FEUER UND FLAMME: Konflikte als Zündfunken für Figuren, Plots, Themen und Spannung - Stephan Waldscheidt - E-Book

FEUER UND FLAMME: Konflikte als Zündfunken für Figuren, Plots, Themen und Spannung E-Book

Stephan Waldscheidt

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Beschreibung

Konflikte und der Versuch, sie aufzulösen, ergeben Ihren Roman. FEUER UND FLAMME erläutert, was genau Konflikte sind und was jeder Konflikt unbedingt braucht. Spoiler: Konflikt ist und leistet so viel mehr, als Sie glauben. Die Grundsteine für Ihren Roman legen Sie mit der Vorgeschichte Ihres Protagonisten. Aus seinen Bedürfniskonflikten entwickeln Sie die Figuren, den Plot und das Thema – gemeinsam, tiefgründig und psychologisch überzeugend. FEUER UND FLAMME führt Sie Schritt für Schritt durch diese Vorgeschichte und gibt Ihnen eine einfache und schlüssige Methode, wie Sie jeden Aspekt Ihres Romans entwerfen und entwickeln. Egal, ob und wie Sie planen und plotten – FEUER UND FLAMME lässt Sie endlich verstehen, wie Plot, Struktur und Dramaturgie entstehen und wie Sie Ihren Roman so viel besser machen können. FEUER UND FLAMME verrät Ihnen, wie Sie komplexe, unvergessliche Figuren erschaffen. FEUER UND FLAMME zeigt Ihnen Konflikt als Grundlage für Spannung und Suspense und wie Sie auch Ihren Roman zu einem von der ersten Seite an aufregenden Erlebnis machen. Von einem Praktiker für Praktiker geschrieben. Auf den Punkt. Mit zahlreichen Beispielen aus Romanen, Filmen und Serien. Verständlich und sofort in Ihrem Roman oder Drehbuch umsetzbar. Stephan Waldscheidt. Einfach bessere Romane schreiben. schriftzeit.de

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Seitenzahl: 418

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Stephan Waldscheidt

FEUER UND FLAMME

Konflikte als Zündfunken für komplexe Figuren, packende Plots, tiefgründige Themen und atemlose Spannung

(Meisterkurs Romane schreiben)

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Willkommen: Und das steht drin

Willkommen: Und das steht drin

Intro: Feuer und Flamme für Ihren Roman

Konflikte entschlüsselt

Das Konfliktdreieck

Der Konfliktstoff

Das Konfliktumfeld

Der Konfliktauslöser

Der Konfliktmix

Die Konfliktformel

Der Nutzen der Konfliktformel für Ihren Roman

Praxis: Die Konfliktformel im Einsatz

Vom Konflikt zu Spannung und Suspense

Story-Einklang: Konflikt, Protagonist, Plot

Konflikt im Plot? Konflikt ist Plot!

Konflikt in Figuren? Figuren sind Konflikte!

Figuren oder Plot? Figuren sind der Plot!

Die Psychologie des Protagonisten und die parallele Entwicklung von Figuren, Thema und Plot

Die Vorgeschichte und Bedürfnisse Ihres Protagonisten

Happy Beginning: Die heile Welt – der heile Protagonist

Von der heilen Welt zur Welt in Trümmern

Von der Welt in Trümmern zur falschen Welt und der Lebenslüge

Von der falschen Welt und der Lebenslüge zum verhängnisvollen Makel

Vom verhängnisvollen Makel zum Anfang des Romans

Von der Backstory zu den Bedürfnissen und den Bedürfniskonflikten

Von der Backstory zur Charakterironie

Von der Backstory zu den Nebenfiguren

Von den Bedürfnissen zum Verlangen

Vom Verlangen und den Motiven zum Antagonisten

Von der Vorgeschichte zum Thema

Vom Thema zur Prämisse

Von der Prämisse zum Konzept

Vom Konzept zu Logline und Pitch

Die stillen Motivatoren: Leere und Sehnsucht

Wege zum Ziel: Stärken und Schwächen

Konflikte nach Romanebene

Verlangenskonflikte (Handlungskonflikte)

Beziehungskonflikte

Emotionale Konflikte

Wertekonflikte

Identitätskonflikte

Konflikte der Leere und Sehnsucht

Die Stufen der Bedürfnisse

Fazit und Ausblick

Dank, gebührend

Der Waldscheidt

Impressum

Autorenberatung und Schreibratgeber

Intro: Feuer und Flamme für Ihren Roman

Wenn kleine Kinder selbsterfundene Spiele spielen, kann es um alles gehen: Mütter und Babys, Ungeheuer und Helden, um Raumschiffe, Ninjas, Feen und um Ninjafeen in Raumschiffen. Um eines aber geht es immer.

Konflikt.

Die Jungs tragen Schlachten aus, Action ist Trumpf. Bei den Mädchen läuft es nur scheinbar friedlich. Tatsächlich trinkt das Baby in Puppengestalt beinahe vergifteten Apfelsaft, da zerreißt das Hochzeitskleid und die Braut darf nicht heiraten, da bleibt kein Auge trocken.

Konflikt tritt in vielen Gestalten auf.

Konflikte haben viele Gesichter.

Mit der Zeit ändern sich die Spiele. Was sich nicht ändert, ist ihr Wesen: Im Kern steht jedes Mal ein Konflikt. Dann werden die Kinder älter, aus Spiel wird Ernst, und schon das Wort deutet an: Auch die Konflikte werden ernster.

Ich kenne Sie nicht, aber ich weiß, Sie stecken aktuell in einer ganzen Reihe von Konflikten. Manche ignorieren Sie, andere wollen Sie angehen, am liebsten morgen, von einigen machen Sie Ihr Glück abhängig oder das Ihrer Kinder. Eine Reihe von Konflikten gären und Sie versuchen, sie am Ausbrechen zu hindern. Andere Konflikte sehen Sie noch nicht, obwohl sie sich anbahnen. Ihr Gedächtnis ist voll von Konflikten, die Sie vergessen wollen. Wenn Sie aus dem Haus gehen, wartet schon der nächste Konflikt auf Sie. Eine Bananenschale. Eine Gewitterwolke. Eine schlecht gelaunte Kollegin. Ein Bus, den Sie nicht anrauschen sehen (lieber noch mal nach links und rechts schauen!). Wenn Sie zu Hause bleiben, ist es nicht besser: Das Internet fällt aus. Der Paketbote kommt nicht. Sie schneiden sich beim Kochen in den Finger – und finden das Sprühpflaster nicht, ohne den Medizinschrank einzusauen. Beim Reinigen plumpst die halbe Apotheke ins Klo. Die Gummihandschuhe sind alle. Sie suchen welche im Arbeitszimmer Ihres Partners – und finden stattdessen einen Liebesbrief von Sabrina.

Wer zur Hölle ist Sabrina? Konflikte sind im Leben Ihr permanenter Begleiter, doch viele können Sie vermeiden oder lösen, bevor sie Ihr Leben verheeren. Noch einmal gut gegangen. Aber Sie planen, Sabrina aus dem Weg zu räumen ...

Wie sieht das in Storys aus, in Ihrem Roman, Ihrem Drehbuch, der Kurzgeschichte, dem Comic oder dem Game, das Sie gerade schreiben?[Fußnote 1]

Natürlich wissen Sie, was ein Konflikt ist. Doch wenn Sie es erklären müssten, merken Sie: Sie haben nur eine sehr vage Vorstellung davon. Konflikte sind so viel mehr, als Sie glauben.

Bis zum Ende dieses Buches werden Sie sich selbst überzeugt haben.

Am Ende sind Sie ein Fan von Konflikten.

Natürlich setzen Sie Konflikte in Ihren Romanen oder Drehbüchern ein. Allerdings tun Sie das zu häufig zu wenig bewusst. Was einerseits gut ist. Andererseits verhindert es, dass Sie das Potenzial von Konflikten auch nur annähernd ausschöpfen. Am Ende dieses Buchs werden Sie Ihr schriftstellerisches Instrumentarium grundlegend erweitert haben – von einem Streichquartett zu einem Symphonieorchester.

Sollen Sie mir das glauben? Dürfen Sie mir das glauben? Oder überlegen Sie, ob Sie das Buch überhaupt kaufen oder lesen?

Sie befinden sich in einem Konflikt. Was sich eher unangenehm anfühlt, stimmt’s?

