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In diesen warmherzigen Romanen der beliebten, erfolgreichen Sophienlust-Serie ist Denise überall im Einsatz. Denise hat inzwischen aus Sophienlust einen fast paradiesischen Ort der Idylle geformt, aber immer wieder wird diese Heimat schenkende Einrichtung auf eine Zerreißprobe gestellt. Doch auf Denise ist Verlass. In der Reihe Sophienlust Extra werden die schönsten Romane dieser wundervollen Erfolgsserie veröffentlicht. Warmherzig, zu Tränen rührend erzählt von der großen Schriftstellerin Patricia Vandenberg. In der Halle von Sophienlust hatten sich die Kinder um Denise von Schoenecker versammelt. Die Herrin von Sophienlust und Schoeneich wollte ihnen eine Geschichte aus der Zeitung vorlesen. Eigentlich war es gar keine Geschichte, sondern ein Tatsachenbericht über einen Hund. Über den Boxer Donald. »Was ist nun mit dem Boxerhund, Tante Isi?«, fragte die kleine Heidi drängend. Fabian wollte dagegen wissen: »Wie heißt er doch gleich wieder?« »Er heißt Donald. Und nun seid schön still, damit ich euch die Geschichte vorlesen kann.« Denise räusperte sich und las die Überschrift: »Ein junger Hund fährt aus Heimweh immer Eisenbahn.« Dann folgte ein Bericht über einen jungen Boxerhund, der Donald hieß. Donald war erst ein Jahr alt. Er wurde als trauriger Hund bezeichnet, denn er hatte Heimweh. Heimweh nach seiner Hundemutter, von der man ihn getrennt hatte, als er acht Wochen alt gewesen war. Mit der Eisenbahn war er zu seinem neuen Besitzer gefahren. Und dem lief er nun immer wieder davon. Er lief zurück zum Bahnhof, und dort sprang er dann in irgendeinen Zug, um wieder zurück zu seiner Mutter zu kommen. Aber natürlich landete er immer an einem falschen Ort, weil er nie den richtigen Zug erwischte. »Der Arme«, sagte Heidi leise.
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Seitenzahl: 138
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In der Halle von Sophienlust hatten sich die Kinder um Denise von Schoenecker versammelt. Die Herrin von Sophienlust und Schoeneich wollte ihnen eine Geschichte aus der Zeitung vorlesen. Eigentlich war es gar keine Geschichte, sondern ein Tatsachenbericht über einen Hund. Über den Boxer Donald.
»Was ist nun mit dem Boxerhund, Tante Isi?«, fragte die kleine Heidi drängend.
Fabian wollte dagegen wissen: »Wie heißt er doch gleich wieder?«
»Er heißt Donald. Und nun seid schön still, damit ich euch die Geschichte vorlesen kann.« Denise räusperte sich und las die Überschrift: »Ein junger Hund fährt aus Heimweh immer Eisenbahn.«
Dann folgte ein Bericht über einen jungen Boxerhund, der Donald hieß. Donald war erst ein Jahr alt. Er wurde als trauriger Hund bezeichnet, denn er hatte Heimweh. Heimweh nach seiner Hundemutter, von der man ihn getrennt hatte, als er acht Wochen alt gewesen war. Mit der Eisenbahn war er zu seinem neuen Besitzer gefahren. Und dem lief er nun immer wieder davon. Er lief zurück zum Bahnhof, und dort sprang er dann in irgendeinen Zug, um wieder zurück zu seiner Mutter zu kommen. Aber natürlich landete er immer an einem falschen Ort, weil er nie den richtigen Zug erwischte.
»Der Arme«, sagte Heidi leise.
Die anderen Kinder dachten genauso. Auch ihnen tat der Hund, den sie nicht kannten, leid. »Steht noch etwas über Donald in der Zeitung, Tante Isi?«, wollte Peter wissen, der nur vorübergehend in Sophienlust weilte.
»Ja. Donald fährt immer nur erster Klasse«, las Denise weiter.
