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Rex hangelt sich von einer schnellen Nummer zur nächsten, um seine Bedürfnisse als Dom einigermaßen zu befriedigen, ist allerdings davon überzeugt, dass er nie wieder jemandem sein Herz schenken kann. Aber als Slate in sein Leben stolpert, der nicht nur 20 Jahre älter ist als Rex, sondern auch vollkommen unerfahren als Sub, wird dieser Entschluss auf eine harte Probe gestellt. Slate ist beim ersten Versuch, seinen Kink auszuleben, an den falschen Dom geraten, und Rex ist nur zu gern bereit, ihm zu zeigen, was eine Daddy/Boy-Beziehung wirklich ausmacht. Doch je weiter sich die beiden Männer aufeinander einlassen und ein geheimes Verlangen nach dem anderen entblößen, desto deutlicher wird, dass sie einander genau das geben können, was sie am meisten brauchen. Werden sie den Sprung wagen und das Risiko eingehen, sich vor dem jeweils anderen so verletzlich zu machen?
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Seitenzahl: 515
Deutsche Erstausgabe (ePub) August 2022
Für die Originalausgabe:
Copyright © 2020 by E. Davies
Titel der Originalausgabe:
»Exposed«
Published by Arrangement with E. Davies
Für die deutschsprachige Ausgabe:
© 2022 by Cursed Verlag
Inh. Julia Schwenk
Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das der Übersetzung,
des öffentlichen Vortrags, sowie der Übertragung
durch Rundfunk und Fernsehen, auch einzelner Teile,
Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit
Genehmigung des Verlages.
Bildrechte Umschlagillustration
vermittelt durch Shutterstock LLC; iStock; AdobeStock
Satz & Layout: Cursed Verlag
Covergestaltung: Hannelore Nistor
Druckerei: Print Group Sp.z.o.o. Szczecin (Stettin)
Lektorat: Anne Sommerfeld
ISBN-13: 978-3-95823-958-6
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www.cursed-verlag.de
Aus dem Englischen von Charlotte Roiß
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Klappentext:
Rex hangelt sich von einer schnellen Nummer zur nächsten, um seine Bedürfnisse als Dom einigermaßen zu befriedigen, ist allerdings davon überzeugt, dass er nie wieder jemandem sein Herz schenken kann. Aber als Slate in sein Leben stolpert, der nicht nur 20 Jahre älter ist als Rex, sondern auch vollkommen unerfahren als Sub, wird dieser Entschluss auf eine harte Probe gestellt. Slate ist beim ersten Versuch, seinen Kink auszuleben, an den falschen Dom geraten, und Rex ist nur zu gern bereit, ihm zu zeigen, was eine Daddy/Boy-Beziehung wirklich ausmacht. Doch je weiter sich die beiden Männer aufeinander einlassen und ein geheimes Verlangen nach dem anderen entblößen, desto deutlicher wird, dass sie einander genau das geben können, was sie am meisten brauchen. Werden sie den Sprung wagen und das Risiko eingehen, sich vor dem jeweils anderen so verletzlich zu machen?
Slate
»Ich muss mir dein Outfit ansehen, bevor ich dich reinlassen kann.«
Mein Mund war zu trocken, und meine Handflächen waren zu feucht. Was zum Teufel machte ich hier, vor dem Eingang des Dom Nation? Über der Tür hing nur ein stilisiertes DN – für die Eingeweihten.
Dank meines Arschlochs von einem Ex und den Informationsfetzen, die er mir wie verbotene Früchte vor die Nase gehalten hatte, war ich einer von ihnen.
Mist. Habe ich wirklich den Mumm dafür? Vielleicht hatte Isaac recht gehabt. Vielleicht war ich im Privaten besser aufgehoben, wo jeder, der an meine Tür klopfte, garantiert auf mich stand.
Oder einen Ständer für mich hatte. Ich wollte glauben, dass das gut genug war.
»Oh, ja. Natürlich«, murmelte ich. Ich versuchte, so zu tun, als würde ich das ständig tun, lachte nervös und schob mein Shirt hoch. Hinter dem Wächter der Kleiderordnung drang dröhnende Musik durch die offene Tür. Ich wünschte, ich könnte mich einfach ungesehen an ihm vorbeischleichen.
»Gut. Und Untergeschoss?«
»U-Untergeschoss?«
Verflucht. Gab es einen extra supergeheimen Bereich? Ein Passwort? Ich begann zu hyperventilieren. Ich hatte mich per E-Mail beworben und sie hatten mich angenommen, und niemand hatte etwas von einem Untergeschoss erwähnt.
»Keine Jeans – das ist der Dresscode«, erklärte der junge Mann mit scharfer Stimme, auch wenn sein Lächeln freundlich war. »Hast du etwas anderes?«
Oh, Untergeschoss. Ich kam mir vor wie ein Idiot. Ja, ich hatte tatsächlich etwas unten, und es war heiß, verschwitzt und unangenehm zusammengequetscht wie ein Hot Dog in einem winzigen Plastikbeutel.
Meine Leder-Hotpants fühlten sich noch lächerlicher an, als sie aussahen, und klebten an meiner Haut. Leder unter Jeans war in einer warmen Frühlingsnacht kein Rezept für Komfort.
Scheiße. Jetzt muss ich vor aller Augen die Hose runterlassen. Ich hätte mir selbst dafür in den Hintern treten können, dass ich online nicht einfach einen Kilt bestellt habe.
Hinter mir erstreckten sich schlichte schwarze Absperrungen auf dem Bürgersteig, weit genug, um mich nervös zu machen, wenn ich mir vorstellte, wie viele Leute in diesem Laden sein würden. Aber ich war früh gekommen – hoffentlich zum einzigen Mal heute Abend.
Eine Gruppe von sechs Männern, alle in den Zwanzigern, näherte sich. Sie reihten sich am Ende der nicht vorhandenen Schlange ein, warfen einen Blick auf mich und verlangsamten dann ihr Tempo. Sie lachten und reichten eine Zigarette herum. Alle trugen Leder, Gummi und glänzende Sportklamotten und verrieten damit unmissverständlich, wohin sie unterwegs waren.
Sind sie in diesem Aufzug Bus gefahren? Ich konnte es mir kaum vorstellen. Hatten sie eine Mitfahrgelegenheit? Oder sind sie mit dem Fahrrad da?
Der Gedanke, dass Fremde an mir vorbeilaufen und einen Blick auf den Mann mittleren Alters werfen könnten, der sich in sexy Kleidung zwängte, weckte in mir den Wunsch, in einen Gully zu kriechen und nie wieder aufzutauchen. Genau aus diesem Grund hatte ich auf dem Weg hierher mein Outfit unter Jeans und T-Shirt verborgen. Die Schnallen zeichneten sich durch mein Oberteil ab wie seltsame Bodymodifications.
Ich tröstete mich damit, dass der forsche junge Mann in einem mühelos coolen silbernen Kettengeschirr und einer langen Lederhose mit Schnallen jedes Recht hatte, mich anzusehen, als gehöre ich nicht hierher. Bei seinem schlanken Körper und seinen hübschen Augen fragte ich mich, wie frustrierend es für ihn war, die Kontrolle der Partygäste an der Tür am Hals zu haben.
Aber seine Geduld und sein Lächeln schwanden, als sich die Jungs hinter mir näherten.
Es war so weit. Jetzt oder nie. Mit zitternden Händen begann ich, meine Hose aufzuknöpfen.
»Oh, nein!« Er grinste mich an und hob eine Hand. »Öffentliche Nacktheit ist nicht erlaubt. Aber wenn das dein Outfit für heute Abend ist, geht das in Ordnung.« Dann zwinkerte der Typ, wahrscheinlich aus Mitleid. Hinter mir hörte ich ein Lachen.
Großartig. Ich hatte Publikum. Genau das, was ich brauchte.
Scham erhitzte meine Wangen. Denken die, ich gehe da nackt rein? Auf keinen Fall hatte ich die Eier – oder den Körper – dafür.
Ich hielt meine Hose zusammen, ohne den Reißverschluss zuzuziehen, und war vor Unentschlossenheit wie erstarrt. Sollte ich meine Hose herunterreißen und ihm zeigen, dass ich angezogen gekommen war? Oder würde er mich nur auslachen, weil ich mich schüchtern unter einer weiten Jeans versteckt hatte?
»Nein, ich…« Ich räusperte mich und zog meine Hände gerade so weit auseinander, dass ein Hauch von Leder zu sehen war. »Shorts. Leder. Kurze Ledershorts. Das ist meine Lösung fürs Untergeschoss.«
Meine Lösung fürs Untergeschoss? Herrgott noch mal. Geh einfach nach Hause, Slate, dachte ich, und meine Kehle wurde eng, als ich den Kopf einzog, damit ich seine Reaktion nicht sehen musste. Game over.
Ein kleiner, selbstmitleidiger Teil von mir hoffte, er würde mir genau das sagen. Ich könnte mich aufregen, ein Taxi rufen, mich meiner Empörung hingeben, und wäre in einer halben Stunde mit einem Glas Wein und einer Folge Miss Marple zu Hause.
Und ich würde nicht versuchen, den Sehnsüchten nachzugeben, von denen ich mir wünschte, dass ich sie begraben könnte, zusammen mit meiner Hoffnung, einen Mann zu finden, der sie teilte und mehr als eine einzige seelenlose Nacht mit mir wollte.
