. Dazu gehörte auch alles, was mit Morrigan und den Sidhe zu tun hatte. Erst in letzter Zeit hatte ich die eine oder andere Erinnerung Ciaras, die mich vermuten ließ, dass Morrigan des Öfteren in Ciaras Bewusstsein aufgetaucht war. Doch Ciara hatte ihr Bestes getan, sonderbare Vorkommnisse, die sich nicht rational erklären ließen, zu verdrängen.

Nachdem ich Dylan dazu überredet hatte, nicht mitzukommen, sondern sich mit Fionn zu treffen, ging ich mit gemischten Gefühlen ins Glenariff-Tal. Mog Ruith war mir suspekt – aber wenn es jemanden gab, der mir helfen konnte, an Morrigan in Ciaras Bewusstsein heranzukommen, dann er.

Die Frage war, ob ich ihm genug trauen konnte, um Ciaras Erinnerungen mit ihm zu teilen.

Kapitel Drei

Ciara

Eine sandblonde Locke hatte sich vorwitzig über seine Stirn gelegt. Darunter funkelten die moosgrünen Augen, in denen ich mich immer wieder verlieren konnte.

Wir sahen uns für eine Ewigkeit einfach nur an. Es hätten Minuten, vielleicht Stunden sein können. Zeit spielte keine Rolle. Ich konnte mich an ihm nicht sattsehen. Es gab so viel zu entdecken. Ich wollte jede Farbnuance seiner Iris, die Beschaffenheit jeder einzelnen der langen seidigen Wimpern erkunden.

Er streckte eine Hand aus und legte sie an meine Wange. Die Berührung setzte jeden Nerv in meinem Körper unter Strom. Dann kam er näher, legte seine perfekten Lippen auf meine. Er bewegte sie kaum, in einem Kuss so sanft, wie ich ihn noch nie erlebt habe.

Wärme breitete sich in meinem Körper aus und die Hitze sammelte sich bald in meiner Mitte, wo sie ein Feuer entfachte. Es war mir nicht unbekannt, das Gefühl, und ganz sicher nicht unangenehm, aber in dieser Intensität hatte ich es noch nie gespürt. Etwas nagte am Rande meines Bewusstseins, das mir den Genuss des Feuers verbot.

Ich durfte mich ihm nicht hingeben … es war verboten …

Das Feuer …

Ich löste mich von ihm und lief davon, so schnell ich mit meinen Stiefeln im feinen Sand vorwärtskam. Ich verstand selber nicht, warum ich das getan hatte, und lachte verlegen. Er verstand es als Einladung, mich wieder einzufangen. Der stürmische Küstenwind zerrte an meinen Haaren und in diesem Moment liebte ich ihn dafür, dass er so wild und frei war. Ich wollte mir etwas von seiner Wildheit ausborgen. Mein Lachen wurde zu einem Jubelschrei, als ich auf die schäumende Brandung zulief, zu dem schmalen Streifen nassen Sandes, auf dem ich schneller rennen konnte.

Trotzdem holte er mich bald ein und als ich seine Hand auf meiner Schulter spürte, ließ ich mich völlig außer Atem, aber immer noch lachend in seine Arme fallen.

Vergessen war das verbotene Feuer und ich spürte nur noch den Rausch der Freiheit, die allein in diesen Momenten zu finden war.

Die Sonne schien warm vom blauen Himmel und der Wind hatte sich heute zu einer leichten Brise zusammengenommen. Hand in Hand gingen Dylan und ich am Strand spazieren. An diesem ungewöhnlich schönen Tag waren auch noch andere Spaziergänger unterwegs und wir hatten uns etwas von Roundstone entfernt.

