Ferne Giraffen - Achim Kaul - E-Book
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Achim Kaul

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Beschreibung

Was wartet am Point Nemo? Schläft Leander wirklich? Wer ist der blinde Maler? Gibt es Giraffen in New York? Was geschah in Leslie James' Haus? Wie verschwand Elisa? Was weiß Ora Mae Wiley? Wen sah die Frau in Schwarz? Acht Fragen. Acht Geheimnisse. Acht Storys. Nichts ist wie es scheint und vieles verwirrt, verblüfft in diesen ungewöhnlichen Geschichten. Sie sind leicht zu lesen, aber sie gehen nicht mehr aus dem Kopf.

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Seitenzahl: 130

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Achim Kaul

Ferne Giraffen

8 Storys

 

 

 

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Noahs Gleichung

Schlafstörung

Mann im Park

Ferne Giraffen

Die Sache mit Leslie James

Beim Gehen im Sand

Gold Point

Ein sattes Blau

Impressum neobooks

Noahs Gleichung

Vorbemerkung

Diese Geschichten saßen mit mir an einem rauchigen Holzfeuer, verbargen sich hinter einem Schwarzweißfoto, starrten mich aus einem Spiegel an, verfolgten mich im Unterholz, überfielen mich im Treppenhaus, trieben mich mitten in der Nacht aus dem Bett, gingen im Gewitterregen unter meinem Arm spazieren, standen mit mir am verlassenen Bahnsteig und versammelten sich nach langem Palaver und zähem Streit um die Reihenfolge (die nach Meinung der meisten nur eine vorläufige ist) entgegen aller Wahrscheinlichkeit in diesem Buch. Einige erschienen auch wie ferne Giraffen in der unerforschten Savanne meiner Fantasie und es war schwierig genug, sich ihnen unbemerkt zu nähern. Sie zu lesen braucht es Zeit, eine Tasse Tee und einen gemütlichen Platz am Fenster, um die Gedanken fliegen zu lassen. Denn sie werden kommen.

In dieser Nacht verschwanden sie. Danach fand Noah keinen Schlaf mehr. Die Seekarte — er starrte auf das Y, mit dem er Point Nemo dort markiert hatte. Ja, sie waren aus seinem Leben verschwunden. Endgültig. Doch ein Gedanke quälte ihn.

Frühmorgens tappte er auf bloßen Füßen an Deck.Die frische Morgenbrise fegte die Müdigkeit aus seinen Augen, seinen Schultern, seinen Armen und Beinen. Er streckte sich und sog die Meeresluft tief in seine Lungen, die so sehr an Nikotin gewöhnt waren. Er klopfte die Taschen seines Pyjamas ab und fluchte leise. Seine Augen wanderten den Horizont entlang, ohne sich an etwas festhalten zu können. Eine Hand an der Reling, begann er seinen Rundgang. Bei dem Gedanken an die letzte Nacht blieb er für einen Moment stehen und schob ein paar Strähnen aus der Stirn.

»Ganz schön öde, was?« Die Stimme Kapitän Lindseys riss Noah aus seinen Grübeleien. Der spöttische Unterton entging ihm nicht, doch er sparte sich eine Antwort. »Point Nemo. Da wollten Sie ja unbedingt hin. Jeweils 1450 Seemeilen bis Ducie Island oder bis zur Osterinsel oder bis zur Antarktis. Wir sind am entlegensten Ort der Erde.«

»Es sind 1451,52 Seemeilen, Kapitän«, brummte Noah.

»Richtig, ich vergaß, dass Sie großen Wert auf genaue Zahlen legen. Kein Wunder, als Mathematiker.«

»Ich bin sicher, Sie haben es nicht vergessen. Ihre Versuche, Konversation zu machen, sind unangebracht.«

Lindsey verzog keine Miene. »Aber wo wir schon mal bei Zahlen sind, sagen Sie mir doch mal, welche Tiefe der Pazifik hier hat.«

»Eine exakte Zahl hab ich nicht. Rund 4000 Meter. Genügt Ihnen das?«, fragte Lindsey und steckte sich eine Zigarette an, ohne Noah eine anzubieten. Der Rauch wehte Noah für einen Moment ins Gesicht. Er schloss die Augen.