»Hereinspaziert«, sagte der Türsteher stattdessen, trat zur Seite und bedeutete mir, einzutreten. »Der Umkleidebereich ist links neben den Spinden.«
»Danke«, murmelte ich. Scheiße, ich hätte eine Tasche mitnehmen sollen, aber ich hatte nicht gewusst, was für eine. Eine Sporttasche? Reisetasche? Ein verschlossener Koffer? Das hier war ganz neues Terrain für mich.
Als ich in den Eingangsbereich trat, klopfte mein Herz so laut in meinen Ohren, dass es in einer schwindelerregenden Welle alle anderen Geräusche wegspülte, bevor sie langsam wieder zurückkehrten.
Alles okay, sagte ich mir und hielt mein Kinn hoch. Tu einfach so als ob, bis du so weit bist.
Überall gab es Schilder zu lesen. Auf einem stand: Keine Handys außerhalb der Umkleide. Die Umkleide entpuppte sich als ein kleiner Raum, der zum Glück leer war. Ich zog mein T-Shirt und meine Jeans aus und schlüpfte wieder in meine Schuhe. Dann schob ich nervös mein Handy in die Jeans, und meine Hand schwebte noch eine Weile über der Hosentasche.
Gott, wenn mir mein Handy in einem Kink-Club gestohlen werden würde, hätte ich keine Ahnung, wie ich das meiner Versicherung erklären sollte. Ich schob das Klamottenbündel in einen Spind und legte das Armband mit dem Schlüssel an. Wie ein verrücktes Erwachsenenschwimmbad. Eine knappe Badehose wäre bequemer als diese Shorts.
Die Dance-Musik wurde nach rechts hin lauter, und ich konnte gerade so einen abgedunkelten Raum erkennen, in dem sich Menschen zur Musik bewegten. Auf der linken Seite befand sich dagegen die Bar.
Oh Gott. Ja, bitte.
Unruhig verlagerte ich mein Gewicht, weil ich es nicht gewohnt war, eine Brise so weit oben auf der Rückseite meiner Oberschenkel zu spüren. Mit einer Rum-Cola in der Hand ignorierte ich die Schilder, die auf die auf die verschiedenen Spielzimmer hinwiesen. Dafür musste ich mir noch mehr Mut antrinken.
Stattdessen flüchtete ich in den Tanzbereich, um den Männern zuzusehen, die zu einem tiefen, pulsierenden Beat tanzten. Da mich niemand beobachtete, entspannte ich mich allmählich und lehnte mich an eine Wand, um mich meinem Drink zu widmen.
Es war in Ordnung. Warum hatte Isaac mich nie hierherbringen wollen? Ich hatte ihn gefragt, aber er hatte es stets abgelehnt.
Er hatte mir unmissverständlich gesagt: Ich bin alles, was du brauchst. Und was hätte ich darauf erwidern sollen? Er konnte mich auch zu Hause mit seinen Händen, seinem Spielzeug und seiner brutalen Präzision völlig auseinandernehmen.
Drei Jahre später konnte ich das Verlangen, das Isaac geweckt hatte, immer noch nicht abschütteln. Er hatte meine vagen Sehnsüchte in die Realität umgesetzt. Ich hatte immer gewusst, dass etwas an mir anders war – falsch, hatte ich oft gedacht –, aber es hatte keinen Sinn ergeben, bis Isaac mich berührt hatte.
Ich hatte keinen Sinn ergeben, bis Isaac mich berührt hatte.
Scheiß auf ihn, dachte ich zum tausendsten Mal. Es war ein Mantra, das mich durch lange Abende begleitete, wenn sich die Zeit leer und schmerzhaft ins Unendliche dehnte. Manchmal kniete ich auf dem Teppich in meinem Wohnzimmer und schloss die Augen. Erinnerte mich.
Und bedauerte.
Jahrelang hatte ich es gehasst, dass er in mein Leben getreten war und mir beigebracht hatte, was ich sein konnte, nur um dann zu verschwinden wie der Rauch aus einem Kamin in einer Winternacht. Um sich einen anderen, schöneren Holzklotz zu suchen, den er mit seinen Schlägen und Streicheleinheiten entfachen konnte.
Mich hatte er zurückgelassen, verkohlt und in mich zusammengesunken und ziemlich allein.
Ich hatte mich hingekniet und für seine Rückkehr gebetet, ihn verflucht und lange genug in Selbstverachtung geschmort.
Heute Abend hatte ich zum ersten Mal seit drei Jahren den Harness angezogen, für den ich hatte kämpfen müssen – sonst hätte er mir nicht erlaubt, ihn zu behalten. Ein Geschenk von einem Mann, der mich einst damit überhäuft hatte, um mich bei der Stange zu halten. Als er gegangen war, hatte er alles andere mitgenommen.
Sogar meinen Stolz. Besonders meinen Stolz.
Aber der Harness? Der gehörte mir. Und dieser Mut gehörte auch mir. Wir waren nie in diesen Club gegangen – oder überhaupt in die Öffentlichkeit. Er hatte gesagt, dass er die Fleischbeschau-Atmosphäre nicht mochte.
Nun, arme Leute durften nicht wählerisch sein. Isaac würde lachen, wenn er mich jetzt sehen könnte. Ich hatte in der Öffentlichkeit noch nie so wenig getragen. Das Geschirr und die Ledershorts entblößten mich. Ich fühlte mich nackt, und mein Bauch geriet in Aufruhr, als mein Körper sich daran erinnerte, wie sehr er diese Verletzlichkeit mochte.
Ich wich den Fremden aus und ging durch den Bogen in Richtung Tanzfläche. Scheiß auf seine Meinung. Ich war auf dem Markt, weil ich mit einer Wildheit, die meine Sinne flutete und meine Lungen füllte, endlich –
»Frischfleisch.«
Die Stimme war männlich, rau. Bestimmt.
Es war die Stimme eines Doms. Wie ein Mann, der aus der letzten Eiszeit erwachte, erinnerten sich meine Adern wieder an die Hitze meines Blutes.
Ich erstarrte von Kopf bis Fuß. Mein Herz hämmerte gegen meinen Brustkorb, und ich umklammerte meinen Plastikbecher fester. Verhalte dich natürlich, mahnte ich mich, als ich den Kopf drehte, um den Mann zu mustern, dem die Stimme gehörte.
Er war Anfang vierzig, hatte einen strengen Mund und einen grau-melierten Bart. Er trug glänzende schwarze Stiefel und eine Lederkappe, aber nichts fesselte meine Aufmerksamkeit so sehr wie die lange schwarze Peitsche, die an einer Schlaufe an seinem Gürtel hing.
Ich schluckte, ein Schauer unerklärlichen Verlangens durchlief meinen Körper. Er war nicht mein Typ, und nach so langer Zeit war ich mir nicht einmal mehr sicher, wer mein Typ eigentlich war. Aber dennoch reagierte meine Seele auf ihn wie ein Puzzleteil, das ich in die Lücke zwingen konnte, wenn ich nur mein eigenes Herz ignorierte.
War es mir wichtig? Wäre es schlimm, so zu tun, als ob ich auf ihn stünde? Die Jahre hatten meinen Stolz zu Staub zermahlen. Ich konnte es mir kaum leisten, Komplimente abzulehnen, egal, von wem sie kamen.
Sein Blick war ruhig und scharf, starr auf mein Gesicht gerichtet. Eine Hand schob er zu seinem Gürtel und hakte den Daumen in die gleiche Schlaufe, an der auch seine Peitsche hing. »Weshalb bist du hier?«
Ich konnte ihm nicht in die Augen sehen und so tun, als ob – so war ich einfach nicht. Vielleicht sollte ich es sein. Es würde Wunder für mein Sexleben bewirken. Ich schaute an der Peitsche und den Stiefeln vorbei nach unten, bis ich mit heißen Wangen auf den Betonboden starrte. »Ich weiß es nicht.«
Er lehnte sich vor und trat näher. »Was war das? Sieh mich an.« Seine Stimme war sanft, aber ich war eher überrascht, dass er mich nicht am Kinn gepackt und mich gezwungen hatte, ihn anzuschauen. War ich enttäuscht? Ich konnte es nicht sagen.
Ich räusperte mich und nickte, verlegen und entschuldigend. »Ich weiß es nicht«, wiederholte ich, diesmal laut genug, damit er mich über die Musik hinweg hörte. Ich brauchte länger, um seinem Blick wieder zu begegnen, aber schließlich gelang es mir.
Er lächelte leicht, als Belohnung für meine Bemühungen. »Also nicht für mich. Sonst wüsstest du es.« Sein Ton war würdevoll und sachlich. So geradeheraus, wie Isaac es nie gewesen war. Ich hatte nicht das Gefühl, dass er ein Spiel spielte, um mich niederzuschlagen.
Moment – der Dom sprach jetzt mit mir wie mit einem Gleichgestellten, seine Haltung entspannte sich. Das war seltsam, aber ich konnte meine Erleichterung nicht verbergen.
Ich atmete aus und verzog entschuldigend das Gesicht. »Es tut mir leid…?« Ich brach ab und wartete auf einen Namen.
