Ehemann über Bord - Mimi J. Poppersen - E-Book

Ehemann über Bord E-Book

Mimi J. Poppersen

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Beschreibung

Die beiden besten Freundinnen Marie Wagner und Susi Schuster planen eine lang ersehnte Kreuzfahrt durch das Mittelmeer. Susi ist bereits Witwe, Marie hingegen muss ihren ständig nörgelnden Ehemann Konrad mitnehmen. Immer wieder malen sie sich aus, wie schön die Reise nur zu zweit wäre, und mit einem Mal scheint die Lösung des Problems ganz einfach. Diese wagen sie zwar nicht, auszusprechen, aber ihr Plan nimmt stetig Gestalt an. Nach einer erfolgreichen Umsetzung sind sie Konrad los und können die Kreuzfahrt endlich alleine genießen. Den anschließenden Tagesausflug nach Rom kosten sie in vollen Zügen aus. Dass bei ihrer Rückkehr einige Polizisten am Hafen auf Marie warten, verwundert sie nicht sonderlich. Allerdings sind die Neuigkeiten, die ihnen die Beamten mitteilen, alles andere als das, womit sie gerechnet haben. Nun geht die Reise zu Land weiter. Was Marie und Susi hierbei erleben, hätte niemand vorhersagen können. Bald weiß keiner mehr, was Wahrheit und was Trug ist …

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Inhaltsverzeichnis

Mann über Bord

Hassliebe

Sechs Wochen zuvor

Beste Freundinnen

Frauengespräche

Komplizinnen

Reiseplanung

Kreuzfahrt

Sternenhimmel

Ein Tag in Rom

Nachrichten

Reise nach Terracina

Krankenhaus

Verwandtschaft

Inspektor Bellini

Neuigkeiten

Gewissensbisse

Bellini mit Bellini

Wiedersehen

Ehefrauen

Erwachen

Wettlauf

Verhör

Meerblick

Nur eine Frage

Weiterreise

Ein Jahr später

Impressum

Ehemann über Bord

von

Mimi J. Poppersen

Text Copyright © Mimi J. Poppersen

Cover Image © Fotolia.com

Cover Design: Mimi J. Poppersen

Lektorat: Media-Agentur Gaby Hoffmann

Alle Rechte vorbehalten

Mimi J. Poppersen auf Instagram

♥ Für meinen Mann ♥

(im Ernst)

„Every story has an end,

but in life every ending is a new beginning.“

Uptown Girls

Zusammenfassung des Inhalts:

Die beiden besten Freundinnen Marie Wagner und Susi Schuster planen eine lang ersehnte Kreuzfahrt durch das Mittelmeer. Susi ist bereits Witwe, Marie hingegen muss ihren ständig nörgelnden Ehemann Konrad mitnehmen.

Immer wieder malen sie sich aus, wie schön die Reise nur zu zweit wäre, und mit einem Mal scheint ihnen die Lösung des Problems ganz einfach. Diese wagen sie zwar nicht, auszusprechen, aber ihr Plan nimmt stetig Gestalt an. Nach einer erfolgreichen Umsetzung sind sie Konrad los und können die Kreuzfahrt endlich alleine genießen.

Den anschließenden Tagesausflug nach Rom kosten sie in vollen Zügen aus. Dass bei ihrer Rückkehr einige Polizisten am Hafen auf Marie warten, verwundert sie nicht sonderlich. Allerdings sind die Neuigkeiten, die ihnen die Beamten mitteilen, alles andere als das, womit sie gerechnet haben.

Nun geht die Reise zu Land weiter. Was Marie und Susi hierbei erleben, hätte niemand vorhersagen können. Bald weiß keiner mehr, was Wahrheit und was Trug ist …

Mann über Bord

„Er war schwerer, als ich gedacht hatte“, flüsterte Marie erschöpft und holte tief Luft. Hierauf lehnte sie sich weit über die Reling des Kreuzfahrtschiffes und blickte die gut dreißig Meter hinab, um noch einmal sicher zu gehen, dass ihr Ehemann auch im Wasser gelandet und verschwunden war.