Genau das ist der Punkt. Ein Konflikt ist unangenehm und darum will man ihn lösen. Dazu aber muss man aktiv werden. In diesem Falle: Nachdenken, weiterlesen, vielleicht erst mal das Buch kaufen.

So läuft das auch in einem Roman.

Doch eine Schwierigkeit kommt hinzu, die Ihnen dieses Buch nicht in den Weg stellt: Beim Versuch, den Konflikt zu lösen, verschärfen Sie den Konflikt. Das kann man tragisch nennen oder die Grundironie allen Erzählens.

So läuft ein Roman immer weiter.

Was Konflikte für Sie als Autor anspruchsvoll macht und sogar Ihrer Intuition widerspricht: In Ihrem eigenen Leben gehen Sie mit Konflikten anders um. Dort nämlich können Sie den Konflikt ignorieren oder ihm ausweichen, indem Sie Ihrem Konfliktgegner nachgeben oder die Angelegenheit anderweitig deeskalieren.

Also indem Sie Drama vermeiden.[Fußnote 2]

Ups.

Genau darin besteht eine entscheidende Gefahr, die Sie als Autor bei Ihrem Schreiben behindern mag oder verhindert, dass Sie Ihr Potenzial ausreizen. Denn mit dem Auflösen eines Konflikts löst sich auch die Spannung auf und damit das Bedürfnis Ihrer Leser, umzublättern – und Sie haben Ihr grundlegendes Ziel verfehlt: die Leser bis zum Ende in Ihrem Buch zu halten.

Ihre Reaktion ist verständlich, menschlich, normal. Darum ist Ihr Leben auch kein Roman, und dafür sollten Sie dankbar sein. Ein Roman braucht Konflikte, von der ersten bis (fast)[Fußnote 3] zur letzten Seite. Zu sagen, Konflikte seien wichtig, wäre etwa so, als würden sie behaupten, Kaffeebohnen und Wasser seien wichtig für einen Espresso, Zucker sei wichtig für Zuckerwatte oder Kohlenstoff sei wichtig für einen Diamanten.

Konflikte sind der Roman.

Wir reden hier von allem, was den Namen »Roman« verdient, sprich: Jedes Genre, in dem Sie sich schreibend bewegen, jede Form von Geschichten braucht Konflikte. Ohne Konflikt gibt es keine Story. Denn eine Story beantwortet eben nicht primär die Frage, was passiert. Sondern diese: Was geht schief? Und wie rücken wir die Dinge wieder gerade?

Was geht schief? Das sind die Konflikte.

Wie rücken wir die Dinge wieder gerade? Das sind die Versuche der Figuren, die Konflikte aufzulösen – auf eine Weise, in der sie ihr Ziel erreichen.

Und genau das ist die andere Möglichkeit, mit Konflikten umzugehen.

Sie erkennen daraus, was noch unverzichtbar für Konflikte in Ihrem Roman ist: Die Konflikte dürfen sich nicht einfach und nicht sofort lösen lassen. Sonst wäre Ihr Roman schon auf Seite 3 zu Ende.[Fußnote 4] Schwierige und anhaltende Konflikte sind ein Anfang. Ein Roman braucht noch mehr: eine Verschärfung der Konflikte, im Volksmund auch Eskalation genannt. Damit ermöglichen Sie zwei Dinge: Im Roman sorgen Sie dafür, dass die Figuren bis zum Äußersten getrieben werden – denn nur so legen Sie die psychologisch glaubhaften Grundlagen für eine Veränderung des Protagonisten oder einen Lernprozess, ein Umdenken, ein Einsehen von Fehlern und Bekennen von Schuld.

In den Lesern sorgen Sie mit der Eskalation der Konflikte für eine wachsende Spannung und letztlich dafür, dass sie weiterlesen. Wie Konflikt und Spannung zusammenhängen, das erfahren Sie ausführlich und mit vielen Beispielen illustriert in meinem Ratgeber »Spannung & Suspense«. Für unsere Arbeit mit Konflikten reicht es zunächst, wenn Sie sich dieses Zusammenhangs bewusst sind: Eine Eskalation von Konflikten sorgt für eine Eskalation der Spannung.[Fußnote 5]

Beides nämlich hängt untrennbar zusammen: Ohne Konflikte können Sie keine Spannung erzeugen. Spannung im weitesten Sinne meint das Bedürfnis in den Lesern, umzublättern. Konflikte sind einer der unverzichtbaren Faktoren von Spannung.

Damit ist dieses Buch eine Art Prequel zu meinem Ratgeber »Spannung & Suspense«, das vieles darin noch besser verständlich macht und vertieft. Mit »Konflikt« sind Sie in der Lage, das Potenzial von Spannung und Suspense in Ihrem Roman erheblich weiter auszuschöpfen.

Das ist erst die Spitze des Eisbergs. Der Berg, auf den der Roman fußt, liegt unter der Oberfläche der Story. Die Backstory des Protagonisten legt den Grundstein für alles in Ihrem Roman: neben der Spannung auch für Plot, Thema, Figuren, für Prämisse und Konzept. Daher sehen wir uns diese Backstory und den Weg des Protagonisten darin im Detail an – bis zum eigentlichen Beginn des Romans. Mehr noch: Wir finden eine organische und relativ einfache Methode, wie Sie den Roman aus seiner Backstory heraus entwickeln – und das psychologisch schlüssig und die zentralen Aspekte parallel. Einzig durch diese gemeinsame Entwicklung der wichtigsten Facetten eines Romans schreiben Sie einen dichten Roman, in dem alles miteinander verwoben ist. Sie können »Feuer und Flamme« daher (unter anderem) als Prequel meines Ratgebers »Plot & Struktur« lesen. Tatsächlich ist dieses Buch sehr viel mehr, weil es tiefer geht, weit umfassender ist und zudem noch leichter nachvollziehbar ist. Und es Ihnen in dieser Form und dieser Stringenz etwas Neues bietet, das Sie in keinem anderen Ratgeber oder Seminar finden.

Neben dem Aufbau der Grundlagen von Figuren und Plot, von Thema und Spannung zerlegen wir in diesem Buch Konflikte in ihre Bestandteile. Welche unverzichtbaren Faktoren braucht ein Konflikt, um überhaupt auszubrechen?

Mit diesen Faktoren können Sie künftig Ihre Konflikte sehr viel präziser entwickeln, eskalieren und auflösen. Sie steuern damit Konflikte, genau wie Sie das wollen und wie Ihr Roman das braucht – und machen die Story intensiver sowie abwechslungs- und wendungsreicher. Insbesondere beim Aufbau und Halten von Suspense erweist sich die Aufteilung von Konflikten in Faktoren als ein Wundermittel, das die Leser nicht mehr aus Ihrem Roman entlässt.

Auch beim Überarbeiten hilft es Ihnen, die Konflikt-Faktoren zu kennen: Sie finden Knackpunkte und Schwachstellen sehr viel besser und können Sie leichter beheben.

Puh. Klingt zu theoretisch? Nö, alles gut: Wie immer bei mir ist dieses Buch geschrieben von einem Praktiker für Praktiker und immer anwendungsorientiert. Wir erläutern jeden Aspekt an prägnanten Beispielen aus Romanen, Filmen und TV-Serien, sodass Sie das in Ihrem Roman oder Drehbuch sofort ein- und umsetzen können.

Alles in allem erleichtert Ihnen dieses Buch die Arbeit mit Konflikten an jeder Stelle Ihres Romans und Ihres Schreibprozesses. Es hilft Ihnen, mit Konflikten sämtliche Teilbereiche Ihres Romans zu stärken.

Sie selbst macht es zu einem Konfliktmeister, einer Konfliktkönigin. Das Erschaffen von und der Umgang mit Konflikten soll Ihnen in Fleisch und Blut übergehen. Sobald Sie den literarischen Umgang mit Konflikten verinnerlicht haben, sind Sie in der Lage, noch spannendere, bewegendere und klügere Romane zu schreiben. Wenn Sie künftig den Plot, eine Figur, eine Szene, einen Dialog, einen Schauplatz in Ihrem Roman vor sich sehen, erkennen Sie sofort die darin schlummernden Konfliktpotenziale – und wissen exakt, was Sie damit tun können, um die Leser zu fesseln, zu berühren, zum Nachdenken zu bringen.

Haben Sie das Thema Konflikte erst einmal geknackt und verinnerlicht, werden Sie jeden Aspekt Ihres Romans verbessern.

Das ist Ihre Seite.

