Freundinnen wider Willen - Mimi J. Poppersen - E-Book

Freundinnen wider Willen E-Book

Mimi J. Poppersen

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Beschreibung

Claudia und Julia. Zwei Frauen, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten. Claudia ist eine durchorganisierte, penible Businessfrau, die nur ihren Job im Sinn hat. Julia hingegen ist etwas verträumt und der totale Familienmensch. Die beiden haben keinerlei Gemeinsamkeiten, außer, dass Julia nach zwanzig Jahren Mutterdasein beginnt, für Claudia zu arbeiten. Bald wird klar, dass zwischen den Frauen keine Freundschaft entsteht, ganz im Gegenteil ... Wie es der Zufall will, verschlägt es die beiden mit ihren Ehemännern zu einem gemeinsamen Wochenende in die Tessiner Alpen. Auf der kleinen Berghütte fällt es schwer, sich aus dem Weg zu gehen. Noch dazu läuft so einiges schief. Das Schicksal beschließt, dass Claudia und Julia zusammenhalten müssen, um einen Ausweg aus so manch verzwickter Situation zu finden. Nach diesem Wochenende ist nichts mehr, wie es war!

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Inhaltsverzeichnis

Julia

Claudia

Julia

Claudia

Julia

Claudia

Julia

Claudia

Julia

Claudia

Julia

Claudia

Julia

Claudia

Julia

Claudia

Julia

Claudia

Julia

Claudia

Julia

Claudia

Julia

Claudia

Julia

Claudia

Julia

Claudia

Julia

Claudia

Julia

Claudia

Julia

Claudia

Julia und Claudia

Sechs Monate später

Impressum

Freundinnen wider Willen

von

Mimi J. Poppersen

Mimi J. Poppersen auf Instagram

Text Copyright © Mimi J. Poppersen

1. Korrektorat: Jo van Christen

2. Korrektorat: Anja Karl

Lektorat: Media-Agentur Gaby Hoffmann | https://www.profi-lektorat.com

Coverdesign by A&K Buchcover | https://www.akbuchcover.de/

Verwendete Grafiken:

depositphotos.com:

praewa_koreashopping, TTstudio, halfpoint, Vadymvdrobot,tomtsya

shutterstock.com:

Rusya007

Alle Rechte vorbehalten

Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit schriftlicher

Genehmigung der Autorin. Personen und Handlungen

sind frei erfunden, etwaige Ähnlichkeiten mit real existierenden

Personen sind rein zufällig und nicht beabsichtig.

„Friends should be like books, few, but hand-selected.“

C. J. Langenhoven

Zum Inhalt:

Zwei Frauen wie Katz und Maus und ein Wochenende, das alles verändert!

Claudia und Julia. Zwei Frauen, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten.

Claudia ist eine durchorganisierte, penible Businessfrau, die nur ihren Job im Sinn hat. Julia hingegen ist etwas verträumt und der totale Familienmensch.

Die beiden haben keinerlei Gemeinsamkeiten, außer, dass Julia nach zwanzig Jahren Mutterdasein beginnt, für Claudia zu arbeiten. Bald wird klar, dass zwischen den Frauen keine Freundschaft entsteht, ganz im Gegenteil ...

Wie es der Zufall will, verschlägt es die beiden mit ihren Ehemännern zu einem gemeinsamen Wochenende in die Tessiner Alpen. Auf der kleinen Berghütte fällt es schwer, sich aus dem Weg zu gehen. Noch dazu läuft so einiges schief.

Das Schicksal beschließt, dass Claudia und Julia zusammenhalten müssen, um einen Ausweg aus so manch verzwickter Situation zu finden. Nach diesem Wochenende ist nichts mehr, wie es war!

Julia

„Alles wird gut!“, flüsterte sie immer wieder vor sich hin.

