Hart's Bay: Wo unsere Träume sich erfüllen - E. Davies - E-Book

Hart's Bay: Wo unsere Träume sich erfüllen E-Book

E. Davies

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Beschreibung

Sechs Monate sind vergangen, seit Ezra mit seinen Freunden in die kleine Stadt Hart's Bay gezogen ist. Die gemeinsame Kunstgalerie läuft gut, die Malerei ist immer noch sein Traum… aber irgendetwas fehlt. Bis ihm mit Rusty auf einmal der Mann seiner Träume über den Weg läuft – zu schade, dass er stockhetero ist. Während die beiden Männer sich miteinander anfreunden und Rusty so etwas wie eine Muse für Ezras Kreativität wird, ist das Knistern zwischen ihnen allerdings nicht zu leugnen. Aber besteht wirklich die Chance, dass Ezras aufkeimende Gefühle auf Gegenseitigkeit beruhen könnten? Band 3 der "Hart's Bay"-Reihe. Buch ist in sich abgeschlossen.

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Seitenzahl: 381

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Deutsche Erstausgabe (ePub) März 2021

Für die Originalausgabe:

Copyright © 2019 by E. Davies

Titel der Originalausgabe:

»Wild Hart«

Published by Arrangement with E. Davies

Für die deutschsprachige Ausgabe:

© 2021 by Cursed Verlag

Inh. Julia Schwenk

Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das der Übersetzung,

des öffentlichen Vortrags, sowie der Übertragung

durch Rundfunk und Fernsehen, auch einzelner Teile,

Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit

Genehmigung des Verlages.

Bildrechte Umschlagillustration

vermittelt durch Shutterstock LLC; iStock

Satz & Layout: Cursed Verlag

Covergestaltung: Hannelore Nistor

Druckerei: CPI Deutschland

Lektorat: Bernd Frielingsdorf

ISBN-13: 978-3-95823-871-8

Besuchen Sie uns im Internet:

www.cursed-verlag.de

Aus dem Englischen von Susanne Ahrens

Liebe Lesende,

vielen Dank, dass ihr dieses eBook gekauft habt! Damit unterstützt ihr vor allem die*den Autor*in des Buches und zeigt eure Wertschätzung gegenüber ihrer*seiner Arbeit. Außerdem schafft ihr dadurch die Grundlage für viele weitere Romane der*des Autor*in und aus unserem Verlag, mit denen wir euch auch in Zukunft erfreuen möchten.

Vielen Dank!

Euer Cursed-Team

Klappentext:

Sechs Monate sind vergangen, seit Ezra mit seinen Freunden in die kleine Stadt Hart’s Bay gezogen ist. Die gemeinsame Kunstgalerie läuft gut, die Malerei ist immer noch sein Traum… aber irgendetwas fehlt. Bis ihm mit Rusty auf einmal der Mann seiner Träume über den Weg läuft – zu schade, dass er stockhetero ist. Während die beiden Männer sich miteinander anfreunden und Rusty so etwas wie eine Muse für Ezras Kreativität wird, ist das Knistern zwischen ihnen allerdings nicht zu leugnen. Aber besteht wirklich die Chance, dass Ezras aufkeimende Gefühle auf Gegenseitigkeit beruhen könnten?

Für die Wagemutigen, Tapferen und Wunderbaren, deren Stärke in ihrer Sanftheit liegt.

Kapitel Eins

Ezra

»Vergiss nicht, es zu treiben!«

Ezra fuhr zusammen, als Aarons Stimme wie von einem superschwulen Nebelhorn durch die Straße getragen wurde. Doch als er seinem Mitbewohner über die Schulter hinweg einen finsteren Blick zuwarf, zwinkerte Aaron lediglich und schob die Zunge in die Wange, während er die Finger vor dem Mund krümmte, um einen Blowjob zu imitieren.

Ganz ehrlich, Aaron gefiel es einfach, die Leute in Verlegenheit und zum Erröten zu bringen. Wenn er nicht einer von Ezra Carters besten Freunden gewesen wäre, hätte er sich eine Retourkutsche in derselben Lautstärke eingefangen.

Aber Ezra war auf dem Weg zu einem Date, daher legte er sein bestes Benehmen an den Tag. Er zeigte seinem Freund nicht mal den Mittelfinger, als er die Werkstatttür der Seeglas-Galerie hinter sich zufallen ließ.

Eine Bewegung in der Ferne – jenseits des Liegeplatzes des schäbigen kleinen Jachthafens, der nur aus ein paar Anlegern und Stegen bestand – erregte seine Aufmerksamkeit.

Oh, mein zukünftiger Ehemann, dachte Ezra und hob die Hand zur Brust, als sein Herz sich zusammenzog.

Der Mann, der neben seinem Boot kauerte, war für Ezra ein Augenschmaus, seitdem er ihn vor ein paar Wochen zum ersten Mal an den Docks hatte herumhängen sehen.

Er hatte starke Schultern. Die Art, mit denen man Holzbalken stemmen konnte… oder Ezras. Sein kurzes Haar war von der salzigen Gischt zerwühlt, sein ausgeblichenes T-Shirt und seine Jeans saßen eng. Am besten war, dass er sich gerade aus einem wasserfesten Overall schälte. Selbst dessen unerbittlicher Stoff unterstrich den Hintern, der sich am ehesten als ein Wunder beschreiben ließ.

Unglücklicherweise trug er unter dem Overall Kleidung. Ein enttäuschtes Seufzen entfuhr Ezra.

Oh, dieser Mann sah so gut aus, dass Ezra die Jungs von ihm fernhalten sollte… Nur dummerweise war er nicht Ezras Date. Nur in seinen Fantasien.

Ezra war ihm nie näher gekommen als bei den beiden Gelegenheiten, bei denen er auf dem Parkplatz zwischen Galerie und Hafen an ihm vorbeigegangen war. Ezra hatte gelächelt und war zu seinem Wagen geflüchtet, bevor sie ein Wort miteinander wechseln konnten. Er würde nie genug Mut aufbringen, um zum Kai zu gehen und diesen Mann um eine Verabredung zu bitten. Sein zukünftiger Ehemann würde seinen Tagträumen überlassen bleiben.

Das Beste, was Ezra bekommen konnte, war Paul von Grindr, mit dem er sich jeden Moment treffen sollte – und der ihn zweifelsohne enttäuschen würde.

Ezra löste den Blick und schlenderte die Straße entlang auf die Bar zu. Er widerstand dem Bedürfnis, über die Schulter zum Jachthafen zu spähen, solange er konnte.

Er sollte sich glücklich schätzen, dass er gerade zum richtigen Zeitpunkt online gewesen war, um eine Verabredung für diesen Tag zu ergattern. Paul fuhr von Kalifornien ausgehend den Küsten-Highway entlang von einem Geschäftstermin zum nächsten. Er war einverstanden gewesen, sich auf einen Drink zu treffen und dann…

Spaß. Ezra war das Wort allmählich leid. Es traf nur teilweise zu. Und selbst dann gab es praktische Überlegungen im Auge zu behalten wie zum Beispiel, sich zu vergewissern, dass der Schatz für eine Nacht keine Axt hinter der Schlafzimmertür versteckt hielt.

Ach ja, die Romantik war nicht tot, solange es Grindr gab.