Mit einem lauten Platscher war ihr etwas übergewichtiger Mann auf der Meeresoberfläche aufgeschlagen, wo ihn die Wassermassen sofort umgeben und verschluckt hatten wie ein hungriges Ungetüm. Wobei das Ungetüm eher ihr Ehemann war ...

Die dunklen Fluten sahen Sekunden später schon wieder so aus wie vorher, als wäre nichts geschehen. Überhaupt war es erstaunlich, wie bedrohlich das gleiche Meer bei Dunkelheit wirkte, das tagsüber eine fast beruhigende Ausstrahlung hatte. Immerhin konnte sich Marie bei einer Sache sicher sein: Der Ozean würde ihr Geheimnis für sich behalten.

Sie verweilte noch einen Moment und blickte auf die fast schwarze Wasseroberfläche. Zufrieden stellte sie fest, mit welcher Geschwindigkeit sich das Kreuzfahrtschiff fortbewegte. Unaufhaltsam, dem nächsten Ziel entgegen. Nur ohne Konrad, ihren Ehemann.

Oder konnte sie sogar schon sagen: ohne ihren Ex-Mann?

Langsam breitete sich ein warmes Gefühl der Zufriedenheit in ihr aus. Ihr Plan hatte tatsächlich funktioniert. Sie war Konrad endlich los! Sie würde die wundervolle Stadt Rom ohne ihn genießen können, wie sie es sich gewünscht hatte.

Als sie sich umdrehte, streifte ihr Blick kurz den Alarmknopf. Diesen würde sie natürlich nicht betätigen. Erst morgen früh wollte sie das Verschwinden ihres Ehemannes offiziell melden, wenn jede Chance auf eine Rettung vertan war und er bereits den Fischen als Futter gedient hatte.

Glücklich vor sich hin summend, ging sie wieder auf das Deck, in dem sich ihre Kabine befand. Mit dem vereinbarten Zeichen klopfte sie an die Kabinentür, die direkt neben der ihren lag.

Lange hatte sie Konrad überreden müssen, diese Kreuzfahrt überhaupt anzutreten. Ein weiterer Kampf war es gewesen, nicht in den allerbilligsten Zimmern übernachten zu müssen. Immerhin hatten sie nun Kabinen der mittleren Preisklasse gebucht. Äußerst widerwillig hatte ihr Mann diese Reise angetreten, aber Marie hatte dies schließlich zu ihrem dreißigsten Hochzeitstag geplant, da musste er ja irgendwann nachgeben.

Mein Gott, dreißig verschwendete Jahre, dachte Marie gerade, als sich die Tür vor ihr langsam öffnete und vertraute Augen sie erwartungsvoll anblickten: „Und? Hat es geklappt?“

„Ja, unser Plan hat funktioniert“, flüsterte Marie und trat geschwind ein, als habe sie Angst, von jemandem dabei beobachtet zu werden.

Innen umarmten sich die beiden Frauen glücklich, die sich seit Kindheitstagen kannten und gerade zu Komplizinnen eines Mordes geworden waren.

Maries beste Freundin Susi hatte schon feierlich eine Flasche Champagner bereitgestellt, welche die beiden Verbündeten nun mit einem lauten Knall öffneten und gut gelaunt in ihre Sektgläser schenkten. Seit genau vier Tagen hatte der gute Tropfen im Kühlfach gelegen. Seitdem das Kreuzfahrtschiff in Mallorca abgelegt hatte und nun über Sardinien, Sizilien und Neapel auf dem Weg nach Rom war.

„Ich habe dir doch gesagt, dass es ganz einfach wird!“, gab Susi euphorisch von sich. Damit hatte sie zwar nicht ganz recht. Gut, das Manöver an sich war wirklich einfacher gewesen, als Marie gedacht hatte, aber eigentlich sollte Konrad schon vor zwei Tagen ein Festmahl für die Tierwelt unter Wasser gewesen sein.