Die Kinder lachten. Sie erfuhren außerdem noch, dass Donald seinem neuen Herrchen schon unzählige Male davongelaufen war, dass ihn aber Sebastian Barring, so hieß sein Besitzer, immer wieder zurückbekommen hatte. Meist durch Suchanzeigen in der Zeitung.
»Und jetzt ist Donald wieder einmal verschwunden«, beendete Denise den Bericht.
Die Kinder begannen nun aufgeregt durcheinanderzureden. Nick brachte sie schließlich zum Schweigen. »Seid doch einmal still. Man versteht ja sein eigenes Wort kaum.«
»Tut dir denn der arme Donald nicht leid?«, fragte Pünktchen entrüstet.
»Natürlich tut er mir leid. Der arme Kerl muss ja entsetzliches Heimweh nach seiner Mutter haben. Sonst würde er nicht immer wieder davonlaufen.«
»Vielleicht behandelt ihn sein neuer Besitzer nicht gut«, gab Henrik zu bedenken und schaute dabei seinen älteren Bruder fragend an.
Nick wiegte den Kopf. »Könnte sein.«
»Dann müsste man ihm Donald aber wegnehmen«, schimpfte Heidi laut.
Vicky gab ihr recht: »Das finde ich auch. Stellt euch doch bloß einmal vor, was dem armen Donald auf seinen Reisen alles passieren kann.«
Dieser Einwurf erregte sofort die Fantasie der Kinder. »Er kann von einem Zug überfahren werden«, meinte Heidi erschrocken.
»Oder von einem Auto!« Die Erregung steigerte sich, sodass Denise schon fast bereute, den Kindern den Artikel vorgelesen zu haben.
»Wir müssen unbedingt etwas tun, Tante Isi«, sagte Pünktchen. Sie war aufgesprungen und schaute die anderen Kinder erwartungsvoll an.
Alle nickten ihr zu. »Pünktchen hat recht. Aber was können wir tun, Mutti?«, fragte Nick.
»Ich fürchte, nicht viel.« Denise legte die Zeitung beiseite. »Der Hund gehört ja schließlich nicht uns, sondern einem Herrn Barring in Reutlingen.«
»Aber wir könnten doch diesem Herrn Barring hellen, seinen Hund wiederzufinden«, schlug die ältere Irmela vor. »Dagegen kann er doch nichts haben.«
»Das nicht. Aber nehmen wir einmal an, wir finden Donald und bringen ihn zurück. Bei der nächsten Gelegenheit läuft er doch wieder davon«, gab Nick zu bedenken.
Die Heimleiterin kam in die Halle und gab Denise ein Zeichen. »Sie werden am Telefon verlangt, Frau von Schoenecker.«
»Ich komme.« Denise stand auf und ging hinaus.
»Die Kinder sind ja ganz durcheinander«, sagte Else Rennert auf dem Gang zu Denise von Schoenecker.
Diese nickte. »Ich habe mit der Geschichte aus der Zeitung etwas Schönes angerichtet. Wer ist übrigens am Apparat?«
»Frau von Lehn.«
Andrea von Lehn wollte ihre Stiefmutter nur etwas fragen. Dabei erzählte Denise ihr auch von dem Zeitungsartikel über den Boxer.
Nachdenklich hörte ihre junge Stieftochter zu.
Tiere interessierten Andrea immer. Schließlich war das Tierheim Waldi & Co. durch ihre Initiative entstanden und wurde auch von ihr geführt.
Das Gespräch wurde durch Nick und Pünktchen gestört.
»Wir haben gehört, dass du mit Andrea sprichst, Mutti. Dürfen wir sie etwas fragen, wenn du fertig bist?«
Denise nickte und gab die Bitte durchs Telefon an Andrea weiter. Dann reichte sie Nick den Hörer. »Sprich sofort mit ihr.«
»Kennst du die Geschichte von Donald schon?«, fragte Nick gleich nach der Begrüßung seine Stiefschwester.