Es war mir egal, wenn Bekannte uns so zusammen sehen würden, aber Dylan nicht. Mehrfach hatte er angefangen, mir zu erklären, warum wir unsere Liebe geheim halten mussten, doch jedes Mal war er bald wieder verstummt, hatte nachdenklich das Meer angestarrt und dann eine ganze Weile gar nichts mehr gesagt. Ich drängte ihn nicht – was immer es war, das uns davon abhielt, unsere Liebe öffentlich bekannt zu geben, es konnte nur bedeutungslos sein. Für mich zählten nur die Momente, in denen wir zusammen waren. Doch in letzter Zeit waren die immer mehr getrübt, weil er gedanklich mit etwas anderem beschäftigt war. Wie jetzt gerade.

Vielleicht war es besser, wenn wir das Gespräch, das er so zu fürchten schien, hinter uns brachten. Ich wollte wieder zu der Unbeschwertheit zurückkehren, wollte, dass er sich wieder so frei fühlte wie ich in diesen Momenten. Er würde mir sagen, was ihn bedrückte. Dann würde ich ihm versichern, dass es mir nichts ausmachte, was immer es war.

Also stellte ich eine Frage. Die Antwort interessierte mich nicht wirklich, denn ich wusste alles, was über ihn zu wissen war, ohne sie zu kennen.

»Wo kommst du her, Dylan?«

Er blieb mit einem Ruck stehen, sagte aber immer noch nichts.

Ich ließ nicht locker.

»Was machst du hier in Roundstone? Wo lebst du eigentlich?«

Er seufzte und führte mich zu einem flachen Felsen. Wir setzten uns darauf und streckten die Beine im Sand aus.

Die ganze Zeit, während er die schreckliche Geschichte erzählte, ließ er meine Hand nicht los.

Erst wollte ich glauben, dass er mir einen Bären aufband. Aber ich musste ihn noch nicht einmal anschauen, um zu wissen, dass er die Wahrheit sprach. Ich kannte ihn. Ich wusste alles über ihn. Nur das wusste ich nicht. Wollte ich nicht wissen.

»Ich komme nicht aus dieser Welt«, begann er, »sondern aus der Welt, die bei den Menschen als Anderswelt bekannt ist. Ich gehöre zu den Sidhe, den Feen, die von den Túatha Dé Danann abstammen.«

Natürlich kannte ich die Legenden, von denen er jetzt erzählte. Aber sie waren eben nur das: Mythen und Sagen.

»Fakt ist, dass heutzutage viele von uns in eurer Welt wandeln, aus verschiedenen Gründen hier sind, aber sich als Menschen ausgeben«, schloss er ab. »Wir brauchen euch, um sterben zu können. Es stimmt, dass Feen in der Anderswelt nicht altern wie Menschen.«

Ich starrte auf die Wellen und versuchte zu verarbeiten, dass Dylan, der Junge, den ich bedingungslos liebte, 250 Jahre alt war und nicht wirklich altern oder sterben würde.

Etwas Bitteres stieg in mir hoch, als ob sich Ironie zu Gallenflüssigkeit manifestiert hätte. Uns gehörten wirklich nur die Momente, die Augenblicke, die Gegenwart. Wir hatten keine Zukunft.

Ich hätte fast lachen müssen, aber der bittere Geschmack in meinem Mund hielt mich davon ab. Ich hatte gedacht, dass, was immer Dylan beschäftigte, keine Bedeutung hatte. Dass unsere Liebe so weiter existieren musste wie bisher. Dass nichts sie ändern konnte.

Was er mir hier sagte, änderte nichts an unserer Liebe. Aber es änderte alles.

Es war bedeutungslos, dachte ich trotzig. Denn nur die Gegenwart, die Momente würden weiterhin existieren.

Als er mit seiner Geschichte fertig war, schaute ich ihn an. Ich gab ihm einen schnellen Kuss auf den Mund, der diese Entscheidung für mich besiegelte.

Ich sprang auf. »Komm, lass uns um die Wette laufen. Lass uns so tun, als ob es windig wäre. Lass uns Wind spielen. Lass uns frei sein.«

Dann rannte ich davon. Ich rannte und rannte, bis ich ihn endlich hinter mir hörte.

---ENDE DER LESEPROBE---