Die andere Seite ist die der Leser: Konflikte sind die einfachste und sicherste Methode, die Leser für Ihren Roman und Ihre Figuren zu interessieren, sie mit den Figuren und den Ereignissen emotional zu verbinden – sie weiterlesen zu lassen. Bis zum bitteren, bittersüßen oder süßen Ende.

Anders als bestimmte Story-Tropen oder gar Klischees, anders als Genrekonventionen oder literarische Moden nutzen Konflikte sich niemals ab – so lange es Menschen gibt, so lange wird menschliches Drama sie fesseln.

Wer dieses Buch besonders dringend braucht, um bessere Romane zu schreiben: Autorinnen und Autoren, ...

... die instinktiv einen Bogen um das Thema Konflikt machen.

Ich verstehe Ihre Zurückhaltung. Konflikte gehören vermieden und schnell gelöst. Doch das Leben ist kein guter Ratgeber für das Schreiben eines Romans. Nicht ein Leser will oder braucht einen konfliktarmen oder gar konfliktfreien Roman. Warum das so ist, sehen wir uns unten genauer an.

... die Konflikte mit Streitereien und Kämpfen gleichsetzen.

Sie haben recht: Streitereien und Kämpfe sind Konflikte und spielen in vielen Romanen eine wichtige Rolle. Dass Sie damit etwa 99 Prozent aller Konflikte ignorieren, ihre Vielfalt und oftmals große Subtilität, werden Sie mit der Lektüre dieses Buchs selbst herausfinden.

... die meinen, die Art Roman, die sie schreiben, könne auf Konflikte verzichten.

Konflikte gehören in jeden Roman. In jeden. In jedes Genre und auch in anspruchsvolle Literatur, die eine Story erzählt. Keine Ausnahmen. Warum das so ist, sehen wir uns genauer an.

... die Konflikte für proletenhaft halten, für kommerziellen Genreschund, der in ihrem anspruchsvollen Roman nichts verloren hat.

Konflikte sind unordentlich und schmutzig, weniger glänzende Extensions als der Dreck unter den Fingernägeln. Konflikte sind hart, laut, schrill – und zugleich so subtil und verborgen, dass man über sie stolpert oder sich daran wie ein Freeclimber eine nur scheinbar glatte Steilwand hinaufziehen kann. Konflikte sind allgegenwärtig.

Konflikte sind wie das Leben.

Sollte nicht auch Ihr anspruchsvoller Roman auf seine ureigene Weise vom Leben handeln?

... die bereits Schreibratgeber zum Thema Konflikt gelesen haben.

Was Sie hier finden, finden Sie nirgends sonst. Versprochen. Falls Sie mir einen solchen Ratgeber zeigen (der vor diesem erschienen ist), kriegen Sie Ihr Geld zurück.

... die schon eine Reihe von Romanen geschrieben und publiziert haben, sogar erfolgreich.

Damit Sie weiterhin Erfolg haben, ja, deutlich erfolgreicher werden, sollten Sie eine massive Erweiterung Ihres Schreibinstrumentariums nicht ignorieren, die ich Ihnen in diesem Buch vorstelle. Ich verspreche Ihnen, Sie werden eine Menge Neues lernen.

... die meinen, schon alles über Konflikte zu wissen: was Konflikte sind und wie man sie in den Roman bringt.

Hier liegt der Knackpunkt: Einem Roman Konflikte aufzupfropfen, ist in etwa so, als würden Sie auf einen Kuchenteig, der im Ofen vor sich hin bäckt, das vergessene Backpulver streuen. Die Bäcker unter Ihnen wissen: Da geht nix mehr.

Seien Sie unverzagt: Sie alle werden lernen, wie Ihnen der Teig künftig immer gelingt. Keinen von Ihnen will ich von der Bedeutung von Konflikten für Ihren Roman überzeugen. Oder könnte es. Nicht nötig. Sie werden sich selbst überzeugen. Versprochen. Ich wünsche anregende Lektüre.

Konflikte entschlüsselt

Geschichten sind Lügen, die die Wahrheit sagen. Ein Widerspruch! Und schon der erste Konflikt in den Lesern: Ich weiß, dass mir hier eine erfundene Geschichte aufgetischt wird. Wie kann ich dafür mein erfülltes Leben für eine Weile beiseiteschieben? Wie kann ich die Story dennoch lesen, ja, genießen? Indem ich mich auf das Spiel einlasse und für die Länge des Buchs ungläubig glauben werde, was der Erzähler mir erzählt.

Man könnte argumentieren, dass dieser Konflikt die Leser von Anfang an begleitet, denn natürlich sind sie an keiner Stelle tatsächlich davon überzeugt, eine Geschichte zu lesen, die sich genauso in der Realität zugetragen hat. Dieser innere Konflikt begleitet die Leser nicht nur durch den Roman, sondern er befeuert das Lesen. Ein Treibstoff, der die Leser bei der Story hält, obwohl Dinge geschehen, die außerhalb des Erfahrungshorizonts oder gar außerhalb der Naturgesetze liegen. Ein Treibstoff, der sie Schreckliches miterleben lässt. Ein Treibstoff, der sie tiefste Emotionen mitfühlen lässt, selbst wenn diese ihnen beinahe so sehr zusetzen wie den Figuren. Denn dann haben die Leser sich so eng mit den Figuren emotional verbunden, dass auch sie ein Teil der Geschichte geworden sind.

Der Urkonflikt jeder Geschichte ist das Wesen der Geschichte selbst: eine Lüge zu sein, die die Wahrheit, eine tiefere Wahrheit, besser transportiert, sie deutlicher macht, als es die Realität je könnte.

Widersprüche, als Konfliktpotenzial, und die Konflikte selbst sind einer Story, einem Roman in die DNA geschrieben.

Die Urerfahrung von Konflikten ist auch uns Menschen eingeschrieben. Was wir bereits am Spiel noch nicht von ihrer Umwelt überformter Kleinkinder sehen. Uns weiterentwickeln, ja, überleben konnten wir nur, weil wir in uns einen Sinn für Konflikte tragen oder, wenn Ihnen das lieber ist, einen Konfliktinstinkt. Diese auf das Erkennen von feinsten Statusunterschieden gepolte Sensibilität haben wir mit unseren Primaten-Verwandten gemein und mit anderen, in Gruppen oder Staaten lebenden Tieren. Wo Status ist, ist auch Konfliktpotenzial, denn das Streben nach einem höheren Status bringt uns in Konflikt miteinander.[Fußnote 6] Da erscheint es logisch, dass wir ein Gespür für Konflikte mitbringen: wo sie drohen, wo sie gerade erst anfangen und welchen Situationen und Konstellationen die Gefahr für einen Konflikt innewohnt oder das Risiko für seinen Ausbruch erhöht. Wer einen Konflikt rechtzeitig erkennt – ob er von Mitmenschen droht, von Tieren oder von der Natur –, der kann sich, seine Familie und sein kostbares Erbgut eher in Sicherheit bringen.

Wer Konfliktreiches erlebt hat, insbesondere in seinen prägenden Jahren, oder wer beruflich viel mit Konflikten zu tun hat, wird ein besseres Gespür für sie entwickeln. Wie diese Polizistin in ihrem Streifenwagen:

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Sie hielten vor einer roten Ampel, und Micky warf einen kurzen Blick auf zwei Teenager, die sich an der Straßenecke gegenseitig herumschubsten. Aber die beiden taten sich nicht wirklich etwas. Micky erkannte potenzielle Gewalt, wenn sie sie sah.

Chandler McGrew, »Eiskalt«, Knaur 2004

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Akzeptieren wir die These von der Existenz eines Konfliktinstinkts, ergibt sich schlüssig, worum unsere Geschichten kreisen: vor allem um die Fragen »Wer bin ich?«, die den wichtigsten inneren Konflikt aufgreift und »Wie soll ich leben?«, eine dramatische Frage und ein weiterer innerer Konflikt, die sich sowohl um das Zusammenleben mit anderen und unsere emotionalen Bedürfnisse dreht als auch um die nach den richtigen Werten und dem Sinn, den wir in unsrem Leben suchen.

Es sind dieselben Fragen, die sich Menschen seit zehntausend Jahren stellen. Wie könnten diese Fragen nicht zentral sein für all unsere Geschichten?

