Ein zauberhafter Buchladen - oder: Ein ganz besonderes Jahr - Thomas Montasser - E-Book

Ein zauberhafter Buchladen - oder: Ein ganz besonderes Jahr E-Book

Thomas Montasser

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Beschreibung

Die Liebe zu Büchern kann man nicht in Zahlen messen: Der Wohlfühlroman »Ein zauberhafter Buchladen« von Thomas Montasser jetzt als eBook bei dotbooks. Das ist ja allerhand! Als Valerie erfährt, dass ihre Tante Charlotte über alle Berge ist und ihr die Verantwortung für den kleinen Buchladen »Ringelnatz & Co.« in die Schuhe schiebt, fällt sie aus allen Wolken. Auch wenn es ihr im Herzen wehtut, wenn sie an die vielen schönen Erinnerungen aus ihrer Kindheit zurückdenkt – als geschickte Betriebswirtin weiß sie, dass sie den Laden, der schon lange kein gutes Geld mehr einspielt, schließen muss. Doch dann trudeln die ersten Stammkunden mit echter Begeisterung für Geschichten ein und Valerie merkt, dass auch sie dem Zauber der Bücher immer mehr verfällt – besonders einem geheimnisvollen Roman, aus dem sie nicht schlau wird ... Vielleicht wäre es ja doch ganz schön, die Buchhandlung zu behalten – und herauszufinden, was es mit dem Büchlein auf sich hat? »Eine magische Reise in das Zauberland der Literatur – fesselnd und bewegend!« Elle Jetzt als eBook kaufen und genießen: Der gefühlvolle Roman »Ein zauberhafter Buchladen« von Thomas Montasser, zuvor erschienen unter dem Titel »Ein ganz besonderes Jahr«, wird Fans von Jenny Colgan und Julie Caplin begeistern. Wer liest, hat mehr vom Leben: dotbooks – der eBook-Verlag.

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Seitenzahl: 155

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Über dieses Buch:

Das ist ja allerhand! Als Valerie erfährt, dass ihre Tante Charlotte über alle Berge ist und ihr die Verantwortung für den kleinen Buchladen »Ringelnatz & Co.« in die Schuhe schiebt, fällt sie aus allen Wolken. Auch wenn es ihr im Herzen wehtut, wenn sie an die vielen schönen Erinnerungen aus ihrer Kindheit zurückdenkt – als geschickte Betriebswirtin weiß sie, dass sie den Laden, der schon lange kein gutes Geld mehr einspielt, schließen muss. Doch dann trudeln die ersten Stammkunden mit echter Begeisterung für Geschichten ein und Valerie merkt, dass auch sie dem Zauber der Bücher immer mehr verfällt – besonders einem geheimnisvollen Roman, aus dem sie nicht schlau wird ... Vielleicht wäre es ja doch ganz schön, die Buchhandlung zu behalten – und herauszufinden, was es mit dem Büchlein auf sich hat?

»Eine magische Reise in das Zauberland der Literatur – fesselnd und bewegend!« Elle

Über den Autor:

Thomas Montasser ist Literaturagent und Autor zahlreicher Romane, die in viele Sprachen übersetzt wurden. Außerdem arbeitet er als Journalist und Universitätsdozent und war Leiter einer kleinen Theatertruppe. Er ist Vater von drei Kindern und lebt mit seiner Familie in München. Seine Leidenschaften sind Swing, alte Bücher und Frühstück im Freien. Es gibt für ihn nichts Erholsameres, als ein gutes Buch zu lesen (außer natürlich: eines zu schreiben).

Thomas Montasser veröffentlichte bei dotbooks bereits »Die verbotenen Gärten von Shiraz«.

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eBook-Neuausgabe September 2024

Dieses Buch erschien bereits 2014 unter dem Titel »Ein ganz besonderes Jahr« bei Thiele

Copyright © der Originalausgabe Thiele Verlag in der Thiele & Brandstätter Verlag GmbH, München und Wien 2014

Copyright © der Neuausgabe 2024 dotbooks GmbH, München

Dieses Werk wurde vermittelt durch die Montasser Medienagentur, München.

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Wildes Blut – Atelier für Gestaltung Stephanie Weischer unter Verwendung eines Motivs von © Adobe Stock / SOL sowie mehrerer Bildmotive von © shutterstock

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (lj)

ISBN 978-3-98952-264-0

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dotbooks ist ein Verlagslabel der dotbooks GmbH, einem Unternehmen der Egmont-Gruppe. Egmont ist Dänemarks größter Medienkonzern und gehört der Egmont-Stiftung, die jährlich Kinder aus schwierigen Verhältnissen mit fast 13,4 Millionen Euro unterstützt: www.egmont.com/support-children-and-young-people. Danke, dass Sie mit dem Kauf dieses eBooks dazu beitragen!

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Thomas Montasser

Ein zauberhafter Buchladen – oder: Ein ganz besonderes Jahr

Roman

dotbooks.

WIDMUNG

Für Mariam, meiner Blütenträume Muse

MOTTO

Da siehst du, dass die

Wirklichkeit gegen die Literatur

nicht bestehen kann.

VALERIES MUTTER

Ein Buch ist weit mehr als die

Summe seiner Buchstaben!

NOÉ

EINS

Hätte jemand durch das Fenster geblickt, er hätte kaum mehr gesehen als den gebeugten Rücken einer mit großer Sorgfalt gekleideten älteren Dame, deren schneeweißer, etwas wirrer Dutt über der Kasse schwebte, von einer müden Deckenlampe in ein gnädiges Licht gehüllt. Womöglich hätte er sie dabei beobachtet, wie sie einen energischen Strich unter eine Liste zog, die sie in eine altertümliche Kladde geschrieben hatte, worauf sie besagte Kladde kaum weniger energisch zu- und ihre daneben stehende Handtasche aufklappte, aus der sie eine Geldbörse zog, welcher sie wiederum einen Geldschein eher niedrigen Zahlbetrags entnahm, den sie in die Kasse legte. Er hätte gesehen, wie ihre schmale, von Altersflecken übersäte, im Übrigen aber aristokratisch-blasse Hand daraufhin die Kasse schloss und sie noch einmal – wie man einem alten Freund tröstend auf die Schulter klopft – berührte, um schließlich aufzustehen, an den deckenhohen Regalen entlangzugehen, sie zu mustern, ihnen etwas zuzuflüstern, und dann das Licht zu löschen und durch die Hintertür den kleinen Laden zu verlassen. Auf diese Weise also wäre unser Beobachter Zeuge jenes Ereignisses geworden, das sich in zwei Worten zusammenfassen lässt: Charlottes Verschwinden.

Nun bedarf es keiner besonderen Hellsichtigkeit, um zu erkennen, dass es einen solchen Beobachter nicht gab. An jenem – wie wir später noch feststellen werden: bedeutenden – Winterabend fand sich kein Passant ein, der einen Blick durch das Fenster, oder sagen wir: in das Schaufenster warf. Mit anderen Worten, es war ein ganz gewöhnlicher Abend, ein keineswegs unüblicher, sondern vielmehr ein typischer Abend. Gewiss war dies nicht einem Mangel an Menschen geschuldet, die sich in die Gegend verirrt hätten. Im Gegenteil, der kleine Laden der alten Dame war, wenngleich etwas zurückgesetzt, in guter Lauflage, wie es so schön heißt. Ein Backshop hätte vermutlich gute Geschäfte gemacht, ein Getränkemarkt nicht minder – von einem Fitnessstudio ganz zu schweigen. Die alte Dame, die unser nicht vorhandener Beobachter eingangs gesehen hätte, hatte es in der Hinsicht schwerer. Viel schwerer. Denn die Laufkundschaft ist ja, wie man weiß, eine seltsame Spezies, eigenwillig, störrisch, unberechenbar, vor allem aber: nie da, wenn man sie braucht. Wobei der Korrektheit halber erwähnt werden muss, dass es gerade im Geschäftszweig der alten Dame keineswegs nur auf die Lauf-, sondern in weit höherem Maße auf die Stammkundschaft ankommt. Denn in jener Art von Geschäft wird längst nicht Dutzendware zum schnellen Verbrauch angeboten oder rasch verblühende zweifelhafte Schönheit, sondern wesentlich Substanzielleres, ja Bedeutendes. Hier geht es in mehr als einem Sinne um Sein oder Nichtsein. Weshalb Charlottes Verschwinden auch mit Fug und Recht als ein kulturelles Ereignis betrachtet werden kann – wenn auch kein erfreuliches. Doch dazu später.