»Das genügt mir, in diesem Fall«, sagte er und wandte sich ab.

»Wie geht es jetzt weiter?«, wollte Kapitän Lindsey wissen.

»Zurück nach Auckland.«

»Sie haben Ihr Ziel also erreicht?« Noah drehte sich nicht um. Lindsey beobachtete, wie die Schultern des Mannes sich hoben, als er tief Luft holte.

»Ich habe alles erledigt«, antwortete er.

»Schön zu hören, dann gebe ich der Mannschaft Bescheid.«

»Tun Sie das. So schnell wie möglich!« befahl Noah und ging in seine Kabine. Lindsey sah ihm lächelnd nach.

Im Laufe des Tages frischte der Wind stark auf. Lindsey ließ die volle Leinwand setzen. Es war ein gutes Schiff. Das Beste, das er je unter seinem Kommando gehabt hatte. Die Reise von Neuseeland bis zu diesem ominösen Punkt im Pazifik war ohne große Zwischenfälle verlaufen. Er verstand sein Metier und die Mannschaft war von der schweigsamen und zuverlässigen Sorte. Dennoch hatte er von Anfang an ein ungutes Gefühl. Es war ihm kein einziges Mal gelungen, ein vernünftiges Gespräch mit diesem Mann zu führen, der ihn in Auckland angeheuert hatte. Die Tatsache, dass niemand Professor Noahs Kabine betreten, ja nicht einmal einen Blick hineinwerfen durfte, regte Lindseys Fantasie an. Noah zeigte sich tagsüber selten an Deck. Erst als sie sich ihrem Ziel näherten, änderte sich das. Er erschien vormittags und stellte sich wortlos an die Reling. Mittags verschwand er zum Essen in seiner Kabine und kam am frühen Abend erneut heraus um nach der aktuellen Position zu fragen. Am Vorabendhatten sie Point Nemo erreicht.

»Halten Sie heute Nacht diese Position!«, war Noahs Anweisung gewesen. Dann ging er in seine Kabine und verschloss sie wie üblich.

Lindsey schlief unruhig und wusste nicht warum. Nach Mitternachtweckte ihn ein Geräusch. Es hörte sich an, als ob etwas ins Wasser geworfen worden wäre. Wenig später wiederholte es sich. Er eilte an Deck. Der Mann am Ruder hatte nichts bemerkt. Lindsey suchte mit seiner Taschenlampe das Meer ab, doch die schwarzen Wellen gaben nichts preis. Als er an Noahs Kabine vorbeikam, hörte er ein leises Klicken. Ein Schlüssel wurde herumgedreht. Lindsey dachte eine Sekunde lang daran, an die Tür zu klopfen und Noah zu fragen, ob er auch etwas gehört hatte. Doch dann traf ihn die Erkenntnis, dass Noah an Deck gewesen sein musste, und dass er etwas ins Meer geworfen hatte. »Mit dem Mann stimmt was nicht«, dachte er, bevor er sich wenig später in seiner Koje umdrehte und wieder in seinen unruhigen Schlaf fiel.

Am folgenden Tagnahmen sie, wie von Noah angeordnet, Kurs auf Auckland, Neuseeland. Am Abend überprüfte Lindsey den Kurs, als er das Steuerruder von dem Norweger übernahm, der der schweigsamste der Mannschaft war. Er hatte das Abendessen in seiner Kajüte eingenommen und wollte rechtzeitig wieder an Deck sein, bevor Noah erschien und nach der Position fragte. Der Wind wehte unvermindert stark. Sie mussten nach seiner Einschätzung mehr als 70 Seemeilen seit dem Morgen Richtung Osten zurückgelegt haben, deutlich über dem Durchschnittswert der letzten Wochen. Zu seiner Überraschung blieb Noahs Kabine verschlossen. Er hatte sie seit dem Morgen nicht verlassen. Lindsey zuckte mit den Schultern. »Was soll’s«, dachte er, »soll er mir doch aus den Augen bleiben bis Auckland.

Er führte, wie jeden Abend um diese Zeit, seine Messung mit dem Sextanten durch. Er stellte seine Berechnung an und blickte stirnrunzelnd auf das Ergebnis. Der Sextant wog schwer, als er ihn für eine zweite Messung zur Hand nahm. Er legte ihn nach ein paar Minuten zur Seite und holte sein Satellitennavigationsgerät. Es war auf dem neuesten Stand der Technik und funktionierte einwandfrei. Daher zeigte es auch das gleiche Ergebnis an, das er mit Hilfe des Sextanten errechnet hatte. Zwei Mal errechnet hatte!

Er warf einen Blick auf die unter dem Wind prall gespannten Segel und lief zum Bug, der sich in voller Fahrt rhythmisch in die Wellen des Pazifiks bohrte. Alles war, wie es besser nicht sein konnte. Mit einer Ausnahme. Ihre Position stimmte nicht. Sie konnte einfach nicht stimmen, denn wenn sie korrekt war, hatten Sie nicht eine einzige Seemeile seit dem frühen Morgen hinter sich gebracht.

Im Gegenteil, sie befanden sich an exakt derselben Position, die sie gestern Abend erreicht hatten, dem Pol der Unerreichbarkeit.

Lindsey verstand die Welt nicht mehr. Er war ein erfahrener Kapitän, den nichts aus der Ruhe bringen konnte. In diesem Augenblick jedoch befiel ihn ein Frösteln.

Vorerst wollte er seine Entdeckung für sich behalten. Es war sinnlos, die Mannschaft zu beunruhigen, und Noah war offenbar an ihrer derzeitigen Position noch nicht interessiert. Er beschloss, bis Mitternacht selbst am Ruder zu bleiben und es dann an den zuverlässigsten der Mannschaft zu übergeben. Der Wind hielt an, er nahm eher noch zu. Lindsey würde die nächste Messung nach Sonnenaufgang vornehmen. Bis dahin, so hoffte er, würde sich das Rätsel von selbst lösen. Die ganze Nacht segelte die Quim prächtig vor dem Wind. Am nächsten Morgen war er zeitig an Deck. Der Mann am Ruder nickte ihm wortlos zu.

»Alles in Ordnung«, murmelte Lindsey beschwörend, »alles in Ordnung«, und ging mit seinem Sextanten ans Werk.

Er führte drei Messungen durchundbefragte zudem das Satellitennavi. Es gab keinen Zweifel: Sie waren nicht von der Stelle gekommen.

Das Ungeheuerliche war Realität. Die Realität war ungeheuerlich.

Er sah übers Meer dem Tag entgegen. Er wusste die großen Rennen waren vorbei. So schnell würde sich kein anderes Schiff in diesen Teil des Pazifiks verirren. Es konnte Wochen oder Monate dauern. Ein Schauer überlief ihn.

Professor Isaac Noah saß in seiner Kabine an dem winzigen Tisch, den er von der Innenwand heruntergeklappt hatte. Zwei aufgeschlagene Notizbücher hatten so gerade eben Platz darauf. Noah hatte in einem geschrieben und im anderen gelesen. Er war in eines der großen ungelösten Probleme der Mathematik vertieft, der »Goldbachschen Vermutung«. So einfach diese klingt (»jede gerade Zahl, die größer als zwei ist, ist Summe zweier Primzahlen«), so diffizil scheint es, sie mathematisch exakt zu beweisen oder zu widerlegen und das seit mehr als 270 Jahren. Seit vorletzter Nacht, seit sie für alle Zeit aus seinem Leben verschwunden waren, konnte er an seiner Lösungstheorie arbeiten. Er hatte seine Notizen aus früheren Jahren erstmals seit langer Zeit ohne zu zittern zur Hand nehmen können.

»Du verschwendest deine Zeit!«, hatte sein Vater gesagt, »und, was unverzeihlich ist, du verschwendest auch meine! Sieh den Tatsachen ins Auge! Du bist zu außergewöhnlichen Leistungen nicht fähig!« Er hatte mit seinem Zeigefinger nach ihm gestoßen wie mit einem Bajonett. »Mittelmaß! Das ist auf deiner Stirn eingraviert! Du bist die größte Enttäuschung meines Lebens! Das ist der einzige Superlativ, der auf dich zutrifft!« Jedes Wort brannte wie Feuer in Noahs Seele.

Schlimmer noch war das Gesicht seiner Mutter an jenem Tag. Ihr unbarmherziger Blick, ihre Miene, als betrachtete sie einen miserablen Schüler. Mit einem geringschätzigen Zungenschnalzen verpasste sie dem Urteil seines Vaters ein ehernes Siegel. Die Meinung seiner Eltern stand so fest wie der Satz des Pythagoras. Sie gehörten zu den größten Mathematikern ihrer Zeit. Sein Leben, seine Arbeit an der Universität von Stanford, seine Ernennung zum Professor für Mathematik waren in ihren Augen nichts wert, weil es eine Allerweltskarriere, ein Allerweltsleben war.

»Ich werde keinen einzigen Gedanken mehr an dich verschwenden!«, war das letzte gewesen, das sein Vater zu ihm gesagt hatte. Dieses Gespräch war in sein Gedächtnis eingeätzt. Noah hatte seit jenem Tag mit aller Macht versucht, das Gleiche zu tun, keinen einzigen Gedanken an seine Eltern mehr zuzulassen. Es war hoffnungslos. Nach etlichen Jahren in therapeutischer Behandlung kapitulierte er. Dieses Ziel blieb unerreichbar.

Er zog sich zurück von dem Universitätsleben, von seinen Kollegen, von seiner Arbeit. Er verkaufte seine Wohnung und ging nach Neuseeland. Dort baute er sich eine Holzhütte und lebte als Einsiedler, dem jeder menschliche Kontakt zuwider war, bis ihn eines Tages die Nachricht vom Tod seiner Eltern erreichte.

Sie waren mit dem Auto verunglückt. Sein Vater hatte sich verkalkuliert. Das erste und letzte Mal in seinem Leben. Er war auf dieser Brücke in Ohio zu schnell unterwegs. Es herrschte leichter Frost und es regnete. Ein Antippen des Bremspedals genügte. Sie kamen ins Schleudern, durchbrachen das Brückengeländer und stürzten mit ihrem Volvo 80 Meter tief in ein Flussbett.

Noah berechnete, wie lange sie in der Luft, wie lange sie zu Tode entsetzt gewesen sein mussten. Er rahmte diese Berechnung ein und schrieb das Todesdatum daneben. Vorlage für die Grabinschrift.

Doch dann las er von Point Nemo.

Er flog nach Ohio, ließ seine Eltern einäschern und kehrte mit den Urnen zurück nach Neuseeland. Er kaufte das Schiff, die Quim, heuerte Kapitän Lindsey und eine Mannschaft an und stach in See. Nach 16 Tagen hatten sie den Pol der Unerreichbarkeit erreicht.

An diesem Punkt im Südpazifik hatte er seine Eltern, die so großen Wert auf Superlative legten, 4000 Meter tief für immer versenkt. Die eisigsten Eltern der Erde begraben am entlegensten Ort der Erde. Diese Gleichung war perfekt. Noah war zufrieden. Er konnte seine Arbeit an einem der größten mathematischen Probleme wieder aufnehmen.

Sein Blick fiel auf die Tasse voller Zigarettenkippen. Er stand auf, um sie zu entsorgen und frische Luft zu schnappen.

Lindsey stand am Ruder und versuchte, seine Gedanken zu sortieren. Er überschlug ihre Vorräte an Wasser und Proviant. Sie waren ausreichend, aber knapp kalkuliert. Er beschloss, sich mit dem Hafen in Auckland in Verbindung zu setzen, um herauszufinden, ob nicht doch ein anderes Schiff in absehbarer Zeit ihren Kurs kreuzen würde.

Noahs Kabine öffnete sich und er trat an Deck. Lindsey beobachtete, wie er eine Tasse voller Kippen und Asche ins Meer schüttete.

»Guten Morgen, Sir«, sagte Lindsey. Noah hatte keine Lust auf eine Unterhaltung und nickte abwesend. Lindsey wollte es jetzt wissen. »Sir, ich habe Sie gehört. Sie warfen vorgestern Nacht etwas ins Meer.« Noah ignorierte diese Bemerkung, doch Lindsey blieb hartnäckig. »Vorgestern Nacht. Ich habe zweimal was ins Meer fallen hören. Sie waren an Deck.« Noah dachte einen Moment daran, einfach wieder in seiner Kabine zu verschwinden. Er war diesem Lindsey keine Rechenschaft schuldig. Andererseits gab es keinen Grund, ein Geheimnis daraus zu machen. Und tief in seiner Brust steckte auch der Wunsch, es laut auszusprechen. Er hob die leere Tasse und drehte sie demonstrativ um.

