Ein Mann namens Flora - Amalia Zeichnerin - E-Book

Ein Mann namens Flora E-Book

Amalia Zeichnerin

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Beschreibung

Der englische Gärtner Florian ist schwul, liebt es Frauenkleider zu tragen und hat eine große Schwäche für Blumen. Doch im London des Jahres 1823 kann er solchen Leidenschaften nur in einem Molly House nachgehen. Dort wird er zu Flora. Während er andere Männer gern verkuppelt oder ihnen Ratschläge in Liebesdingen erteilt, will er selbst sich nicht binden. Bis er auf den verheirateten Terence trifft und sich alles verändert …

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Table of Contents

Titelei

Inhaltswarnungen

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Epilog

Nachwort

Danksagung

Übersetzung des Liedes

weitere historische Gay Romance Novellen

Impressum

Ein Mann namens Flora

 

Historische Gay Romance Novelle

 

© Amalia Zeichnerin 2018

 

Inhaltswarnungen zu dieser Novelle

Andeutungen von Gewalt, Queerfeindlichkeit, explizite Sexszenen

1

 

Sonnabend, 21. Juni 1823

 

Florian

 

Florian strich über die Blätter des Rosenstrauchs. Wie gut, dass er von den Schädlingen verschont geblieben worden war. Mit der Schere schnitt er mehrere Rosen. Seine Herrschaften würden sich darüber freuen, die Dame des Hauses sie zu einem Strauß arrangieren. Er begutachtete die Blütenblätter – ein zartes Rosa, welches in ein tieferes Rot überging. Die Blüten waren perfekt, nur ein, zwei Blätter hatten einen leicht verwelkten, schadhaften Rand. Aber ihr Duft war betörend. Er schnitt die Dornen ab, denn Lady Cecily duldete derlei nicht in ihren Blumensträußen.

Florian liebte seine Arbeit als Gärtner. Er hatte eine große Schwäche für Blumen, und wie schön war es, im Freien und für sich arbeiten zu können. Sicher, es war harte körperliche Arbeit, aber immerhin konnte er dabei Handschuhe tragen, um seine Hände ein wenig zu schonen. Dennoch bekam er oft Schwielen, doch das nahm er gern in Kauf. Wie sehr sich der Garten im Laufe des Jahres veränderte, wurde er nicht müde zu beobachten. Die Gärtnertätigkeit hatte sich für ihn als Glücksfall erwiesen. Er hatte einen guten Lehrmeister gehabt, der nun im Ruhestand war.

Er brachte die Rosen zu Lady Cecily. „Wunderbar, Lettersfield, ich danke Ihnen.” Mit leuchtenden Augen griff sie nach den zarten Gebilden. „Sind Sie für heute fertig mit Ihrem Tagwerk?”

„Das bin ich. Morgen werde ich den Rasen im hinteren Bereich kürzen, wie Sie mir aufgetragen haben.”

„Sehr gut. Dann wünsche ich einen guten Abend.”

 

*

 

Zwei Stunden später stand er vor Mrs Withers’ Gaststätte. Das Haus war nicht allzu vornehm, die Farbe blätterte von den Wänden, aber er wusste, dass das Innere um einiges gastfreundlicher war … für Männer wie ihn. Er verwendete das vereinbarte Klopfsignal, welches hier als geheimes Zeichen für den Zutritt benutzt wurde.

Die ältere Dame öffnete ihm selbst. Als sie ihn erkannte, schenkte sie ihm ein verschmitztes Lächeln. „Guten Abend, es freut mich, Sie wiederzusehen.”

„Einen wunderschönen guten Abend und die Freude ist ganz meinerseits”, erwiderte er lächelnd, trat ein und legte einige Münzen in die bereit gestellte Schale neben dem Eingang. Mrs Withers’ Molly House war ebenso wenig ein Bordell, wie manch andere Etablissements dieser Art, das wusste er vom Hörensagen, aber von irgendetwas wollten ja auch hier die Rechnungen bezahlt werden. Im Grunde war es ein Club für Gentlemen, wenn auch für Gentlemen mit … speziellen Neigungen, die verboten waren. Daher musste hier alles im Verborgenen stattfinden.