Hätte Julia behauptet, sie sei nicht aufgeregt an diesem Morgen, wäre das glatt gelogen gewesen. Richtiges Lampenfieber hatte sie. Zwar musste sie keine Bühne betreten, sondern nur die Büroräume ihres neuen Arbeitsplatzes, aber trotzdem hatte sie ständig Hitzewallungen vor Anspannung. Noch dazu war sie völlig übermüdet, da sie in der Nacht kaum ein Auge zugetan hatte. So war das halt, wenn man nach zwanzig Jahren Kindergroßziehen beschloss, wieder zu arbeiten.

„Selber schuld!“, sagte sie leise zu sich selbst, während sie auf ihren hochhackigen Schuhen über das Kopfsteinpflaster der Heidelberger Hauptstraße stolperte. Warum konnte sie eigentlich nicht in Turnschuhen bei der Arbeit erscheinen?

Doch sie versuchte, positiv zu bleiben: Immerhin war ihr neuer Job in Laufnähe und sie musste nicht mit dem Auto oder der Straßenbahn irgendwohin gurken. So konnte sie sich das Ganze doch wenigstens etwas schönreden.

Die Anstellung, die sie sich ausgesucht hatte, verfügte bestimmt über noch mehr Vorteile, versuchte sie sich einzureden. Doch da lag ja das Problem: Sie hatte sich den Job nicht selbst ausgewählt. Ihr Mann Matthias war es gewesen, der ihr diese Anstellung quasi aufs Auge gedrückt hatte.

Sie hatte den Satz nicht mal ganz zu Ende gesprochen, dass sie sich überlege, eventuell wieder arbeiten zu wollen, als Matthias meinte, er habe da eine Idee. Zugegeben organisierte er so einiges in ihrem Leben. Vielleicht war es daher selbstverständlich für ihn gewesen, ihr bei der Jobsuche zu helfen. Wobei man eher sagen musste, zu bestimmen, wo Julia zu arbeiten hatte.

Zumindest organisierte Julia die unterhaltsamen Dinge in ihrem Leben, wie Urlaube oder Geburtstage. Für diese Angelegenheiten war sie verantwortlich, was allerdings in letzter Zeit immer weniger geworden war.

Julia konnte sich nicht beschweren, ihnen ging es gut und sie waren glücklich. Das dachte sie zumindest bis vor ein paar Monaten, als nach Leon auch Mia ausgezogen war, um in einer anderen Stadt zu studieren.

Erst da war Julia aufgefallen, dass ihre Bilderbuchfamilie, wie sie von außen wirken musste, gar keine war. Davon waren sie sogar ziemlich weit entfernt, würde sie sagen. So weit, dass Julia und Matthias seit ein paar Wochen zu einer Paartherapie gingen. Das war auch ihre Idee gewesen – so viel zu den spaßigen Dingen.

Wie hatte es bloß soweit kommen können, fragte sich Julia, während sich ihre Schritte etwas verlangsamten. Aus irgendeinem Grund widerstrebte es ihr, an diesem Montag ihre neue Arbeitsstelle anzutreten. Vermutlich, da sie eigentlich etwas völlig anderes machen wollte.

Ursprünglich hatte sie etwas Kreatives im Sinn gehabt. Vielleicht einen Beruf, bei dem man mit Kindern arbeitete oder im sozialen Bereich tätig war. Sogar eine Anstellung in einem Buch- oder Blumenladen hätte ihr Spaß gemacht, denn es ging nicht wirklich darum, viel Geld zu verdienen. Sie kamen mit Matthias’ bombastischem Gehalt mehr als gut zurecht. Doch von wegen kreativ – nun musste sie völlig fantasielos in einem Büro arbeiten.

Matthias hatte sich fast überschlagen, als er ihr die Neuigkeiten unterbreitete: „Du kannst hier in Heidelberg bei einer Personalberatung anfangen, und das schon nächste Woche!“, hatte er verkündet, „ich habe mit Klaus Dehnfeld gesprochen, der mir vor zwei Jahren meinen Job organisiert hat. Der hat gleich gehandelt und dich vermittelt. Ist das nicht genial?“

Zwar wusste Julia, was eine Personalberatung machte, fand dies aber nur mittelmäßig spannend, schlimmer noch, sie fand es auf gewisse Weise hinterhältig, Leute aus anderen Firmen abzuwerben.