»Asche«, sagte er, »es war Asche. Die Asche meines Vaters und die Asche meiner Mutter. Verwahrt und luftdicht versiegelt in zwei Urnen aus rostfreiem Stahl.« Lindsey starrte ihn an.

»Sie haben ihre Eltern beerdigt? Am Point Nemo?«

»Ich hielt den Ort für angemessen.« Lindsey verarbeitete stirnrunzelnd, was er soeben gehört hatte. »Ich möchte heute nicht gestört werden«, sagte Noah im Anflug seines neuerwachten Selbstvertrauens. »Ich habe zu arbeiten. Ich sehe Sie heute Abend.« Er nickte Lindsey kurz zu und ging.

Den ganzen Tag über hielt der starke Wind an. Lindsey versuchte vergeblich, eine Verbindung mit Auckland herzustellen. Es gelang ihm lediglich, eine Nachricht abzusetzen, in der er ihre Koordinaten nannte und den für alle, die ihn je hören sollten, rätselhaften Satz hinzufügte:

»Wir kommen hier nicht weg.«

Als Noah am Abend seine Kabinentür öffnete, warf Lindsey seine halbgerauchte Zigarette über Bord und verschränkte die Arme. Noah kam gutgelaunt zu ihm herüber. Er war auf einen vielversprechenden Lösungsansatz zur »Goldbachschen Vermutung« gestoßen.

»Nun Lindsey, wie sind die Koordinaten? Wir müssen in den letzten sechsunddreißig Stunden ein gutes Stück Pazifik hinter uns gelassen haben.« Lindsey hielt ihm das Satellitennavi hin. Noah warf einen Blick darauf. »Was soll das? Da waren wir vorgestern schon. Point Nemo muss mehr als 200 Seemeilen hinter uns liegen.«

»Ganz meine Meinung, Sir«, sagte Lindsey, »aber das hier ist unsere aktuelle Position. Wir haben nicht eine einzige Meile geschafft.« Noah schnaubte ungläubig.

»Sie wissen so gut wie ich, dass das unmöglich ist.

Wir machen mindestens sechs Knoten die Stunde. Dieses elektronische Zeug taugt einfach nichts. Geben Sie mir den Sextanten!«

»Ich habe unsere Position ein halbes Dutzend Mal mit dem Sextanten überprüft. Wir haben uns nicht vom Fleck bewegt.« Noah starrte ihn verärgert an.

»Das ist Blödsinn, Lindsey! Geben Sie her!« Noah war nicht geübt darin, den Sextanten zu gebrauchen. Lindsey stand am Ruder und sah ihm zu. Er dachte daran, die Mannschaft einzuweihen. Mit ihm und Noah waren sie zu acht. Der Platz im Beiboot würde reichen. Aber sie hatten mehr als 1400 Seemeilen vor sich. Ihre Chancen standen 1 zu 50, wenn sie es schafften, eine der Tankerrouten zu erreichen. Noah legte den Sextanten aus der Hand. Er hatte seine Messung mehrmals wiederholt. Die Quim pflügte mit unverminderter Geschwindigkeit durch den Südpazifik. Noah warf einen Blick in die Takelage und starrte dann aufs Meer hinaus.

»Wie ist das möglich?«, murmelte er konsterniert.

»Sir, ich denke, das ist die falsche Frage. Mich interessiert viel mehr, was wir tun werden.«

»Wie meinen Sie das?«

»Unsere Vorräte reichen für etwa zwei Wochen. Wir versuchen es mit dem Beiboot.«

»Sind Sie verrückt geworden?«

»Fakt ist, dass in dieser Gegend monatelang kein Schiff aufkreuzen wird. Fakt ist auch, dass wir mit der Quim von hier nicht wegkommen.« Noah funkelte ihn an.