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England 1824. Als Kapitän Declan Frobisher die attraktive Lady Edwina Delbraith trifft, weiß er sofort, dass sie seine Braut werden wird. Der Erbe einer Dynastie erfolgreicher Seefahrer ist zwar vom Erfolg verwöhnt, doch Edwina zu erobern stellt sich selbst für ihn als überraschend einfach heraus, nicht zuletzt, weil sie deutlich macht, dass sie Declan genauso sehr möchte wie er sie. Kurz nach der Hochzeit wird offenkundig, dass Edwina auch in der Ehe ihre ganz eigenen Pläne hat und keinesfalls als Heimchen am Herd in England bleiben wird, wie es sich der freiheitsliebende und kontrollierende Declan vorgestellt hat …
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Seitenzahl: 383
Buch
England 1824. Als der attraktive und allseits umschwärmte Kapitän Declan Frobisher die schöne Lady Edwina Delbraith trifft, weiß er sofort, dass sie seine Braut werden wird. Der Erbe einer Dynastie erfolgreicher Seefahrer ist zwar vom Erfolg verwöhnt, und die Frauenwelt liegt ihm zu Füßen, doch Edwina zu erobern stellt sich selbst für ihn als überraschend einfach heraus. Nicht zuletzt, weil sie von Anfang an deutlich macht, dass sie Declan genauso sehr möchte wie er sie. Kurz nach der Hochzeit wird offenkundig, dass Edwina auch in der Ehe ihre ganz eigenen Pläne hat und keinesfalls als Heimchen am Herd in England bleiben wird, wie es sich der freiheitsliebende und kontrollierende Declan vorgestellt hat …
Autorin
Stephanie Laurens begann mit dem Schreiben, um etwas Farbe in ihren wissenschaftlichen Alltag zu bringen. Ihre Bücher wurden bald so beliebt, dass sie ihr Hobby zum Beruf machte. Stephanie Laurens gehört zu den meistgelesenen und populärsten Liebesromanautorinnen der Welt und lebt mit ihrem Mann und ihren beiden Töchtern in einem Vorort von Melbourne, Australien.
Von Stephanie Laurens bereits erschienen
Ein feuriger Gentleman · In den Armen des Spions · Eine stürmische Braut · Ein süßes Versprechen · Ein widerspenstiges Herz · Stürmische Versuchung · Ein sinnliches Geheimnis · Triumph des Begehrens · Duell der Sehnsucht
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Stephanie
Laurens
Eine ungezähmte Lady
Roman
Deutsch von Christiane Meyer
Die Originalausgabe erschien 2016 unter dem Titel
»The Lady’s Command« bei MIRA Books, Canada.
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1. Auflage
Copyright der Originalausgabe © 2016
by Savdek Management Proprietary Limited
Published by Arrangement with Savdek Management Pty Ltd
Dieses Werk wurde vermittelt durch die
Literarische Agentur Thomas Schlück GmbH, 30827 Garbsen.
Copyright der deutschsprachigen Ausgabe © 2017
by Blanvalet in der Verlagsgruppe Random House GmbH,
Neumarkter Str. 28, 81673 München
Redaktion: Margit von Cossart
Umschlaggestaltung und -abbildung:
© Johannes Wiebel | punchdesign,
unter Verwendung von Motiven von
Chris Cocozza und Shutterstock.com
JvN · Herstellung: sam
Satz: KompetenzCenter, Mönchengladbach
ISBN 978-3-641-20787-8V001
www.blanvalet.de
Kapitel 1
London, April 1824
Die Frau seines Herzens zu heiraten war überraschend einfach gewesen. Die Ehe seiner Träume zu führen stellte eine ganz andere Herausforderung dar.
Declan Fergus Frobisher stand neben seiner frisch angetrauten Ehefrau Lady Edwina Frobisher, einstmals Delbraith. Wie immer ließ er die Kakofonie der feinen Gesellschaft, die sich in Lady Montgomerys Salon zusammengefunden hatte, geduldig über sich ergehen. Das ununterbrochene Geplapper erinnerte ihn stets an eine Schar kreischender Möwen. In einem bunten Wirbel feiner Seiden- und Satinstoffe, dunkler Anzüge und schwarzer Abendmäntel bewegte sich die Crème de la Crème der Hautevolee von einem Kreis zum nächsten. Der große Salon wurde von glitzernden Kristallleuchtern erhellt. Ihr Licht fiel auf kunstvoll hochgesteckte Locken und pomadiges Haar und brach sich in den unzähligen Juwelen, die die Dekolletés, Ohrläppchen und Handgelenke der anwesenden Damen zierten.
Eine der mit funkelndem Schmuck behangenen Adligen kam auf seine geliebte Frau zugerauscht.
»Edwina, meine Liebe!« Sie drückte ihr die Hand und hauchte ihr Küsschen auf die Wangen. Edwina begrüßte die Lady mit ihrem sonnigen Charme, obwohl deren Blick bereits zu ihm gewandert war. Sie musterte ihn von Kopf bis Fuß, dann richtete sie ein Lächeln – ein eindeutig lüsternes Lächeln – auf ihn. »Sie müssen, Sie müssen mich einfach Ihrem Mann vorstellen«, schnurrte sie.
Declan sah Edwina an. Er fragte sich, wie sie auf die absolut durchschaubaren Absichten der Lady reagieren würde. Und seine Frau enttäuschte ihn nicht. Sie lächelte entzückt – wie eine Katze, die eine ganze Schüssel Sahne genossen hatte und die sich sicher war, bald noch mehr zu bekommen. Ihre Miene strahlte Selbstvertrauen aus, und er musste innerlich lächeln.
Als hätte sie seine Belustigung gespürt, warf sie ihm einen Blick zu. »Lady Cerise Mitchell, mein Ehemann Declan Frobisher«, erklärte sie.
Ihm war nicht entgangen, mit welch besitzergreifendem Nachdruck sie die Worte »mein Ehemann« betont hatte, und er ergriff mit einem höflichen Lächeln Lady Cerises Hand und verbeugte sich. Sie murmelte ein verführerisches »Enchanté!«, doch er hatte bereits jegliches Interesse an ihr verloren. Auch wenn er einen kleinen Teil seiner Aufmerksamkeit auf die Leute richtete, die auf ein Wort zu ihnen kamen, und ihre Fragen beantwortete, den allzu neugierigen Fragen jedoch auswich, war die Begegnung mit diesen Menschen nicht der Grund, warum er diese Abendgesellschaften besuchte.
An Edwinas anderer Seite stand ihre Mutter Lucasta, die Witwe des Duke of Ridgware. Die Duchess war eine hübsche, stolze Lady mit einem vornehmen, ein wenig arroganten Auftreten. Neben ihr stand Edwinas Schwester Lady Cassandra Elsbury, eine sympathische junge Frau, die ein paar Jahre älter war als Edwina. All die anderen Ladys mit ihren leuchtenden Augen und all die faszinierten Herren waren wie Lady Cerise Mitchell begierig, die Aufmerksamkeit für sich einzufordern und – was noch wichtiger war – mehr über den unbekannten Gentleman zu erfahren, der eine der bedeutendsten weiblichen Mitglieder der feinen Gesellschaft für sich gewonnen hatte. Declan tat sein Bestes, um ihre Erwartungen zu erfüllen, indem er sich geheimnisvoll gab.