Geplant war sein „Unfall“ für den zweiten Tag auf See, auf dem Weg von Olbia nach Palermo, da der Seeweg zwischen Sardinien und Sizilien einer der längsten auf ihrer Rundreise war. Das Ziel war natürlich, Konrad möglichst am Anfang der Reise loszuwerden, um den Rest der Kreuzfahrt nur zu zweit genießen zu können.

Nun war es halt zwei Tage später gelungen, worüber Marie unsagbar froh war, denn zwischendurch sah es fast so aus, als würde ihr Plan doch nicht gelingen.

„Endlich!“, brachte Marie erleichtert hervor und nahm ihre Freundin dankbar in die Arme.

„Den sind wir los!“, verkündete auch Susi zufrieden und wirkte fast ein wenig stolz, da das Ganze ihre Idee gewesen war.

Hierauf stießen die beiden Freundinnen klirrend mit ihren Sektgläsern an, und ein Gefühl der Freiheit machte sich in Marie breit. Die wochenlange Planung war heute endlich zu einem erfolgreichen Abschluss gekommen.

Dabei hatte alles ganz harmlos angefangen …

Hassliebe

Marie Wagner konnte nicht sagen, wann genau sich die Abneigung ihrem Ehemann gegenüber in wahren Hass verwandelt hatte.

Es war ein schleichender Prozess gewesen, bei dem ihre Liebe zu Konrad erst in eine gewisse Gleichgültigkeit überging, wobei ihre Gefühle immer mehr erkalteten, bis schließlich nur noch Feindseligkeit übriggeblieben war.

Marie konnte sich ihre Sinneswandlung, die immerhin fast zwanzig Jahre gedauert hatte, bloß damit erklären, dass Konrad einfach nicht mehr der Mann war, den sie damals kennengelernt und in den sie sich verliebt hatte.

Die ersten zehn Jahre ihrer Beziehung redete sie sich immer noch ein, alles wäre normal, so wie es war.

Wahrscheinlich wäre es anders gekommen, wenn sie Kinder gehabt hätten, aber dieses Glück blieb ihnen verwehrt. In dieser Hinsicht hatte Marie eine emotionale Achterbahn durchlitten: Das Warten, das Hoffen, das Bangen, dann die Gewissheit darüber, dass sie keine Kinder bekommen konnten.

Bis Mitte dreißig war Marie untröstlich darüber. Irgendwann fand sie sich allmählich mit ihrem Schicksal ab. Mittlerweile war sie fast froh darüber, keine Kinder zu haben. Etwa einen Sohn, der dann genauso unausstehlich geworden wäre wie ihr Mann.

Mit Anfang zwanzig hatte sie Konrad kennengelernt. Damals empfand sie bereits Torschlusspanik, ausgelöst durch die ständigen Kommentare ihrer Mutter, dass sie ja wohl keinen mehr abbekommen würde. Dabei war Marie durchaus attraktiv und hätte wahrscheinlich an jedem Finger einen Liebhaber haben können. Sie war sich dessen allerdings bis heute nicht bewusst. Auch heute noch war Marie Wagner mit ihren fünfzig Jahren eine durchaus gutaussehende Frau. Hochgewachsen und schlank kam sie ganz nach ihrem italienischen Vater, den sie nie kennengelernt hatte.

Im Grunde war also ihre Mutter an allem schuld.

Denn aus Angst, keinen Mann mehr abzukriegen, rannte Marie zu allen Verbindungsfeiern in Heidelberg, um endlich den Mann fürs Leben zu finden.

Egal, wie spät sie nach solchen Feiern nach Hause kam, ihre Mutter wartete stets auf sie.

„Und? War einer dabei?“ Ewig, dieselbe Frage.

„Leider nicht“, war stets Maries Antwort.

Bis zu jener Faschingsfeier vor fast dreißig Jahren, während der sie den als Clown verkleideten Konrad Wagner kennenlernte und sich in ihn verliebte.

Dabei war er ein wirklich unlustiger Clown. Schon damals sprach er viel über Geld. Im Grunde hätte sie da bereits merken müssen, was für ein äußerst oberflächlicher Typ er war.