Es sollte einige Zeit dauern, bis die Tür des kleinen Ladens sich wieder öffnete. Wenn auch unter ganz anderen Umständen.

ZWEI

Die Farbe war schon etwas abgeblättert, die Türverglasung hatte in einer Ecke einen Sprung. Valerie schüttelte den Kopf. Als sie das altertümliche Schloss endlich aufbekommen hatte – es war schon etwas verrostet und die Tür klemmte obendrein –, schlug ihr die abgestandene Luft von Wochen entgegen. Sie ließ die Tür offenstehen und ging als Erstes ganz nach hinten ins Büro, um auch dort ein Fenster zu öffnen. Zum Glück war es ein warmer Frühlingstag.

Valerie ließ ihre Tasche zu Boden gleiten und versuchte, nicht gleich zu verzweifeln. Wo um alles in der Welt sollte sie anfangen? Dieser Laden war wie ein Kleid, das die alte Frau um ihr Leben geschneidert hatte. Ihr mochte es gepasst haben. Für Valeries junges Leben war es unbequem, unförmig und ganz und gar unpraktisch. Zögernd nahm sie auf dem verschlissenen Sessel Platz, den Tante Charlotte des besseren Lichtes wegen in der Nähe des Fensters aufgestellt hatte. »Worauf habe ich mich da bloß eingelassen?«, seufzte sie.

Auf einem Beistelltischchen lag ein Stapel Visitenkarten mit dem Schriftzug des Geschäfts in fein geschwungenen Buchstaben. Valerie nahm eine davon zur Hand. Ein eigentümlicher Zauber ging von ihr aus. Die Oberfläche fühlte sich an wie mit Samt überzogen, die Lettern waren in tiefdunklem Rot hineingestanzt. Valerie konnte ein Lächeln nicht unterdrücken. »Ringelnatz & Co.«, sagte sie leise, halb amüsiert, halb peinlich berührt. Offenbar hatte Tante Charlotte der von ihr so bewunderten Pariser Buchhandlung Shakespeare & Co. nacheifern wollen. Warum sie ihren Laden dann nicht wenigstens gleich Goethe & Co. genannt hatte, war Valerie ein Rätsel. Aber vielleicht musste sie das auch nicht verstehen. Vielleicht hatte es ganz einfach damit zu tun, dass Tante Charlotte aus einer anderen Zeit stammte.

Nun also dieser Buchladen. Wie lange war sie schon nicht mehr hier gewesen? Jahre. Einige. Seit dem Tod ihrer Mutter hatte sie die Tante nicht mehr oft gesehen, Papa und sie hatten sich nie wirklich verstanden. Als Ökonomieprofessor kam er in Gesprächen immer schnell auf wirtschaftliche Themen. Bei Tante Charlotte hatte ihn das regelmäßig auf die Palme gebracht. »Du bist einfach keine Geschäftsfrau, Charlotte, sieh es doch endlich ein!«, hatte er im Laufe buchstäblich jedes Gesprächs mit ihr ausgerufen und sich kopfschüttelnd abgewandt. Die beiden hatten kein gemeinsames Thema gefunden.