Der Mann hielt inne, als wolle er entscheiden, ob ich diese Information verdient hatte, und ich schämte mich fast, weil ich vor Vergnügen erschauerte. Vielleicht hatte ich es nicht verdient, irgendjemanden hier zu kennen.
»Seb«, stellte er sich schließlich vor und seine Stimme durchbrach den Beat, der wimmerte, surrte und in einen weiteren schweren Techno-Rhythmus überging. »Und du bist?«
Ich räusperte mich und hielt ihm meine Hand hin. »Slate.«
Mit einem ironischen Lächeln nahm Seb meine Hand und strich mit den Lippen über meinen Handrücken, warm und freundlich. Ich lachte unbeholfen, zog meine Hand zurück, klemmte sie fest unter meinen anderen Arm und klammerte mich förmlich an meinen Drink.
»Auch wenn es mir für meine eigenen Aussichten leidtut, ich bin froh, dass du heute Abend zu uns gestoßen bist«, sagte Seb zu mir, als würden mir nicht vor Angst die Knie schlottern. »Du musst dich nicht dafür entschuldigen, wen du willst oder nicht willst, Slate. Hast du ein Auge auf jemanden geworfen?«
Ich schüttelte den Kopf. »Ich bin gerade erst gekommen.«
»Pass auf.« Seb zwinkerte mir zu. »Frischfleisch lockt die Haie an. Die DMs hier sind freundlich. Rühr dich, wenn du etwas brauchst.«
Ich blinzelte ihn zweimal an und war überrascht, dass er mir Hilfe anbot. Gott sei Dank wusste ich dank meiner Google-Suche, was DMs waren – Dungeon Monitors, also Angestellte des Clubs, die alles im Auge behielten.
Mein Wissen über die Ekstase der Unterwerfung begann und endete im Schlafzimmer. Ich war ein Sub in den Vierzigern, der nicht wusste, wie er einen Dom wie Seb abweisen sollte und noch nie in der Szene unterwegs gewesen war. Dafür war ich Nacht für Nacht in winzige, zerfetzte Teile zerschlagen und ausgepeitscht worden, bis mir die Tränen kamen.
Was machte das aus mir? Eine Mogelpackung? Es fühlte sich jedenfalls so an.
»D-Danke?«
Seb lachte leise. Diesmal berührte er leicht meine Wange. Die Wärme erschreckte mich, und ich schnappte nach Luft. »Sieh auf, Junge«, riet er mir. »Da bist du ja. Zeig ihnen diese hübschen blauen Augen.«
Ich errötete, zitterte und war wie zur Salzsäule erstarrt.
»Und sieh dich ein bisschen um«, riet mir Seb mit einem weiteren wölfischen Grinsen. »Vielleicht findest du heraus, was du willst.« Dann drehte er sich um und verschmolz mit der wachsenden Menge sich aneinanderreibender, sich windender Männer.
Sich windend? Als ich meinen Blick auf die Menge richtete, erkannte ich die Umrisse eines schlanken jungen Mannes, der von den Armen eines älteren, größeren Mannes umschlungen war und sich mit dem Rücken an dessen Brust presste. Seine Augen waren geschlossen, seine Lippen geöffnet und das Licht zeichnete deutlich die Silhouette des Stachelhalsbandes, das er trug. An dem Halsband war eine Leine befestigt, die sein Dom mit festem Griff hielt.
Die andere Hand des Mannes steckte in seiner Unterwäsche und griff unverkennbar nach der Ausbeulung seines Schafts.
Ich schluckte hart, wollte nicht beim Starren erwischt werden. Mein eigener Schwanz erwachte zum Leben und wurde in der unnachgiebigen Enge meiner Shorts bereits immer dicker.
Ich fühlte mich fast nackt, die Arme unbeholfen über der Brust verschränkt, als ich aus dem Tanzbereich an der Bar vorbei zu den Spielzimmern eilte.
Hier war es still.
Knurren, Schreie und das Geräusch von Schlägen auf Leder ließen mich innehalten.
Schweiß rann mir plötzlich den Rücken hinunter, und meine Kehle schnürte sich zu, als ich durch die Türöffnung in den halb erleuchteten Raum starrte. Lampen nahe der Decke leuchteten nach oben und boten unaufdringlich genug Licht für Sicherheit – und zum Beobachten.
Ein Räuspern hinter mir erinnerte mich daran, dass ich die Tür versperrte. »Ich hab's eilig, Mann. Geh rein, wenn du zuschauen willst. Spann nicht aus der Ferne.«
»Sorry«, murmelte ich, wandte den Blick ab und trat zur Seite. Das Pärchen ging Händchen haltend an mir vorbei, als hätten sie eine Mission.
Wollte ich zuschauen?
Ja. Sehr sogar.
Was auch immer ich zu Seb gesagt hatte, ich wusste genau, was ich wollte. Nicht den Akt, sondern das Gefühl. Ich wollte mich gedemütigt, stolz und völlig hilflos fühlen. Ich wusste nur nicht, wen ich fragen konnte, oder wie.
Entschuldigung, du bist jung und heiß und ich nicht. Tust du mir einen Gefallen? Ich verspreche, dass ich schnell komme.
Nein. Selbst für mich wäre das zu demütigend. Ich wollte gewollt sein, nicht geduldet. Und schon gar nicht bequem.
Ich schluckte und schlüpfte durch die Tür, wobei ich versuchte, den Gruppen von Männern aus dem Weg zu gehen, die sich dort tummelten. Ich bemühte mich, niemanden zu lange anzustarren.
Nur ein paar Meter entfernt ließ mich ein Lustschrei aufhorchen. Ein Mann in Harness und Jockstrap ritt einen anderen Mann, der auf einer Couch saß. Sein Kopf war genüsslich nach hinten geworfen, seine Zähne gefletscht. Ein anderer stand neben ihm, eine Hand um seinen Nacken gelegt, hielt ihn fest und nippte an einem Bier, während er mit dem Mann sprach, der auf der Couch lag.
Als ob das alles ganz normal wäre.
Ich schluckte schwer, ging an ihnen vorbei und ignorierte das Pochen in meiner Hose, als ein Knall durch den Raum schallte.
Ein großer, behaarter Mann war auf x-förmigen Holzbrettern festgeschnallt, während ein zierlicher junger Mann hinter ihm auf und ab ging und mit der Peitsche über seine gerötete Haut strich.
Das war schon eher mein Fall. Aber der fragliche Dom war eindeutig beschäftigt, und den Eheringen nach zu urteilen, die beide trugen, würde sich das so schnell nicht ändern. Mein Herz sank und ich ging weiter.
Ich kam an einem dunklen Stahlkäfig vorbei – der zurzeit leer war – und entdeckte einen Sling.
Hierher waren meine Freunde von der Tür geeilt. Der große Blonde war jetzt dort festgeschnallt und trug nichts als weiße Spitzenunterwäsche. Neben der Beule seines Ständers schob der andere Mann einen leuchtend rosa Vibrator hinein, drückte auf einen Knopf und trat mit einem selbstzufriedenen Grinsen zurück.
Das Betteln begann sofort, zunächst leise, dann immer lauter. Blicke richteten sich auf sie. Einige Männer standen in der Nähe und sahen mit leichter Neugierde zu. Andere lächelten und wandten den Blick ab.
Und dann war da noch der dicke Samtvorhang, der wieder Hoffnung in mir aufkeimen ließ.
Natürlich. Der Darkroom.
Ich musste mich nicht darum kümmern, jemanden zu finden. Ich konnte dort hineingehen…
Und warten. Auf meinen Knien, in der Dunkelheit, hilflos. Wer immer mich benutzen wollte, würde meinen heißen Mund finden, und ich könnte in der Dunkelheit um das betteln, was ich brauchte, ohne ihm danach in die Augen schauen zu müssen.
Ich hasste es. Ich wollte es. Ich hasste mich selbst.
Oder?
Leises, verzweifeltes Stöhnen drang aus dem Darkroom. Dazu das Geräusch von Spanking. Ein Keuchen, im Takt der geschlagenen Haut, leise und heiser, das schnell lauter wurde.
Ich hielt auf den Eingang zu.
Fingerspitzen fuhren die Innen- und Rückseite meines Oberschenkels hinauf zu meinem pochenden, halb steifen Schwanz. Scheiße! Ich fuhr fast aus der Haut und wirbelte vor Empörung herum. »Was denkst du…«
Die Worte erstarben auf meinen Lippen.
Isaac.
Er sah nicht überrascht aus, mich zu sehen. Dann hatte er also gewusst, wer ich war. War er mir von der Bar aus gefolgt? Von der Tanzfläche? Hatte er sich zurückgehalten, mich beobachtet und die ganze Zeit über mich gelacht?
Ich erstarrte, mein Puls pochte in meinen Ohren. Seine Lippen bewegten sich, aber ich hörte nichts. Meine stetig anschwellende Erektion schrumpfte in sich zusammen. Ebenso mein Selbstvertrauen, das allmählich gewachsen war. Und mein ganzer Lebenswille.
Was im Namen aller Höllenkreise hatte er hier zu suchen?
Ich war mir nicht sicher, ob ich ihn schlagen, weglaufen oder ihn anschreien wollte. Vielleicht alles davon. Oder… Oder…
Nein! Nein. Ich verfluchte mich selbst und zwang ein verächtliches Grinsen auf meine Lippen. Ich würde nie wieder so verzweifelt sein.