In Wahrheit war es kein Geheimnis, wer er war. Er kam aus einer alten Familie – die Frobishers hatten im elisabethanischen Zeitalter an der Seite von Raleigh gekämpft. Sie waren wohlgeboren und hatten aufgrund ihrer ehrwürdigen Abstammung unanfechtbaren Zutritt zu den höchsten Kreisen. Doch im Laufe der Jahrhunderte hatten die Frobishers sich entschieden, ihren eigenen ausgefallenen, um nicht zu sagen exzentrischen Weg zu gehen und selbst die Randzonen der feinen Gesellschaft zu meiden. Während Raleigh in erster Linie für seinen eigenen Ruhm und in zweiter Linie für die Krone gekämpft hatte, beteiligten sich die Frobishers nur zögerlich und auch nur auf Befehl der Krone hin an Kämpfen. Sie waren eine Seefahrerdynastie, und Schlachten kosteten Leben und Schiffe. Sie kämpften nur, wenn es sein musste – nur, wenn sie gebraucht wurden.
Sie hatten in der Schlacht von Trafalgar gekämpft, allerdings nicht unter Nelson. Die Flotte der Frobishers hatte sichergestellt, dass die nach Norden fliehenden Franzosen sich nicht wieder neu formieren konnten. Declans Vater Fergus und dessen Brüder hatten unzählige französische Fregatten mit ihren schnellen Schiffen außer Gefecht gesetzt und die Besatzung gefangen genommen. Folglich war der Name Frobisher in der feinen Gesellschaft wohlbekannt.
Das Rätsel hatte immer darin bestanden, wie die Familie ihr Vermögen erlangt hatte und wie umfassend dieses Vermögen war. Die Frobishers hatten nie Interesse an Ländereien gehabt. Was sie an Land besaßen, lag im Norden, in der Nähe von Aberdeen – weit weg von London. Der Großteil des Besitzes der Familie befand sich auf dem Wasser, was in der feinen Gesellschaft die Frage aufwarf, ob der Abstieg der geschätzten Familie nur abzuwenden gewesen war, indem sie Handel betrieb. Die feine Gesellschaft erkannte diejenigen an, die von ihrem Grundbesitz lebten, doch sie hatte Schwierigkeiten, den Besitz von Schiffen damit gleichzusetzen.
Hinzu kam, dass die meisten Anwesenden von den Gerüchten über die neuesten Heldentaten der Familie gehört hatten. Diese Gerüchte – Entdeckungsfahrten in die Wildnis und gewinnbringende Geschäfte in der Schifffahrt – hatten einen wahren Hintergrund. Allerdings war der noch um Vieles haarsträubender, als die feine Gesellschaft es vermutete.
Natürlich führten Gerüchte in der Gesellschaft nur zu noch größerem Interesse. Dieses Interesse und die unverhohlene Neugier standen in den Blicken vieler der Gäste Lady Montgomerys geschrieben.
»Hören Sie, Frobisher«, sagte ein Mr. Fitzwilliam gedehnt. »Mir ist zu Ohren gekommen, dass jemand aus Ihrer Familie kürzlich die amerikanischen Kolonisten dazu überredet hat, ein neues Handelsabkommen zu akzeptieren. Waren Sie das?«
Das war Robert gewesen, einer von Declans älteren Brüdern. Robert war diplomatisch sehr interessiert und talentiert. Das Abkommen, mit dem er aus Georgia zurückgekehrt war, würde die Familie noch etwas wohlhabender machen und einen nicht unerheblichen Gewinn in die Kassen der Krone spülen.
Declan lächelte. »Ich war es nicht«, sagte er. Als Fitzwilliams etwas erwidern wollte, fuhr er rasch fort: »Ich habe von dem Gerücht nicht gehört.«
Warum sollte er sich Gerüchte anhören, wenn er die Fakten kannte?
Er hatte nicht die Absicht, die Neugier von irgendjemandem zu befriedigen, indem er über die Geschäfte seiner Familie sprach. Der einzige Grund, aus dem er an diesem Abend hier war, war die zierliche Frau, die so überschäumend vor Lebendigkeit an seiner Seite stand. Sie wirkte wie ein Magnet auf ihn, schimmerte wie ein Diamant, funkelnd, verlockend, faszinierend. Von den goldblonden Locken bis hin zu den Zehenspitzen ihrer zarten Füße verzauberte sie ihn. Welcher Mann konnte schon der Anziehungskraft dieses liebenswerten Wesens mit dem herzförmigen Gesicht und den großen strahlend blauen, wimpernbekränzten Augen unter den fein geschwungenen Brauen widerstehen, konnte sich der Magie dieser samtweichen cremefarbenen Haut, die bis auf ein paar zarte Sommersprossen auf der kleinen Nase makellos war, und dem Reiz dieser Lippen, die so voll und rosig waren und nur darum zu bitten schienen, geküsst zu werden, entziehen? Edwinas Miene spiegelte ihre Stimmung, ihre Gedanken, ihr Interesse wider, ihre lebendigen Augen waren das Fenster zu einem wachen, klugen Verstand.
Es überraschte ihn nicht, dass kaum ein anderer Mensch seine Aufmerksamkeit so fesseln konnte wie sie. Vom allerersten Moment an hatte er sie begehrt, sie hatte seine Sehnsucht gestillt und den Abenteurer in seiner Seele geweckt.
Sie waren nun seit drei Wochen verheiratet. Nachdem er ein Jahr zuvor von einer New-York-Reise nach London zurückgekehrt war, hatte er der Langeweile und auch dem Drängen alter Freunde nachgegeben und besagte Freunde zu einem Ball der feinen Gesellschaft begleitet. In New York war er sich einer nagenden Ruhelosigkeit bewusst geworden, die er so zuvor noch nie verspürt hatte. Vollkommen unerwartet waren seine Gedanken immer wieder zur Geborgenheit von Heim und Herd und zu einer Familie gewandert.
Zu einer Ehe.
Zu einer Ehefrau.
In der Sekunde, als er Edwina auf dem Ball im vergangenen Jahr erblickt hatte, hatte er gewusst, wer seine Frau werden würde. Mit der für ihn typischen Zielstrebigkeit hatte er sich angeschickt, die manchmal etwas hochmütig wirkende Tochter eines Duke für sich zu gewinnen. Mit ihren zweiundzwanzig Jahren bewegte sie sich bereits seit Längerem in der Gesellschaft und hatte den Ruf, für Männer kein leichter Fang zu sein.
Als sich ihre Finger zum ersten Mal berührt und ihre Blicke sich zum ersten Mal getroffen hatten, hatten Funken gesprüht. Edwina zu umwerben war glücklicherweise ganz leicht gewesen. Einige Monate später hatte er um ihre Hand angehalten, und sein Antrag war akzeptiert worden.
Seiner Meinung nach hatte sich alles reibungslos in die richtige Richtung entwickelt – hin zu der angenehmen traditionellen Ehe, die er sich in der Zeit, in der er darüber nachgedacht hatte, vorgestellt hatte. Doch drei Monate vor der Hochzeit hatten Lucasta und Edwina den Winterstürmen getrotzt, um seine Familie auf ihrem Landsitz bei Banchory Devenick zu besuchen. Als er den Grund für den Besuch erfahren hatte, war er davon ausgegangen, dass es Lucastas Idee gewesen war, später hatte er erfahren, dass Edwina darauf bestanden hatte, den Frobishers vor der Hochzeit vom Geheimnis ihrer Familie zu erzählen, das sie seit mehr als einem Jahrzehnt bewahrten.