»Ich habe sie soeben von Mutti gehört. Natürlich kaufe ich mir sofort die Zeitung.«
»Kannst du dir sparen. Wir haben einen anderen Vorschlag. Das heißt, eigentlich eine Bitte«, verbesserte sich Nick.
»Die Kinder möchten sich unbedingt mit dir über Donald unterhalten. Sie meinen, du verstündest am meisten von Tieren.«
Denise, die so etwas geahnt hatte, atmete hörbar ein. Jetzt werden sie wahrscheinlich Andrea auf den Pelz rücken, dachte sie. Und genau das schlug Nick seiner Stiefschwester im nächsten Moment vor.
»Dürfen wir heute Nachmittag zu dir kommen, Andrea? Natürlich nicht alle, damit es nicht zu viel wird. Wir werden auslosen, wer mitkommen darf. Ungefähr die Hälfte. Dann bringen wir die Zeitung mit, und du kannst die Geschichte selbst lesen.«
»Einverstanden«, sagte Andrea. »Ich erwarte euch so gegen vier. Dann gibt es sogar Kakao und Kuchen.«
Die Kinder klatschten vor Begeisterung, als Nick Andreas Vorschlag weitergab.
Natürlich wollte ein jedes Kind mitkommen. Deshalb musste das Los darüber entscheiden, wer wirklich mitkommen durfte.
Kurz vor vier lenkte der Chauffeur von Sophienlust den roten Schulbus auf das Lehnsche Grundstück. Die Kinder stiegen aus und begrüßten Andrea stürmisch. Allen voran Nick mit der Zeitung in der Hand.
Während Andreas Hausmädchen Betty den Kakao einschenkte, las Andrea den Artikel. Schließlich legte sie die Zeitung nachdenklich beiseite. »Ich kann das eigentlich gar nicht glauben«, sagte sie.
Nick schaute seine Stiefschwester erstaunt an. »Du meinst …«
»Ich meine, dass wir es hier mit einer sogenannten Zeitungsente zu tun haben.«
Nick schaute seine Schwester verblüfft an. An so etwas hatte bisher niemand gedacht. Auch seine Mutter nicht. »Das glaube ich nicht, Andrea. Die können doch nicht einfach so eine Geschichte in der Zeitung erzählen, wenn sie nicht stimmt.«
»Die können viel«, meinte Andrea in ihrer burschikosen Art.
Die übrigen Kinder hörten nichts von dieser Unterhaltung zwischen Andrea und Nick, weil sie in der Küche stattfand. Doch jetzt ging Andrea mit der Zeitung in der Hand zum Telefon. »Weißt du was? Ich werde ganz einfach bei der Redaktion anrufen und mich erkundigen«, sagte sie zu Nick, der ihr gefolgt war.
Erstaunt schaute er seine gewandte Schwester an. Im Handumdrehen hatte sie die Nummer der Redaktion herausgefunden. Und nun wählte sie bereits. Man wollte ihr zuerst keine Auskunft geben. Doch so leicht ließ sich Andrea nicht abweisen. Sie bestand darauf, mit dem Chefredakteur zu sprechen.
Von diesem erfuhr sie schließlich, dass der Artikel über den Boxer Donald sehr wohl wahr sei. Er verband Andrea mit dem zuständigen Redakteur. Von diesem erfuhr sie sogar noch etwas mehr über die Hintergründe des ›Falles Donald‹, wie der Redakteur es nannte.
»Wie du nur so etwas machst«, sagte Nick anerkennend, sobald Andrea den Hörer zurückgelegt hatte.
Sie schmunzelte. »Ihr hattet recht. Es ist alles wahr, was über Donald in der Zeitung steht.«
»Wieso? Hast du nicht geglaubt, dass es wahr ist?« In der Tür stand Pünktchen und schaute Andrea fragend an.
»Ehrlich gesagt, nein. Es klang mir einfach zu unglaubwürdig.«
Andrea ging mit Nick und Pünktchen zurück zu den anderen.