Es stimmte, dass die Firma Dehnfeld und Partner ihm vor zwei Jahren einen fantastischen Geschäftsführerposten bei einer großen Softwarefirma bei Heidelberg beschafft hatte. Auch dieser Klaus hatte sich dabei eine goldene Nase verdient, als er Matthias von seiner damaligen Firma abwarb. Zuerst hatte ihr Mann dem Ganzen äußerst skeptisch gegenübergestanden, doch als er die Gehaltsumme erfuhr, hatte er keine Sekunde mehr gezögert.

Mittlerweile waren Klaus und Matthias per Du, und natürlich hatte er den Headhunter sofort kontaktiert, als Julia mit dem Gedanken spielte, wieder in die Berufswelt zurückzukehren. Dass ihr etwas völlig anderes vorschwebte, hatte sie nicht einmal kundtun können.

Schon länger merkte sie, dass ihre Vorstellungen, wie ihr Leben auszusehen hatte, weit auseinanderdrifteten. Richtig fiel ihr das erst auf, nachdem die Kinder aus dem Haus waren.

Seitdem wurde ihr klar, wie dominant Matthias alles bestimmte. Natürlich verdiente er das Geld, und davon eine ganze Menge, aber irgendwie hatte ihn dieses Geld verändert. Immer oberflächlicher war er geworden, wie sie fand. In Gesprächen ging es nur noch um das dickste Auto, die tollste Uhr oder die kostspieligsten Reisen.

Wo war der Matthias geblieben, den sie im Studium kennengelernt hatte, mit dem sie im Wohnmobil unterwegs gewesen war und der abends am Lagerfeuer Gitarre spielte?

Mittlerweile bewegte sie sich nur noch im Schneckentempo die Hauptstraße entlang. Gerade als die Kirchenuhr neun Mal schlug, erreichte sie den Karlsplatz, an dem ihre neue Arbeitsstelle lag. Zugegeben, eine herrliche Location mit einem fantastischen Blick auf das Heidelberger Schloss. Aber auch das machte ihre Nervosität nicht besser.

Kurzerhand hielt sie bei dem kleinen Denkmal an, das Heidelberg in Miniatur zeigte, um noch einmal tief durchzuatmen.

„Du schaffst das!“, redete sie mit sich selbst, während sie sich verbog, um die völlig unbequemen High Heels zurechtzurücken. Auch der neue BH war äußerst lästig, weshalb sie noch einmal daran zupfen musste. Roch sie etwa nach Schweiß?

Am liebsten hätte sie sich umgedreht und wäre schnurstracks wieder nach Hause gegangen. Im Geiste hörte sie Matthias’ Stimme, die begeistert verkündete: „Dieses Jobangebot ist wie für dich gemacht! Es ist in Heidelberg bei einer Personalberatung und du musst eigentlich nichts können, um dort anzufangen.“ Eine Aussage, die man nicht gerade als Kompliment auffassen konnte.

Julia wusste genau, in welchem Haus sich ihr neues Büro befand. Sie hatte es sich in der kurzen Zeit, die ihr bis zu ihrem Jobantritt blieb, ein paar Mal angeschaut. Mutlos blickte sie zu dem hübschen Altbau und stolperte ihrem Ziel entgegen, als wäre es ihr letzter Gang zum Schafott.

Claudia

„Wo bleibt sie denn nur?“, redete Claudia Stadler mit sich selbst und spürte, dass sich ihr Unmut minütlich steigerte.

Seit einer Weile tigerte sie vor den großen Fenstern ihres Büros auf und ab, in der einen Hand ihr Telefon, in der anderen eine Tasse Kaffee. Dass man von hier aus einen herrlichen Blick auf das Heidelberger Schloss hatte, interessierte sie in dem Moment wenig.

War nicht ausgemacht gewesen, dass die neue Arbeitskraft um 8:30 Uhr hier erscheinen sollte?