Neugierig hatten er, seine Eltern und seine drei Brüder sich in den gemütlichen Salon der Familie gesetzt und aufmerksam gelauscht, während Lucasta ihnen alles erklärt hatte. Zu erfahren, dass einer von Edwinas älteren Brüdern, der achte Duke, sich das Leben genommen hatte, weil er einen Berg von Schulden gehabt hatte, und dass der Zweitgeborene, Lord Julian Delbraith, nicht verschollen und vermeintlich tot war, wie die feine Gesellschaft annahm, sondern sich vor aller Augen unter dem Namen Neville Roscoe in London aufhielt und dort der König der Glücksspieler war, war in der Tat eine Überraschung gewesen.
Nicht, wie Edwina erwartet hatte, eine schockierende Überraschung, sondern eine unendlich verblüffende und interessante Neuigkeit.
Durch die Möglichkeiten, die jeder der Frobishers in der Aussicht erkannt hatte, zukünftig mit einem Mann von Roscoes Kaliber familiär verbunden zu sein – mit seiner Macht, seiner Autorität, seinem Vermögen – war Declans Hochzeit in ihrer persönlichen Einschätzung von »sehr gut« auf »exzellent« gestiegen.
Später, als sie wieder allein gewesen waren, hatte Declans Vater ihm auf die Schulter geklopft und ausgerufen: »Junge, du hättest es nicht besser treffen können! Eine persönliche Verbindung zu Neville Roscoe … Tja, damit hätte wohl niemand gerechnet! Ein solcher Kontakt wird diese Familie nur noch stärker machen.«
Fergus, Declans Mutter Elaine und seine Brüder hatten Declans Beziehung zu Edwina von Anfang an gutgeheißen, doch dieser vollkommen unerwartete Nebeneffekt war das Tüpfelchen auf dem i gewesen.
In den Tagen nach der Hochzeit, die in der Kapelle auf dem Besitz von Edwinas Familie in Staffordshire stattgefunden hatte – Tage, die er und Edwina sowie ihrer beider engsten Familienmitglieder gemeinsam verbracht hatten –, hatten er, sein Vater und seine Brüder die Möglichkeit gehabt, Lord Julian Delbraith, bekannt als Neville Roscoe, kennenzulernen. Offenbar hatte die noch junge Ehe mit Miranda, die nun Lady Delbraith hieß, Roscoe dazu gezwungen, seine Entscheidung, nie wieder unter seinem richtigen Namen in Erscheinung zu treten, zu verwerfen. Julian und Miranda hatten also an Edwina und Declans Hochzeit teilgenommen, jedoch abgeschirmt von den anderen Gästen.
Edwina hatte sich über die Anwesenheit ihres Bruders gefreut, und Declan war schon aus diesem Grund glücklich gewesen. Das anschließende private Treffen der Frobishers mit Roscoe war praktisch der Zuckerguss auf der Hochzeitstorte gewesen. In der Gruppe hatten sie alle möglichen Arten des Zusammenwirkens und der Beziehungen ausgekundschaftet. Schnell war deutlich geworden, dass Roscoe die Ehe zwischen Edwina und Declan genauso positiv sah wie die Frobishers. Sie fanden heraus, dass sie ähnlich dachten und ähnliche Ansichten hatten. Aber wie bei einem Stein, der ins Wasser fiel, breiteten sich weitere Wellen aus.
Declan und Edwina waren zu seiner Familie nach Norden gereist, um ein paar Wochen in Banchory Devenick zu verbringen. Einige Tage nach ihrer Ankunft hatte Fergus Declan gebeten, ihn auf einem seiner Spaziergänge zu begleiten.
Sobald sie das Haus hinter sich gelassen hatten, hatte Fergus, den Blick auf den Boden gerichtet, erklärt: »Es scheint mir, mein Junge, dass wir noch eine Menge von Edwinas Familie lernen können. Ich spreche nicht von Roscoe, sondern von den anderen – vor allem von den Damen.« Unsicher, was sein Vater damit gemeint hatte, hatte Declan geschwiegen. Ein paar Schritte später hatte Fergus wieder das Wort ergriffen. »Es ist schon lange her, dass ein Frobisher sich in der feinen Gesellschaft bewegt hat. Das war sozusagen nie unser Schlachtfeld. Aber dann sehe ich die alte Duchess und ihre Töchter und die Schwiegertochter an, und ich denke darüber nach, was sie in den vergangenen zehn Jahren alles erreicht haben angesichts dessen, was sie verschweigen mussten … Nun ja, die feine Gesellschaft zu täuschen ist der falsche Ausdruck, doch es ist ihnen gelungen, die Wahrheit zu verschleiern. Und das haben sie mit einem solchen Geschick getan … ein Talent, das uns als Familie einfach fehlt.« Fergus hatte seinen scharfen Blick auf Declan gerichtet. »Du hast gesagt, dass du mit Edwina in die Stadt ziehen willst, dass du dort ein Haus gemietet hast, da Edwina und ihre Mutter glauben, dass ihr beide euch als Paar in der Gesellschaft zeigen müsst, um euch zu etablieren – was auch immer das heißen mag. Ich denke, dass das eine nützliche Möglichkeit ist, zu beobachten und zu lernen, wie diese Leute sich verhalten und wie sie mit bestimmten Situationen umgehen.«
»Mit bestimmten Situationen umgehen …« Er hatte nachgedacht und einen Moment später gesagt: »Du willst, dass ich mir abschaue, wie sie die feine Gesellschaft so manipulieren, dass diese genau das sieht, was sie sehen soll.«
»Genau!« Fergus hatte nach vorn gesehen. »Die Delbraiths sind eine Familie, die von Frauen geführt wird, da der jetzige Duke noch zu jung ist, um das Ruder zu übernehmen. Und diese Frauen sind nicht dumm. Sie wissen, wie sie sich in der feinen Gesellschaft bewegen müssen, wie sie die Vorstellungen der Gesellschaft zu ihren Gunsten beeinflussen können. Sie haben Fähigkeiten, die uns nützlich sein könnten. Wir können uns natürlich von der feinen Gesellschaft fernhalten und sie als unwichtig abtun. Doch du kannst das Geburtsrecht nicht missachten. Und wer weiß, was die Zukunft bringen wird …«
Diese Unterhaltung schwirrte Declan im Kopf herum, als er nun lächelte und einer jungen Lady ein Kompliment für ihren wunderschön gearbeiteten orientalischen Fächer machte. Er hatte schon vor langer Zeit gelernt, dem Wissen und der Erfahrung seines Vaters zu vertrauen. Fergus Frobisher war als umsichtiger und kluger alter Schotte weithin bekannt und respektiert. Wie sie es also geplant hatten, waren er und Edwina nach London gekommen. Sie hatten in der Stanhope Street in der Nähe des Regent’s Park ein Haus gemietet. Lucasta war ebenfalls in die Stadt gekommen, wohnte jedoch bei ihrer ältesten Tochter Lady Millicent Catervale in der Mount Street, nicht weit vom Hyde Park. Declan wusste zu schätzen, dass seine Schwiegermutter genügend Einfühlungsvermögen besaß, um ihm und Edwina die Möglichkeit zu geben, ungestört zu sein.
Edwina und Lucasta hatten sich also mit Millie und Cassie zusammengesetzt und eine Liste der Veranstaltungen erstellt, an denen Edwina teilnehmen sollte. Edwina hatte Declan von den Terminen, die tagsüber stattfanden, freigestellt. Doch was die Abendveranstaltungen betraf, hatte sie ihn gebeten, sie zu begleiten – eine Bitte, der er nur zu gern zugestimmt hatte.
Im Laufe der vergangenen Woche hatten sie schon an einigen Bällen, Abendessen und Soireen teilgenommen. Auch an diesem Abend war er also da, um zu beobachten und zu lernen, wie seine Ehefrau und die Frauen ihrer Familie die feine Gesellschaft nach ihren Wünschen »dirigierten«.
Anfänglich hatte er in erster Linie Lucasta beobachtet. Immerhin war sie diejenige gewesen, die die nicht allzu schockierenden und für die feine Gesellschaft akzeptablen Versionen des Ablebens ihres ältesten Sohnes und des Verschwindens ihres jüngeren Sohnes öffentlich gemacht hatte. Nur weil er sie so genau betrachtet und studiert hatte, war ihm der Unterschied zwischen der privaten Lucasta und der Lucasta in der Öffentlichkeit überhaupt aufgefallen. Sie trug in der Gesellschaft anderer eine Maske, eine Art Schleier, den niemand durchdringen konnte. Durch diesen Schleier wirkte Lucasta strenger, kühler, überheblicher und distanzierter, als sie eigentlich war. Es war ein emotionaler Schutzschild, der andere auf Abstand hielt und nur die Reaktionen durchließ, die sie zeigen wollte.
Edwinas Schleier war noch schwieriger zu erkennen. Weil er ihre wahre Natur kannte, sah er jedoch, dass sie nur zeigte, was andere zu sehen erwarteten, und nicht das, was sich tatsächlich hinter ihrem Ich verbarg.
Er hatte auch Millie und Cassie beobachtet. Ihre Schleier waren wirkungsvoll, allerdings weniger klar. Während Lucasta zweifelsohne einen eisernen Willen und ein Rückgrat aus Stahl besaß – wie sonst hätte sie in all den Jahren mit der Unbeständigkeit des Schicksals fertig werden sollen –, war ihr von ihren drei Töchtern Edwina am ähnlichsten. Edwina war ähnlich anpassungsfähig und besaß dieselbe unbesiegbare weibliche Stärke.
Diese Erkenntnis war ihm zwei Tage zuvor gekommen – und hatte eine weitere Welle mit sich gebracht. Als er ein Auge auf Edwina geworfen hatte, war er davon ausgegangen, dass die Delbraiths wie alle anderen Mitglieder einer Herzogsdynastie sehr konventionell und konservativ waren. Stattdessen hatte er herausgefunden, dass sie ein Geheimnis hüteten, das überaus empörend war und eine potenzielle Gefahr für ihren gesellschaftlichen Stand darstellte – wenn es also darum ging, unkonventionell zu sein, stellten die Delbraiths selbst die Frobishers in den Schatten.
Lucasta war alles andere als die traditionsbewusste Duchess, für die er sie gehalten hatte. Und was Edwina betraf …
Declans Aussicht auf eine vorhersehbare, gewöhnliche und ruhige, tugendhafte Ehe hatte sich in Luft aufgelöst. Denn die Frau, die er geheiratet hatte, war ganz anders, als er gedacht hatte.
Ihre zarte Hand lag auf seinem Ärmel. Er konnte sie ganz leicht spüren, als würde ein Vögelchen auf seinem Arm sitzen. Dennoch hielt ihre Gegenwart ihn gefangen, fesselte ihn so ganz und gar, dass er die Worte der anderen Menschen kaum wahrnahm und Schwierigkeiten hatte, angemessen auf ihre Fragen zu antworten. Die Leute, die um sie herumstanden, interessierten ihn nicht. Ihn interessierte nur Edwina.
Als sie ihm erklärt hatte, dass es notwendig sei, sich gemeinsam in der Öffentlichkeit zu zeigen, um sich »als Paar zu etablieren«, war er sich nicht sicher gewesen, was genau sie damit gemeint hatte, doch sie verfolgte offenbar ein bestimmtes Ziel damit. Da er auf diesem Gebiet so unerfahren war wie sie erfahren, hatte er noch nicht verstanden, was es mit diesem Ziel auf sich hatte, dennoch akzeptierte er, dass sie dieses Ziel verfolgen wollte …
Und das allein bedeutete schon etwas.
Es war ein Spiegelbild der kleinen Welle, die er erst kürzlich erkannt hatte: Seine zierliche, feenartige Frau hatte eine dezidierte und entschiedene Meinung. Sie formulierte Vorhaben und plante ihr Vorgehen strategisch und taktisch wie einen Feldzug – den sie dann auch durchführte.
Er war sich inzwischen ziemlich sicher, dass sie auch eine genaue Vorstellung davon hatte, wie ihre Ehe aussehen sollte, doch er musste noch herausfinden, wie ihre Ansicht zu diesem kritischen Punkt aussah. Waren ihre vermeintlichen Verhaltensregeln welche, über die er lächeln, die er akzeptieren und denen er zustimmen könnte? Oder …
Er hatte keine Ahnung, wie ihre Zukunft aussehen würde. Trotz allem hatte er sie geheiratet, und er würde daran um nichts auf der Welt etwas ändern wollen. Sie zur Frau zu nehmen war sein oberstes Ziel gewesen, und jetzt gehörte sie zu ihm.
Declan sah Edwina an und bemerkte, wie ihre Augen funkelten, wie sie strahlte, als sie von einem Paar charmant die Glückwünsche zu ihrer Hochzeit entgegennahm. Er war mehr als glücklich, dass sie seine Frau war. Worüber er noch nachdenken musste, war, was es bedeutete, ihr Gatte zu sein.
Edwinas Blick war auf ihren Ehemann gerichtet. Sie, ihre Mutter und ihre Schwestern waren sich einig gewesen, wie wichtig es war, dass sie und Declan sich der feinen Gesellschaft im richtigen Licht präsentierten. Wie die Gesellschaft sie jetzt und in Zukunft sehen würde, hing ganz von dem Bild ab, das sie in den ersten kritischen Wochen von sich zeigten. Dass sie sich an diesem Abend noch kaum aus der Mitte des Raumes hatten bewegen können, weil ständig neugierige Gäste in den Kreis von Leuten kamen, die um sie herumstanden, bewies, dass sie in den Augen der Gesellschaft anerkannt waren.
Edwina verspürte ein Triumphgefühl. Ihr erstes Ziel als verheiratete Frau hatte sie erreicht.
Als Lady Holland zu ihnen trat, um sich mit ihnen zu unterhalten, und huldvoll lächelte, als Edwina ihr Declan vorstellte, musste Edwina sich zusammenreißen, um ihre Freude nicht zu offensichtlich und um ihre Erleichterung gar nicht zu zeigen. Die feine Gesellschaft konnte sehr kritisch sein, doch der Segen eines solch erlauchten Mitglieds besiegelte praktisch ihre Zustimmung. Sie waren »angekommen«, wie man in diesen Kreisen sagte. Selbstverständlich hatte Lady Holland schon immer eine Schwäche für charmante und gut aussehende Herren gehabt.