Und nun sollte ausgerechnet Valerie den alten Buchladen liquidieren, in dem sie in ihrer Kindheit so oft und gerne gewesen war und den sie später in seiner Überholtheit so befremdlich gefunden hatte. Der Zufall hatte es gewollt, dass sie die nächste Verwandte der alten Dame war und mit ihrem frisch errungenen Bachelor in Betriebswirtschaft auch über das nötige Know-how verfügte. Nur dass sie eigentlich andere Ziele gehabt hatte für die Zeit nach dem Abschluss. Sie wollte vier Semester anhängen und den Master machen, nebenbei Teilzeit Berufserfahrung sammeln und ihre Karriere als Consultant für Skandinavien und die aufstrebenden Volkswirtschaften des Baltikums vorbereiten. Während sie hier in Tante Charlottes altem Buchladen saß, waren da draußen zwei Dutzend Bewerbungen an Top-Firmen unterwegs: Unternehmensberatungen, Wirtschaftsprüfungsgesellschaften, Marketingagenturen und Think Tanks. Das war es, wo sie hinwollte: ins Herz der Geschehnisse, dorthin, wo das Business pulsierte, wo die Geistesblitze knisterten und die Zukunft erfunden wurde. Stattdessen war sie hier zwischen Altpapier gestrandet und konnte sich einigermaßen vorstellen, was sie in den Geschäftsbüchern ihrer Tante erwartete. Das hieß: Sie konnte es sich nicht vorstellen – aber das wurde ihr erst bewusst, als sie schon mittendrin war in dieser Geschichte. Oder sogar noch später.

***

Die ganze Sache war noch viel komplizierter dadurch, dass Tante Charlotte zwar verschwunden, nicht aber als tot registriert war. Man hatte sie schlicht nirgends gefunden. So wenig es einen Hinweis darauf gab, dass sie freiwillig irgendwohin gegangen wäre, gab es einen darauf, dass sie gar unfreiwillig irgendwo angekommen wäre – und sei es im Jenseits. Aber natürlich machte sich niemand Illusionen, am wenigsten Valerie. Sie hatte Tante Charlotte immer gerne gemocht und es bedrückte sie, dass die alte Dame – sie wäre inzwischen immerhin schon fast achtzig Jahre – auf so mysteriöse Weise aus dem Leben geschieden war. Niemand hatte sie mehr gesehen. Sie hatte sich ganz einfach aus ihrem so schrulligen wie aufgeräumten Dasein verabschiedet. Und die Notiz, die man auf ihrem Küchentisch gefunden hatte, hatte nicht einmal als offizielles Testament getaugt, weil eine Unterschrift fehlte und es genau genommen nicht um den Besitz der Hinterlassenschaften ging, sondern nur um den Verbleib: »Meine Nichte Valerie soll sich um alles kümmern.« Nichts weiter.

Der Laden hatte sich vermutlich seit der Zeit seiner Gründung, und das war immerhin Ende der 1950er Jahre gewesen, nicht verändert. Sicher, es standen andere Lektüren in den Regalen, und der Samowar, das wusste Valerie zufällig genau, war erst in den neunziger Jahren dazugekommen, nach einer Reise ihrer Tante ins vom Kommunismus befreite Russland, das Land von Dostojewski, Tolstoi und Puschkin, Charlottes Sehnsuchtsort – bis zu jener Reise, die einiges an Ernüchterung mit sich gebracht hatte (Mama hatte damals zu ihr gesagt: »Da siehst du, dass die Wirklichkeit gegen die Literatur nicht bestehen kann.«). Ansonsten aber: alte, deckenhohe Holzregale, die längst eine neue Politur vertragen hätten, ein abgetretener Parkettboden, drei Lampen mit altertümlichen grünen Schirmen auf wackeligen Beistelltischchen, ein schwerer, geraffter, an den Rändern goldbestickter Samtvorhang, der das Schaufenster vom Rest des Raumes trennte und der vermutlich einst ein Bühnenvorhang gewesen war, womöglich aus der Zeit vor dem Krieg.

Die Nachkriegszeit, in der Tante Charlotte ihre Buchhandlung eröffnet hatte, war sicher keine schlechte Zeit, um mit Gedrucktem Geld zu verdienen, schließlich waren die Menschen geistig ausgehungert und sehnten sich nach guten Geschichten und klugen Gedanken. Im Prinzip die richtige Geschäftsidee, dachte Valerie, für damals. Nur dass die alte Dame nicht mit der Zeit gegangen war, sondern in all den Jahren seither nichts Wesentliches verändert hatte. Natürlich war sie überrollt worden von der Professionalität moderner Businesskonzepte und dem Glamour der neuen Medien. Wer, bitte schön, las heute noch im Ernst ein Buch?