»Nimm es als Kompliment«, murmelte Isaac. »Du solltest dich über die Aufmerksamkeit freuen.«
Und mit zwei Sätzen machte er mich völlig fertig. Ich war wieder der Mann, der ich einmal gewesen war, verzweifelt genug, um zu seinen Füßen um ein bisschen Aufmerksamkeit wie um einen Knochen zu betteln. Aber jetzt war ich älter und noch weniger attraktiv.
Meine besten Jahre waren vorbei. Das hatte Isaac mir an dem Tag gesagt, als wir uns getrennt hatten.
Tränen stiegen mir in die Augen, und die Scham schnürte mir die Kehle zu, bevor ich ihn verfluchen konnte. Ich trat einen Schritt zurück, schüttelte den Kopf und presste meinen Kiefer so fest zusammen, dass meine Zähne schmerzten.
»Richtig so«, sagte Isaac und ein grausames Lächeln umspielte seine Lippen. »Geh nach Hause, kleiner Junge. Das hier ist eine Nummer zu groß für dich.«
Ich musste hier raus.
Nicht, weil er es mir gesagt hat. Nicht wegen seines tiefen Befehlstones, dem ich zu folgen gewohnt war. Sondern weil ich mich so oder so zum Narren machen würde, und das wussten wir beide.
Wenigstens die Würde eines reibungslosen Abgangs konnte ich mir zugestehen. Die Scham brannte in jeder Zelle meines Körpers, ich drehte mich schweigend um und ging auf die Tür des Spielzimmers zu.
Ich wünschte mir bei Gott, ich könnte den Klang seines grausamen Lachens vergessen. Ich kannte es natürlich auswendig. Den rauen Unterton darin, die Kadenz, die durch meine abgefuckten Fantasien hallte. All die Erinnerungen hatten nur ganz kurz unter der Oberfläche geschlummert.
Und das sorgte mehr als alles andere dafür, dass ich mich selbst hasste.
Der Mann, der mich gebrochen und wie Abfall weggeworfen hatte, konnte mir immer noch einen Befehl erteilen und sehen, wie ich ihn ausführte, und seine Genugtuung bereitete mir ein dunkles und schreckliches, selbstzerstörerisches Vergnügen.
Ich erinnerte mich kaum daran, dass ich meinen Spind aufgerissen, mich am Türsteher vorbeigeschoben und mich vom Eingang des Clubs abgewandt hatte…
… bis mich das Neonlicht erstarren ließ, das aus einer leuchtend rosa Schaufensterfront drang. Es wirkte wie ein seltsames Portal in eine andere Welt, surreal und krass inmitten der leeren, nächtlichen Straße.
Auf dem Banner über dem Laden stand Daddy Cakes. Über die Fenster waren Cupcakes gemalt… und Handschellen und andere BDSM-Ausrüstung, wie ich sie vor wenigen Minuten im Einsatz gesehen hatte.
Ich wollte lachen oder weinen, oder vielleicht beides, aber meine Füße trugen mich näher an den Laden.
Der Slogan war fett und schwarz auf die Tür geschrieben.
Schweinereien oder Schlemmereien – alles geht
Wie eine verirrte Motte wurde ich vom Licht angezogen, stieß die Tür auf und trat ein. Mein Blick schweifte durch den Raum mit seinen cremefarbenen Wänden, den roten Plüschsesseln und den goldenen Kronleuchtern. Er hätte in jeder Zeitschrift abgebildet sein können, wären da nicht die Peitschen, Ketten und furchterregenden kleinen Metallfoltergeräte gewesen, die kunstvoll an den Wänden angebracht waren.
In einer Glasvitrine waren sechs Cupcake-Sorten ausgestellt, und kleine Tische und Stühle standen dicht gedrängt. An der Wand hinter der Kasse befand sich eine große Tafel mit der Speisekarte. Ein Toilettenschild und ein Pfeil zeigten auf eine Treppe, die um die Ecke nach oben führte.
Aber mein Blick fiel auf die Ecke direkt unter der Treppe, die mit einem mit Lichterketten behangenen Geländer abgetrennt war. Auf dem Treppenabsatz darüber hing ein kleines Schild. Care Corner stand da, Fürsorge-Ecke.
Meine Kehle war plötzlich eng.
Aftercare. Dieser große Mythos, über den ich im Internet gelesen und von dem ich geträumt hatte, den ich aber in den zwei Jahren, in denen wir immer wieder zusammen gewesen waren, nie von Isaac bekommen hatte.
Na ja, wirklich zusammen waren wir nicht gewesen. Seien wir mal ehrlich. Wir hatten miteinander gefickt. Das war alles, was ich für ihn war: ein Objekt, ein Spielzeug, und zwar nicht auf eine Art und Weise, bei der ich mich sexy fühlte.
»Kann ich dir helfen?« Die männliche Stimme ließ mir einen Schauer über den Rücken laufen, seidenweich, wie warmer Honig und Leder.
Und als ich mich dieses Mal umdrehte, blitzten alle Zündkerzen in meinem Körper auf einmal auf.
Ja.
Der blonde Mann hinter dem Tresen, der eine Lederschürze und ein weißes Hemd trug, sah aus wie Mitte zwanzig, aber er strahlte eine Selbstsicherheit aus, die mir verriet, dass er der Besitzer und nicht irgendein Angestellter war.
Und er war hinreißend. Rasiermesserscharfe Wangenknochen, Stoppeln, die ich unbedingt an meinen Innenschenkeln spüren wollte, grüne Augen, die mich an Ort und Stelle fesselten, und eine gerade, rundliche Nase. Seine Wangen strahlten vor Selbstvertrauen, und ich wünschte mir verzweifelt, ich könnte es mir kaufen wie einen seiner perfekten kleinen Cupcakes.
Oh nein. Ich bin ein Wrack, und ich werde den schlechtesten ersten Eindruck vor dem heißesten Typen des Abends machen.
Für mich stand außer Frage, dass er ein Dom war. Es war verrückt, ich hatte noch nie jemanden gesehen, der so jung war und eine solche Ausstrahlung hatte. Ich hatte es nicht für möglich gehalten. Ich hatte gedacht, man müsste so alt wie Seb oder zumindest so alt wie ich sein, um mir die Sprache zu verschlagen. Offenbar nicht.
Mein Blick fiel wieder auf den Boden, war fest auf meine Zehen fixiert, während meine Wangen heißer brannten als die Sonne.
Verdammt, er würde mich dafür verurteilen, dass ich trotz der zwei Jahrzehnte, die ich ihm voraushatte, ein verängstigtes, wehleidiges Wrack von einem Mann war.
Ich sollte einfach… ich sollte gehen, dachte ich. Ich sollte gehen, nein, rennen und die Teile von mir, die nach Erlösung schrien, mit allem begraben, was ich konnte, und beten, dass die Zeit den Stachel aus meinen Wunden ziehen würde.
Doch als ich mich umdrehte, meine Panik hinunterwürgte und blind und verzweifelt nach der Tür griff, ertönte seine Stimme erneut.
»Warte.«
Genau das. Der Ton, den seine Stimme zwei kleine Silben lang annahm, bestätigte all meine Vermutungen über ihn. Dieser schmächtige Mann könnte mich mit zwei weiteren Silben um den Finger wickeln, da war ich mir sicher.
Er war ein völlig Fremder. War ich so verzweifelt? Dass mich jeder Dom, der wollte, unterwerfen konnte?
Nein. Nein, da war etwas anderes, das meinen Körper durchflutete, und es war völlig ungewohnt. Dieser Mann – für mich namenlos – war wie eine Sirene. Ich stand unter seinem Bann, bebte und wartete auf seinen nächsten Befehl.
»Setz dich in die Care Corner«, fuhr der Mann fort, und seine Stimme wurde sanfter. »Du siehst aus, als könntest du es gebrauchen. Und lass dir von Daddy eine Tasse grünen Tee bringen.«
Er? Ein Daddy? Mein Daddy?
Ich sollte lachen. Oder weinen. Oder… gehen.
Hau ab, hau ab hau ab,drängte ich meinen Körper, aber er wollte sich nicht bewegen. Mein Schwanz, mein Herz und der bedürftige, gebrochene Teil von mir hatten sich zusammengetan und mein Gehirn heute Abend aus dem Entscheidungsgremium verdrängt.
Es fühlte sich… Es fühlte sich… heilige Scheiße. Es fühlte sich wie Subspace an.
Ich hatte erwartet, im Dom Nation zu sein, wenn ich in diesen Nicht-Raum glitt, diese zeitlose Leere, diese zielstrebige Absicht, dieses einfache Ritual aus richtig und falsch, Ursache und Wirkung, Gehorsam und Bestrafung.
Nicht in einem hell erleuchteten Cupcake-Laden, auf den schwarzen Marmor unter meinen Füßen starrend, während meine Nase von dem Aroma von Zucker, Gewürzen und… etwas anderem überflutet wurde, das meine schmerzende Seele mit einer berauschenden Mischung aus Sanftheit und einem Hauch Gefahr betörte.
Wer wusste schon, wohin das führen würde?
Trotz allem gehorchte ich.
Rex
Er lachte nicht über mich.
Nicht gemein, nicht ungläubig, nicht einmal auf die Na gut, das eine Mal lasse ich dir deinen Willen-Art.