Edwina warf Declan einen Blick zu und erlaubte es sich, ihn ein wenig länger zu betrachten – den aristokratischen Schwung seiner Augenbrauen, die hohen Wangenknochen, die festen Lippen und das maskuline Kinn. Die feinen Fältchen um seine himmelblauen Augen unter den braunen Brauen und die sonnengebräunte Haut zeigten, dass er viele Monate auf See verbracht hatte. Sein hellbraunes Haar vervollständigte das Bild – es wirkte vom Wind zerzaust, und die von der Sonne ausgebleichten Strähnen unterstrichen diesen Eindruck noch.
Seine Körpergröße und seine Haltung unterschieden ihn von nahezu jedem anderen Gentleman im Salon. Mit seinen breiten Schultern stand er aufrecht und doch entspannt neben ihr und verströmte Selbstsicherheit.
Als Lady Holland schließlich weiterging, berührte Lucasta Edwinas Arm. »Meine Liebe, ich sehe gerade, dass Lady Marchmain dort hinten Hof hält. Ich glaube, es wäre gut, wenn ich zu ihr gehen und sicherstellen würde, dass sie die wichtigen Fakten auch richtig versteht.«
Edwina folgte dem Blick ihrer Mutter zu einem Zirkel älterer Ladys, die sich um eine Chaiselongue versammelt hatten. Sie nickte. »Danke, Mama. Wir kommen dann zu dir, wenn wir bereit sind zu gehen.«
Lady Marchmain war eine der Vertrauten ihrer Mutter und zudem eine der aktivsten Damen in der feinen Gesellschaft. Wenn jemand eine Nachricht in die höchsten Kreise zu übermitteln hatte, war Lady Marchmain ein exzellenter Kurier.
Edwina richtete ihre Aufmerksamkeit wieder auf die erfreuliche Schar von Ladys und Gentlemen, die gern Declans Bekanntschaft machen wollten, und fragte sich insgeheim, wie lange sie noch bleiben müssten. Weder sie noch ihre Mutter hatten eine Prognose abgegeben, wie viele Abende es dauern würde, um ihre neue Position als verheiratete Frau und – was noch entscheidender war – Declan als Mitglied der Gesellschaft zu etablieren. Ihre Vermutung war, dass sie noch sehr viele Tage und Abende sehr viele Empfänge auf Anwesen, Morgen- und Nachmittagstees, Mittagessen, Bälle und Abendveranstaltungen würden besuchen müssen, um dieses Ziel zu erreichen. Sie waren erst eine Woche zuvor in die Stadt gekommen, ihr »Feldzug« lief somit erst seit sechs Tagen. Sie hatten nicht damit gerechnet, so früh schon so erfolgreich zu sein.
Dennoch war sie außerordentlich froh, dass bisher alles so gut gelaufen war. Ihre Abende damit zu verbringen, neben Declan zu stehen – der gut aussehend, aufmerksam und so unglaublich gewinnend war –, war nicht so schwer gewesen, wie sie angenommen hatte. Sie hatte damit gerechnet, ihn aus gesellschaftlichen Fallen retten zu müssen, doch das war nicht der Fall. Er erkannte die Fallstricke und war geschickt darin, sie ganz allein zu umgehen. Für jemanden, der sich bisher kaum in diesen Kreisen bewegt hatte, hatte er sich sehr gut geschlagen.
Während sie sich weiterhin mit den Leuten unterhielt, wurde ihr bewusst, wie viel sie erreicht hatten. Aber sie spürte auch eine wachsende Ungeduld in ihrem Innersten. Es war an der Zeit, die nächste Stufe zu erklimmen, um ihre Ehe zu der Verbindung zu machen, die ihr vorschwebte. Doch dazu mussten sie und Declan woanders sein – jedenfalls nicht inmitten der feinen Gesellschaft.
Declan war froh, das Haus der Montgomerys bald verlassen zu können. Auf Edwinas Ratschlag hin gingen sie zusammen mit Cassie zu Lucasta, die sich mit einigen älteren Ladys unterhielt. Die Witwe des Duke erhob sich und stellte ihren Freundinnen Declan vor. Nachdem die unvermeidlichen Höflichkeitsfloskeln getauscht worden waren, legte Lucasta sich ihr Schultertuch um. Gemeinsam verabschiedeten sie sich von ihrer Gastgeberin und gingen dann hinunter. Zu Declans Erleichterung bot Cassie an, Lucasta in ihrer Kutsche mitzunehmen, sodass er und Edwina den kurzen Weg zu ihrem Haus allein und ungestört zurücklegen konnten.
In dem Augenblick, als die Tür der Kutsche hinter ihnen geschlossen wurde, legte Edwina ihren gesellschaftlichen Schutzschild ab. Während der Fahrt erzählte sie ihm von den Leuten, die sie an diesem Abend kennengelernt hatten. Sie erklärte ihm die Bedeutung von deren Familien und dieser oder jenen Verbindung. Ihre Erkenntnisse erwiesen sich als sehr aufschlussreich. Er war überrascht, wie vertraut ihm diese Situation vorkam. Während sie über das Kopfsteinpflaster rumpelten, wurde ihm klar, dass es wie eine Nachbesprechung im Anschluss an eine seiner Geheimoperationen war. Je länger er darüber nachdachte, desto passender kam ihm dieser Vergleich vor.
Edwina krönte ihre Ausführungen mit der Bemerkung: »Es scheint, als hätte Mama recht gehabt.« In der Dunkelheit, die in der Kutsche herrschte, warf sie ihm einen Blick zu. »Sie war sich sicher, dass die feine Gesellschaft sich bezüglich unserer Ehe ein Beispiel an mir nehmen würde … vielmehr daran, wie Mama, Millie und Cassie und auch ihre Ehemänner reagieren, wie wir uns verhalten. Mama war davon überzeugt, dass ich dich nur an meiner Seite präsentieren müsste, dass ich nur zeigen müsste, wie froh ich bin, deine Frau zu sein, dann würde alles gut.« Sie seufzte glücklich, lehnte sich gegen die Rückenlehne der Sitzbank und blickte nach vorn. »Wie immer lag Mama richtig.«
Ihm schossen sofort einige Fragen durch den Kopf, und er stellte die, die ihm am wichtigsten vorkam. »Und freust du dich wirklich?«
Ihre weißen Zähne blitzten auf, als sie lächelte. Durch die Schatten hindurch sah sie ihn an. »Du weißt doch, dass ich mich freue.« Sie schob ihre kleine Hand in seine und drückte sie leicht. »Ich könnte nicht glücklicher sein.«
Ihre Worte klangen bestimmt und aufrichtig. Er nahm sie in sich auf und konnte sich ein zufriedenes Lächeln nicht verkneifen.
Die Kutsche bog um eine Ecke, und Edwina fiel gegen ihn. Sie blickte ihn an, als er den Kopf neigte. Ihre Blicke trafen sich und verschmolzen ineinander.
Er hob eine Fingerspitze und strich ganz sacht über ihre Unterlippe. Sie schloss die Augen.
Die Kutsche wurde langsamer und hielt schließlich an.
Edwina schlug die Augen auf, betrachtete ihn, und unter seiner Fingerspitze verzog sich ihr Mund zu einem Lächeln.