Ebenfalls eingeschrieben in unsere Geschichten ist ... Handlung. Etwas passiert. Da geht was. Vor allem geht was schief. Schiefgehen aber ist nichts anderes als ein ... – Sie ahnen es. Logisch: Da will einer was, und darum tut er was, doch dann misslingt es ihm. Wegen Pech oder Tücke des Objekts. Oder weil jemand ihm das Gelingen nicht gönnt. Oder ... (Hier ausfüllen mit den unzähligen möglichen Storys, die Sie schreiben können.)

Der Schiefgehverantwortliche hat einen Namen:

Konflikt.

Irgendwie kommen wir daran nicht vorbei.

Den meisten von uns dürfte dieses Gespür (in den wohlhabenderen und relativ sicheren Staaten) ein wenig abhandengekommen sein. Verantwortlich dafür sind moralische, gesetzliche und gesellschaftliche Regeln, die auf ein friedfertiges und harmonisches Zusammenleben setzen und es entsprechend belohnen. Eine gute Sache.

Nicht für Romanautoren, nicht beim Schreiben.

Konflikte wohnen beim Geschichtenerzählen allem inne und sind so selbstverständlich, dass gerade dieses Universelle die größte Gefahr birgt: Sie werden unsichtbar für die Autoren und damit fallen ihr Fehlen oder ihre Unzulänglichkeit den Autoren manchmal nicht auf – den Lesern hingegen schon. Andere Autoren blenden Konflikte mehr oder weniger bewusst aus: Das hier ist meine Welt, sagen sie sich, und die soll besser, vor allem: konfliktärmer, sein als die Realität.

Kein Romanautor ist perfekt. Doch die meisten können einige Dinge beim Schreiben besonders gut. Die eine ist eine Expertin fürs Plotten, ein anderer hat ein Gespür für Beziehungen, eine Dritte kennt den Schauplatz besser als ihren Hoodiebeutel[Fußnote 7], ein Vierter schreibt wie der uneheliche Sohn von Thomas Mann und Virginia Woolf, eine Fünfte kann knackigere Dialoge formulieren als Tarantino. Das Gute daran: Schwächen lassen sich überdecken und mit Stärken ausgleichen.

Was sich nicht ausgleichen lässt, ist ein fehlendes Gespür für Konflikte.

In meiner Arbeit mit Autoren begegnet mir dieser Fall sehr häufig: Der Sinn für Konflikte sollte bei vielen[Fußnote 8] deutlich stärker ausgeprägt sein, damit man als Autor die Konfliktpotenziale erkennt, sie einordnen und dann im eigenen Roman umsetzen kann. Denn, auch das erlebe ich oft: Die Konfliktpotenziale sind in der Story, der Welt und den Figuren angelegt. Doch sie schlummern oder liegen brach, weil sie nicht erkannt und nicht genutzt werden. Das schadet dem Roman massiv, nicht selten verhindert es, dass der Roman überhaupt so funktioniert, wie sich die Autoren das vorstellen oder wünschen. Die gute Nachricht: Auch in Ihnen gibt es diesen Sinn für Konflikte. Denken Sie an Spiele, die Sie als Kind gespielt haben, an Spiele, die Ihnen später noch immer Spaß gemacht haben. Stellen Sie sich Ihren Konfliktsinn vor wie einen Menschen, der unter Trümmern begraben liegt, verletzt, aber lange nicht am Ende. Sie müssen ihn nur wieder freilegen und verarzten und gesundpäppeln. Und dann, wow, dann wird er Ihnen mehr Konflikte finden als ein Jagddackel Karnickel in ihrem Bau.

Nicht allein das Gespür für Konflikte ist uns in die Gene gelegt. Sondern auch das herrliche Gefühl des Triumphs nach der Überwindung eines Widerstands. Endlich diesen Berg erklommen! Diese Ehe gerettet! Das Häuschen finanziert und gebaut! Je größer der Widerstand, je höher das Hindernis, desto euphorischer unser Hochgefühl. Ihre Romanfiguren haben es – und Ihre Leser genießen es, wenn sie es zusammen mit den Figuren erleben dürfen. Die Rechnung ist einfach: Je mehr Konflikte Sie in Ihrem Roman haben, je intensiver Sie sie darstellen und je dramatischer Sie sie lösen, desto mehr erfreuen Sie die Leser.

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Faustregel:

Jeder auf befriedigende Weise gelöste Konflikt wird von den Lesern als Belohnung empfunden.

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Apropos Leser. Die besten Romane sorgen nicht nur für Konflikt zwischen den Buchdeckeln – sondern auch im Leser. Denken Sie an moralisch schwierige Entscheidungen einer Romanfigur, berühmt etwa Sophies Entscheidung im gleichnamigen Roman von William Styron. Darin wird eine Mutter von einem KZ-Soldaten zu der Entscheidung gezwungen, welches ihrer beiden Kinder sie behalten will und welches ins KZ soll. Wenn die Leser sich erst ernstlich fragen, »Wie würde ich entscheiden?«, haben Sie sie so fest am Schlafittchen wie mit kaum einem anderen Schreibtrick.

Manchmal sind es auch nur einfache Aussagen, die Leser dennoch zum Nachdenken anregen, etwa über ein Statement, mit dem die Leser etwas Persönliches verbinden.

Wie hier:

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Für gewöhnlich werden Brüder im Laufe der Zeit weniger bedeutsam.

Anne Enright, »Das Familientreffen«, DVA 2008, eigene Übersetzung

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Solche Mikro-Konflikte auf Satzebene (»Hm, ist mein Bruder mir über die Jahre auch unwichtiger geworden?«), die den Lesern meist nicht einmal bewusst sind, halten sie dennoch eher in der Story – weil jeder kleine Konflikt im Leser eine kleine Verbindung zu Ihrem Roman bedeutet. Und die Leser Ihren Roman damit mehr und mehr zu ihrem eigenen Roman machen.

Hierbei nutzen Sie als Autor, dass Konflikte eine universelle Erfahrung darstellen, auch für Ihre Leser. Konflikte, ihre Allgegenwärtigkeit und ihre Bedeutung, ihre dramatischen Konsequenzen, das alles ist Ihren Lesern vertraut und bedarf keiner Erklärung.

Wenn Sie, wie Sie es im Folgenden lernen werden, mit Konflikten arbeiten, folgen Sie lediglich der Natur – Ihrer und der von Geschichten. Sie brauchen einer Story keineswegs Konflikte aufzuzwingen oder aufzupfropfen, sondern sie ihr einfach nur zu entlocken, sie zu hätscheln und großzuziehen.[Fußnote 9]

Was schon ziemlich harmonisch klingt. Voilà, den ersten Konflikt, den zwischen Ihnen und Konflikten, hätten Sie gelöst!

Wofür braucht eine Story überhaupt Konflikte?

Frech und ganz grundlegend gesagt: um sich den Namen »Story« oder »Roman« oder »Film« zu verdienen.

Vor allem anderen braucht Ihr Roman Konflikte, um die Figuren anzutreiben und zu verändern (vorwiegend innere Konflikte), um dem Plot so einen Drive und eine Richtung zu geben (vorwiegend äußere Konflikte), und um bei den Lesern permanent für Spannung zu sorgen und dafür, dass sie umblättern (Konflikte zwischen Story und Leser und Konflikte im Leser).

Denken Sie an Revolutionen. Um diese massiven Veränderungen anzustoßen, bedarf es eines äußeren Konflikts: einer Auflehnung gegen das Regime, ob mit Gewalt oder friedlich. Zuvor aber braucht es einen inneren Konflikt in den Revolutionären: Wer sind wir und wie wollen wir leben? Was fühlen wir bei den Konflikten? Und was richtet eine Revolution mit unseren Beziehungen und den Menschen an, die uns wichtig sind? Den Leser stellen Sie sich dabei als Nachrichtenleser in einem von dem Aufruhr unberührten Land vor. Auch er stellt sich die Fragen, entwickelt eine Meinung, bezieht vielleicht sogar Stellung. Wird berührt. Denken Sie an tragische Ereignisse im Leben, die einen Menschen zu einer Kehrtwende treiben. Solche Geschichten starker Veränderungen aufgrund von Konflikten hat schon der Bibel mit zu ihrem Erfolg verholfen. Denken Sie an Mose, der als ägyptischer Prinz die von seinem Volk versklavten Israeliten ins gelobte Land führt. Denken Sie an den einfachen Fischer Petrus, der ein Anhänger von Jesus wird, ihn dreimal verleugnet und dann, in einer zweiten Kehrtwende, zum Verkünder des Evangeliums und zum Gründer der Kirche wird. Zachäus wird vom Zöllner (vom Nehmer) zum Wohltäter (zum Geber).