Ezra verdrängte seine Beklemmung, während er auf die vertraute Bar zuging. Er hatte seine Messlatte deutlich gesenkt, seitdem er hergezogen war; eine Stunde oder mehr von jeder anständig großen Stadt mit mehr als einer Handvoll potenzieller Freunde entfernt.

»'n Abend, Cher«, begrüßte er die Besitzerin von Cher's End Table, einer winzigen Spelunke, die das einzige Wasserloch der Stadt darstellte.

Keine Spur von seiner Verabredung. Es war Punkt sechs. Allerdings musste Paul vielleicht erst einen Parkplatz finden.

Ezras Gedanken kehrten zu dem Mann am Hafen zurück. Er hatte im Verlauf der letzten Wochen nur hier und da einen Blick auf ihn werfen können. Genug, um zu wissen, dass er neu in der Stadt war.

Vielleicht wagte er genau wie Ezra einen Neuanfang – jung, als Single und bereit, sich unter die Leute zu mischen. Er konnte es nur hoffen.

Über Paul gab es noch nichts zu träumen. Ezra hatte nur ein verschwommenes Foto von ihm gesehen, inklusive eines Filters, dank dem es aussah wie ein Kaufhausfoto aus den Achtzigern. Sein Profil war nahezu leer gewesen.

Ezra klammerte sich an die Hoffnung, dass Paul nicht wusste, wie man sich auf Social Media verkaufte, und bei einer Begegnung interessanter war. Er trank nervös eine erste Sprite, dann eine zweite.

Um Viertel nach war er sich ziemlich sicher, dass er versetzt worden war. Es war unmöglich, weiter als fünfzehn Minuten von der Bar entfernt zu parken.

Cher unterhielt sich mit Gregory, einem Iren, der stets mit seinem Pint an einem Ecktisch saß. Daher spielte Ezra mit seinem Handy und sah sich die Schlagzeilen der Nachrichten an, um interessante Gesprächsthemen zu finden.

Gerade als er aufgeben und sich zum Trost ein Sandwich im Supermarkt gegenüber kaufen wollte, schwang die Tür auf.

Ganze zwanzig Minuten nach dem verabredeten Zeitpunkt trat ein Mann ein, der vage an Pauls Profilfoto erinnerte. Sein Blick glitt suchend durch die Bar und bestätigte, dass er Ezras Verabredung war.

Ezra erhob sich halb und winkte, um seine Aufmerksamkeit zu erregen. Sein Herz stolperte wie immer bei einem ersten Date. Dies war der Moment, in dem man den ersten Eindruck hinterließ.

»Hey«, grüßte er, während er den Mann musterte. Zumindest sah Paul aus wie auf dem Foto. Er hatte einen breiten, viereckigen Kiefer und trübe Augen. Als er den Tisch erreichte, sah er sich um, als suchte er nach etwas Interessanterem als Ezra, auf das er sich konzentrieren konnte.

»Hey.« Paul zog sein Handy hervor und spielte damit. »Ich hol mir was zu trinken.«

»Klar, sicher.« Ezra verschränkte die Hände und wartete. Er sah zu, wie Paul zur Bar ging und sich auf den Rückweg machte, sein Blick war die ganze Zeit aufs Handy geheftet.

Als er den Tisch erreichte, legte er es beiseite und sah Ezra endlich an. Er musterte ihn von oben bis unten, als bewertete er ihn. »Du bist also Ezra.«

Bereits jetzt ging Ezras Hoffnung in Enttäuschung über. Doch jeder verdiente die Chance, einen guten Eindruck zu hinterlassen. »Hallo. Du musst Paul sein. Das hoffe ich jedenfalls«, scherzte er und versuchte es mit einem Lächeln.

Paul erwiderte es nicht. »Gut.« Er trank von seinem Bier und sah sich erneut um. »War noch nie hier.«

»Es ist eine hübsche, kleine Stadt.« Ezra war erst vor ein paar Monaten nach Hart's Bay gezogen und kannte bereits reihenweise Geschichten über sie. Abgesehen von den tragischen Konsequenzen für sein Liebesleben hatte der Umzug ihm neue Türen geöffnet.

Pauls ungläubiges Grunzen bremste seinen Enthusiasmus. »Klar.« Er nahm erneut sein Handy an sich und begann, auf dem Display herumzudrücken.

Okay, vielleicht musste er interessanter sein. Ezra spielte mit seinem Haar und wickelte sich die glatten roten Strähnen um den Daumen. »Hattest du auf der Arbeit einen guten Tag?«

»Nein.« Es gab keine weitere Ausführung – Paul sprach knapp, der Ton kurz angebunden.

Okay, Scheiße. Vielleicht hatte er einen miesen Tag hinter sich. Ezra versuchte es noch einmal. »Oh, das tut mir leid. Hast du wenigstens noch was Nettes vor?«

»Ja, mit dir.« Paul sah ihn endlich an und trank von seinem Bier. »Warte, bis ich ausgetrunken habe. Muss runterkommen.«

»Also ein stressiger Tag«, bemerkte Ezra. Sein Magen verkrampfte sich. Er war nicht sicher, ob er aufs Paul Angebot, was Spaß anging, zurückkommen wollte. Aber was konnte es schaden? Vielleicht stellte er sich im Bett als großartig heraus.

»Ja. Mein Kunde gibt einen Scheiß auf mich, weißt du?« Es war der erste vollständige Satz, den Paul von sich gegeben hatte, und machte Ezra Mut. Er nickte, um zu zeigen, dass er zuhörte, während Paul fortfuhr. »Mein Chef auch nicht. Sie erwarten einfach nur Perfektion. Immer. Immer«, wiederholte er und hob das Bier. »Das ist so beschissen.«

»Uffz. Ich hatte ein paar ziemlich miese Jobs…«, begann Ezra.

»Kein Witz. Es geht nur um den Gehaltsscheck, weißt du?« Paul nahm einen langen Zug Bier und verengte die Augen. »Du machst was Kreatives, oder? Medienknirps?«

Fast, aber ganz anders. »Ich bin Maler.«

»Ha.« Pauls Gelächter war kurz und erreichte nicht seine Augen. Er sah wieder auf sein Handy und trommelte und tippte auf dem Display herum, ohne etwas zu sagen.

Zwischen ihnen breitete sich Schweigen aus, während Ezra mit seiner Sprite spielte und versuchte zu entscheiden, was er tun sollte. Er verdiente etwas Besseres, das wusste er. Aber es war nichts Besseres verfügbar, von daher…

»Magst du Kunst oder so?«, fragte er.

Paul leerte mit ein paar langen Schlucken und zurückgelegtem Kopf sein Bier. Selbst Ezras Interesse an seinem hüpfenden Adamsapfel und den gespitzten Lippen um die Öffnung der Flasche war eher… künstlerisch begründet als alles andere.

Er stellte sich vor, diese Szene zu malen, jedoch ohne Pauls Gesichts zu zeigen. Nur vom Mund abwärts bis zum Schlüsselbein, die Lippen um die Flasche geschlossen, den zornigen Zug um die Mundwinkel.

Paul seufzte und rülpste, nachdem er ausgetrunken hatte. Er setzte die Flasche mit einem scharfen Klonk auf den Tisch. »Bist du immer so nervig?« Im Vergleich zu dem rüden Tonfall, den er jetzt anschlug, hatte er zuvor angenehm warm und enthusiastisch geklungen. »Ich hab nicht die ganze Nacht Zeit. Lass es uns hinter uns bringen.«

Ezras Wangen wurden heiß, doch bevor er etwas sagen konnte, fiel sein Blick auf Pauls Display. Er hatte Grindr offen – und nicht nur das Programm, sondern auch einen Chatverlauf mit einem anderen.