Die unsichtbaren Fesseln um meine Kehle lockerten sich, und ein Lächeln breitete sich auf meinen Lippen aus.
Dieser Mann – dieser wunderschöne Mann, in dessen Augen nicht nur ein Hauch Angst lag, sondern ein ganzer Sturm tobte… hörte auf mich.
Nun, nicht sofort. Das war nur fair. Kein Sub war verpflichtet, auf irgendeinen beliebigen Dom zu hören. Das war Schwachsinn der alten Schule, an den ich nicht glaubte.
Er stand da, die Hand an der Türklinke, den Kopf gesenkt und so in sich selbst zurückgezogen, dass es jeden zu Tränen gerührt hätte. Dann hob er den Kopf und drehte sich mit einem abwesenden Blick in den Augen herum, den ich kannte. Ich hatte ihn schon viele Male gesehen.
Dieser Mann – dieser gebrochene Mann mit den tiefen, ausdrucksstarken Augen, der von einem Wirbelsturm der Gefühle umgeben war – brauchte mich.
Mein Instinkt übernahm die Führung.
Ich war nicht länger Rex Black, Inhaber des brandneuen Daddy Cakes, nervös und aufgeregt wegen meines allerersten echten Kunden.
Ich war Master X.
Master X konnte mit einem scheuen, verängstigten, zerschundenen Jungen umgehen, konnte die Tränen von seinen Wangen, den Schmutz von seinen Knien und die Flecken von seiner Seele küssen.
Ich hatte schon vor langer Zeit aufgehört, meine Intuition über die… nennen wir sie Neigungen eines Mannes infrage zu stellen. Dieser Mann mochte zwanzig Jahre älter sein als ich, aber es gab nicht den Schatten eines Zweifels: Er war ein Sub.
In der Sekunde, in der er hereinkam, war es, als hätte ich eine Pheromon-Wolke eingeatmet. Wir waren gegensätzliche Magneten, die Anziehungskraft zwischen uns stärker als die Schwerkraft.
Und deshalb war ich mir sicher: Wie schlimm er auch gefallen sein mochte, der Teil von mir, der Master X war – und das war der beste Teil von mir –, konnte ihn wieder aufrichten.
»Hier, bitte.« Ich setzte mich ihm gegenüber an den Tisch in der Care Corner und schob dann vorsichtig eine der beiden Tassen über den Tisch.
Die nagelneuen weißen Becher waren mit kleinen, eleganten schwarzen Rosen verziert. Ich wollte spezifische Tassen mit Peitschen und Ketten, aber die mussten warten, bis ich mehr als einen nervösen Jungen als Kunden hatte.
Als er die Tasse nahm, hob er endlich den Kopf und richtete sich ein wenig auf. »Danke«, murmelte er. Er sah mich nicht an, aber wenigstens starrte er nicht länger in seinen Schoß.
Das gab mir die Gelegenheit, ihn aus der Nähe zu betrachten, und ein interessiertes Kribbeln tanzte über meine Handrücken. Es juckte mir in den Fingern, über seine rauen Wangen zu streicheln und seinen kantigen Kiefer zu umfassen, während ich seine kleinen, perfekten Lippen küsste. Seine Augen waren groß und das helle Eisblau raubte mir den Atem.
Seine Haare waren kurz und praktisch geschnitten, ein dunkles Blond mit grauen Akzenten, und seine Wangen waren von dichten Stoppeln bedeckt, um die ich ihn beneidete.
Seine Lachfalten ließen mich ihn auf Mitte vierzig schätzen, und er hatte breite Schultern. Durch sein weißes T-Shirt hindurch konnte ich leicht die Schnallen und Riemen eines Harness erkennen. Entweder das oder er hatte ein paar seltsame Brustwarzenpiercings.
Und stark war er auch – seine Arme waren von weichen, natürlichen Muskeln überzogen, die man nicht bekam, wenn man Kohlehydrate vermied, nur um sie zur Schau zu stellen. Er könnte nicht weiter von meinem mageren, koffeingetränkten Körper entfernt sein. Ich wollte ihn auf den Rücken drücken und auf ihn kriechen, mit ihm spielen wie eine Katze mit einer Maus.
Wie verzaubert schwankte der arme Kerl auf seinem Platz leicht hin und her, die Hände um seine heiße Tasse gelegt.
»Lass mich den Teebeutel herausnehmen«, bat ich. Es dauerte einige Sekunden, bis er seinen Griff um das heiße Porzellan lockerte, und ich machte mir keine Sorgen mehr, dass er sich verbrennen könnte. Ich beugte mich vor, um den Beutel mit einem Löffel herauszufischen und ihn auf die Untertasse zu legen. »So. Wie soll ich dich nennen?«, fragte ich leise. Ich konnte genauso gut mit der einfachen Frage anfangen.
Und ganz eigennützig wollte ich diesem schönen Gesicht und dieser sanften Energie einen Namen zuordnen können. Als wüsste ich, dass ich damit mehr Macht über ihn hätte – Macht, die ich nur zu seinem Besten einsetzen wollte.
Aber dennoch, flüsterte die berauschende Stimme tief in meinem Bauch: Macht.
»Mich nennen?« Er klang weit weg und runzelte die Stirn, als hätte ich ihn gerade gebeten, unseren Standort mit Jupiter und Mond zu triangulieren.
Ich zuckte zusammen. Er war in sich selbst versunken. Ich musste noch einfacher anfangen. »Dein Name, Junge.« Ich betonte das letzte Wort nicht so sehr, wie ich es vielleicht getan hätte, wenn wir nebenan in den abgedunkelten, dröhnenden Räumen wären. Stattdessen ließ ich es sanft und zärtlich über meine Lippen gleiten.
Er zuckte in meine Richtung, wie ein Streuner an der Tür, geleitet von der Erinnerung an menschliche Hände voller Freundlichkeit, gewarnt durch die Kürze der Erinnerung.
Vorsichtig drehte ich meine Hand um und schob sie zu ihm hinüber. »Ich heiße Rex. In der Szene nenne ich mich Master X.« Ich wollte, dass er mir den Namen gab, mit dem er sich am wohlsten fühlte.
Nun, nein. Ich wollte meine Arme um ihn schlingen, ihn an meine Brust ziehen und den Duft seiner Haare einatmen, während er sich an mich klammerte. Aber im Moment konnte ich nicht riskieren, ihn zu verschrecken.
»Slate.« Seine Stimme klang rostig, als wäre seine Kehle eine Schotterpiste. Er räusperte sich und schaute auf seine Tasse Tee hinunter, als sähe er sie zum ersten Mal. Nachdem er einen kleinen Schluck genommen hatte, klang seine Stimme sanfter. »Einfach Slate.«
»Einfach Slate«, wiederholte ich und ließ mir das Wort wie ein Déjà-vu auf der Zunge zergehen. Eine Erinnerung an etwas, das noch nicht eingetreten war, ein silberner Fisch, der im Wasser aufblitzte, als meine Hand in den Fluss des Lebens eintauchte…
Seine Handfläche, glühend heiß, legte sich auf meine. Funken sprangen zwischen uns hin und her, ein Blitz von etwas Instinktivem, von Hunger und etwas Unsichtbarem, das einen heißen Nachgeschmack auf meiner Zunge hinterließ.
Slate. Der Name brannte sich in meine Haut, kühn und einzigartig selbst an diesem Mann, der mit einem der anderen gesichtslosen Klone verschmelzen zu wollen schien, die ich in Dom Nation zuhauf finden konnte.
Ich unterdrückte meine Reaktion, sodass ich nur kaum merklich zuckte. Er erschauerte und drückte fester zu, rau und ungenau und hungrig. Ich schloss meine Finger sanft um seine Hand, hielt meine Berührung locker und sanft, damit er sich jederzeit zurückziehen konnte.
Ich hätte alles dafür gegeben, Slates Hand zu ergreifen und seinen Arm hinaufzustreichen, eine sanfte und geisterhafte Berührung der Haare auf seinem Unterarm und ein Kratzen meiner Nägel über seinen Bizeps.
Konzentrier dich, Rex. Der Junge brauchte im Moment eine andere Art von Zuwendung.
»Kommst du aus dem Club?«, fragte ich, auch wenn die Antwort offensichtlich war. Ich wollte nur, dass er es aussprechen musste. Es würde ihm helfen, sich aus seinem Zustand zu befreien.
»Ja. Direkt von dort«, erwiderte Slate. Sein Blick wanderte nach oben zu meiner Tasse. Ich schloss meine Hand darum und hob sie langsam zum Mund, um zu sehen, was er tun würde, aber sein Blick verfolgte das Objekt nur bis zu meiner Brust und blieb dann dort hängen.
Oh, du bist verletzt worden. Hat dich jemand ohne Aftercare verlassen? Eine Grenze überschritten? Hat es keiner der DMs bemerkt? Ein Anflug von Wut erfasste mich. Wer arbeitete heute Abend? Es war mir egal, wie lange wir schon befreundet waren; mit demjenigen hätte ich ein Hühnchen zu rupfen.
Aber wie es meine Gewohnheit war, verbarg ich jede Spur von Wut und Sorge. Subs spürten diese Energie und wurden nervös. Das taten auch andere, im geschäftlichen oder freundschaftlichen Rahmen. Ich war der Starke, derjenige, der die Kontrolle hatte. Ich durfte sie nicht verlieren, nicht einmal für einen Moment.