Über der Eingangstür hing eine Uhr, und Valerie war ehrlich erstaunt, dass sie nicht stehengeblieben war, so wie hier ja seit vielen Jahren die Zeit Stillstand. Viertel vor elf. Und kein Kunde in Sicht. »Ringelnatz und Co.«, wiederholte Valerie, seufzte und ging hinüber zu dem kleinen Hinterzimmer, das über zwei Stufen erreichbar und ebenfalls nur durch einen gerafften Vorhang – möglicherweise dem Rest des großen Bühnenvorhangs, der das Schaufenster einrahmte – vom Verkaufsraum abgetrennt war. Die Kasse schien einem Film aus den dreißiger Jahren entwendet, groß und schwarz stand sie auf dem Schreibtisch, immerhin geradezu verheißungsvoll poliert. Aber natürlich war sie leer. Oder jedenfalls: fast leer. Ein Zehner lag im Schubfach, daneben einige unsortierte Münzen, die sich auf kaum mehr als denselben Betrag summieren würden. Rechter Hand stand ein Kasten auf dem Tisch, der Valerie an den Katalog im alten Teil der Universitätsbibliothek erinnerte, links lag eine abgegriffene Kladde, die sich beim ersten Aufblättern als Kassenbuch erwies. »Aha«, murmelte Valerie. »Immerhin hast du Buch geführt.« Ein Fünkchen Hoffnung, dass es vielleicht doch nicht ganz so schlimm werden würde, glomm in ihr auf, gerade stark genug, um nach zwei Minuten als verlorene Illusion zu verrauchen. »Okay, das kann es ja nicht wirklich sein«, stellte Valerie fest und beschloss, sich mit einem Kaffee zu stärken, revidierte ihren Entschluss Richtung Tee, als sie herausfand, dass es in Tante Charlottes Reich offenbar keinen Platz für Kaffee gegeben hatte, setzte mit einiger Unbeholfenheit den Samowar in Gang und wartete.

Ein Samowar besteht aus einem größeren Wasserkocher, auf dem eine kleine Kanne sitzt, die mit Teeblättern gefüllt und dann mit dem kochenden Wasser des unteren Korpus aufgegossen wird. Danach wandert die Kanne wieder an ihren Platz, bis der solcherart angesetzte Tee kräftig genug gezogen hat, um in mehr oder weniger homöopathischen Dosen in eine Tasse gegossen und mit weiterem kochendem Wasser ins richtige Mischungsverhältnis gesetzt zu werden. Das alles dauert in etwa genauso lange, wie es den Anschein hat, weshalb Valerie mehr Zeit mit Warten zubrachte, als sie vorgehabt hatte. Also nahm sie eher wahllos ein Buch aus dem Regal und setzte sich wieder auf Tante Charlottes alten Lesesessel, um ein wenig darin zu blättern.

»Das erste Kapitel« begann mit einer Ankunft, wie so viele Bücher und wie auch Valeries Geschichte, zumindest soweit sie sich auf den kleinen Buchladen ihrer alten Tante bezog. Allerdings war es weit später am Tag, um genau zu sein: Es war spätabends, als K. ankam. Das Dorf lag in tiefem Schnee. Vom Schloßberg war nichts zu sehen, Nebel und Finsternis umgaben ihn, auch nicht der schwächste Lichtschein deutete das große Schloß an. Lange stand K. auf der Holzbrücke, die von der Landstraße zum Dorf führte, und blickte in die scheinbare Leere empor ...

Ein guter Samowar besitzt einen Mechanismus, durch den sich der Wasserkocher von selbst ausschaltet, wenn er allzu lange läuft – wobei man wissen muss, dass Samoware durchaus dazu gedacht sind, lange vor sich hin zu köcheln. Charlottes Exemplar hätte einen solchen Mechanismus ebenfalls besessen. Doch er stammte aus dem postsowjetischen Russland, einer Zeit, in der man wegen Pfusch die Macht des Apparats nicht mehr und die Macht der Kunden noch nicht fürchten musste. Also kochte das Wasser und kochte unablässig, bis Valerie auf Seite 248 ein Zettel in den Schoß fiel und sie erstaunt aufblickte.