Er hörte, wie der Kutscher vom Kutschbock sprang, und mit einem Seufzen richtete er sich wieder auf.
»Ich glaube, meine Liebe, dass wir zu Hause angekommen sind.«
»In der Tat.« Trotz des schummrigen Lichts sah er das Verlangen, das in ihren Augen stand. Als der Kutscher die Tür der Kutsche öffnete, flüsterte sie: »Ich schlage vor, mein lieber Mann, dass wir hineingehen.«
Gespannte Vorfreude machte sich zwischen ihnen breit, beinahe mit Händen greifbar und heiß. Mit einem letzten sehnsuchtsvollen Blick wandte Edwina sich der Tür zu. Declan erhob sich, stieg aus der Kutsche, half seiner Frau hinaus und führte sie die Treppenstufen zu ihrem Stadthaus hinauf.
Die Tür ging auf, noch bevor sie sie erreicht hatten. Humphrey, der neue Butler, verbeugte sich und ließ sie eintreten.
»Willkommen zu Hause, Mylady. Sir.«
»Danke, Humphrey.« Edwina löste ihre Hand aus Declans Griff und ging zur Treppe.
Er folgte ihr.
Humphrey schloss die Tür. »Kann ich noch etwas für Sie tun, Sir? Ma’am?«
»Ich glaube nicht.« Declan ließ Edwinas wundervolle Hüften in dem blassblauen Satinkleid nicht aus den Augen. »Sie können dann absperren. Ihre Ladyschaft und ich ziehen uns zurück.«
Ohne einen Blick zurück sagte Edwina: »Ach, und sagen Sie Wilmot bitte, dass ich ihre Dienste heute Abend nicht mehr benötige.«
Wilmot war Edwinas Zofe. Declan lächelte.
Edwina erreichte die Tür zu dem Schlafzimmer, das sie sich teilten, öffnete sie und betrat es. Declan folgte ihr auf dem Fuße, blieb kurz stehen, um die Tür zu schließen, und ging dann, den Blick auf seine Frau gerichtet, weiter. Noch bevor sie das Fußende ihres großen Himmelbettes mit der blauen Seidenbettwäsche erreicht hatte, drehte sie sich unvermittelt um. Ein Schritt und sie fielen einander in die Arme.
Edwina stellte sich auf die Zehenspitzen und schlang die Arme um seinen Hals. Sie schmiegte sich an ihn, als er die Hände auf ihre Taille legte, und hob ihr Gesicht, als er den Kopf neigte. Ihre Lippen berührten sich, strichen zuerst zart übereinander, ehe sie sie aufeinanderpressten.
Declan und Edwina vertieften ihren Kuss, verschmolzen miteinander. Sie öffnete ganz leicht den Mund und lud ihn ein, und er erkundete sie mit seiner Zunge. In Kürze hatte er sie erobert, beherrschte er sie.
In ihrer Hochzeitsnacht war sie noch Jungfrau gewesen, dennoch alles andere als zurückhaltend. Sie hatte sich mit überraschender Begeisterung in den Strudel eines viel zu lange schon unterdrückten Verlangens gestürzt. Ihre feurige Begierde, alles über die Leidenschaft zu erlernen, hatte ihn überwältigt. Ihre furchtlose Abenteuerlust auf diesem Gebiet faszinierte ihn noch immer.
Übermannte ihn.
Während er sie zum Bett führte, war der einzige Gedanke, der ihm noch durch den Kopf ging, wie er die Früchte seiner Kapitulation wohl am besten genießen könnte.
Edwina fühlte sich von einer Welle des Triumphes überrollt. Sie wollte diesen kleinen Sieg – dass sie ihre Verbindung in der feinen Gesellschaft erfolgreich als absolut akzeptabel und ausdrücklich erwünscht hatten etablieren können – angemessen feiern.
Ein freudiges Hochgefühl machte sich in ihr breit. Überschäumende Aufregung ergriff sie, als sie bemerkte, wie Declans Finger an den Schnüren ihres Kleides hantierten. Sie machte sich gleich daran, die Knöpfe seiner Weste zu öffnen. Declan hielt kurz inne, um Mantel und Weste auszuziehen – er ließ beides einfach zu Boden fallen. Eifrig widmete Edwina sich den kleinen Knöpfen seines Hemdes.
Dies war ein Gebiet in ihrer Ehe, auf dem sie sich von Anfang an sicher gefühlt hatte, und sie wusste, dass sie es seiner Leidenschaft, seinem Verständnis, seiner Ehrlichkeit, seiner Erfahrung, seinem Können zu verdanken hatte. Und seinem eigenen inneren Vertrauen in seine männlichen Eigenschaften. Er hatte sich so auf sie konzentriert, war so begierig und so unerschütterlich entschlossen gewesen, sie in Besitz zu nehmen, dass er ihr alles gezeigt und nichts zurückgehalten hatte.
Alles, was er für sie empfand.
Alles, was sie ihm bedeutete.
Mit suchendem Herzen hatte sie sich der Leidenschaft hingegeben. Ihr Glaube daran, dass sie begehrenswert war, hatte ihr Auftrieb gegeben, Mut gemacht.
Keine Frau hätte in ihrer Hochzeitsnacht mehr verlangen können.
Von jener Nacht an hatten sie sich immer wieder auf gemeinsame Entdeckungsreisen begeben.
Edwina hatte sich darauf konzentriert, alles zu lernen, was er ihr beibrachte, und jede Nacht war die Reise eine andere, auch wenn das Ziel immer das gleiche blieb. Der Weg änderte sich, und die Offenbarungen auf diesem Weg waren neu und fesselnd.
Mit den Lippen nippte er an ihr, mit der Zunge reizte er sie. Sie reagierte und nutzte ihr neu erworbenes Wissen, um ihn zu verführen und zu verlocken. Sie zog das Hemd aus seiner Hose und öffnete den letzten Knopf, der noch geschlossen war. Gefangen in dem Kuss, in der Hitze und der Leidenschaft, die immer stärker wurden, war sie ihm dankbar dafür, dass er nur einen einfachen eleganten Knoten in seiner Krawatte hatte. In dem Moment, als sie diesen gelöst hatte, warf sie die Krawatte unbekümmert von sich.
Edwina legte voller Freude und voller Verlangen ihre Hände auf Declans muskulösen Oberkörper. Dann schob sie das Hemd über seine Schultern. Er unterbrach den Kuss nicht, löste sich nur kurz aus der Umarmung, um die Manschetten seines Hemdes zu öffnen und es schließlich abzustreifen. Der Stoff glitt zu Boden, und sie fiel ihm in die Arme. Sie gab sich ihm vollkommen hin, mit Herz und Seele, um zu erfahren, was diese Nacht bringen würde.
Ein fiebriges Gefühl. Hitze.
Erfahrene Berührungen, die nahmen und reizten, die erregten und verlockten und die sie beide erneut auf die Reise mitnahmen.
Seide flüsterte. Laken raschelten. Fingerspitzen strichen über beinahe unerträglich sensible Haut. Muskeln spannten sich an, wurden so hart wie Stahl. Zusammenhangsloses Murmeln.
Nackte Haut auf nackter Haut, Körper an Körper verschmolzen sie miteinander und folgten – die Finger verschlungen, die Lippen aufeinandergepresst – erhitzt dem heutigen Weg.