Aber Konrad Wagner interessierte sich für Marie. Außerordentlich sogar, was sie bis dahin so noch nie erlebt hatte. Wahrscheinlich merkte Konrad gleich, dass er der jungen Marie imponieren konnte, denn um nichts anderes ging es ihm, noch bis heute.

So wickelte er sie mit Leichtigkeit um den Finger. Seine Eckdaten stimmten auch: Konrad war groß, schlank, sah ganz nett aus, wirkte auf gewisse Weise beschützend und war mit Ende zwanzig bereits angehender Anwalt. Ein Detail, das ihrer Mutter besonders gut gefiel.

Im Nachhinein konnte Marie die Angst ihrer Mutter verstehen. Ihr Vater war an Krebs gestorben, als Marie erst zwei Jahre alt gewesen war, und ihre Mutter musste die beiden von da an alleine durchbringen.

Im Grunde suchte sie nur jemanden, der ihr die Verantwortung für ihr Kind abnehmen konnte. Sie wollte ihre Tochter in guten Händen oder besser gesagt in wohlhabenden Verhältnissen wissen.

Anfangs verstanden sich die beiden auch sehr gut, aber auch vor seiner Schwiegermutter konnte Konrad sein wahres Gesicht nicht verbergen.

Dass ihr Schwiegersohn sich nicht gerade zum Traum-Ehemann entwickelte, merkte ihre Mutter durchaus, versuchte dies aber, jahrelang zu verdrängen, wie Marie selbst auch.

Sechs Wochen zuvor

Zum wahrscheinlich hundertsten Mal hatte Marie Wagner umsonst auf Konrad gewartet. Sie saß wie versteinert an dem liebevoll gedeckten Abendbrottisch, starrte auf das mittlerweile eiskalte Essen und spürte, wie langsam die Wut in ihr hochkochte.

Dabei hatte sie sich für dieses Abendessen besonders viel Mühe gegeben. Sie hatte Sauerbraten mit Knödeln gemacht, eines von Konrads Lieblingsessen. So wie es aussah, völlig umsonst.

Langsam erhob sie sich wieder, verstaute die Speisen im Kühlschrank und setzte sich vor den Fernseher. Ein Blick auf die Uhr verriet ihr, dass es bereits 20 Uhr und Konrad somit schon fast zwei Stunden zu spät war. In letzter Zeit kam er immer öfter zu spät nach Hause, ohne es für nötig zu halten, Marie darüber zu informieren. Wenn sie nachfragte, warum er sich verspätete hatte, bekam sie meist lediglich eine äußerst knappe Erklärung als Antwort.

Vielleicht hat er eine andere?, hatte Marie schon oft überlegt. Komischerweise stimmte sie dieser Gedanke gar nicht traurig, fast erheiterte sie dies ein wenig.

Auch sie hatte in letzter Zeit oft darüber nachgedacht, sich von Konrad zu trennen. Ein Vorhaben, das ihr leider völlig unmöglich war. Viel zu abhängig war sie von ihrem Ehemann. Als sie ihn mit Anfang zwanzig geheiratet hatte, hatte sie ihre Ausbildung zur Zahntechnikerin abgebrochen. Eine Tatsache, wegen der sie sich noch heute die Haare raufen konnte. Wie hatte sie damals nur so blöd sein können?

Gerne hätte sie danach eine andere Tätigkeit angenommen, wie etwa in einem Laden aushelfen oder einfache Büroarbeiten erledigen, aber das hatte ihr Konrad immer strengstens untersagt. Richtig beleidigt reagierte er, wenn sie ihn darauf ansprach.

„Verdiene ich denn nicht genug?“, erzürnte er sich dann.

„Wenn dir langweilig ist, kannst du das Haus ja besser putzen“, schimpfte er weiter.

Es war dauernd das Gleiche. Irgendwann hatte Marie aufgegeben, ihn zu fragen und sich mit ihrem oft tristen Hausfrauendasein abgefunden. Dies wäre natürlich weitaus erträglicher gewesen, wenn sie Kinder gehabt hätte. Nicht einmal Haustiere durfte sie halten, da Konrad eine Tierhaarallergie hatte. Angeblich. Oft glaubte sie, dass er die Allergie nur erfunden hatte. Eher kam es ihr so vor, als habe ihr Mann eine Allergie gegen das Leben an sich!