Gerade am ersten Arbeitstag war man doch überpünktlich, es sei denn, man war ein bisschen gehirnamputiert. Sorry, aber so sah sie das nun mal.

Claudia konnte nicht umhin, bei dem Gedanken an ihre neue Assistentin bereits einen negativen Beigeschmack zu verspüren, obwohl sie diese noch nicht einmal kannte. Im Grunde konnte sie nicht genau sagen, was ihr daran missfiel, dass ab heute Julia Berger ihre Sekretärin war. Na ja, wenn sie ehrlich war, wusste sie es durchaus: Es störte sie, dass Klaus Dehnfeld, der mit seinem Hintern in Köln saß, beschlossen hatte, wer hier in Heidelberg für sie arbeiten sollte.

Noch mehr ärgerte sie, dass sie sich dagegen nicht wehren konnte, denn er war nun mal der Chef der ganzen Firma. Die Niederlassung in Heidelberg leitete Claudia zwar mittlerweile seit fünfzehn Jahren und das überaus erfolgreich, aber wenn es etwas zu bestimmen gab, entschied der große Herr in Köln.

Tatsächlich war es in den letzten Wochen viel Arbeit gewesen, nachdem ihre vorherige Bürokraft aus heiterem Himmel gekündigt hatte. Es war schon die dritte Assistentin innerhalb von einem Jahr, die kündigte. Alle miteinander hatten sie noch in der Probezeit das Handtuch geschmissen. Die Vermutung von Klaus Dehnfeld, dass dies womöglich an ihr lag, fand sie absurd und nahm ihm dies immer noch übel. Eine Frechheit war das. Ihre Arbeitskräfte waren halt nur nicht gewohnt, mal richtig anzupacken. Eine ruhige Kugel wollten sie hier schieben und den Stift pünktlich zum Feierabend fallen lassen. Aber nicht mit ihr! Es gab immer noch etwas zu tun. Immer!

Daher hatte Klaus Dehnfeld beschlossen, diesmal nicht so ein „junges Ding“, wie er sich ausdrückte, einzustellen, sondern eine gestandene Frau, die schon einiges in ihrem Leben erlebt hatte. Wenn sie allerdings auf den Lebenslauf von Julia Berger blickte, war sie sich nicht sicher, ob dies zutraf.

Außer Kinder großzuziehen und einigen ehrenamtlichen Tätigkeiten, schien sie in den letzten zwanzig Jahren wenig auf die Beine gestellt zu haben. Dafür war ihr Mann umso erfolgreicher, wie Klaus fast ehrfürchtig betont hatte.

Daher wehte nämlich der Wind: Klaus wollte sich lediglich bei seinem überaus erfolgreichen Mandanten einschleimen. Denn sollte er jemals eine noch höhere Position zu besetzen haben, für die sich Matthias Berger beschwatzen ließ, würde Klaus von der Provision ein Jahr gut leben können.

Für diesen Gefallen seinem Kandidaten gegenüber, mit dem er mittlerweile befreundet war, musste sie sich nun mit einer völlig unqualifizierten Arbeitskraft abplagen.

Immer wieder betonte Klaus, dass sie doch froh sein könne, wieder Hilfe in ihrem Büro zu haben. Das war sie natürlich, denn die Arbeit war ihr tatsächlich über den Kopf gewachsen.

Claudia konnte nicht sagen, ob ihre ehelichen Probleme auch damit zusammenhingen. Wenn sie abends zu Hause war und Zeit mit Christian verbringen wollte, war sie meist gereizt und übermüdet.

Natürlich kamen außer dem Job noch private Probleme hinzu, die ihre Ehe belasteten, von denen kein Außenstehender auch nur die leiseste Ahnung hatte. Ungeschönt konnte man sagen, dass sie sich in einer ziemlichen Beziehungskrise befanden.