Er ging hinüber in den Garderobenraum, in dem bereits mehrere „Damen” sich umzogen. Männer wie er, die hier in weibliche Rollen schlüpften. Wanton Wendy zog den Bauch ein, während die Sally ihr das Mieder schnürte. Es duftete leicht nach Lavendel und Rosen, sie hatten sich parfümiert.

Florian zog die mitgebrachte Kleidung aus der Tasche, fließende roséfarbene Baumwolle mit einem Blumenmuster am Rand. Dazu das Mieder. Die Damenmode dieser Tage bestand aus locker fließenden, zum Teil fast durchscheinenden Stoffen, die Taille hoch angesetzt und die Ärmel kurz und bauschig. Dazu eng anliegende, lange Handschuhe. Angelehnt war das an Vorbilder aus der griechischen und römischen Antike, was sich auch in den teilweise helmartig wirkenden Hauben der Damen widerspiegelte. Der Klassizismus hatte Einzug gehalten in England, und mit ihm waren die Röcke und hoch aufgetürmten Perücken vergangener Generationen verschwunden.

Eine alte Modeerscheinung wurde von den Mollys weiterhin gepflegt — sie schminkten sich die Gesichter weiß, wie ihre Eltern oder Großeltern es früher, vor der Revolution in Frankreich, zu tun pflegten. Es verlieh ihnen ein etwas maskenhaftes Aussehen, doch mit der weißen Schminke ließen sich sogar Bartstoppeln einigermaßen übertünchen.

Florian setzte sich vor den Spiegel und breitete die Utensilien auf dem kleinen Tisch aus. Während er sich schminkte — das Gesicht weiß, die Wangen und Lippen rot, die Augen schwarz umrandet, passierte es wieder. Zusehends verwandelte er sich in Flora.

Sie war so ganz anders als Florian, der war eher schüchtern, doch sein anderes Ich flirtete kokett mit den Herren, die hierher kamen, scheute weder unanständige Witze noch Gefummel. Und auch an dem, was die „Damen” und die Herren hier in einem der hinteren Zimmer trieben, fand Flora Gefallen. Sie entsann sich jenes Abends, als sie zum ersten Mal hierher gekommen war …

 

*

 

Florian lernte den blonden, attraktiven Mann in einem Wirtshaus kennen, setzte sich neben ihn an den Tresen.

„Guten Abend”, sagte er in der Hoffnung auf ein Gespräch.

Die Kleidung seines Gegenübers wies diesen klar als Marinemitglied aus — die blaue Jacke, die hellen Hosen und das Halstuch. Eigentlich fehlte nur noch der passende Hut dazu. Vor ihm stand ein Glas Ale.

„Auf Landurlaub?” fragte Florian ihn.

„Geht Sie zwar nichts an, aber ja”, erwiderte der Mann augenzwinkernd. Noch nie hatte ein Mann ihm zugezwinkert. Seltsam… Doch er mochte dessen Lächeln.

„Samuel Perkins.”

„Florian Lettersfield.”

„So so, und was machen Sie so, Mister Lettersfield?”

„Ich bin Gärtner.”

„Ach, was Sie nicht sagen…” Perkins wandte sich an den Wirt. „Noch ein Ale bitte.”

Eine Weile unterhielten sie sich über ihre so unterschiedlichen Berufe.

„Wussten Sie, dass Blumen eine eigene Sprache haben?”

„Wie soll das denn gehen?”