In den letzten fünf Jahren hatte Marie sich allerdings erdreistet, nebenbei etwas anderes zu tun. Zweimal in der Woche half sie ein paar Stunden in einem kleinen Blumenladen in der Hauptstraße aus, außerdem lernte sie eifrig Italienisch in der Volkshochschule, natürlich alles hinter Konrads Rücken. Vor allem das Erlernen einer fremden Sprache machte ihr besonders viel Spaß, mittlerweile besuchte sie bereits die Italienischkurse für Fortgeschrittene und nahm dort sogar an Diskussionsrunden teil. Nicht, dass sie diese Sprache bisher außerhalb ihrer Kurse hatte groß anwenden können, aber sie wollte ihre italienischen Wurzeln pflegen. Darüber hinaus liebte sie das Land und die Leute einfach.

Dorthin sollte auch ihre Reise zum dreißigjährigen Hochzeittag gehen. Genau das hatte sie heute mit Konrad besprechen wollen. Sie ärgerte sich daher umso mehr, dass er nicht zum Essen erschienen war.

Sie wusste aus Erfahrung, dass sie solch einen Vorschlag lange vorbereiten musste, denn meist reagierte er verständnislos bis hin zu erbost. Überhaupt fuhr er immer öfter aus der Haut, wirkte sehr gereizt in letzter Zeit.

Nach solch einem Wutanfall von ihm durfte sie das Thema erstmal zwei Wochen nicht mehr ansprechen, um sich dann langsam wieder heranzutasten. So machte sie es bei neuen Anschaffungen oder geplanten Urlauben. Meist musste sie dann erst den widerlichen Sex mit ihm über sich ergehen lassen, danach konnte sie einkaufen gehen oder eine Reise buchen.

Über die Verhältnisse, in denen sie lebten, konnte sich Marie wirklich nicht beschweren. Sie bewohnten eine wunderschöne Jugendstilvilla unterhalb des Philosophenwegs in Heidelberg mit einem traumhaften Blick auf das Neckartal und das Heidelberger Schloss.

Schöner konnte man kaum wohnen. Zwar waren das Haus und das Grundstück viel zu groß, sodass Marie tatsächlich die meiste Zeit mit Putzen oder Gartenarbeit beschäftigt war, aber missen wollte sie es auch nicht. Besonders ihre Mutter genoss es immer, wenn sie zu Besuch kam. Viel mehr soziale Kontakte hatten sie eigentlich gar nicht. Konrad hatte in den letzten Jahren immer mehr Freunde durch seine cholerische Art vergrault, aber auch das schien ihm nicht aufzufallen. Zum Glück war Marie ihre treue Freundin Susi geblieben.

Gerade als Marie vor dem Fernseher eingenickt war, schreckte sie auf einmal hoch. Ein Geräusch hatte sie geweckt. Als sie aufblickte, sah sie die dunkle Silhouette ihres Mannes im Türrahmen stehen. Wie er dort verweilte, unbeweglich, nur von einer Lampe hinter ihm im Flur beleuchtet, sodass man keinerlei Konturen erkennen konnte, wirkte er fast wie ein Monster. Zumindest wie ein ungebetener Gast.

Kurz schoss Marie der Gedanke durch den Kopf, sie könnte ihm mit der übergroßen, äußerst hässlichen Kristallvase, die ihnen seine Mutter geschenkt hatte, eins überbraten. Der Polizei würde sie später sagen, sie hätte gedacht, es sei ein Einbrecher gewesen. Gab es nicht schon hunderte solcher und ähnlicher Geschichten? Gingen diese dann eigentlich immer gut aus?

„Hallo Schatz“, begrüßte sie ihn stattdessen und verabscheute sich für ihre Heuchelei.

„Ich dachte, du kommst früher. Ich habe dein Lieblingsessen gekocht.“

„Hab schon gegessen!“, kam es nur kurz zurück.