Solche Geschichten inspirieren die Menschen. Kurz: Konflikte inspirieren.

Konflikte in Form von dramatischen Geschichten, von Klatsch und Tratsch waren einmal die wichtigste Quelle von Informationen. Wenn Barden von Dorf zu Dorf gezogen sind, haben sie Neuigkeiten nicht sachlich übermittelt, sondern in Form von Geschichten. Dito heimgekehrte Jäger und Fischer und Soldaten. Dito die Frau von der Nachbarin, die ihr brühwarm erzählt hat, dass Müllers Kuh von Bauers Stier trächtig ist, weil Müllers Hirtenjunge lieber seine Zeit im Heu verbracht hat und die verwitwete Bäuerin vom Thomashof ... Geben Sie zu: Sie würden die Geschichte sehr gerne weiterlesen.

Storys sind kein Selbstzweck. Sie helfen, uns und unsere Umgebung, unser Tun, Denken und Fühlen besser einzuordnen. Mehr noch, Storys zeigen uns Figuren, Spiegel oder Avatare von uns selbst, beim Lösen von Problemen. Von Konflikten. Das ist unwiderstehlich attraktiv.

Stephen Pinker definiert Intelligenz als die Anwendung von Wissen, wie Dinge funktionieren, um Ziele angesichts von Widerständen zu erreichen. Sprich: Intelligenz zeigt sich beim Lösen von Problemen. Eine Geschichte zu lesen, heißt also, Menschen beim Entwirren von Problemen, beim Auflösen von Konflikten zuzusehen. Und selbst etwas zu lernen oder zumindest gut unterhalten zu werden.

Dabei geht es nicht darum, dass die Leser die Probleme des Helden eins zu eins ins eigene Leben übertragen. Entscheidend ist das Lösen selbst: Wie geht die Protagonistin mit ihren Problemen um und wie löst sie sie? Sie inspiriert damit das Problemlösungsverhalten der Leser. Besonders erhellend und erhebend für die Leser: wenn sie den Helden scheitern sehen – um am Ende doch seinen Triumph zu erleben. Die Leser kümmert vor allem der Prozess der Lösung und wie der Protagonist mit den Widerständen umgeht, scheitert, mit ihnen fertig wird.

Eine herausragende Stellung nehmen überlebensgroße Figuren ein. Diese lösen ihre Probleme auf eine (für die Leser) unerreichbar findige oder beherzte Weise. Damit dienen sie weniger als Vorbild, sondern sie inspirieren.

Als Autor werden Sie so selbst zu einem gewieften Problemlöser – und Sie werden überlebensgroß, weil Sie sich mehr Zeit lassen können als Ihre Figuren, die Probleme zu lösen, und mehr Grips einsetzen.

Ihre Leser lieben Konflikte, weil sie erstens unwiderstehlich anziehend sind, weil sie zweitens anderen widerfahren und sie darum, drittens, eine Lösung bieten, eine Katharsis, die der Leser sich für die Konflikte in seinem eigenen Leben wünscht – und die er gerne stellvertretend annimmt.

Je mehr die Leser sich in Ihre Figuren einfühlen oder sich gar mit ihnen identifizieren, desto besser fühlt sich dieses Überwinden von Problemen an. Da sich nichts lebendiger anfühlt, als mitten in einem intensiven Konflikt zu stecken, genießen die Leser Einblicke in ein Leben am Limit, wie es Ihre Figuren führen (sollten).

Der Luxus für die Leser: Die harte Arbeit erledigen und das Drama durchleiden die Romanfiguren.[Fußnote 10] Für sie. Autoren sind Dienstleister.

Im Idealfall verändert sich eine Figur mit jedem durchgestandenen Konflikt – ob überwunden oder nicht.

Umgekehrt: Die Relevanz eines Konflikts für Ihren Roman erweist sich darin, ob und inwiefern er die Figur verwandelt und heilt oder sie eine Lektion lehrt.

In den nächsten Kapiteln rücken wir Konflikten auf die Pelle, mit allem, was wir haben: vom Mikroskop bis zum Teleskop, von Makrokonflikten auf Romanebene bis zu den Mikrokonflikten, die in Situationen, ja den Wörtern selbst stecken. Wir entschlüsseln ihr Wesen und finden griffige Begriffe und Formeln, die Ihnen die präzise und wirkungsmächtige Arbeit mit Konflikten erst ermöglichen. Besonders cool und zum allerersten Mal zwischen zwei Buchdeckeln oder elektronisch auf einem Display: Wir legen auf schlüssige, organische, nachvollziehbare Weise die Grundlagen von Figuren und Thema, von Spannung und Plot, von Prämisse und Konzept.

Das Wort Konflikt kommt von »zusammenstoßen«. Mein Schreibprogramm Papyrus kennt fünfzig Synonyme davon, der Dornseiff-Thesaurus listet Hunderte von bedeutungsverwandten Wörtern auf, hier ein paar:

Widerstand, Abneigung, Abwehr, Anfechtung, Antagonismus, Beharrungsvermögen, Behinderung, Beschwerde, Divergenz, Einrede, Einspruch, Einwand, Existenzkampf, Feindschaft, Gegensatz, Gegenwind, Gegenwirkung, Hemmung, Klage, Kontrolle, Kräftemessen, Kraftprobe, Machtprobe, Protest, Replik, Rivalität, Streitigkeiten, Unfrieden, Unvereinbarkeit, Wettbewerb, Widerstreit, Widerspruch, Widersprüchlichkeit, Widerspruchsgeist, Zusammenprall, Zusammenstoß usw.

Die Allgegenwärtigkeit und die nuancierte Vielfalt verdeutlichen, wie signifikant Konflikte und konfliktäre Situationen in unserer Sprache und damit in unserem Leben sind. Romane sind eine dramatisierte Version des Lebens, eine Existenz an den Grenzen, im Extrem – logisch, wie zentral, umfassend und auch brutal Konflikte erst in einen Roman eingreifen.

Für die Figuren ist Konflikt der brennende Treibstoff, den sie zur Erreichung ihrer Ziele benötigen.

Das ist zum einen das Ziel der Handlung: das Verlangen des Protagonisten (in der englischen Fachliteratur auch als Want wie »Wollen« bekannt). Das sind zum anderen Ziele, die den Lesern weniger offensichtlich sind und dem Protagonisten oft unbewusst. Diese Ziele speisen sich aus den grundlegenden Bedürfnissen jedes Menschen nach Heilung, nach Sinn und den richtigen Werten, nach tiefen Emotionen und bedeutungsvollen Beziehungen (in der englischen Fachliteratur auch als Need wie Bedürfnis bekannt).

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Nachgehakt:

Warum überhaupt ein Ziel anstreben? Weil das Erreichen und oft schon die Erwartung oder die Vorstellung, es zu erreichen, Glücksgefühle auslöst. Sprich: Wird die Zielerreichung verhindert, blockiert jemand oder etwas dieses Glück. Was nicht von ungefähr der Situation entspricht, die mit dem erfolglosen Wiederholen des Urglücks (auch: Happy Beginning als Entsprechung zum Happy Ending) verbunden ist. Dieser Misserfolg führt zum Auslösenden Trauma[Fußnote 11] und stößt damit die Vorgeschichte[Fußnote 12] des Protagonisten an. Wir können das Auslösende Trauma auch den Urkonflikt nennen.

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Das Auslösende Trauma löst den Weg des Protagonisten in spe durch seine Vorgeschichte auf ähnliche Weise aus, wie das Auslösende Ereignis (inciting incident) die eigentliche Story anstößt.

Jeder Konflikt im Roman, der relevant ist, weil mit dem Auslösenden Trauma verbunden, zwingt den Protagonisten zu einem Wiederbesuchen, einer symbolischen Wiederholung dieses Traumas. Umgekehrt: Ein Konflikt ist für Ihren Roman relevant, wenn er eben das tut, durchaus auf eine winzige und nicht unbedingt direkte Art und Weise.

Das sehen wir uns noch genauer an.

Natürlich kann Wettermann Phil Connors in dem Film »Und täglich grüßt das Murmeltier« (USA 1993) bei seinem millionenfach wiederholten Tag seine geliebte Rita erobern und sein äußeres Ziel (sein Verlangen) erreichen, diesem Tag zu entkommen. Doch sein Bedürfnis, das eigentliche Ziel, endlich seine Selbstverliebtheit abzulegen und für andere da zu sein, erreicht er auf diese Weise nicht. Dafür muss er mehr Konflikte überwinden, als je eine Filmfigur überwinden musste, und am Ende auch den Konflikt in sich selbst – und erweist sich als die störrischste Filmfigur aller Zeiten. Eine, die in Erinnerung bleibt.Der Konfliktstoff ist der Treibstoff, Konflikt der brennende Treibstoff – und dieser erzeugt im Story-Generator die Spannung. Diese erst hält die Leser in der Story und lässt sie umblättern.[Fußnote 13] Ohne Konflikt kann es keine Spannung geben, und ohne Spannung legen die Leser das Buch beiseite.

Für die Leser wird jeder Satz dann lesenswert, wenn er auf ein Problem für die Figuren stößt und – manchmal auch auf ein Problem für sich selbst (etwa in Rätselplots oder bei dramatischer Ironie).

Viele Autoren verstehen grundsätzlich die Bedeutung von Konflikten für Story, Dramatik, Spannung, Figurenentwicklung. Woran ihre Romane scheitern: An zu vielen Stellen oder auf zu vielen Seiten am Stück mangelt es an relevanten Konflikten.

Stellen Sie sich das so vor: Diese Autoren versuchen, mit ihrem neuen Elektroauto zwischenzeitlich auch mal ohne Strom zu fahren. Und zwar bergauf. (Merke: Sie schreiben immer bergauf[Fußnote 14].) Das Perpetuum mobile gibt es bei Romanen so wenig wie in der Physik. Genau wie das technische Perpetuum mobile unvereinbar mit den Naturgesetzen ist, ist das erzählerische Perpetuum mobile unvereinbar mit den Gesetzen des Erzählens und der menschlichen Psychologie.

Sobald alle Konflikte gelöst sind, kommt Ihr Roman zum Stehen.Vor dem Finale darf das nicht passieren. Dem vorzeitigen Stillstand beugen Sie vor, indem Sie permanent (auf jeder Seite, in jedem Absatz) mehrere Konflikte parallel brennen haben, innere wie äußere, Konflikte des Verlangens wie Konflikte der Bedürfnisse (Identität, Werte, Beziehungen und Emotionen).

Beispiel: Katniss Everdeen hat einen ihrer Gegner in den Hungerspielen erledigt (Konflikt 1). Damit hat sie keinesfalls Feierabend. Denn im Kampf wurde sie verletzt (Konflikt 2). Konflikt 2 bestand schon während des Kampfes, brodelte da aber noch im Hintergrund – das Überleben war wichtiger als das Stillen einer Blutung. Nach dem Kampf ist Konflikt 1 gelöst, dafür tritt Konflikt 2 sofort in den Vordergrund. Katniss versorgt ihre Wunde. Während sie das tut, hört sie ein verdächtiges Geräusch (Konflikt 3). Sobald sie die Wunde verarztet hat (Konflikt 2 ist vorerst gelöst), geht sie dem Geräusch auf den Grund – Konflikt 2 übergibt an Konflikt 3.

Das können Sie steigern: Katniss kommt nicht dazu, ihre Wunde richtig zu verbinden, da sie dem Geräusch sofort auf den Grund gehen muss – Konflikt 2 bleibt ungelöst. Schon haben Sie den Ursprung des Geräuschs und die Wunde als zwei parallel laufende Konflikte.

Sie sehen, die sich überlappenden Konflikte müssen nicht immer riesige Kalamitäten sein. Wichtig ist, dass sie plotrelevant sind.

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Faustregel:

Je größer ein Konflikt, desto weiter trägt er die Handlung – und die Spannung im Leser.[Fußnote 15]

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Die Metapher Treibstoff passt auch deshalb, weil die Konflikte die Handlung vorantreiben.[Fußnote 16] Ein Konflikt zwingt Ihre Figuren zur Handlung, denn einzig durch zielgerichtetes Tun kann er gelöst werden. Sprich: Die meisten Konflikte in Ihrem Roman sollten nicht von alleine oder von einer göttlichen Macht, vom Zufall oder vom Schicksal aufgeräumt werden – denn das würde auch die Handlung lahmlegen, würde es doch die Figuren vom Zwang zu handeln befreien.

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Nachgehakt:

Betrachten Sie nur mal sich selbst. Was gibt Ihnen ein besseres Gefühl: Ein Problem aus eigener Kraft und Klugheit zu lösen – oder es gelöst zu bekommen?

Eben!

Das gilt ebenso für die Leser. Auch die lieben es, mit einem lösbaren Problem konfrontiert zu werden – und es beim Lesen zu knacken.

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Nehmen wir die Gottmetapher, die wir Autoren alle so gerne mögen: Sie sind der Big Chief über den Wolken, Ihre Figuren der Lehm, den Sie formen. Konflikte nun sind das Feuer in Ihrem göttlichen Brennofen. Die Figuren haben die Wahl: Entweder lassen Sie sich von diesem Konfliktfeuer zu etwas Gutem modellieren, zu jemandem, der ein besserer Mensch geworden ist oder der seine Lektion gelernt hat. Ein Happy End. Oder sie werden verunstaltet oder verbrennen. Kein Happy End.

In eine ähnliche mythische Kerbe schlagen wir mithilfe der alten Griechen: Als Feuerbringer und Lehrmeister ist der Titan Prometheus der Urheber der menschlichen Zivilisation. Er bringt den Menschen das Feuer, das Zeus ihnen vorenthalten hat. In einer Variante des Mythos gestaltet Prometheus die ersten Menschen aus Lehm und stattet sie mit ihren Eigenschaften aus. Zeus was not amused. Voilà, der Konflikt als Grundlage unserer Zivilisation!

Wieder und wieder sind es Konflikte, die die Menschheit voranbringen, zum Guten wie zum Schlechten.

Konflikte als Feuer – die Metapher passt auch, wenn Sie an die Ausbreitung von Konflikten denken. Augenfälliges Beispiel sind Kneipenschlägereien. Zunächst gehen da zwei aufeinander los, ein dritter, der schlichten will, wird auf einen vierten geschubst und bald prügelt sich jeder mit jedem: ein Flächenbrand.

Nicht nur solchen Mythen wohnen Konflikte inne, auch Märchen, Fabeln, selbst die meisten Gedichte haben ihre Wirkung und ihre Anziehungskraft – mehr noch: ihr Funktionieren – den eingebauten Konflikten zu verdanken. Keine Geschichte – vielleicht sogar: kein Werk jedweder Kunstgattung – kommt ohne Konflikt aus.

Und keine Geschichte kommt ohne Figuren aus. Man könnte so weitgehen und sagen: Storys brauchen Figuren vor allem deshalb, weil jede Story Konflikte braucht.Wenn Sie nur Landschaft beschreiben, fehlt der Konflikt. Konflikte nämlich benötigen jemanden, der ein Ziel anstrebt. Das sind oft zwei Figuren, die beide das Gleiche anstreben (etwa denselben Partner), obwohl nur eine es haben kann. Oder die etwas wollen, was nur eine haben kann (etwa einen einmaligen Diamanten) oder was sich gegenseitig ausschließt (der eine will den anderen fangen, dieser will entkommen). Beide Figuren sind einander ein Hindernis.

Konflikte entbrennen auch dann, wenn nur eine Seite ein Ziel verfolgt. Die andere mag ein Schneesturm in arktischer Einsamkeit sein, der nichts will, aber der Protagonistin das Überleben erschwert, ihr grundlegendes Ziel. Beide Arten von Konflikten zeichnen sich durch ihr dramatisches Potenzial aus. Erst damit wird der Konflikt für die Story wertvoll.

Keinen Konflikt nach unserer Definition gibt es, wenn beispielsweise eine Warmfront gegen eine Kaltfront stößt. Das mag am Himmel für ein Gewitterspektakel sorgen. Dramatische Folgen ergeben sich daraus erst, wenn Figuren beteiligt sind, wenn etwa der Held wegen des Unwetters nicht rechtzeitig zur Übergabe des Lösegelds kommt und seine entführte Tochter daher bei den Gangstern bleibt.

»Ah, Gangster«, höre ich jetzt die eine oder den anderen denken. »Scheußlich. Immer diese Thriller. Genau darum mag ich Konflikte nicht. Ich brauche sie nicht, weil ich eine andere Art Roman schreibe.«

Bei Konflikten denken die meisten nur an Action und Gewalt, sei sie verbal oder physisch, deutlich zu sehen oder im Subtext verborgen, nach innen gerichtet oder nach außen. All das sind Formen, Ausprägungen von Konflikten, und sie alle funktionieren bestens als Faktor für Spannung und Treibstoff für Ihren Roman. Aber sie sind nur ein kleiner Teil dessen, was Konflikte ausmacht – und was sie unverzichtbar macht.

Kein Wunder, dass manche Autoren von Klischees und Äußerlichkeiten verführt werden. Ihre Konflikte scheinen nur vorzukommen, weil sie mal gehört haben, ihre Story brauche Konflikte. Einfach zwei Leute miteinander streiten zu lassen, ist jedoch nur ein möglicher Konflikt von unzähligen. Und für die Story meist nicht sonderlich effektiv.

Eine andere Bezeichnung von Konflikten mag ebenfalls helfen, das Umfassende ihrer Bedeutung zu erkennen. Ein Konflikt ist seinem Wesen nach stets ein Problem. Problem, das klingt weniger gewalttätig, scheint weniger Kraft und Tun zu erfordern.

Ein Problem hat man, wenn der Computer nicht mehr hochfahren will oder man nicht weiß, was man den sieben Schwiegermüttern schenken soll.

Jedes Problem aber, auch ein kleines, verlangt nach einer Lösung, nach Handeln, und genau danach verlangt jeder Konflikt, der etwas auf sich hält (und einen Platz in Ihrem Roman verdient). Genaugenommen ist es nicht das Problem, das nach einer Lösung verlangt – das ist nur eine Floskel. Nach einer Lösung verlangt die Figur, weil das Problem sie daran hindert, ihr Ziel zu erreichen. Womit wir bei der oben angedeuteten Kernaufgabe von Konflikten angelangt wären und dem Grund für ihre Notwendigkeit in jedem Roman, in jedem Film, in jeder Story:

Konflikte stoßen die Handlung an, und das ununterbrochene Vorhandensein von Konflikten sorgt dafür, dass die Handlung weitermarschiert. Erst wenn sämtliche[Fußnote 17] Konflikte gelöst sind, darf die Handlung zum Stillstand kommen.

Damit wir Konflikt im Roman verstehen, brauchen wir eine breitere Sichtweise. Und die kriegen wir über eine andere Herangehensweise.

Wie entsteht ein Konflikt überhaupt?

In seiner einfachsten Form bricht ein Konflikt aus, wenn jemand auf seinem Weg auf einen Widerstand trifft, der ihm das Erreichen seines Ziels erschwert oder unmöglich macht. Ein Einbrecher will ins Haus. Sein Ziel: Den Safe leerräumen. Die Tür aber[Fußnote 18] ist abgeschlossen. Ein Konflikt! Loriots Männlein will einfach nur da sitzen, aber seine Frau lässt ihn nicht in Ruhe.

Ein Konflikt! Wenig Action, keine Gewalt.

Jeder Konflikt braucht notwendig vier Dinge:

* jemanden, der etwas erreichen will;

* das zu erreichende Ziel;

* einen Weg zu diesem Ziel;

* einen Widerstand auf diesem Weg, der die Zielerreichung verhindert und so für Konfrontation sorgt.[Fußnote 19]

Damit das die Leser fesselt, braucht es Spannung – und die entsteht erst, wenn Sie die Leser neben dem Konflikt mit weiteren Faktoren versorgen, etwa der großen Bedeutung des Ziels für die Figur (hohe Einsätze). Was aber, wenn eine Figur nichts erreichen will? Kann sie nicht auch dann in einen Konflikt geraten? Sie kann. Allerdings auf der passiven Seite – als träges Hindernis für jemanden, der etwas erreichen will.

Eine weitere Anpassung des Standpunkts hilft uns, Konflikte noch besser zu begreifen.

Motiv (Motivation, Antrieb)

Die Motivation ist das, was die Figur antreibt. In manchen Fällen ist sie den Figuren oder Lesern nicht bewusst oder sie können sie nicht exakt fassen oder definieren.

Nehmen wir eine tiefe Unzufriedenheit, die in der Figur schlummert. Womit die Figur unzufrieden ist, weiß weder sie, noch wissen es die Leser. Zunächst. Mit der Zeit begreift die Figur, dass sie die politischen Zustände in ihrem Land für unerträglich hält.

Diese Unzufriedenheit erfüllt die Figur mit Energie. Womöglich entlädt sie sich, wenn die Figur am Lenker ihres Fahrrads aggressiv auf die lahmen Fußgänger schimpft. Doch solchen Entladungen fehlt die Richtung.

Noch.

Ihre Richtung erhält die Motivation mit dem Ziel.

Ziel

Was genau Ziele im Roman oder im Konflikt sind, auch darüber herrscht häufiger Unklarheit bei Autoren. Ein Ziel zu haben, das klingt nach Macher und Planer, nach von langer Hand und in weiser Voraussicht, es klingt nach: »da weiß einer, was er will« und großer Klarheit.

Sicher, die genannten Aspekte stärken Ziele und machen sie für die Leser leichter erkennbar. Ein Ziel kann auch kleiner, undefinierter sein.

Beispiel: Die alte, noch fitte Angela joggt durch den Stadtpark. Da landet vor ihr ein UFO, zerquetscht einen Pudel während des Apportierens und nebelt die Umgebung mit einem Gas ein, das riecht wie die ungewaschenen Socken von Angelas Mann. Das Alien, das Angela ein wenig an ihre Tante Clara erinnert, wenn diese Lockenwickler trägt, schnappt sich Angela und will sie offenbar – vermutlich, wer kennt schon die Motive von Aliens – an Bord schleppen und nach Andromeda oder so entführen.

Angela hat hier kein Ziel. Sie läuft nach Lust und Laune Wege ab. Dennoch ist sie mitten hinein in einen Konflikt geraten, einen äußeren. Und so gerne sie Neues ausprobiert, nein, nach Andromeda zieht sie gar nichts. Zumal daheim in der Küche der Braten im CrockPot vor sich hin simmert und der Gatte nebenan auf der Couch.

Sie wehrt sich zwar nicht. Aber mit ins Raumschiff will sie auf keinen Fall, will nicht den Raum durchschiffen, und damit steht ihr Wille im Konflikt mit dem des Aliens. Anders ausgedrückt: Sie hat auf einmal doch ein Ziel. Das Ziel wurde ihr, der eben noch passiv Joggenden, von ihrem Konfliktgegner aufgezwungen. Das Alien nämlich hat definitiv ein Ziel: Es will eine Spezies von der Erde mitbringen, als Gastgeschenk für den ersten Besuch bei den sieben Schwiegermüttern. Terranische Spezies sind gerade mächtig en vogue dort.

Anders verhielte es sich, hätte Angela sich ohne Gegenwehr oder sogar bereitwillig verschleppen lassen – wenn sie an ihren simmernden Couchgatten denkt, will diese Angela doch mal was Neues ausprobieren, und Andromeda soll nett sein um diese Jahreszeit. Für das Alien wäre sie kein Widerstand, weil diese Angela ihm das Erreichen des Ziels nicht erschweren wollte, nicht erschweren würde.

Bloß hätten wir dann keine Story. Wieso denn nicht? Angela fliegt in einem Alien-Schiff zu einem fernen Planeten. Klingt doch aufregend.

Tatsächlich ist daran nur dann etwas aufregend, wenn irgendwo Konflikte am Werkeln sind. Und das sind sie, im Zustand vor ihrer Entzündung, im Treibstoffzustand – als Konfliktstoff. Da wäre der Kontrast zwischen Angela und Alien, zwischen dem, was Angela (und die Leser) kennen und dem, was sie nun auf der Reise kennenlernen. Da wäre das Neue an der Situation, ein Kontrast zum Alltag, zum Vertrauten.

Ohne diesen Kontrast könnte Angela ebenso gut in den Wagen ihrer Nachbarin Steffi eingestiegen sein und mit ihr zum nächsten Alnatura fahren. Die beiden unterhalten sich harmonisch darüber, wie aromatisch sie die neue Apfelsorte dort finden.

Klingt das aufregend für Sie?

Damit eine Story aufregend sein kann, braucht sie zumindest Konfliktstoff. Dieser ist auch deshalb der Treibstoff von Geschichten, weil er das Potenzial eines Konflikts in sich trägt. Aus dem Konfliktpotenzial wird ein Versprechen an die Leser, sobald Sie die Geschichte offiziell machen. Etwa, indem Sie sie zwischen zwei Buchdeckel drucken lassen und bei Thalia auf den Tisch legen.