Keine weiterführenden Hintergedanken bei ihm also, dachte er kläglich. Paul suchte wirklich nur nach einer schnellen Nummer. Wenn nicht mit Ezra, dann mit jemandem in der Umgebung.

Und Ezra hatte nicht einmal ein gutes Date gehabt, seitdem er vor sechs Monaten die Stadt hinter sich gelassen hatte. Er hungerte und mit ihm seine Muse.

Seine Kunst ging ihm zurzeit nicht leicht von der Hand. Die mangelnde Befriedigung schlich durch seinen Geist und verdüsterte seine Gemälde. Sie hatten ihren Charme und ihre Originalität verloren, die er sonst stets in seine Arbeit einfließen ließ. Einfach mal Dampf abzulassen, mochte die angezogenen Schrauben wieder lösen.

Ezra starrte einen Moment in seinen Schoß. Sein Selbstwertgefühl und aufrichtiger Ärger bremsten seine Zunge. Aber er musste es nicht lieben. Er musste nur mitziehen.

»Entschuldige.« Die Stimme, die sie unterbrach, gehörte nicht Paul. Aber sie war forsch und ebenso rüde.

Als Ezra aufsah, wurde ihm am ganzen Körper warm, als würde eine Tausend-Watt-Lampe jeden Winkel seines Herzens anstrahlen.

Er war es. Der Mann vom Jachthafen.

Sein Geruch – Meerwasser, Öl und Schweiß, vermischt mit Seife – hinterließ sofort einen Eindruck bei Ezra. Von seinem Platz aus konnte er jede Schattierung der blauen Augen erkennen. Sein zerzaustes blondes Haar sah weich aus.

»He, Mann.« Er sah Paul mit gerunzelter Stirn an, die Arme verschränkt. Aus der Nähe wirkten sie noch muskulöser. Er sah wie ein Racheengel aus – ein Wall aus Muskeln und Zorn. »Wenn du den Mann hier nicht anständig behandeln kannst, kannst du dich genauso gut verpissen.«

Paul grinste ihn höhnisch an. »Was geht dich das an?« Er langte über den Tisch, um nach Ezras Hand zu greifen.

Ezra zuckte zurück. Sein Magen drehte sich. Plötzlich ließ ihn der Gedanke, dass Paul ihn auch nur ansah, von Kopf bis Fuß zittern. »Nein, er hat recht. Man muss sich nicht wie ein Arsch benehmen, um an einen dranzukommen.«

Paul zuckte die Schultern und stand auf. »Fein«, stieß er aus. Das abschätzige Wort ließ Ezra zusammenfahren. »Schlampen wie dich gibt's im Dutzend billiger.«

Der Mann vom Jachthafen lockerte die Arme, doch Ezra berührte ihn am Ellbogen, um ihn daran zu hindern, Paul zu folgen. »Nein«, flüsterte er.

Elektrizität knisterte zwischen ihnen. Nicht auf statische Art, sondern so, dass ihm aus unerklärlichen Gründen schwindelig wurde.

Sofort wurde die Miene des Mannes sanfter und er wandte sich Ezra zu, hörte ihm zu. »Sicher? Ich wette, ich könnte den Arsch von hier aus quer über den Platz werfen.«

Die Vorstellung ließ Ezra lächeln. Er strich mit einem Finger über den Arm des Fremden bis zu den starken Bizeps. »Ja, ich wette, das könntest du.«

War dies der falsche Moment für einen Flirt? Er war sich allerdings nicht sicher, ob es je einen richtigen Augenblick geben würde, daher ergriff er diesen mit beiden Händen.

Da war noch etwas anderes, das er gern mit beiden Händen umfassen würde.

Ezras Schwanz pulsierte vor Hitze. Er reagierte auf die Energie seines Gegenübers. Er hatte kaum mehr als zehn Worte zu Ezras Schutz gesagt, doch Ezra wollte ihn bereits.

»Wie kann ich dir danken?«, fuhr Ezra fort und senkte die Wimpern.

Der Typ grinste und löste sich von ihm, wenn auch deutlich sanfter als Paul, der abrupt auf Distanz gegangen war. Er setzte sich auf Pauls verwaisten Platz. »Nicht nötig. Ich bin nur froh, dass ich dir nichts verdorben habe. Er war nicht dein Typ, oder? Ich bin nur ein dummer Hetero-Kerl. Ich wollte nicht irgendeinen schwulen Balztanz stören, über den ich einen Scheiß weiß.«

Neeeein. Ezra musste nicht vorgeben zu schmollen, als er das Kinn auf die Faust stützte. »Du hast nur meine Chancen verdorben, ein bisschen verdorben zu sein.«

Verdammt, dieser Mann hatte sich Bonus-Blowjobs verdient und er wollte sie nicht mal einlösen? Nicht, dass Ezra seinen Schwanz vor diesem Zwischenfall ausgespuckt hätte, doch nun war er besonders motiviert, ihm einen Gefallen zu erweisen.

Verdammt, warum muss er hetero sein?

»Aber er hat mich ziemlich abgetörnt«, fügte Ezra hinzu. Er hatte das Bedürfnis, das klarzustellen. »Er war ganz und gar nicht mein Typ.«

»Wer denn sonst?«

»Dumme Hetero-Kerle.« Ezra zwinkerte. »Besonders, wenn ich ihren Namen kennen. Ich bin Ezra.«

Sein Gegenüber lachte erneut, dann griff er über den Tisch, um Ezra fest die Hand zu schütteln. »Rusty«, stellte er sich vor. »Ich bin geehrt, aber ich glaube, du hast bei einem anderen dummen schwulen Kerl eher eine Chance. Es muss doch bessere Fische im Meer geben.«

»Ich hab's gerade mit einem versucht.« Ezra nickte zur Tür hinüber. »Sie sind entweder vergeben, wie ein Bruder für mich oder Arschlöcher, die nur hinter einem her sind.«

Rusty runzelte die Stirn. »Okay, lass mich dir einen Drink spendieren und du kannst dich bei mir darüber auslassen. Das ist das Mindeste, was ich tun kann, nachdem ich deine… äh.«

»Sexbekanntschaft?« Ezra sondierte das Terrain, um herauszufinden, ob er Rusty in Verlegenheit bringen konnte. »Als Date geht er nicht durch, weil er mir keinen Drink gekauft hat.«

Prompt liefen Rustys Ohren rot an und Ezra strahlte. Okay, irgendwie verstand er Aaron. Hetero-Jungs das Blut ins Gesicht zu treiben, war hinreißend.

Rusty grinste. »Also, was kann ich dir holen?«

»Einen Mojito, bitte«, sagte Ezra. Sein Herz flatterte unvernünftigerweise. Es hatte keinen Sinn, sich auf diesen Mann einzulassen. Er war nett und alles, aber er hatte klargemacht, dass er hetero war.

Was es umso mysteriöser machte, dass er Ezra beigesprungen war, um ihm zu helfen. Ohne im Gegenzug etwas zu erwarten. Vielleicht ließ er es auf einen längeren Vorlauf ankommen. Viele Heteromänner hatten nichts gegen einen Blowjob einzuwenden, solange sie sich nicht revanchieren mussten.