Nach ein paar Minuten gesellte sich auch Helmut Koster, der Tierpfleger, zu ihnen. Henrik hatte ihm beim Füttern der Tiere geholfen. Dabei hatte er ihm von dem heimwehkranken Donald erzählt.
»Wissen Sie es schon, Herr Koster?«, fragte Andrea, während sie ihm Kaffee einschenkte.
»Ich kenne bereits die ganze Geschichte.«
»Und was sagen Sie dazu?«, fragte Nick. Er hielt sehr viel von der Meinung Helmut Kosters. Schließlich kannte dieser sich mit Tieren aus. Als Tierpfleger hatte er den ganzen Tag mit ihnen zu tun.
Helmut Koster überlegte sich die Antwort genau. Er sagte niemals etwas Unüberlegtes. »Wenn der Hund seinem neuen Besitzer dauernd davonläuft, dann muss das einen Grund haben.«
Andrea hatte sich ebenfalls in die Runde gesetzt. »Und welchen Grund könnte es haben?«
»Schlechte Behandlung«, kam es prompt von Helmut Koster. »Entweder ist der neue Besitzer ein Grobian oder er versteht nicht mit Tieren umzugehen.«
Die Ansicht löste einen Sturm der Entrüstung unter den Kindern aus. Es war Empörung über den unbekannten Hundebesitzer. Eine Zeit lang redeten alle durcheinander.
Andrea war sehr nachdenklich geworden. »Am liebsten würde ich zu diesem Herrn Barring nach Reutlingen fahren«, sagte sie leise zu Nick.
Der schaute seine Stiefschwester begeistert an. »Das ist eine tolle Idee, Andrea. Aber was wird Hans-Joachim dazu sagen?«
Der Gedanke an ihren Mann ernüchterte Andrea ein wenig. »Er wird sagen, dass ich verrückt bin.«
Nick musste lachen. »Aber wie ich dich kenne, stört dich das nicht.«
»Nein. Denn irgendetwas muss in dieser Sache doch unternommen werden.«
»Bravo«, riefen einige Kinder. Und Nicks Halbbruder Henrik meinte: »Wir wussten ja, dass wir mit dir rechnen können, Andrea. Sagst du uns sofort Bescheid, wenn du etwas herausgefunden hast?«
»Ist doch Ehrensache«, antwortete Andrea im Ton der Kinder.
Nach einer weiteren halben Stunde drängte Nick zum Aufbruch. »Sonst kommen wir zu spät zum Abendessen und verärgern damit Tante Ma.«
Als Andrea kurz danach dem davonfahrenden Bus nachwinkte, waren ihre Gedanken schon bei Hans-Joachim. Ich werde gleich heute Abend mit ihm über Donald sprechen, beschloss sie.
Dr. Hans-Joachim von Lehn kam eine Dreiviertelstunde später von Patientenbesuchen nach Hause. Da er der einzige Tierarzt in der Umgebung war, hatte er immer viel zu tun.
»Es ist wieder später geworden, als ich dachte. Entschuldige.« Er küsste Andrea auf den Mund. Doch sie erwiderte seinen Kuss nur flüchtig.
»Na, hör mal«, beschwerte er sich. »Da beeile ich mich extra, um möglichst schnell zu dir zu kommen, und dann bekomme ich einen so abgestandenen Begrüßungskuss.«
»Abgestanden?«, fragte sie. »Das ist ein ganz neuer Ausdruck. Seit wann kann denn ein Kuss abgestanden sein?«
»Deiner war es soeben.«
»Ganz schön raffiniert von dir.« Andrea kam schmunzelnd zu ihm. »Du willst doch nur noch einmal geküsst werden. Warum sagst du das nicht gleich?«
Sie stellte sich auf die Zehenspitzen, und er legte seine Arme um ihre Taille. »Das stimmt nicht ganz. Wenn ich einen richtigen Kuss bekomme, dann bin ich zufrieden.«
»Und was verstehst du unter einem richtigen Kuss?«, fragte sie murmelnd, während sich ihre Lippen schon mit den seinen berührten.