Vor zehn Jahren hatte sie den um einiges jüngeren Christian auf einer Mountainbiketour durch die Heidelberger Berge kennengelernt. Auf Anhieb hatten sie sich bestens unterhalten. Es dauerte nur ein paar Tage, bis klar war, dass sie in einer Beziehung waren, woraufhin sie sich eine gemeinsame Wohnung suchten und Hals über Kopf zusammenzogen. Im Nachhinein war alles vielleicht ein bisschen schnell gegangen. Doch Claudia war einfach der Typ, der Nägel mit Köpfen machte.

Mittlerweile war ihr klar, dass sie sich in Sachen Sport bestens verstanden. Das war es dann aber auch. Christian war in seinem Berufsleben bei Weitem nicht so ehrgeizig wie sie, was ihr inzwischen ziemlich auf den Geist ging. Nach wie vor arbeitete er mit Mitte dreißig als Projektleiter bei einer Softwarefirma, wobei er sicherlich längst eine Position wie dieser Matthias Berger innehaben könnte. Oft kam es ihr vor, als wolle er dies gar nicht.

Immerhin hatte Christian vorgeschlagen, dass sie eine gemeinsame Paartherapie machen sollten, von der sie sich nicht sicher war, ob sie ihnen wirklich half. Natürlich würde sie dem Ganzen noch eine Chance geben – sowohl der Paartherapie als auch ihrer Ehe. Bisher waren sie nur ein Mal dort gewesen und sie konnte nicht umhin, dem Ganzen eher misstrauisch gegenüberzustehen.

Erneut fiel ihr Blick auf die Uhr, bei der sich der große Zeiger gerade auf die fünf schob. Es war 9:05 Uhr.

Als sie in dem Moment wieder auf den Karlsplatz blickte, sah sie eine Frau in einem unmodischen ockerfarbenen Kostüm an dem Denkmal von Heidelberg lehnen, wo sie sich ihre Schuhe zurechtrückte.

Belustigt beobachtete Claudia, wie sie sich danach den Büstenhalter korrigierte und unter ihren Achseln roch. Kurz bevor sie sich durch die Haare fuhr, die alles andere als frisiert aussahen, und sich auf den Weg machte ... über den Karlsplatz, in ihre Richtung.

„Oh mein Gott, bitte nicht!“, stieß Claudia aus, als sie die Frau auf den Eingang ihres Bürohauses zusteuern sah. Kurz darauf ertönte die Klingel.

Julia

Immerhin bin ich beinahe pünktlich, dachte Julia, während sie das modern sanierte Treppenhaus des Altbaus betrat. Die paar Minütchen, die sie zu spät war, würden hoffentlich nichts ausmachen.

Trotz ihrer unbequemen High Heels ließ sie den Fahrstuhl links liegen und nahm die Treppe bis zum dritten Stockwerk, wobei ihre Schritte bei jeder Etage langsamer wurden.

Als sie um die letzte Biegung der Treppe kam, erblickte sie ihre zukünftige Chefin, die am Eingang des Büros auf sie wartete. Die Frau musste ihre neue Vorgesetzte sein, da sie von Matthias wusste, dass sie das Büro momentan in einer One-Man-Show oder eher in einer One-Woman-Show führte und Verstärkung dringend gebrauchen konnte.

„Guten Morgen, Frau Stadler“, keuchte Julia ihr entgegen, und merkte erst jetzt, wie sehr sie außer Atem war von den paar Stufen. Das musste an ihren Schuhen liegen.

Oben angekommen, fiel ihr auf, dass die Frau in der Tür sie äußerst grimmig musterte. Von einem Lächeln keine Spur. Überhaupt erinnerte sie Frau Stadler an eine strenge Gouvernante, vor der jedes Kind Angst hatte. Und nicht nur Kinder: Selbst Julia überlegte angestrengt, was sie falsch gemacht haben könnte. Ohne eine Miene zu verziehen, blickte die Frau, die etwa in ihrem Alter war, sie an. Durch das enganliegende graue Kostüm, das um einiges besser saß als ihr eigenes, und die zu einem strengen Dutt zusammengebundenen Haare, wirkte sie jedoch älter. Typ Oberlehrerin.

Na, das kann ja heiter werden, stöhnte Julia innerlich, während sie „schön haben Sie es hier“ von sich gab, um die unangenehme Situation etwas aufzulockern.