Sie reisten durch die Faszination der Begierde, durch die leckenden Flammen der Leidenschaft. Schneller und schneller jagten sie, tauchten ein und bewegten sich unaufhaltsam auf das herrliche Ende zu.
Dorthin, wo eine Flut der Gefühle die Realität überschwemmte und die Empfindungen sie verzehrten.
Dann brach die Ekstase hervor, riss sie entzwei, schleuderte sie in die Leere der Vergessenheit …
Irgendwann kamen sie, völlig verausgabt, mit pochenden Herzen und von ihren wundervollen Gefühlen geblendet, zurück auf die Erde, zurück in die Arme des anderen, zurück zu den Wundern ihrer gemeinsamen Entdeckungen.
Als Edwina sich gesammelt hatte und endlich wieder klar denken konnte, spürte sie, dass sie zu aufgewühlt war, um, wie sie es sonst immer tat, gleich zufrieden einzuschlafen. Sie war sich nicht sicher, ob Declan schlief. Sie lag in seinen Armen, hatte den Kopf auf seine Schulter gelegt und konnte sein Gesicht nicht erkennen. Um sicherzugehen, hätte sie den Kopf anheben müssen. Aber sie wollte ihn nicht stören, und sie hatte auch gar keine Lust, sich zu bewegen.
In diesem Moment war sie ganz im Frieden mit sich selbst und der Welt, sie verspürte nicht das Bedürfnis, sich zu unterhalten. Und anscheinend hatte Declan auch keine Lust dazu. Das langsame Heben und Senken seiner Brust unter ihrer Wange war ganz ruhig und gleichmäßig.
Ihre Gedanken schweiften ab. Instinktiv listete sie auf, wo sie nun standen und wohin sie, wenn es nach ihr ginge, gemeinsam kommen würden. Dachte an den Weg, dem sie, wenn sie es sich wünschen könnte, gemeinsam folgen sollten, an die Ehe, die sie führen würden.
Ihre Annahme, dass es in ihrer Verantwortung lag, sie beide in die richtige Richtung zu lenken, stellte sie nicht infrage. Die Ehe ihrer Eltern und die ihres verstorbenen Bruders waren lebendige Beispiele dafür, wie schrecklich falsch die Dinge laufen konnten, wenn eine Frau nicht tätig wurde. Die richtigen Bedingungen zu schaffen war viel leichter, wenn man von Anfang an eingriff – bevor sich wenig hilfreiche Gewohnheiten einschleichen konnten.
Sie wusste, was sie wollte. Sie hatte einige Vorbilder, an denen sie sich orientieren konnte – die Ehen ihrer Schwestern, die Ehe ihres Bruders und das, was sie kürzlich über die Beziehung zwischen Declans Eltern Fergus und Elaine mitbekommen hatte.
Dass Declan von Kindesbeinen an eine Ehe, die auf einer funktionierenden, einvernehmlichen Partnerschaft beruhte, vorgelebt worden war, war äußerst ermutigend. Wahrscheinlich hatte er die Stärke dieser Beziehung erlebt und verdiente, in seiner eigenen Ehe eine ebensolche Unterstützung zu finden.
Während ihrer Jugend hatten sie und ihre Schwestern Stunden auf dem Anwesen in Ridgware verbracht und über die Grundlagen einer annehmbaren Ehe diskutiert. Millie und Cassie hatten beide auf ihre Weise versucht, ein Ideal in ihren Ehen anzustreben, und sie hatten es geschafft. Sowohl Catervale als auch Elsbury vergötterten ihre Frauen, waren ihren Kindern starke und hingebungsvolle Väter und bezogen ihre Ehefrauen in alle Bereiche ihres Lebens mit ein.
Edwina war entschlossen, sich nicht mit weniger zufriedenzugeben. Mit Declan wollte sie sogar noch mehr erreichen. Sie war noch viel offener als Millie und Cassie, viel neugieriger, wollte alle Möglichkeiten erkunden, die ihr geboten wurden, und daraus schöpfen. Sie wollte, dass sich ihre Beziehung durch Gleichberechtigung auszeichnete, wollte sich mit all ihrer Energie den Aspekten widmen, die zu einer modernen Ehegemeinschaft beitrugen.
Was ihr Heim betraf, so war ihr das schon gelungen. Zusammen hatten sie und Declan das Haus ausgesucht, das sie für die Saison in London und vielleicht noch länger mieten wollten. Er hatte es sogar ganz allein ihr überlassen, die Angestellten auszuwählen und einzustellen. Es war ein Glück gewesen, Humphrey und Mrs. King, die Hausdame, gefunden zu haben. Auch mit dem neuen Koch war sie zufrieden. Es war zwar nicht viel Personal, aber die Angestellten erfüllten sämtliche Anforderungen zu ihrer vollsten Zufriedenheit. Außer über den Speiseplan zu entscheiden, hatte sie wenig zu tun. Deshalb konnte sie sich ganz der Frage widmen, wie sie und Declan den Rest ihres Lebens gemeinsam verbringen wollten. Wie sie ihre Interessen aufeinander abstimmen konnten, wie ihre Aktivitäten und ihre Energien – wenn sie nicht gerade zu Hause waren oder auf einer Abendgesellschaft.
Wenn sie darüber nachdachte, wurde ihr bewusst, wie wenig sie zum Beispiel bisher über Declans Geschäfte erfahren hatte. Womit beschäftigte er sich, welche Rolle spielte er im Schifffahrtsunternehmen der Familie? Wofür setzte er sich ein? Er hatte ihr gesagt, dass er nicht damit rechnete, so bald wieder an Bord gehen zu müssen. Das bedeutete, dass ihr viel Zeit blieb, um Fragen zu stellen und Informationen zu sammeln, Zeit, sich darüber Gedanken zu machen, welchen Beitrag sie zu seiner Karriere beisteuern könnte.
Eine funktionierende Partnerschaft war das, was sie sich wünschte. Sie wollte eine Partnerschaft, die es ihr erlaubte, die Anforderungen, die an Declan gestellt wurden, zu teilen, wollte ein wenig von dem Druck, den diese Anforderungen mit sich brachten, von ihm nehmen. Sich dahingehend zu engagieren bedeutete ja nicht, sich in alles einzumischen. Vielmehr ging es darum zu begreifen, was vor sich ging. Sie war felsenfest davon überzeugt, dass dies von entscheidender Bedeutung dafür war, die Ehe führen zu können, die ihr vorschwebte.
Langsam überfiel Edwina die Müdigkeit. Sie spürte, wie ihre Muskeln sich entspannten. Als sie sich dem Schlaf schließlich geschlagen gab, empfand sie noch einmal das Gefühl des Feuereifers, der Zuversicht und der Entschlossenheit. Gleich am kommenden Morgen wollte sie damit beginnen, ihren Plan in die Tat umzusetzen.
Declan gelang es nicht, sich zu sammeln und auch nur einen einzigen Gedanken zu fassen, solange Edwina wach war. Er war zwischen den Welten gefangen und nahm nur das stürmische Gefühl wahr, das in ihm tobte. In ihrer Hochzeitsnacht war es zum Leben erwacht. Eigentlich hatte er angenommen, es würde mit der Zeit nachlassen, sich beruhigen. Er hatte geglaubt, dass es, da er es jede Nacht wahrnahm, irgendwann seine Kraft verlieren würde. Doch stattdessen hatte es sich nur weiter entfaltet und war gewachsen.