»Das hier.« Er küsste sie. Diesmal waren auch ihre Gedanken bei der Sache. Es wurde ein langer Kuss.
Andrea hatte die Zeitung mit dem Artikel über Donald bereitgelegt. Aber sie zeigte sie ihrem Mann erst nach dem Abendessen, als sie mit ihm bei einem Glas Wein gemütlich im Wohnzimmer saß. »Ich möchte, dass du diesen Artikel liest, Hans-Joachim.« Sie schob die Zeitung über den Tisch.
»Den angekreuzten?«, fragte er und las laut die Überschrift: »Ein junger Hund fährt aus Heimweh immer Eisenbahn.«
»Ja, den.« Andrea nickte.
Hans-Joachim begann zu lesen. »Eine tolle Sache«, meinte er schließlich. »Wo hast du die Zeitung her? Die haben wir doch gar nicht abonniert.«
»Die kommt aus Sophienlust. Die Kinder haben sie mir gebracht.«
»Aha.« Er schaut seine junge Frau an. Nicht ganz ohne Misstrauen. »Und dabei habt ihr natürlich über den Boxer Donald gesprochen?«
»Natürlich. Sag mal, lässt dich die Geschichte völlig kalt?«, fragte sie entrüstet.
»Natürlich lässt sie mich nicht kalt. Ich überlege nur, was du in dieser Sache wohl wieder unternehmen willst.«
»Wie du das sagst …« Andrea schüttelte den Kopf.
Doch Hans-Joachim ließ nicht locker. »Hast du etwa nicht vor, etwas für den Boxer Donald zu tun?«
»Natürlich will ich das. Wie kannst du nur so herzlos fragen?«, rief sie in komischer Entrüstung. »So, als sei das eine unsinnige Laune von mir?«
Er seufzte und trank einen Schluck Wein.
»Hans-Joachim«, sagte Andrea mit tiefer Stimme und versuchte, sie ein wenig drohend klingen lassen. »Ich hoffe, dass du mich ernst nimmst?«
»Völlig, mein Liebes. Völlig. Denn es wäre viel zu gefährlich, dich nicht ernst zu nehmen.«
»Wirklich?«
»Ja. Ich traue dir nämlich zu, dass du auf eigene Faust losziehst, um den Besitzer des heimwehkranken Boxers zu finden.«
»Sein Name steht in der Zeitung«, sagte Andrea schnell.
»Na, bitte. Da haben wir es. Andrea«, begann er mit feierlicher Stimme.
Doch sie ließ ihn nicht ausreden. »Sogar sein Wohnort ist in der Zeitung abgedruckt. Reutlingen.«
»Ich habe es gelesen, Andrea.«
»Und?«, fragte sie erwartungsvoll. »Findest du nicht, dass man einmal mit diesem Herrn Barring sprechen sollte?«
»Nein, das finde ich ganz und gar nicht. Dabei könnte es dir nämlich passieren, dass er dich hinauswirft und dir rät, dich um deine eigenen Angelegenheiten zu kümmern.«
»Wenn er ein solcher Grobian wäre, dann könnte ich den armen Donald verstehen. Einem solchen Herrchen würde ich auch davonlaufen.«
Hans-Joachim wusste nicht, sollte er lachen oder schimpfen. Seufzend griff er nach seinem Weinglas. »Werde doch endlich einmal erwachsen und vernünftig, Andrea. Du kannst dich nicht in alle verkorksten Verhältnisse zwischen Mensch und Tier einmischen.«
»Warum nicht?«, fragte sie bockig.
»Weil du mit dem Tierheim schon genug zu tun hast.« Er zog sie an seine Seite. »Nun komm schon, sei vernünftig.«
Sie gab scheinbar nach, wenn auch widerstrebend. Doch insgeheim fasste sie einen Entschluss.
Als Hans-Joachim am nächsten Vormittag in seiner Praxis saß und seine vierbeinigen oder gefederten Patienten empfing, las Andrea den Artikel über Donald noch einmal gründlich durch. Dann ging sie zu ihrem Mann um ihm zu assistieren. Das tat sie öfters. An diesem Vormittag hatte sie jedoch einen kleinen Hintergedanken dabei.
Hans-Joachim war gerade mit einem Papagei beschäftigt, der recht störrisch war. Er wollte sich von dem Onkel Doktor absolut nicht anfassen lassen. Jedes Mal, wenn Hans-Joachim die Hand nach ihm ausstreckte, begann er zu fluchen, und zwar auf die übelste Weise.
»Ach Gott, Herr Doktor, ich muss mich für Frederic entschuldigen«, jammerte die zierliche, alte Dame, der der respektlose Papagei gehörte. »Frederic ist normalerweise ein sehr liebes Tierchen.«
Andrea bestaunte den wüst fluchenden Papagei. Wenn das ein liebes Tierchen ist, dann weiß ich nicht, was lieb ist, dachte sie.
»Er hat nur vor mir einem Seemann gehört«, fuhr die alte Dame fort. »Und von ihm hat er alle diese Ungezogenheiten gelernt. Eigentlich hat er sie ja alle schon längst vergessen und ist recht brav. Nur dann, wenn er Angst bekommt, erinnert er sich wieder daran. So wie jetzt.«
Andrea unterdrückte ein Schmunzeln. Sie beobachtete, wie die alte Dame ihrem Liebling gut zuredete und wie Hans-Joachim weiterhin versuchte, den Papagei in die Hand zu bekommen. Doch es gelang ihm nicht. Frederic sträubte die Federn und fluchte weiter. Dabei sprang er zwischen der Stuhllehne und dem Arm seines Frauchens unaufhörlich hin und her.
»Moment mal«, sagte Andrea laut und mit betont tiefer Stimme.
Ihr Mann und die alte Dame zuckten erschrocken zusammen. Aber auch Frederic vergaß seine Schimpfwörter und ließ die erhobenen Flügel sinken.
Genau darauf hatte Andrea gewartet. Sie schnauzte den Papagei nun mit den gleichen Flüchen an, die sie gerade von ihm gelernt hatte. Und siehe da, es wirkte. Das erschrockene Tier saß mucksmäuschenstill da und wehrte sich auch nicht mehr, als Andrea nach ihm griff.
»Hier hast du den Schlingel.« Andrea setzte den jetzt zahmen Frederic ihrem Mann in den Schoß.
Die alte Dame schaute bewundernd zu Andrea auf. »Wie Sie das geschafft haben! Ich wäre nie auf die Idee gekommen, ihn so anzubrüllen.«
»Das müssen Sie aber tun, wenn er frech wird«, riet Andrea ihr. »Denn nur davor hat er Respekt.«
»Wie bist du bloß darauf gekommen?«, fragte Hans-Joachim, während er den Vogel mit geschickten Griffen untersuchte.
»Ich habe mir nur vorgestellt, wie der Seemann ihn behandelt hat. Denn von ihm muss er ja all diese Flüche gelernt haben.«
»Das ist richtig«, sagte Frederics Frauchen erfreut. »Jetzt weiß ich wenigstens, wie ich ihn behandeln muss, wenn er aufsässig wird.«
Sie verabschiedete sich erfreut von Andrea und Hans-Joachim, nachdem der Papagei verarztet war, und trug Frederic, der sich jetzt widerstandslos fassen ließ, zur Praxis hinaus.
»Das Wartezimmer ist leer, Herr Doktor«, meldete Andrea übermütig. »Frederics Frauchen war die letzte Patientin.«
»Komm einmal her, du Schlingel«, verlangte Hans-Joachim und zog seine Frau in die Arme. »Ich muss dich loben. Das mit dem Papagei hast du großartig hingekriegt. Ich weiß nicht, ob ich allein so schnell mit ihm fertig geworden wäre.«
»Darf ich mir dafür etwas wünschen, großer Meister?« Andrea schaute bittend zu ihm auf.
Diesem Blick konnte er niemals widerstehen. »Einverstanden«, seufzte er. »Aber nur …«