»Willst du darüber reden?«, fragte ich.
Und schließlich hob er ruckartig den Blick.. Er durchbohrte mich bis ins Mark, während ein Sturm durch das brennende, blasse, eisige Blau tobte. Als würde er abwägen, ob er mir sein Vertrauen schenken konnte.
Ich blieb ruhig – zuckte nicht zurück, schaute nicht weg, blinzelte nicht einmal.
Sekunden verstrichen, aber es hätten genauso gut Jahrhunderte sein können. Meine Welt drehte sich um die eigene Achse, richtete sich nach den nächsten Worten dieses Jungen aus. Auf einmal war er die Sonne und ich der Planet, der von seiner Wärme gesegnet oder durch seine Entfernung verflucht war.
Wofür würde er sich entscheiden?
Slate riss seinen Blick von mir los, und ich fühlte mich leer, schwankte plötzlich aus meiner Umlaufbahn und stürzte auf… ich wusste nicht, was. Mein Griff um seine Hand wurde fester, als ich die Welle des Schwindels zurückschlug.
Stattdessen betrachtete er wieder den Tisch. »Es fing gut an. Sie haben mich reingelassen, obwohl ich…« Slate deutete mit einer Geste auf seinen Körper.
Ich verstand nicht. Ist er in Straßenkleidung aufgetaucht? Hat ihm jemand seine Ausrüstung geliehen? Oh Gott. Ich hoffe, er ist nicht damit weggelaufen, wenn dem so ist. Obwohl ich den Kopf schief legte, sprach Slate weiter, ohne auf eine Antwort zu warten.
Ich wollte den Fluss nicht unterbrechen, jetzt da er endlich redete. Ich würde später noch einmal darauf zurückkommen.
»Ich habe mir einen Drink geholt. Das war gut.« Slate klang, als würde er alles noch einmal in seinem Kopf durchspielen.
Das war der Teil des Films, in dem sie einem vorgaukelten, dass alles gut werden würde. Ich atmete bewusst ein, damit ich nicht an die Kante meines Sessels rutschte.
Was er brauchte, war Ruhe, und so war ich ruhiger als ein Berg. Ich nahm auf, was er mir gab, ohne es widerzuspiegeln.
»Jemand hat mich auf der Tanzfläche angesprochen. Ich glaube, er hat sich an mich rangemacht. Seb.«
Mist. Nicht Seb.
Ich kannte ihn seit vier Jahren, seit meinem einundzwanzigsten Geburtstag. Er hatte mir dabei zugesehen, wie ich einen Sub mit Präzision und Feingefühl und der kalten Brutalität behandelt hatte, für die ich damals bekannt war. Daraufhin hatte er mir geholfen, wärmer zu werden. Zumindest ein bisschen.
Ich kannte ihn gut, hatte ihn mit Männern aller Art beobachtet. Ich zählte ihn zu meinen engen Freunden. Aber wenn er diesen Jungen verängstigt hätte, würde ich Himmel und Hölle in Bewegung setzen, um für Gerechtigkeit zu sorgen.
Mein Herz pochte, obwohl ich äußerlich ruhig war.
Trotzdem holte Slate schnell Luft, sah zu mir auf und drückte meine Hand plötzlich fest. Als hätte er die Wut unter meiner Haut gespürt – die Wut, die so wenige je gesehen, geschweige denn gefühlt hatten.
»Er war es nicht«, beeilte er sich, mich zu beruhigen. »Es war…«
Dann verstummte er und zog sich ein wenig zurück. Sein Nacken wurde steif, und er presste die Lippen aufeinander. Es war, als hätte sich ein Geist auf den Sessel neben ihm geschoben und einen Finger auf seine Lippen gelegt.
Und da wusste ich es.
Ich wusste nicht, woher – ich wusste es einfach. Es gab Hunderte von Männern, die regelmäßig oder halb regelmäßig kamen, und Hunderte weitere, die als Touristen vorbeischauten, entweder hin und wieder oder einmal und nie wieder.
Mit einigen von ihnen kam ich gut aus. Mit anderen…Aufgrund einer unausgesprochenen Vereinbarung fühlte sich die Annäherung an sie an wie Öl und Wasser, also hielten wir uns voneinander fern. Bei einigen fühlte ich mich unwohl, weil ihre Vorlieben so weit von meinen entfernt waren – aber jeder, der gegen die Regeln verstieß, wusste, dass der Besitzer, Brighton, ihn sofort rauswerfen würde.
Es gab nur einen Dom, der jedes Wochenende kam und mir eine Gänsehaut bescherte.
Isaac.
Es gab keinen wirklichen Grund dafür. Er war wortgewandt und klug, fröhlich zu allen, hieß sogar Neulinge gern willkommen. Er hatte nie eine Regel gebrochen oder sich in die Szene eines anderen eingemischt.
Aber ein Urinstinkt – ein namenloses Frösteln in meinem Nacken – hatte mich in seiner Nähe immer begleitet. Ich mochte es nicht, ihm den Rücken zuzukehren, und ich lachte nicht über seine Witze wie die meisten anderen. Sogar Seb und Brighton mochten ihn.
Niemand hatte ein schlechtes Wort über ihn zu sagen. Und das war der verrückteste Grund überhaupt, jemanden nicht zu mögen, oder?
So wie ich nicht erklären konnte, was mich an Isaac störte, so konnte ich auch nicht erklären, wie ich gewusst hatte, wessen Namen Slate gleich aussprechen würde. Vielleicht war ich kurz ein paar Sekunden in die Zukunft gesprungen.
Slate sah zu mir auf, langsam und vorsichtig, als wäre er sich nicht sicher, ob er die Flucht ergreifen sollte, und ich befand mich wieder in der Gegenwart.
»Isaac.«
Der Mangel an Überraschung in meinem Gesichtsausdruck – das mitfühlende, nicht erstaunte Zucken meiner Lippen – tröstete ihn. Er atmete wieder leichter, als hätte die Nennung des Namens geholfen.
Das hatte ich gehofft.
Isaac muss aufgehalten werden. Ich konnte mich auf nichts anderes mehr konzentrieren als auf diesen Gedanken, der mich durchfuhr, als hätte mir Justitia Höchstselbst ihre Waage ins Herz gelegt.
Ohne seine Hand loszulassen, stand ich auf.
»Wo gehst du hin?« Slate zuckte bei der plötzlichen Bewegung nicht zusammen, aber er starrte mich an. Erwartungsvoll, suchend und wirklich ahnungslos.
»Isaac suchen«, sagte ich leise, kalt und bestimmt. Ich ließ die Grausamkeit, die ich in jenen frühen Tagen zurückgelassen hatte, wieder in meine Stimme einfließen. »Und das in Ordnung bringen. Und du kommst mit mir.«
Slate keuchte auf, ließ meine Hand fallen und zog sich in den Sessel zurück, als wäre meine Haut überströmt von Lava, knisternd in ihrer herrlichen Glut. »Was? Nein, ich kann nicht!«
Oh, Jungen. Sie kannten nie ihre eigenen Grenzen. Das zauberte mir ein leichtes Lächeln auf die Lippen. Für uns Daddys bedeutete das einen sicheren Job, aber es überraschte mich immer wieder.
Er hatte die Kraft gehabt zu gehen, zu mir zu kommen und seine Probleme zu schildern. Wie viel schwieriger könnte es sein, die Dinge in Ordnung zu bringen?
»Doch, das kannst du«, sagte ich und streckte meine Hand aus. »Du brauchst Verstärkung, das ist alles. Ich bin da.«
Für dich, fügte ich gedanklich hinzu.
Wie seltsam war es, dass ich nur wenige Minuten nachdem ich diesen Mann kennengelernt hatte, die Strömungen seiner Energie erkannte, als wäre ich damit geboren worden. Nicht nur, weil ich wusste, was Jungen brauchten, sondern irgendwie wusste ich auch, was Slate brauchte.
»Aber…« Ich konnte sehen, wie Slate es sich ausredete. Die Falten auf seiner Stirn, die Angst in seinen Augen, es war ihm deutlich ins Gesicht geschrieben. Er suchte nach einer Ausrede.
Geduldig wartete ich. Nach dem, was er durchgemacht hatte, hatte er sich ein wenig Geduld verdient.
»Du kannst deinen Laden nicht verlassen«, verkündete Slate schließlich. Nachdem er gesprochen hatte, setzte er sich auf und wirkte entschlossen. Er nickte sogar leicht.
Was für ein süßer, dummer Junge. Als ob mich so ein winziges Detail aufhalten könnte.
Grinsend zeigte ich meine Zähne wie ein Wolf, der Blut gerochen hatte. »Und wie ich das kann.« Ich drehte mich um und ging zum Tresen, wo ich mir neben der Kasse eine Speisekarte und einen Filzstift schnappte.
Ich drehte die Speisekarte um und schrieb:
Bin gleich wieder da. Beim Warten findest du bestimmt etwas anderes zum Lecken.
Dann beugte ich mich so weit über die Kasse, dass ich mir fast eine Rippe brach, aber meine Fingerspitzen streiften den Klebebandabroller. Ich riss ein Stück ab, schritt zur Glastür und klatschte das Schild darauf.