Weg zum Ziel

Ihr Held fährt in Frankfurt auf die Autobahn. Er möchte nach Köln, um dort sämtliche Schokolade im Schokomuseum zu futtern. Sein Gegenspieler will die ganze Schoki für sich. Daher baut er dem Helden ein Hindernis in den Weg: Auf der A45 bei Siegen bringt er einen Schwertransporter zum Kippen, der die gesammelten Einkünfte des letzten Thrillers von Sebastian Fitzek transportiert – die Goldbarren, Diamanten und Geldkoffer liegen auf der Fahrbahn verstreut, ein paar Brokatmäntel hängen in der Leitplanke und alle Autofahrer prügeln sich mit den Polizisten um den Mammon.

Der Held kriegt davon nichts mit. Er fährt wie immer über die A3, kommt hungrig in Köln an und treibt, wie geplant, die Firma Lindt in den Ruin. Und all das komplett konfliktfrei! Tja, hätte der Gegenspieler doch dieses Buch gelesen. Dann hätte er sich zuvor darüber informiert, auf welcher Straße der Held nach Köln kommen will, und sein Hindernis entsprechend auf der A3 platziert.

Der Weg zum Ziel muss keine buchstäbliche Straße sein. Sondern etwa die Art oder Methode der Problemlösung. Will Heinz einen Nagel in die Wand schlagen, tut er das am liebsten mit einem Hammer.

Stiehlt Heinz’ lärmempfindliche Nachbarin Luise ihm den Hammer, kann Heinz sein Ziel – Nagel in der Wand – nicht erreichen. Ein Konflikt! Will er sich sein Werkzeug zurückholen und stößt dabei auf Luises Widerstand, eskaliert der Konflikt.

Der Weg zum Ziel ist wichtig, und ihn zu kennen und ihm zu folgen, ist alles andere als banal. Denn wie oft konstruieren Autoren ein Hindernis, an dem die Heldin gar nicht vorbei muss, einen Widerstand, den der Held nicht zu überwinden braucht. So bricht in einem historischen Krimi in einem dem Haus der Heldin benachbarten Viertel die Cholera aus. In der Familie der Heldin ist man entsetzt, meidet das Viertel und schickt das Gesinde auf einer alternativen Route zum Markt. Die Heldin muss indes aufbrechen, um Heldenhaftes zu tun. Dazu braucht sie weder ins Cholera-Viertel zu gehen, noch bekommt sie es mit Cholerakranken zu tun.

Wieder ein Konflikt verschenkt und – auch das noch –, Seiten mit Irrelevantem verschwendet! Achten Sie darauf, Ihre Figuren dorthin zu schicken, wo der Konfliktstoff lauert. Oder bringen Sie den Konfliktstoff zu Ihren Figuren (hier etwa ein unerkannt an der Cholera erkranktes Dienstmädchen).

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Schreibtipp:

Die Figuren in konfliktreiche Situationen zu treiben, gehört zu den wenigen Dingen, bei denen Ihnen die Leser eine lange Leine lassen. Solange Sie nur für überzeugende Konflikte sorgen, verzeihen Ihnen die Leser sogar viele (ein bisschen und offensichtlich) erzwungene Konflikte.

Beispiel: Sie wollen zeigen, was Ihre Thrillerheldin für eine toughe Person ist. Also schicken Sie sie in eine Bar, wo ihr dann auch gleich jemand auf die Pelle rückt, den sie dann mit ihren Krav-Maga-Künsten aufs Kreuz legt. Dass Ihre Heldin normalerweise keine Bar aufsucht, erklären Sie etwa damit, dass sie dringend aufs Klo musste.

Das wirkt nicht so wahnsinnig überzeugend. Aber wenn die Szene spannend ist und der Konflikt an sich glaubhaft, verzeihen Ihnen die Leser dieses Konstruierte. Bloß übertreiben Sie es nicht!

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Der Weg zum Ziel kann ein nur buchstäblicher sein. So kann damit ein hartes Training gemeint sein, das die Heldin zu ihrem Ziel bringen soll, der Erstbesteigung des Muchu Chhish in Pakistan (7452 m). Ein relevantes Hindernis wäre hier etwa ein Beinbruch, der sie vom Trainieren abhält.

Widerstand

Damit aus dem Konfliktstoff sich ein Konflikt(feuer) entzündet, braucht es einen Widerstand, einen Feuerstein, wo der Zündfunke entspringt – und zwar auf dem Weg des Helden zu seinem Ziel. Widerstände sind alles, was sich Ihrer Figur in den Weg stellt – für die Story relevante Widerstände sind nur solche, die die Figur am Erreichen ihres Ziels hindern.

An der Cholera zu erkranken, wäre ein markanter Widerstand für Ihre Heldin, da ihr Tod auch das Erreichen ihres Ziels verhindern würde. Das erkrankte Dienstmädchen könnte Ihrer Heldin den Koffer packen und die Heldin so in Gefahr einer Ansteckung bringen. Solange aber die Heldin nichts von der Krankheit weiß und die Krankheit nichts von ihr wissen will, solange entsteht kein Konflikt im Roman – das Dienstmädchen ist als Hindernis damit ebenso irrelevant wie die Cholera selbst.

Was nicht heißt, dass die geschilderte Situation frei von Konflikten wäre. Doch diese liegen außerhalb der Story, da die Figuren ahnungslos sind. Machen Sie jedoch Ihre Leser zu Mitwissern um die fatale Erkrankung, erschaffen Sie in ihnen den Konfliktstoff dramatische Ironie, der das Potenzial hat, sich zum Konflikt und dann zu Suspense auszuweiten.

Weil es so wichtig ist, hier noch ein Beispiel für einen irrelevanten Widerstand: Da will ein Prinz eine Prinzessin aus den Klauen böser Zwerge retten. Doch statt zu den Zwergenbergen aufzubrechen, befreit er die liebe Schwiegermutter aus den Fängen einer bösen Schwiegertochter, was nichts mit der Prinzessin, den Zwergen oder einem Ziel zu tun hat. Es ist dem Autor gerade eingefallen, und natürlich muss man als Künstler jedem Impuls sofort nachgeben.[Fußnote 20]

Irrelevante Hindernisse vermeiden Sie, wenn Sie Ihrem Helden einen kräftigen Antrieb mit auf den Weg geben und dem Ziel einen starken Zug.

Das Konfliktdreieck

Konflikte entbrennen. Sie kennen diese Metapher. Wir nutzen sie, um unsere Konfliktformel zu entwickeln und damit die notwendigen Faktoren zu finden, die jeder Konflikt braucht. Sobald Sie diese kennen und berücksichtigen, wird Ihnen jeder Konflikt gelingen: Sie bekommen das Rezept für Konflikte.

In der Verbrennungslehre versinnbildlicht das Verbrennungsdreieck die Bedingungen, die notwendig sind, damit ein Feuer entsteht: Es braucht einen brennbaren Stoff, es braucht Sauerstoff, der für die chemische Reaktion sorgt, und es braucht Zündenergie, etwa als Wärme, Funken, Elektrizität. All das muss im richtigen Verhältnis vorhanden sein, erst dann kommt es zum Brand. Wenn nicht, bleibt der Ofen aus, das Lagerfeuer bleibt Lager und die Kälte bleibt in den Knochen.

Feuer ist in der Physik als exotherme Reaktion bekannt. Wenn ein Streichholz brennt, entstehen Wärme und Licht. Der Brennstoff hat mehr Energie als die Endprodukte, und die überschüssige Energie wird an die Umgebung abgegeben. Was auch bei den richtigen Konflikten geschieht. Hier ist die überschüssige Energie das Drama in der Story, sind es die Emotionen im Leser.

Die Feuermetapher ist hilfreich, um Konflikte zu erklären. Sie kann mehr: Sie dabei unterstützen, mit Konflikten zu arbeiten und Ihren Roman zu verbessern.

Damit ein Konflikt etwas hat, was brennen kann und weiterbrennen kann, brauchen Sie einen Konfliktstoff. Das könnte beispielsweise eine Erbschaft sein, die vier Geschwistern zukommt, die alle ihre eigene Vorstellung davon haben, was die gerechte Aufteilung ist oder wer das Geld am dringendsten braucht. Ebenso benötigen Sie einen