Das war Wunschdenken, oder?

Nur einmal kurz lecken. Er stellte sich vor, wie er später betteln würde – auf den Knien liegend und den harten Körper entlang starrend, um in Rustys schöne blaue Augen zu sehen.

Verdammt, er wurde hart. Ezra rutschte umher und verschränkte die Beine. Er grub die Fingernägel in den Oberschenkel, um das Bild zu vergessen. Oder es sich zumindest für später aufzuheben, wenn er allein war.

Eine Minute später kam Rusty mit einem Bier und einen Mojito zurück. Letzteren schob er zu Ezra.

»Danke. Das ist wirklich zu nett von dir«, sagte Ezra. Er glühte immer noch innerlich und lächelte dumm. Rusty hatte eingegriffen, ohne sich darum zu scheren, dass er Paul störte. Und was noch besser war: Er hatte keine Szene verursacht. Er hatte sich dem Rüpel rasch, ruhig und effektiv entgegengestellt.

Das reichte, um Ezra ins Wanken zu bringen. Noch nie hatte sich ein Mann so für ihn eingesetzt.

»Kein Problem.« Rusty beugte sich mit seinem Bier nach vorn, um anzustoßen. »Selbst ich sehe, dass du viel zu süß für ihn bist. Wenn ich muss, such ich dir von Hand Kandidaten aus, aber gib nicht solchen Arschlöchern nach, die dich nur fertigmachen wollen. Du bist mehr wert als das.«

Rusty klang eisern entschlossen und Ezra musste tief durchatmen, um mit so viel Intensität fertigzuwerden. Es war schwindelerregend, Rustys Blick auf sich lasten zu spüren. »Woher willst du das wissen?«

»Ich war in der Galerie und habe deine Arbeiten gesehen«, sagte Rusty lächelnd. »Sie sind wirklich klasse.«

Ezra klappte der Mund auf. Keiner der anderen – seine Mitbewohner und Kollegen in der Künstlerkooperative – hatten ihm gesagt, dass dieser Mann zu Besuch gewesen war. Er würde ihnen später in den Hintern treten. »Oh!«

»Du bist der Maler, stimmt's?«, fragte Rusty. »Der Typ, mit dem ich gesprochen habe, hat es mir gesagt.«

»Ja, bin ich!«

Augenblick, ich bin ihm aufgefallen, bevor er meine Bilder gesehen hat? Ezra hätte auf der Stelle als glücklicher Mann sterben können. Er hatte dem Mann am Jachthafen immer wieder heimliche Blicke zugeworfen, wenn er an sonnigen Tagen draußen zu Mittag aß. Doch ihm war nie aufgefallen, dass er zurückgeschaut hatte.

Was die Fragen aufwarf, auf die Ezra sich einlassen wollte. Wie zum Beispiel: Würde sich ein Hetero-Mann wirklich nach mir erkundigen?

Daraus würden Fantasien für fünfhundert Stunden erwachsen. Ezras Herz konnte den Schmerz, der sich am Ende dieses Weges befand, nicht gebrauchen.

»Und du… fährst raus aufs Wasser?«, erkundigte sich Ezra. Es war ein bisschen weniger seltsam zuzugeben, dass er Rusty bereits gesehen hatte, wenn das Interesse auf Gegenseitigkeit beruhte. »Ich habe dich am Hafen gesehen. Das ist übrigens kein Satz, den ich normalerweise zu Heteros sage.« Er konnte nicht anders, als es noch einmal darauf ankommen zu lassen, herauszufinden, wie Rusty reagierte.

Rusty war nicht beleidigt. Genau genommen warf er lachend den Kopf zurück. Seine Zähne blitzten und er wirkte daraufhin unvernünftigerweise noch hübscher. Verflucht, wer hatte ihm das erlaubt?

Ezras Brust weitete sich und er konnte wieder atmen, als ihn Erleichterung erfasste. Er hatte nicht vorgehabt, dafür zu sorgen, dass Rusty sich unwohl fühlte.

»Ja, ich war in letzter Zeit oft dort unten«, stimmte Rusty zu. Er dachte einen Moment nach. Eine hinreißende kleine Linie bildete sich über seinen Brauen. Dann setzte er sein Bier ab. »Genau genommen und bevor ich austrinke: Willst du eine Runde um den Hafen drehen?«

»In deinem Boot?« Ezra horchte auf. »Ich war noch nie auf dem Meer.«

»Im Ernst?«

Ezra lachte. »Ich bin in Seattle aufgewachsen. Ich habe mal die Zehen ins Wasser gehalten. Aber ich habe nie eine Fähre genommen oder so. Und ich bin nicht wirklich der Outdoor-Fischer-Typ. Hatte nie die Gelegenheit.«

»Tja, dann lass uns das ändern.« Rusty grinste. »Ist ehrlich gesagt nur eine Ausrede zum Angeben.«

Ezra lachte leise. Er gab sich nicht mal die Mühe, Haltung zu bewahren. Oh, das hat er ja schon getan, als er mich gerettet hat, dachte er. Jetzt muss ich mich nur davon abhalten, ihm an den Hals zu springen.

Die Sonne war bereits untergegangen und die Nacht kam mit raschen Schritten näher. Die ersten Sterne waren vermutlich schon zu sehen, aber es war noch nicht finster.

Ezra hatte von einem heterosexuellen Mann keine Einladung zu einer romantischen Spazierfahrt erwartet. Aber sie war genau das, was ihn aufmuntern könnte.

»Liebend gern«, antwortete Ezra. Die Wand, die er zwischen sich und seinen Fantasien zu errichten gehofft hatte, zerfiel zu Staub, als er Rusty zur Tür folgte.

Vielleicht war es für seinen Geist wichtiger, dass er seinen Tagträumen nachgab, als Sex zu haben. Das genaue Gegenteil von dem, was er beinahe getan hätte, aber es war immer noch derselbe Abend.

Was konnte ein Abend schon schaden?

Kapitel Zwei

Rusty

Ein langer Tag auf dem Wasser bremste nicht Rustys Begeisterung, noch einmal für eine schnelle Runde rauszufahren – und dieses Mal würde er seinem neuen Freund die Freuden der Bootsfahrt nahebringen.

Sicher, er war nicht auf diese Weise an Ezra interessiert, aber wer hätte nach dem, was er mit angehört hatte, nicht eingegriffen? Rustys Blut kochte immer noch, so wenig er von dem Arschloch auch mitbekommen hatte.

Er hatte Ezras strahlendes Lächeln zuvor nur ein paar Mal gesehen, doch jetzt war es zurück. »Danke noch mal«, sagte Ezra leise. Er rang die Hände, während er zu Rusty hinübersah.

Rusty winkte ab. Hitze kroch ihm in die Wangen. Er hatte es nicht getan, um gelobt zu werden – es war eindeutig das Richtige gewesen. »War mir ein Vergnügen. Wirklich.«

Aber er konnte den Gedanken nicht abschütteln. Ezras Miene war kein Vergleich zu dem Gesicht, das er gezogen hatte, als er Paul im Cher's gegenübergesessen hatte. Die Schultern gesenkt und den Blick auf den Tisch gerichtet, eindeutig mit dem beschäftigt, von dem er glaubte, es verdient zu haben.

Gott, nein. Das war einfach falsch.