„Nun Blumen und Blumensträuße sind sehr beliebt, nicht wahr? Ein Gentleman kann einer Dame Blumen schenken und je nach den verwendeten Blumen damit unterschiedliche Dinge zum Ausdruck bringen. Nehmen Sie nur einmal Liliengewächse als Beispiel… Das Maiglöckchen steht für eine Rückkehr des Glücks, aber auch für Bescheidenheit. Orangefarbene Lilien symbolisieren Wohlstand, weiße Lilien dagegen Süße und Reinheit. Gelbe Lilien stehen für Lebensfreude, die Calla-Lilien für Schönheit.” Er überlegte kurz und erinnerte sich an die Lilien auf seinem Fächer. Taglilien. „Die Taglilie steht für das Kokettieren. Die Tigerlilie wiederum verbindet man mit Reichtum und mit Stolz.” Er lächelte. „Sehen Sie, jede einzelne Blume hat eine Bedeutung. Und je nachdem, was man jemanden mitteilen möchte, kann man gewissermaßen durch die Blume sprechen.”

„Ich verstehe. Na, das hört sich vergnüglich an. Nicht dass ich etwas damit anfangen könnte…”

„Warum nicht?”

Perkins leerte sein Glas und sah zum Wirt. Der sprach gerade am anderen Ende des Tresens mit einem Gast. Auf einmal beugte sich Perkins vor und sah Florian direkt in die Augen. „Ich habe ja Landurlaub, aber ich hoffe nicht darauf, dass mir irgendwelche Damen selbigen versüßen. Wenn Sie verstehen, was ich meine…” Er hatte seine Stimme gesenkt.

Warum war ihm mit einem Mal so warm? Lag es nur am Alkohol? Florian wich einige Zentimeter zurück, während Perkins ihn noch immer mit seinem Blick fixierte. Und das war nicht alles, denn im nächsten Moment lag dessen Hand auf seinem Knie. Florian durchfuhr diese Berührung wie ein Blitzschlag, er zuckte zusammen.

Perkins seufzte und nahm seine Hand wieder weg. „Verzeihung, ich wollte Ihnen nicht zu nahe treten.”

Florian schüttelte unmerklich den Kopf. Die Berührung … sie war so … er wollte mehr davon. Und er war nicht einmal betrunken. „Ich … ich fand es eigentlich recht angenehm”, brachte er mit belegter Stimme hervor.

Einen Moment lang musterte Perkins ihn prüfend und warf einen Blick zum Wirt herüber, der gerade einem weiteren Gast ein Glas einschenkte. „Kann ich Ihnen vertrauen, Lettersfield? Ich habe nämlich keine Lust, Bekanntschaft mit der Polizei zu schließen…”

Florian räusperte sich. „Ich auch nicht.”

Perkins warf einen Blick auf die Wanduhr, die schräg gegenüber hing.

Dann sah er ihn ein weiteres Mal eindringlich an. „Wissen Sie, immer wenn ich auf Landurlaub hier bin, statte ich einem Club einen Besuch ab.”

Florian fühlte ein Kribbeln in seinem Magen und ihm wurde immer heißer, je länger Perkins ihn mit diesen bohrendem Blick ansah.

„Was für ein Club?” Seine Stimme war nur noch ein Flüstern.

„Kommen Sie, trinken wir aus, dann erzähl ich Ihnen draußen mehr darüber.”

Eine knappe Stunde später waren sie in Mrs. Withers’ Club für Herren gelandet. Der Weg dorthin war für Florian wie ein Spießrutenlauf gewesen. Das Herz klopfte ihm zum Hals und er verspürte eine eigenartige Mischung aus Erregung und ein wenig Angst, was ihn wohl erwarten mochte. Zumal Perkins ihm bereits unterwegs das Versprechen abnahm, niemandem von diesem Etablissement zu erzählen, der nicht gewisse Vorlieben mit ihnen teilte.

„Ich denke, ich muss nicht näher erläutern, was für Vorlieben?”, fragte er verschmitzt.

Florian wurde fast schwindlig, als er das hörte. Er hatte nie zu hoffen gewagt, einmal jemanden zu finden, der so war wie er selbst. Der sich nicht für Damen erwärmen konnte…

„Ah, Mister Perkins, wie war es auf See? Und wen haben Sie uns mitgebracht?”, wollte die ältere Dame in dem pastellblauen Kleid mit hoher Taille wissen, welche sie in der kleinen Eingangshalle empfing.