»So.«
Ich drehte mich um und sah, dass Slate aufgestanden war.
Seine Hände waren so verschränkt, wie es unsere vor wenigen Augenblicken gewesen waren, aber er hielt sie vor seiner Brust. Er drehte sie, fuhr mit den Fingerspitzen an den Handflächen entlang und verschränkte sie wieder andersherum.
Gott, seine schmerzliche Unsicherheit war wunderschön, während er am Rande zum Gehorsam mir gegenüber schwankte.
Ganz kurz konnte ich es mir vorstellen: die Hände über seinem Kopf, zu mir hinstrebend, die Stimme gebrochen vor Flehen und Leidenschaft. Die Tränen, die ich diesen blassen Augen entlocken wollte, waren ganz anders als die verlorenen, gefühllosen Tränen, die sich jetzt in seinen Augenwinkeln gesammelt hatten.
»Komm«, sagte ich und hielt ihm die Hand hin, bereit, darauf zu warten, dass er sich entschied, mir zu trauen.
Ich brauchte nicht zu warten. Er kam. Zwar nahm er nicht meine Hand, aber bei Gott, er kam, und ich hatte mich noch nie so glücklich geschätzt.
Stattdessen blieb er einen Schritt hinter mir, als wolle er mich zwischen sich und der Tür halten. Ich konnte das verstehen, und vielleicht empfand ich sogar ein heimliches Vergnügen dabei.
Ich war Slates Beschützer, sein Racheengel, und ich war…
»… heute Abend nicht richtig angezogen, wie ich sehe. Du… du bist zurück. Bei dir ist alles in Ordnung, Mr. Exhibitionist.«
In Tonys Stimme lag schon immer ein Hauch von Rivalität, und dass sein Tonfall weicher wurde, als er mit Slate sprach, machte es nur noch deutlicher.
Als ob es immer nur Platz für einen hübschen jungen Dom gäbe, und wenn er mich hereinließ, seine Chancen schwinden würden, nachdem die zweite Schicht ihn später ablöste.
Normalerweise ließ ich meinen Charme spielen – und normalerweise war ich tadellos gekleidet, sodass es keinen Grund gab, mich abzuweisen, und ich mich nur mit seiner Einstellung auseinandersetzen musste und nicht mit Brightons strengen Regeln.
Ich spürte jedoch, dass er die Chance, mich wegzuschicken, nicht unbedingt nutzen wollte. Manche Türsteher hätten das getan, in prätentiöseren Clubs in der Nähe. Er kommentierte es nur. Mein Respekt für ihn wuchs ein winziges bisschen.
Aber ich hatte keine Zeit, mich mit dieser Scheiße zu beschäftigen. Während wir sprachen, konnte Isaac in Ruhe sein Unwesen treiben, und der Schmerz in der Stimme dieses Mannes musste gehört werden.
»Wow«, hauchte Tony.
Ich hatte nicht ein Wort gesagt. Alles, was ich getan hatte, war, mich aufzurichten und Tony mit meinem besten Dom-Blick anzustarren. Ich war es gewohnt, den Leuten mit einem einzigen Blick zu zeigen, wer ich war: nicht ihr Kaffeejunge im Sitzungssaal und nicht ihr Sub im Darkroom.
Tony wich einen Schritt zurück, als hätte ich das metaphorische Schwert der Gerechtigkeit gezogen, das ich in meiner Hand spürte. Doch er hatte sich noch immer nicht von der Tür entfernt.
»Wir bleiben nicht«, murmelte ich leise. Du kennst mich, und du weißt, dass ich in meinem Laden sein sollte. Ich bringe nicht einfach einen Jungen für etwas Spaß mit, musste ich nicht hinzufügen.
Tony schluckte einmal und nickte. »Sieh zu, dass ihr es nicht tut.« Er trat widerwillig zur Seite und sein Blick folgte uns beiden, als wir eintraten.
»Wow«, flüsterte Slate hinter mir, seine Stimme war ein Echo von Tonys, und weil er mich nicht sehen konnte, erlaubte ich mir ein Lächeln.
Ja, genau. Das ist es, was die Anwesenheit eines Doms bewirken kann.
Ich hatte das Sagen. Und es war berauschend.
Doch bevor ich den Eingang verlassen konnte, schloss sich eine Hand fest um meinen Arm und brachte mich zum Stehen. Mein Körper kribbelte vertraut, als ob Slates biometrische Daten in die Alarmanlage meines Gehirns eingegeben worden wären.
»Ja?« Ich drehte mich um und sah betont auf die Hand hinunter, die mich festhielt.
Slate ließ nicht los. Aber da er nicht mein Sub war, ließ ich das Fehlverhalten zu.
»Nein«, sagte Slate leise. »Das darf dich nicht scharfmachen.«
Ich verengte meinen Blick und versuchte, seine Worte zu deuten. »Ich bringe dich nicht zum Sling, um dir die Traurigkeit aus dem Leib zu vögeln«, erwiderte ich spitz. »Tony würde mich zwingen, mich auszuziehen, und das mache ich nicht.«
»Ich meine«, erklärte Slate, der immer noch meinen Arm drückte, als wäre er die Bremse eines Güterzuges und er stünde auf den Gleisen vor mir, »dass es dich scharfmacht… mich zu retten.«
Was? Empörung blühte in meinen Wangen auf, und sie stach etwas zu sehr. Als hätte er eine Wahrheit entdeckt, die selbst ich nicht erkannt hatte.
»Entschuldigung«, sagte jemand hinter mir, was mich wütend machte.
Slate führte mich zur Seite und trat dicht an mich heran, um aus dem Weg zu gehen. Er war näher als je zuvor – zu nah, aber gleichzeitig nicht annähernd nah genug.
Die Luft zwischen unseren Körpern schwoll an, und damit auch meine Erregung. Funken knisterten durch meinen Körper, berauschend und intensiv. Ich hielt ihn eine Armeslänge von mir entfernt, aber nur knapp.
Ich starrte die Eindringlinge an, bis sie vorbeihuschten, und richtete dann meinen Blick wieder auf Slate. Diese blassblauen Augen waren groß und flehend. Sein Blick brachte die Hitze in mir zum Schmelzen – die Peinlichkeit, mit einem Heldenkomplex erwischt worden zu sein.
»Das ist meine Entscheidung«, sagte Slate leise. »Und ich sage Nein.«
Ich schwankte auf der Stelle. Das Letzte, was ich von einem schüchternen, verängstigten Mann erwartet hatte, der ausgenutzt worden war und sich allein nach Hause verkriechen musste, waren diese flammenden, heftigen Worte. Noch vor wenigen Augenblicken war er kaum in der Lage gewesen, etwas zu sagen.
Und jetzt behauptete er sich gegen mich?
»Übergriffe zu melden… ist wichtig«, erklärte ich ihm. »Es geht nicht um mich.« Okay, vielleicht doch, ein bisschen, fügte ich gedanklich hinzu und zuckte zusammen. Eine Notlüge zum Wohle der Allgemeinheit. »Es geht um die Sicherheit von allen. Die DMs werden auf dich hören. Brighton, der Clubbesitzer… Ich kenne ihn. Er wird auch zuhören«, versprach ich ihm, und meine Stimme wurde tiefer, als ich auf meine Ehre schwor. »Sobald du etwas sagst, ist er für immer verschwunden.«
Bitte hör zu, flehte ich ihn in Gedanken an, auch wenn ich nach außen hin kühl und logisch blieb. Du musst mir zuhören.
»Du verstehst nicht«, zischte Slate, und ich wich zurück, als hätte man mich verbrannt.
Der Vorwurf in seinen Worten traf mich tiefer, als ich es mir je hätte vorstellen können. Ich würgte die Galle in meiner Kehle zurück. »Was verstehe ich nicht?«
Meine Antwort wiederum war schärfer, als ich es gewollt hatte. Scheiße. Scheiße!, dachte ich. Es ist mein Job, besser zu sein als das. Konzentrier dich, Rex!
Wie verletzt er auch war, ich musste ihm zuliebe standhaft bleiben.
»Du darfst nicht mit dem Personal reden. Mit niemandem«, sagte Slate, und meine Welt geriet aus den Fugen.
Es hörte sich an, als ob…er mir einen Befehl gab. Mein Gehirn reagierte wie eine Katze, die gerade ihre Transportbox gesehen hatte, und erstarrte mitten in der Bewegung.
Mir fiel die Kinnlade herunter, als ich Slate anstarrte und die nächste Gruppe von Männern ignorierte, die lachend und laut schwatzend an uns vorbeiging. Sie hätten genauso gut meilenweit weg sein können.
Aber Slate sah mir in die Augen und wich nicht zurück. »Das ist mein Hard Limit«, verkündete er mit der Andeutung eines frechen Lächelns auf den Lippen.
Meine Wangen brannten. Ich hatte das Gefühl, von diesem Jungen, der so getan hatte, als bräuchte er meine Hilfe, ausgetrickst und ausgenutzt worden zu sein. Und jetzt lächelte er mir arrogant ins Gesicht und ignorierte meine Wut.
Und oh, für ein paar kurze, aber intensive Sekunden sehnte ich mich danach, ein Werkzeug in die Hand zu bekommen und ihn dafür büßen zu lassen. Sicherlich konnte er sich die ganze Sache nicht nur ausgedacht haben, um meine Aufmerksamkeit zu erregen, oder?