Es freute Rusty, Ezras leichte Schritte zu sehen. Die Enden seiner langen, glatten roten Haare flatterten in der Brise. Er stieß sich beim Gehen mit den Zehen ab und gestikulierte beim Reden mit den Händen.

Er erinnerte Rusty an einen Wassergeist oder Meermann. Zu erfahren, dass er nie zuvor auf dem Wasser gewesen war, hatte ihn überrascht. Daran konnte er etwas ändern – und es würde Ezra auch weiter aufmuntern.

Vom ersten Moment an, in dem er bemerkt hatte, dass Ezra ihn von der Tür zur Kunstgalerie aus beobachtete, hatte Rusty ihn sofort ins Herz geschlossen. Er hatte ab und zu gesehen, wie Ezra mit seinen Freunden lachte und sich mit Kunden unterhielt.

Etwas an ihm weckte Rustys Neugier und er war sich noch nicht sicher, was das war.

Er führte Ezra an der inzwischen vertrauten Baustelle entlang zum Hafen. Ein altes Lagerhaus wurde zu Ladenflächen umgebaut. In den wenigen Wochen, seitdem Rusty wieder zu Hause war, hatten sie riesige Fortschritte gemacht. Das Schild am Zaun verriet, dass in wenigen Wochen die große Eröffnung stattfinden würde. Anders als jede andere Baustelle schien diese im Zeitplan zu sein.

»Weißt du etwas über diese Sache?«, fragte Rusty im Vorbeigehen, um ein Gespräch anzustoßen.

»Oh, ja!« Ezra folgte Rusty zu dem Bogen, der die Zugänge zu den Kais einrahmte. »Ich male für jeden einzelnen Laden ein Wandgemälde. Ein paar meiner Freunde haben damit zu tun.«

Rusty lächelte angesichts dieser Neuigkeiten. »Das ist großartig.« Bereits jetzt war Hart's Bay nicht zu vergleichen mit der Stadt, die er vor fünf Jahren hinter sich gelassen hatte. Er konnte sich nicht erinnern, wann es zum letzten Mal eine Neueröffnung gegeben hatte.

»Ja, ich bin froh, dass die Investoren mich gebeten haben mitzuarbeiten. Ich fertige für die Rückwand jeder Einheit eine andere Hafenszene an.« Ezra rieb sich das Kinn. »Obwohl ich ein bisschen hinterherhinke. Aber ich werde schon noch aufholen.«

»Davon bin ich überzeugt.« Rusty trat auf die Rampe, die zum Holzsteg führte. Das Metall war durchlöchert und die Kanten nach oben gebogen worden, um besseren Halt zu gewähren. »Pass auf, es ist glitschig.«

Ezra nickte, ging vorwärts – und rutschte sofort aus.

Adrenalin schoss in Rustys Körper, als Ezra mit den Armen ruderte. Der Rotschopf war der schlanke und schlaksige Typ, der nur aus Gliedmaßen zu bestehen schien, besonders jetzt. Er fing sich am Geländer, den Körper halb verbogen.

»Wow!« Instinktiv legte Rusty den Arm um Ezras Taille und zog ihn eng an seine Brust. Mit der anderen Hand griff er nach dem Geländer, um ihnen beiden Halt zu geben.

Angesichts ihrer eng aneinandergedrängten Körper – Rusty stand über einem von Ezras Oberschenkeln und Ezras Schulter drückte gegen seine Brust – konnte Rusty nicht anders, als auf die Nähe zu regieren. Für einen verrückten Moment wünschte er sich, sie trügen keine Winterjacken.

Gott, er brauchte Sex, aber sein trauriges Liebesleben war eine andere Geschichte.

Ezra errötete, klammerte sich immer noch mit einer Hand an das Geländer und mit der anderen an Rustys Arm. »Entschuldige. In diesen Schuhen habe ich überhaupt keinen Halt.«

Rusty spähte auf die Converse an Ezras Füßen und verdrehte spielerisch die Augen. Die Dinger waren vollkommen glatt. »Stadtjungs«, zog er ihn auf. »Muss ich dich gleich ins Boot heben?«

Er drehte leicht das Becken und lockerte seinen Griff um Ezra. Sein Körper hatte nach langer Durststrecke auf natürliche Weise auf die Nähe eines anderen Menschen reagiert und dessen widersprüchliche Signale konnte keiner von ihnen brauchen. Allerdings ließ sein halber Ständer sich verdammt viel Zeit, sich zu verpissen.

Ezra klimperte dramatisch mit den Wimpern. »Tragischerweise könnte es dazu kommen«, hauchte er und ließ Rusty dann los. »Ich komme zurecht.«

Rusty behielt dennoch eine Hand in Ezras Nähe, als sie die Rampe zu dem ebenen, aber nicht weniger glatten Steg hinuntergingen.

Es war unmöglich zu übersehen, dass Ezra mit ihm flirtete, und Rusty hatte nicht das Geringste dagegen einzuwenden. Er konnte ein Kompliment annehmen, auch wenn er in romantischer Hinsicht nicht zu der betreffenden Person passte. Zudem war Ezra objektiv betrachtet hinreißend, was das Kompliment umso gewichtiger machte.

Beim zweiten Mal, als Ezra ins Wanken geriet, rutschte er nicht direkt aus, aber sein Blick huschte schuldbewusst in Rustys Richtung. »Alles gut.« Also definitiv eine Landratte.

Rusty nahm Ezras Arm. »Nein, ist es nicht«, sagte er lachend. »Ich kann dich nicht absaufen lassen.«

»Was für ein Gentleman«, schnurrte Ezra und legte die Hand um Rustys Arm. So aus der Nähe roch er angenehm – irgendwie nach Kokos und Blumen. »Mein Abend hat sich gerade gewaltig verbessert.«

»Gut«, sagte Rusty und nickte zustimmend. Er war nach wie vor empört, dass jemand sein Gegenüber so behandelte; besonders Ezra mit dem freundlichen Wesen und der talentierten Seele. Was immer er tun konnte, um Ezra aufzumuntern und um ihn daran zu erinnern, dass er nicht auf ein Arschloch wie Paul zurückgreifen musste, war gut.

Außerdem konnte er vielleicht einen neuen Freund finden. Die meisten seiner Kumpel aus Schulzeiten hatten genau wie er Hart's Bay verlassen. Nun, da er nur noch seine Familie und seinen besten Freund Pascal in der Stadt hatte, konnte er mehr Freunde seines Alters gebrauchen.

Nachdem er das Verdeck geöffnet hatte, trat Rusty ins Boot und streckte die Hände aus, um Ezra zu helfen. Ezra trat auf ihn zu und balancierte vorsichtig mit einem Fuß auf der Reling.

Das ging auf keinen Fall. Rusty konnte sich allzu gut vorstellen, wie er stolperte und zwischen Bootswand und Anleger geriet. Er wusste nicht so viel über die Sicherheit auf dem Wasser wie seine Eltern und die ältere Generation von Hart's Bay, aber das war eine der ersten Lektionen überhaupt.

Statt abzuwarten, bis Ezra ins Wanken geriet, packte Rusty ihn um die Taille und hob ihn ins Boot. Er wusste bereits, dass Ezra so leicht war, dass sein Gewicht kein Problem darstellte.

