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Erfüllen Sie sich Ihren Traum vom Bestseller! Der schnellste Weg: Schreiben Sie den besten Roman, den Sie schreiben können. Dieses Buch sagt Ihnen, wie. "Stephan Waldscheidt hat einen Ratgeber geschrieben, wie er sein soll: Witzig, provozierend, unterhaltend, die Inhalte exakt und ohne Umschweife auf den Punkt gebracht und mit vielen Beispielen anschaulich belegt." (Aus der Laudatio – Indie-Autorenpreis der Leipziger Buchmesse & neobooks) Das Buch verrät und erklärt Ihnen die Tricks erfolgreicher Autoren. "Schneller Bestseller – Bessere! Romane! Schreiben! 3" vereint mehr als fünfzig Artikel aus dem viel gelesenen Blog schriftzeit.de. Alle wurden überarbeitet, noch praxisorientierter gemacht und zum Teil deutlich erweitert. Neu sind die Schneller-Bestseller-Tricks zu jedem Kapitel, die Sie in Ihrem Roman einsetzen können – und die ihn sofort besser machen. Patentrezepte für den Bestseller kennt auch dieses Buch keine. Dafür zeigt es Ihnen Möglichkeiten, die den Weg dorthin gangbarer machen. Der den meisten Erfolg versprechende Weg führt über das Schreiben Ihres besten Romans. Das ist der Teil des Erfolgs, den Sie beeinflussen können. Tun Sie es. "Schneller Bestseller" hilft Ihnen, egal in welcher Phase des Schreibprozesses Sie gerade stecken: beim Planen und Plotten ebenso wie beim Schreiben der Rohfassung oder beim Überarbeiten und Optimieren. Das Buch wurde von einem Praktiker für Praktiker geschrieben, es hilft dem Anfänger ebenso wie dem Profi. Vieles, was Sie hier lesen, finden Sie in keinem anderen Ratgeber. "Schneller Bestseller – Bessere! Romane! Schreiben! 3" wird Sie inspirieren und Ihnen helfen, endlich Ihren großen Roman zu verwirklichen. Und vielleicht sogar einen Bestseller. Das Buch baut *nicht* auf den anderen Büchern der Reihe "Bessere! Romane! Schreiben!" auf. Es kann unabhängig gelesen werden und ergänzt die bereits erschienen Ratgeber.
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Seitenzahl: 271
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Stephan Waldscheidt
Schneller Bestseller
Bessere! Romane! Schreiben! 3
Dieses ebook wurde erstellt bei
Inhaltsverzeichnis
Titel
Intro
Plot und Struktur
Wie Sie sofort Vertrauen zum Leser herstellen
Das perfekte Timing für Ihren Roman
Genrewechsel innerhalb eines Romans
Über die Bedeutung von Entscheidungen im Roman
Wie Sie in Ihrem Roman zwei Szenen mittels Überblendung verbinden
Warum »literarische« Romane so oft nicht funktionieren
Wie Sie Träume wirkungsvoll einsetzen – oder Ihre Leser vergraulen
Wie Sie mit der dritten aus zwei Varianten die Leser überraschen
Sind Rückblenden gleich zu Beginn immer ein Fehler?
Wie Handlung und Backstory sich optimal ergänzen
Warum Bezüge wichtig sind und wie Sie sie herstellen
Einstieg mit dem Höhepunkt
Spannung und Gefühle
Humor im Roman – Teil 6
Warum eine handwerklich perfekte Szene den Leser packt – oder auch nicht
Wie Sie mit wenigen Worten Menschen bezaubern und begänsehauten
Mit glaubhaften Gefühlen lebendige Charaktere schaffen
Wie Sie den Leser in seine eigenen Abgründe schauen lassen
Warum Humor Spannung tötet und was Sie dagegen tun können
Mit Informationsvorsprüngen Konflikte schaffen
Warum Sie Konflikte bereits vor dem Beginn Ihres Romans entzünden sollten
Wie Sie das Tempo hoch halten, ohne die Leser zu ermüden
Dilemmas im Roman
Charaktere
Wie Sie das Ensemble Ihres Romans optimal zusammenstellen
So machen Sie aus einem Unsympathen einen gelungenen Protagonisten
Warum gewinnen und verlieren so entscheidend für Ihre Charaktere ist
Wie Sie mit kleinen Schwächen den Helden menschlich machen
Ein starker Roman-Charakter verändert auch das Setting
So wird Ihr Held interessanter – und bleibt sympathisch
Wie Ihr Roman auch mit einem bösen Helden gut werden kann
Einzigartige Charaktere schaffen statt untoter Hoodies
Warum Sie den Lesern die Gefühle der Charaktere zeigen sollten
Schauplatz und Setting
Über Schauplätze im Roman und die Kunst, kein Tourist zu werden
Warum Sie Charaktere mit dem Schauplatz interagieren lassen sollten
Schreiben mit mehr und weniger Welt
Wie Ihre Requisiten zu Zeitbomben werden (und mehrfach explodieren)
Wie Sie mit weniger Beschreibungen mehr aussagen
Ein schnellerer (und besserer) Roman dank veränderter Schauplätze
Erzählen
Subtiler schreiben, Helden sympathischer machen, Feedback finden
So entwickeln Sie ein Gespür für dramatische Situationen
Warum Sie als Roman-Autor häufiger ins Kino gehen sollten
Wie Sie Schemata benutzen, um konzentrierter zu erzählen
Warum Sie übermäßiges Psychologisieren vermeiden sollten
Fördern bewährte Techniken des Erzählens den Einheitsbrei?