Marie hatte das Gefühl, dass er sie fast feindselig anblickte, während er seine Aktentasche auf einem Sessel abstellte. Nicht nur bei ihr hatte offensichtlich die Liebe nachgelassen …

„Wo warst du denn so lange?“, bemühte sie sich, weiterhin noch freundlich zu fragen.

„Habe mit Heinz Fußball geschaut“, gab er erneut knapp von sich. In letzter Zeit traf er sich ständig mit besagtem Heinz, einem ähnlich unsympathischen Kunden von ihm.

In dem Moment bemerkte sie, dass er nicht mehr ganz nüchtern war. Schwankte er nicht sogar ein bisschen? Vielleicht wäre das ja ein guter Moment für ihr Anliegen?

Maries Chance lag bei fünfzig Prozent, dass er in angetrunkenem Zustand positiver auf ihren Vorschlag reagieren würde. Das musste sie versuchen. Die anderen fünfzig Prozent wollte sie sich gar nicht ausmalen, dann wäre ihre Reise wahrscheinlich ein für alle Mal passé.

„Setz dich doch zu mir. Ich wollte etwas mit dir besprechen“, säuselte sie geradezu.

„Was willst du jetzt schon wieder? Wir haben doch gerade erst neue Gartenmöbel für ein Schweinegeld gekauft“, gab er pampig zurück. Kurz lachte er auf, als sei dies ein Witz gewesen, aber Marie wusste, dass er es ernst meinte.

Konrad gab sich keinerlei Mühe, auch nur ein wenig nett zu ihr zu sein, ließ sich aber trotzdem schwerfällig auf das Sofa direkt neben sie fallen. Er landete sogar sehr nah bei ihr, fast saß er nun auf ihrem Schoß.

Marie fragte sich, wieviel er wohl getrunken hatte und ob er in diesem Zustand noch Auto gefahren war.

Nicht, dass sie sich ernsthafte Sorgen um ihn gemacht hätte. Manchmal lösten sich Probleme ganz von selbst. So viel Glück hatte sie aber leider bisher nicht gehabt.

Ungelenk rutschte er nun ein Stück zur Seite und wirkte dabei nicht wie Ende fünfzig, sondern eher wie Ende achtzig. Nach seiner Lebensfreude zu urteilen, war er bereits scheintot.

„Wir haben doch bald unseren dreißigsten Hochzeitstag, Konni …“, so hatte sie ihn schon lange nicht mehr genannt.

„Schon wieder?“, grummelte er und musste über seinen Witz lachen. Ein Lachen, das bald in einen starken Husten überging. Konrad rauchte wie ein Schlot und roch gerade wie die gesamte Reeperbahn morgens um drei Uhr.

Vielleicht muss ich gar nicht mehr viel nachhelfen, dachte Marie schadenfroh. Denn dass Konrad alles andere als gesund lebte, sah ein Blinder mit Krückstock.

Als sich sein dämliches Gelächter gelegt hatte, fuhr sie bemüht ruhig fort: „Ja, schon wieder, Schatz“, und lächelte ihn liebevoll an. So liebevoll es ging.

„Ich hatte mir überlegt, dass wir mal wieder eine schöne Reise machen könnten, wir zwei.“

Erwartungsvoll blickte sie ihn an.

„Wohin willst du denn?“, fragte Konrad so gelangweilt, als würden sie über ein neues Paar Schuhe für Marie reden.

„Vielleicht nach Italien …“, antwortete sie vorsichtig.

„Warum nicht! Und wann?“, erwiderte er erstaunlicherweise. Konrad schien abwesend zu sein.

„Na, zu unserem Hochzeitstag …“, Marie war überrascht, dass Konrad positiv oder eher gleichgültig, was bei ihm fast dasselbe war, reagierte. Natürlich wusste er nicht, wann ihr Hochzeitstag war, was er im Moment nicht zugeben konnte.