»Holla!« Ezra lachte leise und wankte, als Rusty ihn absetzte. »Stark.«

»Oh, danke schön.« Rusty zwinkerte. »Es wäre ja auch eine Schande, wenn niemand die ganzen Bizeps-Curls zu schätzen wüsste.«

»Ich kann dir versichern, dass ich sie sehr zu schätzen weiß. Vielleicht gehöre ich nicht zu deiner Zielgruppe, aber trotzdem…« Ezra gab vor, sich Luft zuzufächeln.

Rusty nahm grinsend die Rettungswesten aus der verschlossenen Kiste am Heck. Das Boot war nicht groß – nur etwa sechs Meter lang und mit einem Außenbordmotor versehen – , aber was wichtiger war, dass es umsonst gewesen war. Sein bester Freund hatte es vor ein paar Jahren gekauft und nicht viel genutzt. Nun, da es wieder einsatzbereit war, reichte es für ihre Zwecke.

»Zieh die an, bevor wir losfahren«, sagte Rusty und warf Ezra die orangefarbene Weste zu.

Ezra fing sie, wenn auch mit Schwierigkeiten. »Schau mal! Ich habe Sport getrieben!« Er hielt die Weste wie einen Pokal in die Höhe, bevor er sie sich über den Kopf zog und sich verneigte.

Rusty brach in Gelächter aus. Als er die Bootstour angeboten hatte, war er nicht davon ausgegangen, ebenfalls aufgemuntert zu werden. Aber das wurde er dank der netten Gesellschaft, des Mondlichts und der Aussicht auf eine gemütliche Bootsfahrt. Ezras Ausgelassenheit mochte er jetzt schon.

All der Stress wegen der Arbeit und seines Mangels an Freunden war bereits verschwunden. Pascal war prima, aber sie sahen sich derzeit nur selten.

Rusty zog seine Weste über und schloss sie. Anschließend versuchte er, nicht zu lachen, als Ezra gegen die Schnallen stieß und den Hals verrenkte, um zu sehen, was er tat. »Lass mich dir helfen.«

Ezra schürzte seufzend die Lippen. Für einen Moment sahen sie lächerlich weich aus. Ganz anders als Rustys von Salz und Seeluft raue Lippen. »Zeigt sich mein innerer Stadtjunge wieder?«

Rusty schüttelte den kurzen Augenblick der Faszination ab und nickte. »Absolut.« Er nahm ein Band nach dem anderen und zog es an. Zwischendurch schielte er zu Ezra, um sicherzustellen, dass er sie nicht zu sehr spannte.

Für ein paar Sekunden lag eine Anspannung zwischen ihnen in der Luft, die Rusty nicht ganz verstand. Er war es nicht gewöhnt, seine männlichen Freunde anzufassen, bevor er sie auch nur richtig kannte, doch er hatte das Gefühl, dass Ezra kein Problem damit hatte.

»Dieses Orange passt nicht zu meinen Haaren«, beschwerte Ezra sich, als Rusty auf der anderen Seite ankam und das letzte Band festzerrte. Das störte den Moment und Rusty konnte plötzlich wieder atmen.

»Oh nein. Es bricht mir das Herz«, neckte Rusty ihn, woraufhin Ezra auflachte. »Ich werde dir eine mit Designeraufdruck besorgen.«

»Danke. Alles, aber kein Tiermuster.«

Rusty grinste und startete mit ein paar harten Zügen den Motor, dann nahm er auf dem Fahrersitz Platz. »Oranges Tarnfleckmuster also.«

Ezra setzte sich auf den rutschigen, geriffelten Sitz und überkreuzte aufgesetzt die Knie. »Nicht orange. Aber in normalem Tarnfleckmuster würde ich großartig aussehen. Grün passt gut zu roten Haaren.«

Es war schwer, einem Blick auf die langen, glatten Strähnen zu widerstehen, als Ezra mit den Fingern durch sein glänzendes Haar strich und die Spitzen in den Kragen der Rettungsweste steckte. Sie sahen lächerlich verführerisch aus. Wäre es verrückt, Ezra zu fragen, ob er seine Haare streicheln durfte? Ja, entschied Rusty und biss sich auf die Zunge.

Er löste das Boot von den Pollern und holte die Seile ein, dann kehrte er hinter das Lenkrad zurück und steuerte sie vom Anleger weg.

»Oh! Das schaukelt.« Ezra schloss fest die Finger um die Reling, die Augen weit aufgerissen.

»Alles in Ordnung?« Rusty legte seine Pläne für eine höhere Geschwindigkeit fürs Erste auf Eis und warf Ezra einen Seitenblick zu. Jetzt würden sie herausfinden, ob er schnell seekrank wurde.

»Ja, ja«, versicherte Ezra lachend. »Es ist nur anders, als ich erwartet hatte.« Sein Tonfall war leichtherzig und neugierig, frei von Angst.

»Kannst du schwimmen?«, fragte Rusty.

Ezra starrte ihn an und wurde blass. »Ja. Warum?« Er schielte zurück zum Hafen, als wollte er die Entfernung abschätzen.

Rusty lachte auf und klopfte Ezra auf die Schulter, eine Hand nach wie vor auf dem Lenkrad. »Keine Sorge. Ich zieh dich nur auf.« Außerdem war es gut zu wissen, falls es zu einem Notfall kam. Rettungswesten waren gut, aber Schwimmunterricht war dennoch ein Muss.

»Oh! Du Idiot«, keuchte Ezra. Sein Schreck wich Gelächter. »Wenn du uns umkippst und ich Salzwasser in die Haare bekomme, werde ich für mindestens zehn Minuten nicht mit dir reden.«

Rusty schnaubte. »Ich gebe mein Bestes, um uns aufrecht zu halten.«

Bisher waren die Bewegungen des Bootes keine Herausforderung für Rusty, während er auf den Wellenbrecher zusteuerte. Es war eine ruhige Nacht, von daher würde es draußen nicht viel wilder zugehen. Aber es ging immer noch um das Meer und die Bedingungen auf dem Wasser konnten sich innerhalb einer Sekunde ändern.

»Da wären wir«, verkündete er, als sie in den sanften Wellengang der Küste einfuhren. Es war ein herrlicher Tag für den späten November, daher schaukelte das Boot kaum mehr als zuvor.

»Ieks!« Ezra hielt sich eisern an der Reling fest, aber er lächelte.

»Komischerweise mag ich es, wenn ich schneller fahre und die Wellen höher sind. Fühlt sich irgendwo fester an. Bei dieser Geschwindigkeit spürt man jede kleine Woge und jedes Schaukeln, weißt du?« Rusty steuerte die Küstenlinie an. Er wollte eine kleine Schleife drehen.

»Kann ich aufstehen?«, fragte Ezra links hinter ihm.

»Mach nur«, ermutigte Rusty ihn lächelnd. Er hielt das Lenkrad gerade, während sie an der Küste entlangglitten.

Ezra wankte wie ein Rehkitz, blieb jedoch stehen. Instinktiv trat er in die Mitte des Boots und griff nach der Kante des Verdecks, das die vordere Hälfte und damit Rustys Platz bedeckte. »Oh. Oh, das ist irgendwie… cool.«

»Gar nicht so schlecht hier draußen?«, fragte Rusty.

Ezra strahlte. »Ganz und gar nicht.« Er hielt eine Weile das Gesicht in den Wind. Seine Haare lösten sich aus dem Kragen der Rettungsweste und flogen hinter ihm her.

Es kostete Rusty alle Selbstbeherrschung, weiterhin die Augen nach treibenden Baumstämmen, Seehunden, Felsen und anderen Hindernissen offen zu halten, statt Ezra anzustarren. Er sah unglaublich gut aus, wie ein Model.

War das Neid? Rusty konnte das Gefühl, das ihm einen Knoten in der Brust versetzte, nicht zuordnen. Er versuchte, es loszulassen und sich zu entspannen.

Nachts war es hier draußen sogar noch friedlicher als tagsüber. Er würde auf dem Wasser leben, wenn er könnte. So aber lieferte ihm die Arbeit vom Boot aus eine Ausrede, um den ganzen Tag draußen zu sein.

Irgendwann ging Ezra unsicheren Fuß nach vorn und setzte sich auf den linken Sitz unter dem Verdeck. Abwechselnd sah er durch die Frontscheibe und zu Rusty. Als hätte er seine Gedanken gelesen, fragte er: »Was machst du beruflich?«

»Oh. Äh.« Röte legte sich auf Rustys Wangen und er wand sich. Diese Situation war ihm allzu vertraut und die Pointe war er selbst.

Das letzte Mädchen, mit dem er sich zusammentun wollte – die letzte Frau in einer langen Reihe gescheiterter Zwei-Wochen-Beziehungen –, hatte ihm ins Gesicht gelacht und ihn sofort abserviert, als er ihr erzählt hatte, für welche Arbeit er nach Oregon zurückzog. Auch gut. Eine Fernbeziehung zwischen Oregon und Maine war sowieso nicht die beste Idee gewesen.

»Das ist… so eine Sache. Hat mit dem Meer zu tun. Und dem Boot.«

Ezra ließ ihn nicht vom Haken. Er grinste, verschränkte die Arme und drehte sich auf dem Sitz zur Seite. »Jetzt machst du mich neugierig. Bootspornos?«

»Was?«, schrie Rusty auf. Das Boot wankte leicht, als seine Hände vom Lenkrad abrutschten. »Nein. Oh Gott. Gibt es so was?«

»Im Internet gibt es alles«, ließ Ezra ihn weise wissen. »Pornos rund um Boote könnten scharf sein. Allerdings nicht hier oben. Kalt und nass hier.«

»Es geht nicht um Pornografie«, sagte Rusty hastig und in dem Versuch, die Unterhaltung wieder in eine Richtung zu lenken, die nicht auf jene merkwürdig unvertraute Weise Hitze unter seine Haut steigen ließ.

Ezra setzte die Ellbogen auf die Knie und beugte sich nach vorn, das Kinn auf die Fäuste gestützt. »Hmm?« Er war das Sinnbild der Neugier und seine Aufmerksamkeit ließ Rusty nur noch dunkler anlaufen. Er drehte am Lenkrad, um in einer Schleife zum Hafen zurückzukehren, falls das Gespräch peinlich werden sollte.

»Ähm«, begann er, sobald offensichtlich wurde, dass es keinen Ausweg gab, und schluckte. Wird schon schiefgehen. »Ich baue eine Seegrasplantage auf.«

Doch statt ihn auszulachen, horchte Ezra auf. »Was? Wirklich?« Einen Moment lang wusste Rusty nicht, wie er reagieren sollte. Ezras Ausruf hatte aufgeregt geklungen, nicht höhnisch.

»Ja… Es ist ein Pionierprojekt.« Rusty warf ihm einen Seitenblick zu. »Größtenteils kultiviert man das Seegras hierzulande in großen Tanks. Aber man denkt darüber nach, an der Küste Unterwasserflächen anzumieten, falls es gut läuft und die Industrie wächst.«

»Das ist so cool. Ich liebe Sushi«, sagte Ezra grinsend.

Das war die übliche Reaktion. Rusty lachte. »Diese Sorte pflanze ich noch nicht an, aber für die Zukunft habe ich es vor.«

»Wie bist du dazu gekommen?«, fragte Ezra. Er schenkte Rusty mehr Aufmerksamkeit als der dunklen Küstenlinie, die er zur Navigation nutzte.

Das Plätschern des Wassers, das Rauschen des Winds entlang des Verdecks und der Geschmack der salzigen Seeluft waren beinahe hypnotisch, besonders an einem so herrlich klaren, ruhigen Abend wie diesem.

Rusty verlangsamte die Fahrt. Er wollte nicht, dass ihr Ausflug so bald endete. »Ich bin nach Maine gezogen, um als Reiseführer zu arbeiten. Das hat nicht für die Rechnungen gereicht, aber dann habe ich von einem Job erfahren, bei dem man wildes Seegras sammeln sollte. Hat sich als ziemlich lukratives Geschäft erwiesen. Ich habe so viel gelernt wie möglich, dann bin ich wieder nach Hause gekommen, um es hier zu versuchen.«

»In Hart's Bay? Das ist eine großartige Idee.« Soweit es in der Dämmerung erkennbar war, sah Ezra begeistert aus. »Die alten Einwohner wissen viel über das Meer. Und es gibt Lagerhäuser und andere Gebäude, in denen man die Ernte unterbringen könnte. Und es liegt in der Nähe von Portland, der Hippie-Hochburg, um die Ware zu verkaufen.«

»Genau. Du hast gerade meinen Geschäftsplan zitiert. Wenn nur alle so optimistisch wären.« Rusty lächelte, obwohl der Gedanke bittersüß war.

»Wer denn nicht? Die sind verrückt«, sagte Ezra entschieden. »Ignorier sie.«

Rustys Lippen zuckten, dann konnte er nicht anders, als zu lachen. »Meine Eltern.«

»Oh Scheiße.« Ezra bedeckte den Mund, dann wedelte er mit beiden Händen in Rustys Richtung. »Ich meine, ignorier mich.«

»Das würde mir schwerfallen.« Rusty schielte ihn von der Seite an und grinste, als ihm bewusst wurde, dass ihm unbewusst die Wahrheit herausgerutscht war.

Er wusste nicht, wie er die Faszination für Ezra interpretieren sollte, aber wenigstens wusste er jetzt, dass sie ihn nicht fehlgeleitet hatte. Er hatte in ihm bereits einen standhaften Freund gefunden.

»Aber nein, du hast recht. Ich werde dafür sorgen, dass es funktioniert, und ihnen zeigen, dass sie falschliegen.« Rusty zuckte die Schultern und lenkte das Boot auf den Hafen zu. »Und ich kann verstehen, warum sie zögern, ihr Vertrauen noch einmal in das Meer als Lebensunterhalt zu setzen.«

Ezra schnappte nach Luft. »Waren sie auch von dem… Zusammenbruch betroffen?«

Rusty nickte. »Dad hat auf einem der Schiffe der Harts gearbeitet und Mom im Vertriebsbüro. Ich sage ihnen immer wieder, dass das hier etwas anderes ist und dass wieder Gold in den Wellen steckt, aber… ich kann es ihnen nicht vorwerfen.«

Ezra nickte schweigend, dann legte er ihm eine Hand aufs Knie. »Trotzdem, ich finde dich wirklich tapfer.«

Plötzlich verschwamm die Frontscheibe. Rusty blinzelte ein paar Mal, als er die Geschwindigkeit drosselte und auf den Jachthafen zuhielt.

Er konnte es nicht riskieren, Ezra anzuschauen. Sonst würde er sich blamieren. Er fand es toll, dass Ezra ohne Zögern seinen Gefühlen Ausdruck verlieh, aber es war auch irritierend.