„Auf See? Alles bestens, liebe Mrs. Withers. Das hier ist Mister Lettersfield. Er ist vertrauenswürdig.”

Die Dame schenkte Florian ein joviales Lächeln. „Das freut mich. Wir wollen hier schließlich alle keinen Ärger bekommen.”

Florian hatte sein Glück nicht fassen können an diesem Abend, als er die anderen Herren und die Mollys sah. Wie sie miteinander umgingen, wie sie scherzten, lachten, Geige spielten und dazu sangen. Und als Samuel ihn später in eines der Hinterzimmer mitnahm und dort Dinge mit ihm tat, die er nie zu träumen gewagt hätte…

 

*

 

Vier Jahre war das mittlerweile her. Noch immer dachte er gern an Samuel zurück, den er danach nur selten bei Mrs. Withers gesehen hatte. Aber das war verständlich, da dieser nun mal zur See fuhr und nicht oft in London war.

Angesichts der anderen Mollys fand Florian später den Mut, sich ebenfalls zum Weib zu machen, auch wenn es nur ein Spiel war, ein Vergnügen, dem hier viele nachgingen. Er wurde ja nicht wirklich zu einer Frau, er tat nur so. Aber er liebte es, diese Seite von sich hier leben zu können, ohne Angst vor Spott oder schlimmeren Reaktionen. Sie alle hier bei Mrs. Withers bildeten eine eingeschworene Gemeinschaft, die so ganz anders war als sein Alltag, dass es ihn immer wieder aufs Neue verzauberte.

 

Flora hatte sich zu Ende geschminkt. Dazu noch die Perücke und die Straußenfedern als Kopfschmuck, und natürlich das Kleid. Die Seidenstrümpfe, die sie so liebte, nur die Schuhe bereiteten Schwierigkeiten, denn die Füße waren einfach zu groß für die Damenmodelle. Sie konnte schlecht zu einem Schuster gehen und Damenschuhe in ihrer Größe anfertigen lassen. Das hätte nur unangenehme Fragen mit sich gebracht und ihr fehlte auch schlichtweg das Geld für solch eine Maßanfertigung. Doch auf dem Boden hier lagen Teppiche, welche die Kälte fernhielten, deshalb konnte sie in den Strümpfen umhergehen und auf die Herrenstiefel verzichten.

Jeden kannte sie hier beim Namen — von den „Damen” ausschließlich die entsprechenden weiblichen. Niemand hier wusste, wie Flora wirklich hieß, bis auf Samuel Perkins und einen Bekannten, Nicholas, aber der lebte mittlerweile in Indien.

Sie schaute sich um. Pete und Jeremy saßen engumschlungen auf einem Sofa, während Reginald — der hier im Molly House den Part eines Gentlemans gegenüber dem einer Dame bevorzugte — ein schmutziges Lied auf der Geige zum Besten brachte.

 

The tune soon I played her as low down I laid her

While with smiles she encouraged every lively strain

And sighing said never, from your Sally sever

As long as you play the tune ‚Do it again.’1

 

Als der Name Sally fiel, warfen viele der entsprechenden „Dame” verschmitzte oder anzügliche Blicke zu, und das tat auch Reginald. Sally kicherte amüsiert. Das weiß geschminkte Gesicht nahm einen rosafarbenen Hauch an. Reginald fuhr fort mit seinem unanständigen Lied:

 

My bow being relaxed which I showed to the maiden

And told her unstrung for a while t’would remain

For altho’ she lay gasping she impatiently grasped it

Which tightened each string so I played her again.

 

All this was amusing yet fear of abusing

From further performance I wished to refrain

Against this she protested, saying her happiness rested

In playing the tune they call ‚Do it again.’

 

„Mach es noch einmal!

---ENDE DER LESEPROBE---