„Klar, Schatz. Mach du nur …“, er lächelte sie sogar an. Kurz befürchtete sie, das Funkeln in seinen Augen deutete darauf hin, dass er nun von ihr verlangen würde, mit ihm ins Bett zu steigen, aber sie hatte sich zum Glück getäuscht. Sein Blick galt dem Fernseher.

„Plane doch mal was, danach besprechen wir es wieder. Länger als zehn Tage kann ich aber nicht weg. Es ist gerade saumäßig viel los in der Kanzlei“, verkündete er, während er aufstand, um die Fernbedienung für den Fernseher zu holen. Schon flimmerte ein alter Tatort auf dem übergroßen Flatscreen-Bildschirm. Konrad holte sich noch ein Bier und legte die Füße hoch.

Der Abend war für ihn gelaufen, und für Marie hätte es nicht besser laufen können.

Aufgeregt schnappte sie ihr Mobiltelefon und verfasste eine Textnachricht an Susi:

Komme morgen bei dir vorbei, um den Italienurlaub zu planen!

Sie musste die freudige Nachricht sofort loswerden.

Danach machte sich Marie daran, noch etwas im Internet zu recherchieren, welche italienischen Städte sie gerne sehen wollte und stellte eine Liste der Top fünf zusammen. Ein äußerst schwieriges Unterfangen, wie sie gut eine Stunde später feststellen musste. Also legte sie ihre Liste mit den über zwanzig Stadtnamen erst einmal zur Seite. Das hatte noch Zeit.

Hierauf beschloss sie, noch etwas in ihrem neuen italienischen Buch zu lesen. Ihre Sprachkenntnisse hatten wirklich erhebliche Fortschritte gemacht in den letzten Monaten. Noch vor einem halben Jahr hätte sie sich niemals zugetraut, einen ganzen Roman in der fremden Sprache zu lesen, was mittlerweile recht flüssig ging. Sie konnte es kaum abwarten, ihre Sprachkenntnisse vor Ort anzuwenden.

Konrad wird Augen machen, amüsierte sie sich innerlich und machte es sich im Gästezimmer bequem. In Grunde konnte man das Gästezimmer getrost als Maries Zimmer bezeichnen. Immer wenn Konrad etwas getrunken hatte und wie ein Bär schnarchte, oder wenn sie sich gestritten hatten, schlief sie hier. Also fast immer.

Marie war das vollkommen recht. Sie hatte sich den Raum über die Jahre ganz nach ihrem Geschmack und wie sie fand, urgemütlich eingerichtet. Konrad mochte es eher schlicht und modern, Marie hingegen verspielt und mit vielen Antiquitäten. Somit glich das Gästezimmer nunmehr einer antiken Puppenstube: ein Himmelbett, viele antike Möbel und allerlei Dekorationsartikel schmückten den Raum. Auf dem Schreibtisch vor dem Fenster mit direktem Blick auf das Schloss standen stets frische Blumen. Nirgendwo in der großen Villa fühlte sich Marie so wohl und geborgen wie hier.

Erleichtert legte sie sich in ihr Bett, las noch ein wenig und schlief mit den Gedanken an ihre bevorstehende Reise zufrieden ein.

Ein Gefühl, das sie schon lange nicht mehr gehabt hatte.

Beste Freundinnen

Marie Wagner und Susanne Schuster kannten sich schon seit der ersten Schulklasse und hatten über die Jahre erstaunliche Parallelen in ihren Lebensläufen gehabt.

Nicht nur, dass sie ihre gesamte Schulzeit zusammen verbracht hatten und bereits damals unzertrennlich waren, fingen sie gemeinsam ihre Ausbildung zur Zahntechnikerin an. Diese schloss Susi allerdings im Gegensatz zu Marie erfolgreich ab und arbeitete auch ein paar Jahre in dem Beruf. Wobei ihr dieser nie sonderlich viel Spaß gemacht hatte, aber den wenigsten Menschen bereitete ihr Beruf ja Freude.

Obwohl sie sich äußerlich kaum ähnelten, behaupteten sie im Grundschulalter immer, sie seien Schwestern, was ihnen kaum jemand abnahm.

---ENDE DER LESEPROBE---