Aber nein, er war kein Bengel, der mich an der Nase herumführte. Unter seinen Worten hörte ich immer noch einen Hauch von Unsicherheit. Er wandte seinen suchenden Blick nicht von mir ab. Sein Griff ließ nicht nach.
Als ob Slate seinen letzten Mut zusammennehmen würde, um einem fremden Dom ins Gesicht zu sehen und ihm zu trotzen.
Mein Gott, ich respektierte ihn. Und ich wollte ihn. Ich konnte nicht dazwischen unterscheiden.
Das Feuer, das plötzlich in seinem Blut loderte, rief nach meinem eigenen, das wie ein Orkan durch meinen Körper tobte. Ich musste diese Kühnheit selbst schmecken, den Teil von ihm loswerden, der sie zurückhielt, und in ihrem Herzen stehen, sie um mich herum toben lassen, in dieser zarten Wut schwelgen…
Atmen. Der Gedanke kam wie aus der Ferne zu mir. Ich atmete tief durch und mein eigenes Gewicht brachte mich beinahe wieder ins Schwanken.
Ich war schon vorher von Slate verzaubert gewesen, aber jetzt war ich völlig gefesselt.
»Na schön«, flüsterte ich.
Wenn er sagte, das sei seine Grenze, musste ich sie respektieren. Isaac hatte eindeutig mindestens eine Grenze überschritten, und ich würde mir Slates Vertrauen niemals verdienen, indem ich es mit Füßen trat, um ihm zu helfen.
Also musste ich seinen Bluff aufdecken.
»Sch-schön?« Das kurze Stottern, egal wie klein es war, ließ mich geräuschvoll ausatmen.
Ja. Diese Reaktion, diese zögerliche Erleichterung, war ehrlich und unverfälscht. Er spielte keine Spielchen.
Ich nickte einmal, dann berührte ich seine Finger und ignorierte das Kribbeln, das mir bei dieser einfachen Berührung über den Rücken lief. »Also, bevor mir der Arm abfällt…«
Slate zuckte zusammen und zog seine Hand blitzschnell weg. »Tut mir leid«, murmelte er.
Aber ich nahm seine Hand und drückte sie, bis sein Blick wieder zu mir zurückkehrte. Als er das endlich tat, fragte ich: »Was brauchst du?«
»Ich…« Slates Stirn legte sich in Falten, und obwohl er ein paar Sekunden innehielt, schien er sich nicht auf Worte einigen zu können. Frustriert schüttelte er den Kopf. »Ich weiß nicht, was ich will.«
»Nein«, sagte ich und ließ seine Hand los, verschränkte die Arme und betrachtete ihn. Gott, ich wünschte, ich könnte ihn entwirren und die Teile vor mir ausbreiten. Ihn verstehen und ihn dann vorsichtig wieder zusammensetzen. »Was brauchst du?«
Da – ich sah es. Die Antwort war nur eine Sekunde lang in seinen Augen zu sehen, bevor sein Blick zur Seite glitt und sie verschwand. Ich war außer Atem, voll konzentriert auf jedes noch so kleine Zeichen.
Hatte er selbst je gespürt, dass sie da war, oder war er so von seinen eigenen Instinkten abgeschnitten, dass sie gekommen und spurlos wieder verschwunden war?
Slate schüttelte wortlos den Kopf, und meine Kehle schnürte sich zu. Er würde nicht antworten. Ich hatte es mir noch nicht verdient.
Das war, trotz meines verletzten Stolzes, fair.
Ich war nicht sein Dom.
Noch nicht, flüsterte dieselbe Stimme, die von Isaac gewusst hatte, und weil ich keine Ahnung hatte, was ich mit diesem Gefühl anfangen sollte, packte ich es in eine Kiste und verschloss sie so gut ich nur konnte.
Alberne, flüchtige Gedanken.
Ich wusste, was ich brauchte: Ich musste sein Vertrauen gewinnen.
»Komm, setz dich zu mir in den Laden«, schlug ich vor, nachdem ein paar Augenblicke vergangen waren. »Sei mein Glücksbringer.«
Ich musste wieder dorthin zurückkehren, wenn ich meinen ersten richtigen Kunden anlocken wollte. Es würde nicht lange dauern, bis die Leute bekommen hatten, was sie wollten, und den Club den Nächsten überließen.
»Ich bringe kein Glück«, murmelte Slate, und ich grinste. War das eine eigensinnige Ader? Oder war er so schwer verwundet? Wie dem auch sei, ich konnte das in Ordnung bringen. Wenn ich einen Abend mit ihm verbringen würde, könnte ich ihm dabei helfen, dass er sich selbst erlaubte, sich besser zu fühlen.
Auch ohne ihn zum Weinen zu bringen, damit ich mich daran aufgeilen kann, dachte ich und schluckte einen Seufzer herunter. Nennen wir es einen Akt der Nächstenliebe. Man sollte mich als Helden feiern.
»Ob ich nun Kunden bekomme oder nicht, habe ich heute Abend einen guten Fang gemacht.« Ich zwinkerte ihm zu und freute mich riesig, als er lächelte. Ich ging einen Schritt zurück zur Tür, zu Tony und zu meinem Laden, und reichte ihm die Hand.
»Komm, Junge«, bat ich leise. Aber es war kein Befehl, sondern ein Angebot.
Nun, wer hätte das gedacht.
Er nahm meine Hand. Er nahm meine verdammte Hand.
»Ja, Daddy.«
Und die Verletzlichkeit in seiner Stimme brach mich in Stücke. Ich sollte der Starke sein, aber in den Splittern meiner selbst pulsierte etwas Weiches und Ängstliches und… Erregtes.
Überglücklich. Ekstatisch. Richtig. Als wäre es so vorherbestimmt.
Mich hatten schon andere Männer – viele andere Männer – so genannt. Keiner hatte je diese Wirkung auf mich gehabt.
Bestimmt trogen mich meine Erinnerungen. Bestimmt hatten sie die gleiche Wirkung auf mich gehabt, und ich hatte es nur vergessen. Ich brauchte frische Luft, und zwar jetzt, oder ich würde etwas Dummes tun, wie ihn an mich ziehen und die Worte von seinen Lippen küssen, oder…
Ich führte ihn nach draußen, hob mein Gesicht zum dunklen Himmel und atmete tief durch. Ich konnte das tun – ich musste und ich würde es tun.
Aber was ich auf den wenigen Schritten zwischen dem dunklen, pulsierenden, dröhnenden Kink-Club und meinem hell erleuchteten, glänzenden neuen Laden nicht tun konnte, war, mich umzudrehen und ihn anzusehen.
Plötzlich breitete sich in meiner Brust die heiße, schwere, irrationale Angst aus, Angst, dass er in dem Moment, in dem ich es tat, verschwinden würde. Dass sich alles einfach in Luft auflösen würde.
Er würde verschwinden, kalte Füße bekommen und wegrennen, oder schlimmer noch, er würde sich auflösen wie ein Hirngespinst meiner überaktiven Heldenfantasien. Ich würde mich wieder an den Tresen lehnen, vor mich hin träumen und mich langweilen und aufregen und befürchten, dass ich mit dem Laden einen schrecklichen Fehler gemacht hatte.
Aber die Finger des Jungen waren warm. Seine breite Handfläche zitterte in meiner, zog sich aber nicht zurück. Ich stieß die Ladentür auf und schaute schließlich über meine Schulter, und Slate war immer noch da.
Zum ersten Mal lächelte er – und die Wärme in seinen Augen, die Grübchen in seinen Wangen, das weiße Aufblitzen seiner Zähne brachten die Welt wieder ins Gleichgewicht.
Aber ich befand mich immer noch im freien Fall.
Slate
»Ich hatte noch nie so viele Schwänze auf einmal in der Hand.« Ich ließ die Plastiktüte mit den kleinen penisförmigen Bonbons auf und ab wippen. »Die kleinen sind am süßesten.«
Rex lachte sofort, und seine Augen leuchteten auf, weil er meinen kindischen Scherz wirklich zu schätzen wusste. Als wäre ich keine Last, sondern als hätte er mich gern in seiner Nähe.
Gott sei Dank war ich jetzt aus dieser traumartigen, nebligen Welt heraus. Ich schämte mich ein wenig dafür, dass ich mich wie ein hilfloses kleines Ding benommen hatte. Ein Mann meines Alters sollte es nicht nötig haben, von einem Mann seines Alters verhätschelt zu werden. Ich schämte mich ein wenig dafür, von einem Daddy gerettet worden zu sein.
Dass ich mich retten ließ, obwohl ich es nicht verdient hatte.
Ungeachtet der Schuldgefühle wegen des unanständigen Leckerbissens hatte ich einen Cupcake und eine weitere Tasse grünen Tee gekauft, sobald wir in seinem Laden gewesen waren. Er hatte versucht, sie mir umsonst zu geben, aber ich hatte darauf bestanden.
Das hatte geholfen. Ich fühlte mich wieder mehr wie ein Mensch, weniger wie eine Flamme, die auf ihr Streichholz wartet – reines, unverwirklichtes Potenzial, reiner in seinem theoretischen Zustand. Schrödingers Gefahr.