Was die Verfilmung dem Buchbestseller überlegen macht
Der Faktor Zeit beim Schreiben
So bringen Sie Magie in Ihren Roman
Sprache und Stil
Warum auch Sie dringend mal anthimerisieren sollten
Wie Sie mit erzählenden Wörtern Ihrem Roman mehr Welt verleihen
Wie viel Sprache – und welche – soll es sein?
Wie Sie Symbole in Ihrem Roman wirkungsvoll einsetzen
Mitreißend Schreiben, im Detail erklärt
Schreiben und Leben
Wie Sie aufhören, literarisch ein Feigling zu sein
Der richtige Ratgeber für Sie
Dank
Über Stephan Waldscheidt
Impressum neobooks
Die Tipps von Schreibratgebern müssen sich in der Praxis bewähren – bei Agenten und Verlagen, vor allem aber beim Leser. Deshalb setzt »Schneller Bestseller« bei Romanen und Drehbüchern an, die tatsächlich den Weg zu Lesern und Zuschauern gefunden haben. Gut und richtig ist, was funktioniert und ankommt. Herz und Angelpunkt des Ratgebers sind daher die Beispiele aus Literatur und Film.
Dieses Buch fasst wie seine Vorgänger aus der Reihe »Bessere! Romane! Schreiben!« Artikel aus dem Blog für Roman-Autoren, schriftzeit.de, zusammen. Alle wurden überarbeitet, zum Teil erheblich erweitert – nicht zuletzt dank der Leser-Kommentare – und um mehr als fünfzig konkrete Schreibanregungen ergänzt: sämtlich Praxistricks, die sich direkt auf Ihren Roman beziehen und Ihnen ein Instrument an die Hand geben, wie Sie die Geschichte (noch) mitreißender machen – und Ihrem Bestseller ein Stück näher kommen.
Patentrezepte kennt auch dieses Buch keine. Aber es zeigt Ihnen Möglichkeiten, die den Weg zum Bestseller gangbarer, schneller machen. Am meisten Erfolg verspricht es, den besten Roman zu schreiben, den Sie in sich haben. Das ist der Teil des Erfolgs, den Sie beeinflussen können. Tun Sie es.
»Schneller Bestseller« hilft Ihnen in jeder Phase des Schreibprozesses: beim Planen und Plotten, beim Schreiben der Rohfassung, beim späteren Überarbeiten und Optimieren. Was Sie in diesem Buch lesen, finden Sie so in keinem anderen Schreibratgeber. Garantiert.
Sehen Sie »Schneller Bestseller« als ständigen Begleiter bei jedem neuen Roman. Machen Sie es wie ich: Ich nehme mir bei jedem neuen Projekt meine Lieblingsratgeber zur Hand und finde immer wieder aufs Neue Inspiration und Tipps, die genau auf ein aktuelles Problem passen. Denn jeder Roman stellt neue Anforderungen.
Lesen Sie »Schneller Bestseller« mit Ihrem Roman und seinen Fragestellungen im Hinterkopf, lassen Sie sich inspirieren und animieren und stellen Sie sich den Fragen und Ideen der Schneller-Bestseller-Tricks. Nur dann holen Sie das Beste aus diesem Buch heraus. Und aus sich. Nur dann entfalten Sie das Bestsellerpotenzial, das auch in Ihrem Roman steckt.
Viel Erfolg dabei. Ich freue mich auf Ihren (besseren) Roman.
Stephan Waldscheidt, im Juni 2013
Juwelendiebe, Masseure und der erste Satz Ihres Romans
Garantierte Abhilfe bei peinlichen Beziehungsproblemen
Wenn Hänsel und Gretel von Aliens entführt werden
»Ich werde den Ring nehmen, obwohl ich den Weg nicht weiß«
Räuberische Möwen, leckere Crêpes und perfekte Blenden im Roman
Die Zweit-Akter
Die bessere Methode, eine Zehe zu amputieren
Überraschungen bei der Heimkehr
Der meistgesuchte Mann Englands schläft mit der Frau seiner feuchten Träume
Ein toter Vogel zum Valentinstag
Das verstopfte Ohr des Informanten
Von Plattheiten und dem frühestmöglichen Showdown
Juwelendiebe, Masseure und der erste Satz Ihres Romans
Einen Roman zu beginnen erfordert Mut. