Eine sehr kleine Sammlung aus sehr kurzen Geschichten - Judith Kaiser - E-Book

Eine sehr kleine Sammlung aus sehr kurzen Geschichten E-Book

Judith Kaiser

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Beschreibung

Das sind einfach meine bisher acht besten Kurzgeschichten. Fast jede beginnt mit einem persönlichen Erlebnis und endet aber ganz anders. Vermutlich einfach ein Versuch den Alltag interessanter zu machen.

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Veröffentlichungsjahr: 2014

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Judith Kaiser

Eine sehr kleine Sammlung aus sehr kurzen Geschichten

Für Renate K. und Irmi E., die beiden coolsten Omas der WeltBookRix GmbH & Co. KG81371 München

Angst

Ich sitze im Klassenzimmer und bin irgendwie doch nicht da. Ich sehe alles durch so eine Art Schleier. Ein Gefühl der Unwirklichkeit hat mich – la, wie soll ichs sagen – umhüllt.

Und das hat nichts mit der Englisch Schulaufgabe zu tun, die unsere Lehrerin gerade austeilt. Davon kommt das leichte Ziehen im Bauch, von dem mir immer leicht übel wird. Ich weiß, dass ich nicht kotzen kann, weil meine Kehle praktisch wie zugeschnürt ist. So geht es mir immer vor einer Schulaufgabe oder bevor wir sie raus kriegen.

Je nachdem wie wichtig der Test für meine Zeugnisnote ist, mal heftiger mal weniger heftig. Die Meisten würden es als gechillt sein bezeichnen, wenn ich vor den Prüfungen so still bin. Aber eigentlich ist mir einfach nur zum Kotzen.

Deswegen lieb ich unangesagte Exen. Da hab ich nicht so die Zeit, dass mir schlecht wird. Seltsamerweise schreibe ich dann auch die besten Noten – selbst wenn ich nicht gelernt habe.

Jedenfalls teilt Frau Ellen jetzt die Englisch Schulaufgabe aus. Ich weiß eigentlich, dass es mir nicht schlecht dabei ging, rede mir aber ein, ich hätte eine zwei, damit ich nicht enttäuscht bin.

„Fiona?“

„Ja hier.“ Ich melde mich.

Frau Ellen schiebt sich zwischen den Tischen vor mir durch. „Du solltest auf die Rechtschreibung achten, Fiona. Sonst war nämlich alles super.“

Okay. Es ist eine Zwei geworden. Jetzt kann ich nur noch beten, dass ich im Zeugnis eine Eins bekomme. Sie zieht das Blatt aus dem Stapel raus und legt es verdeckt herum auf den Tisch. Ich muss es selber umdrehen. So was hasse ich.

Langsam greife ich nach dem Blatt, drehe es um. Es ist eine Eins. Glück gehabt. Was regt die Ellen sich eigentlich drüber auf?

Ich erlaube mir ein kurzes Lächeln und schiebe die Schulaufgabe dann in mein Englisch-Arbeitsheft.

Ich gelte in der Klasse eh schon als Streberin, da muss meine guten Noten nicht auch noch rein reiben. Ich bin nämlich eigentlich keine. Außerdem habe ich in Englisch ja einen Vorteil, was die Anderen aber praktischerweise immer vergessen. Ein anderer Grund sich nicht zu sehr zu freuen ist, dass Gina, meine beste Freundin, sich in der Schule schwer tut. Und auch wenn sie es nicht rauslässt, ist sie unendlich  frustriert und eifersüchtig. Wer wäre das nicht, wenn die kleine Schwester Klassenbeste und die beste Freundin Klassenzweitbeste ist?

Gina kriegt ihre Schulaufgabe ohne Kommentar und ich frage mich, ob die Ellen meint ich hätte gerne gewusst, wie ich mich soweit verbessern konnte, um Klassenbeste zu werden. Was übrigens nicht mein Ziel ist. Obwohl es Dennis (Klassenbester) Gesichtsausdruck wert gewesen wäre.

Gina hatte eine Drei. Dreier sind in Sprachen blöde Noten. Zweier sind gut. Vierer sind schlecht. Aber was sind Dreier? In Mathe sind Dreier auch noch auf der guten Seite, aber in Sprachen? Sie kommentiert es jedenfalls nicht.

Gleich darauf gongt es zur Pause. Ich schnappe mir mein Funkgerät, das haben alle Schulsanitäter und renne fast die Treppe runter, weil ich noch einen Sitzplatz will. Leider sitzen Helen und Sam schon da, weshalb ich auf den Boden ausweichen muss. Der Schleier ist immer noch nicht weg. Es fühlt sich so an, als wäre ich heute Morgen gar nicht erst aufgewacht. Helen sagt irgendwas zu mir.

„Was?“

„Ob ihr jetzt die Englisch Schulaufgabe raus habt.“

„Ach so. Ja schon.“

„Und?“

„Na was denn wohl?“, wirft Sam ein, „Die hat bestimmt schon wieder ne Eins.“

„Hm. Ja. Ist ne Eins geworden.“

„Wusste ichs doch.“ Sam klopft sich selber auf die Schulter.

„Du bist so ein Schlaumeier, weißt du das eigentlich?“

„Ja.“ Er zuckt mit den Schultern.

„Bescheuert und stolz drauf. Was will man machen?“ Ich sehe Helen vielsagend an.

„Hey.“ Sam springt auf und hält mich am Arm fest, so dass ich nicht weg laufen kann.

„Mädchen schlägt man nicht.“, ruft Helen ihm zu.

Er grinst. „Ist mir doch egal.“

In dem Moment geht das Funkgerät los. „Bitte den Schulsanitätsdienst in Halle1. Bitte den Schulsanitätsdienst in Halle1.“

Ich strecke Sam die Zunge raus. „Pech gehabt.“

Als ich in Richtung Turnhalle laufe, mache ich mir Sorgen. Wenn in der Pause etwas durchgesagt wird, dann ist es was Dringendes. Vielleicht ein Asthmaanfall. Der Schleier ist jetzt jedenfalls weg.

Es sind ein Haufen Fünftklässler in der Turnhalle. Alle sind aufgedreht und schreien wild durcheinander. In der Mitte hat sich eine größere Gruppe versammelt. Ich steuere auf sie zu und drängele mich durch ein paar durch bis sie kapieren, dass ich vom Schulsanitätsdienst bin. Ein Anderer ist noch nicht da. Ich hoffe sie holen den Rucksack aus unserem Zimmer.

Es ist ein Junge. Klein, blond. Er atmet hektisch. Definitiv ein Asthmaanfall.

„Gibt ihm mal ein bisschen Platz.“ Die Fünftklässler weichen zurück.

Ich bücke mich nach dem Jungen und sage ihm er soll sich auf den Boden setzen und sich mit den Armen nach hinten aufstützen.

Dann suche ich mir einen anderen Jungen raus. „Was ist denn passiert?“

„Der Pascal wars. Nicht ich. Ich hab nichts gemacht.“

Ich beuge mich zu ihm runter. „Hör mal! Ich kann dir weder eine Strafarbeit noch einen Verweis geben. Das darf ich gar nicht. Ich bin hier um deinem Freund zu helfen und dazu muss ich wissen was passiert ist.“