»Danke«, brachte Rusty endlich hervor und deutete nach vorn. »Kannst du dir ein Tau nehmen und dich an die Seite stellen, ohne ins Wasser zu fallen?«

Ezra lachte. »Klar.« Er sprang auf die Füße und ging vorsichtig zum Heck. »Soll ich springen?«

»Nein!« Rusty verbog sich beim Schreien beinahe auf seinem Sitz. Die Idee versetzte ihn in Panik. Er würde den Motor abschalten und Ezra nachspringen müssen, alles in der Hoffnung, dass sie nicht unter das Boot gerieten…

Nun war es an Ezra, zu lachen. »War ein Scherz. Würde ich nie wagen«, versicherte er. Er strahlte. »Aber danke, dass du auf einen dummen Stadtjungen aufpasst.«

Rusty winkte ab und konzentrierte sich darauf, sanft anzulegen. An einem ruhigen Tag wie diesem war es leicht, zentimeterweise an den Kai heranzugleiten, sodass Ezra nur nach der Klampe greifen musste. Anschließend setzte Rusty zurück und schaltete den Motor ab.

Er schob sich an Ezra vorbei, als er auf den Anleger sprang, das Tau nahm und es um den Poller wickelte. Mit dem Bugtau wiederholte er den Vorgang, dann kam er wieder an Bord, um seine Rettungsweste auszuziehen.

»Das war super«, stieß Ezra aus, sobald er sich von seiner Weste befreit hat. Er reichte sie Rusty und wartete vor dem Aussteigen auf Rustys Hand.

Okay, Rusty bildete sich das Kribbeln nicht ein, als er Ezras Taille umfasste, um ihn aus dem Boot zu heben. Das war neu für ihn.

War das etwa… eine Schwärmerei?

Rusty klappte der Mund auf. Beinahe ließ er Ezra ins Wasser fallen, aber sein Instinkt rettete ihn. Sein Griff um Ezra war so fest, dass der Rotschopf quiekte und seine Hände beiseite schlug, sobald er festen Stand auf dem Kai gefunden hatte.

»Entschuldige.« Rusty lachte leise und versuchte, den plötzlichen Gedanken abzuschütteln.

Es konnte unmöglich eine Schwärmerei sein. Doch auf der anderen Seite hatte er nie wirklich mit einer Frau geschlafen, von daher… Es könnte erklären, warum er nie lange genug mit einer Frau zusammen sein konnte, um mit ihr ins Bett zu gehen.

»Was ist los?« Ezra warf ihm einen neugierigen Blick zu.

Scheiße. Deckung hoch, befahl Rusty sich. Er lächelte und suchte nach einem Thema, das sich nicht um Wenn du lächelst, macht mein Schwanz komische Sachen drehte. »Malst du gern die Natur?«

»Ja, klar.«

»Wenn du möchtest, nehme ich dich mal tagsüber mit nach draußen. Wandern, Kajak fahren, solche Sachen. Ich gehe auch oft campen.« Rusty wusste kaum, was er redete. Alles, was er wusste, war, dass er Ezra wiedersehen wollte.

Vielleicht war es nur eine Kombination aus Einsamkeit und der Reaktion auf ein Kompliment. Ezra hielt ihn eindeutig für heiß. Wer würde sich nicht geschmeichelt fühlen?

Rusty musste herausfinden, was dahintersteckte, und das konnte er nicht, indem er herumsaß und nachdachte.

»Das wäre großartig!« Ezra strahlte. »Danke. Ich brauche gerade dringend eine neue Perspektive, um wieder in den Tritt zu kommen.«

Ja, das Gefühl kannte Rusty. »Gern.«

Er nahm erneut Ezras Arm, um ihn nach oben zu führen, aber dieses Mal war ihm bewusst, wie er sich mit Ezras Hand auf seinem Arm fühlte.

Als wäre er der große, starke Beschützer und Ezra die zarte Blume, die er von den Füßen reißen und vor den großen, bösen Elementen dort draußen beschützen wollte.

Vielleicht war es eine platonische, freundschaftliche Schwärmerei. Wie damals, als er seine liebsten Kollegen bei der Arbeit in Maine kennengelernt hatte und so viel Zeit wie möglich mit ihnen verbringen wollte.

Ja, versuchte Rusty sich zu überzeugen, als sie das obere Ende der Rampe und damit trockenen Boden erreichten. Das war es vermutlich.

Trotzdem. Als er sich umdrehte, um sich von Ezra zu verabschieden, hatte er das Gefühl, dass sie sich nach einem herrlichen Date verabschiedeten.

»Danke für alles«, sagte Ezra lächelnd. »Lass uns unsere Nummern austauschen, damit wir uns treffen können.«

Jepp. Treffen. Definitiv.

Nachdem Rusty Ezra zum Abschied gewinkt hatte und sie in ihre Autos gestiegen waren, startete er nicht sofort den Motor. Stattdessen saß er in der Dunkelheit und hörte zu, wie das Brummen von Ezras Wagen um die Ecke verschwand.

Der Herbstabend war zur Nacht geworden, während sie auf dem Wasser gewesen waren. Warum kam es ihm vor, als wäre ein heller Sommermorgen aufgezogen, der endlich einen hartnäckigen Nebel vertrieb?

Kapitel Drei

Ezra

Die Seifenblase platzte, sobald Ezra auf die Herzlich-willkommen-Fußmatte auf der Veranda trat.

Er war zu Hause – und von jetzt an würde dieser Abend wie jeder andere sein. Abendessen mit seinen Mitbewohnern, Fernsehen, vielleicht ein Brettspiel mit viel Geschrei und ein oder zwei Flaschen Wein, die sie sich teilten.

Es war nicht schlecht. Alles, was recht war: Seine Künstlerfreunde und er hatten Glück, sich dieses große, alte Haus teilen und dabei Geld sparen zu können. Das war besser, als quer über Portland verteilt darum zu kämpfen, die Miete für ein Ein-Zimmer-Apartment zusammenzubringen. Ihr neuer Mitbewohner Benji war eingezogen. Er hatte Jesses Zimmer übernommen, nachdem Jesse bei ihrem attraktiven Nachbarn eingezogen war.

Aber nun befand Ezra sich wieder in der wirklichen Welt. Nicht auf einem Ausflug im Mondlicht mit seinem Traummann, der ihm immer wieder Seitenblicke zuwarf, während ihr Boot eine gerade Schneise durch das klare Wasser pflügte.

Ezras Knie wurden allein beim Gedanken, wie romantisch der Abend gewesen war, wieder weich. Er wollte quietschen und durch die Tür stürmen und seinen Freunden von allen Einzelheiten berichten.

Doch gleichzeitig wollte er sich nicht der Realität stellen: dass Rusty einfach ein netter heterosexueller Mann war, der die Chance ergriffen hatte ihn aufzumuntern.

Ezra war nicht jung und dumm. Na ja, jung, aber nicht so dumm. Nicht umsonst lautete die erste Regel der schwulen Welt: Verlieb dich nicht in Heterojungs.

Das Erste, was alle ihm sagen würden, wäre, dass er sich keine Hoffnungen machen sollten. Genau genommen würden sie ihn zuerst eine Runde aufzuziehen, Ezra sagen, dass er ihn sich holen sollte. Und es würde umso schlimmer sein zu wissen, dass sie nur scherzten und dass sie alle nur um die unausgesprochene Wahrheit herumtanzten: Es war nur eine Fantasie.