Draußen hatte es zu dämmern begonnen. Längst war der laue Frühlingshauch einer perfiden Zugluft gewichen, die Valerie bereits an der Nase gepackt hatte, ehe sie dessen gewahr wurde. So zog der Tag hin, der Schnupfen auf und der Tee in seinem Kännchen, während Valerie zum ersten Mal einen Roman von Franz Kafka las und erstaunt war, ja genau genommen Seite um Seite darauf wartete, dass er sie endlich zu langweilen begann.

Besagter Zettel erwies sich als Bestellkarte, auf der Tante Charlotte akribisch vermerkt hatte, wie viele Exemplare dieses Buches sie verkauft hatte. Es waren viele. Erstaunlich viele, die Karte war geradezu übersät von gebündelten Strichen auf Vorder- und Rückseite, und wäre das Datum nicht vermerkt gewesen, an dem die alte Buchhändlerin das Werk zum ersten Mal bestellt hatte, Valerie hätte es für einen ausgesprochenen Bestseller gehalten: 12/X/1959. »Scheint jedenfalls ein Longseller zu sein«, stellte sie fest, steckte die Karte zurück in das Buch, klappte es zu und legte es beiseite. Eine Tasse heißer Tee würde jetzt guttun. Sie schloss die Tür ab, nahm sich einen der angeschlagenen Becher aus dem Schrank über der Spüle, die beide in einer Nische des Büros, vom Laden aus unsichtbar, untergebracht waren, goss sich einen Fingerbreit schwarzbraunen Tee ein und füllte mit Wasser aus dem Kocher auf. Dann setzte sie sich wieder an den Schreibtisch, suchte ein Blatt Papier heraus und begann, sich Notizen zu machen.

***

Man kann die Betriebswirtschaft als eine ebenso nützliche wie ungenaue Wissenschaft bezeichnen. Einer jungen Frau, die mit beiden Beinen über den Dingen schwebt, verleiht sie zweifellos eine gewisse Erdung und, falls nicht von Natur aus vorhanden, das nötige Selbstbewusstsein, um auch die unlösbarsten Aufgaben für lösbar zu erachten, also etwa das Führen, die Rettung oder gar die Liquidation einer kleinen Buchhandlung in mittlerer Lage, der die Inhaberin abhandengekommen ist, von der Kundschaft ganz zu schweigen. Und so nimmt es nicht wunder, dass am Ende eines langen Abends eine Liste von immerhin achtundvierzig Maßnahmen neben der Kasse lag, bezeichnet mit der denkwürdigen Überschrift: »First Steps/Short Term-Measures«, worunter sich so bedeutsame Stichworte fanden wie: Kassenprüfung, Banktermin, Inventur, Warenwirtschaft checken, Lieferungen und Leistungen prüfen, Cashflow-Übersicht, Außenstände, Steuerberater? Kreditlinie? Summen und Salden, Bilanz?

An dieser Stelle unserer Geschichte ist es Zeit, mit einem verbreiteten Vorurteil aufzuräumen. Frauen Mitte zwanzig, gebildete Frauen zumal und erst recht Frauen mit Brille (wobei zu vermerken ist, dass Valerie Kontaktlinsen trug, zumindest an jenem Tag), sind nicht zwangsläufig romantisch. Im Gegenteil, oft neigen sie zu einer ausgeprägten Nüchternheit, deren Ursprung und Ziel so unbestimmt sind, dass man annehmen muss, es habe damit keinerlei besondere Bewandtnis. Und wer den gegen neun Uhr an die Tür klopfenden jungen Mann gesehen hätte, wäre nicht umhingekommen, diesem Befund beizupflichten. Valerie öffnete die Tür und hielt Sven die Wange hin, während sie einen Blick zum Himmel warf und überlegte, wie lange es wohl noch dauern würde, bis es regnete.

Sven, der kürzlich als Trainee in einer Unternehmensberatung angefangen hatte, warf seinerseits einen Blick in den Laden, verdrehte die Augen und sagte zur Begrüßung: »Ich möchte nicht wissen, um welche Beträge du das Lager abschreiben musst.«