Schließlich kuschelte Edwina sich an ihn, und ihr Atmen wurde tiefer und gleichmäßiger. Seine Sinne waren endlich nicht mehr gefesselt, er konnte aufhören, sich ganz und gar auf sie zu konzentrieren. Es gelang ihm, wieder klar zu denken.
Die überwältigenden Gefühle ließen nach, doch die Auswirkungen blieben. Er war sich bewusst, wie viel seine Frau ihm inzwischen bedeutete. Er hing diesem Gedanken eine Weile nach und vergrub die Erkenntnis dann tief in seinem Innersten. Die einzige Konsequenz, die er sich nun bewusst machen musste, war, dass er dafür sorgen musste, sie nicht in Gefahr zu bringen, und dafür, dass sie sich nicht selbst in Gefahr begab.
Eine Weile gingen ihm der Konflikt zwischen diesem Gedanken und ihrem unkonventionellen Verhalten durch den Kopf. Was mochte das für seine Ehe bedeuten? Allem Anschein nach würde das Zusammenleben mit Edwina komplizierter, als gedacht. Er würde Grenzen schaffen müssen, um sie von der gefahrvollen Seite seines Lebens fernzuhalten, um sie davor zu schützen.
Declan versuchte, sich auszumalen, wie er das erreichen sollte – vor allem, weil er sie verstehen konnte, weil er sich von ihrer Abenteuerlust schon in dem Moment, in dem er sie zum ersten Mal gesehen hatte, angezogen gefühlt hatte. Abenteuer bargen bedauerlicherweise unweigerlich Gefahr. Wie sollte er sie davon abhalten, sich in Gefahr zu begeben, während er gleichzeitig ihren Wagemut liebte und sie nicht unterdrücken wollte?
Er schlief ein, bevor ihm auch nur der Ansatz einer Idee dazu kam.
Kapitel 2
Als Edwina am nächsten Morgen aufwachte, fand sie sich allein in ihrem Schlafgemach. Gleich kamen ihr wieder die Herausforderungen, denen sie sich ab nun stellen wollte, in den Sinn, und sie sprang aus dem Bett, zog ihren Morgenmantel an und stürmte in das Frühstückszimmer. Ihr Gatte saß stirnrunzelnd am Tisch und las einen Brief. Wie angewurzelt blieb sie stehen.
»Guten Morgen, Declan. Was ist das?«
Declan sah auf. Sein Blick blieb eine Sekunde auf ihr haften, ehe er den Kopf schüttelte. Er faltete den Brief zusammen und steckte ihn in die Tasche seines Jacketts.
»Guten Morgen, meine Liebe. Das hier ist nur die Mitteilung bezüglich eines Termins. Geschäftliches.«
Edwina konnte es kaum ertragen, sich zurückzuhalten, nicht weiter in ihn zu dringen und nachzufragen. Einen Moment lang spielte sie mit dem Gedanken, ihrem Mann anzubieten, ihn zu diesem Termin zu begleiten – sie wollte einfach nur sehen, wie er darauf reagieren würde. Doch … Es war noch zu früh. Männer wie Declan widerstanden instinktiv jedem Druck. Wenn sie ihn zu sehr bedrängte, würde es später noch schwieriger sein, ihn davon zu überzeugen, seine Haltung zu ändern. Sie musste sich ihren Weg langsam und Stück für Stück ebnen.
Humphrey stand am Serviertisch und nickte ihr lächelnd zu. Sie nahm den Teller entgegen, den er ihr reichte. Während sie sich von den verschiedensten Köstlichkeiten aus den Rechauds bediente und dann zum Tisch ging, wo sie sich auf den Stuhl setzte, den Humphrey für sie hervorgezogen hatte, dachte sie über ihr offenkundiges Unwissen über die Geschäfte ihres Mannes nach. Zwar beschloss sie, sich noch nicht nach den Details des bevorstehenden Treffens zu erkundigen, aber es gab andere Fragen, die sie stellen konnte.
Sie hielt Humphrey ihre Tasse entgegen, und er schenkte ihr Tee ein. Nachdenklich nippte sie daran. Über den Rand der Tasse hinweg musterte sie Declan. Er wirkte in Gedanken versunken und stocherte in seinem Rührei.
»Ich weiß …«, begann sie vorsichtig, »dass du Kapitän auf einem der Schiffe deiner Familie bist, aber ich weiß gar nicht, was du eigentlich genau machst.« Als er aufblickte, sah sie ihn an und zog die Augenbrauen hoch. »Aus welchem Grund fährst du zur See? Welche Aufträge erfüllst du für Frobisher und Söhne?«
Declan betrachtete seine junge Ehefrau amüsiert. Er beantwortete diese Frage nur allzu gern – wenn auch lediglich, um sie von den Tatsachen abzulenken, die er nicht mit ihr teilen wollte. Schnell dachte er über seine Optionen nach, um sie möglichst zufriedenzustellen.
»Um das zu tun, muss ich etwas über die Strukturen unserer Flotte erklären.« Als sie ihn mit großen Augen ansah, damit ihr Interesse bekundete und ihm ein Zeichen gab fortzufahren, lächelte er und kam dieser unausgesprochenen Bitte nach. »Die Flotte besteht im Wesentlichen aus zwei Bereichen. Der erste umfasst die traditionelle Frachtschifffahrt. Frachtschiffe sind größer, breiter, tiefer und schwerer und aus diesen Gründen auch langsamer. Die Ladungen werden in alle Teile der Welt befördert, auch wenn wir uns inzwischen vorwiegend auf die Atlantikrouten konzentrieren. Derzeit ist unser östlichstes Ziel Kapstadt.«
»Kapstadt?«
Er nickte und aß den Rest seines Rühreis. Dabei dachte er darüber nach, wie er fortfahren sollte. Edwina gab ein wenig Marmelade auf eine Toastscheibe, dann biss sie ab. Das Geräusch ließ Declan aufhorchen, und sein Blick wanderte zu Edwinas Mund. Er beobachtete, wie sie mit der Zungenspitze über ihre volle Unterlippe fuhr, die feucht glänzte … Leise räusperte er sich und zwang seinen Verstand, der sich auf Abwegen befand, in die richtigen Bahnen und zum eigentlichen Punkt zurück.
Nachdem er sich gesammelt hatte, sagte er: »In dem anderen Bereich des Familienunternehmens sind meine Brüder und ich aktiv tätig. Wir sind alle Kapitäne eines eigenen Schiffes. Man kann sagen, dass auch wir Fracht befördern. Aber unsere Schiffe sind durch ihren besonderen Bau schneller, moderner und besser geeignet, um ungünstigen Bedingungen standzuhalten.« Mit einem leisen Schnauben legte er Messer und Gabel zur Seite und nahm seine Kaffeetasse. »Dir ist vielleicht aufgefallen, dass Royd von den Eigenschaften und der Leistung unserer Schiffe besessen ist.« Royd hieß eigentlich Murgatroyd, doch niemand außer ihren Eltern wagte es, ihn so zu nennen. Er war Declans ältester Bruder und hatte inzwischen mehr oder weniger die Leitung über das Familienunternehmen übernommen. »Er baut die Schiffe ständig nach neuesten Erkenntnissen um. Deshalb war The Cormorant