„Sie sind zu spät, Frau Berger!“, sagte ihr Gegenüber nur als Begrüßung, drehte sich auf dem Absatz um und ging voran in die Büroräume. Kein „Guten Morgen“, „herzlich willkommen“ oder Ähnliches ließ sie verlauten.

Etwas irritiert folgte Julia ihr, während sie stammelte: „Ich dachte, mein Arbeitsbeginn ist um 9 Uhr.“

„Um 8:30 Uhr“, kam es schroff zurück.

„Ah, das wusste ich nicht. Tut mir leid“, erwiderte Julia und war jetzt schon genervt von sich selbst, dass sie sich so unterbuttern ließ. Sie war sich ganz sicher, dass in ihrem Arbeitsvertrag 9 Uhr stand. Und überhaupt: Was war das denn für eine Begrüßung?

„Tut mir leid, dass ich etwas ungehalten bin, aber ich kann Unpünktlichkeit einfach nicht leiden“, erklärte ihre neue Chefin immerhin, was die Sache auch nicht besser machte.

„Ich dachte allerdings, ich sei pünktlich“, versuchte sich Julia noch einmal zu erklären, was Claudia Stadler nur mit einer Handbewegung abwinkte, als wolle sie nichts mehr davon hören.

„Dann beeilen wir uns jetzt eben ein bisschen, wenn ich Ihnen alles im Büro zeige. Um 10 Uhr habe ich einen wichtigen Termin, und von nun an sind Sie bitte pünktlich.“ Während sie dies sagte, schaute sie Julia nicht einmal an und eilte hektisch voraus durch die Büroräume.

„Natürlich!“, bestätigte Julia leise. Sie überlegte ernsthaft, ob sie ihrer neuen Chefin einfach einen Tritt in den Hintern verpassen und wieder nach Hause gehen sollte. Bei dieser Vorstellung musste sie kurz kichern.

„Ich finde das gar nicht lustig“, rügte sie ihre Chefin daraufhin. „Als Erstes zeige ich Ihnen, wie die Kaffeemaschine funktioniert. Ich trinke gerne jeden Morgen einen Milchkaffee, nicht zu heiß, mit zwei Süßstoff. Dazu ein Glas Wasser.“ Sie hielt auf einen Kaffeevollautomaten zu, der sicherlich ein paar tausend Euro gekostet hatte, und fing an, diesen zu erklären.

Während Julia in Gedanken immer wieder abschweifte und sich fragte, welches Gift wohl am schnellsten wirkte und was zur Hölle sie hier eigentlich machte, fingerte ihre Chefin an der Kaffeemaschine herum.

„Nun probieren Sie mal!“, forderte diese sie auf, was Julia den kalten Schweiß auf die Stirn trieb. Ehrlich gesagt, hatte sie gar nicht zugehört.

Etwas unbeholfen nahm sie eine Tasse, stellte sie in die Kaffeemaschine und hoffte, diese würde alles von selbst machen. Während Frau Stadler mit verschränkten Armen neben ihr stand, betätigte sie einen Knopf, woraufhin der Kaffeeautomat zischte und dampfte, als habe sein letztes Stündlein geschlagen. Beinahe hätte sie „Gott sei Dank!“ ausgestoßen, als ein dünner Strahl von etwas, das zumindest so aussah wie Milch, in der Kaffeetasse landete. Als kurz darauf noch ein paar Tropfen brauner Flüssigkeit folgten, fühlte sie sich, als hätte sie gerade eine Prüfung bestanden.

Gerne hätte Julia das Prachtexemplar eines Milchkaffees nun getrunken, doch ihre Chefin schien gar nicht auf die Idee zu kommen, ihr diesen anzubieten. Mit ihrer Tasse in der Hand eilte Frau Stadler voraus, während der zweite Milchkaffee blieb, wo er war.

Kurz überlegte Julia, ob sie sich diesen nehmen sollte, entschied sich aber dagegen.

---ENDE DER LESEPROBE---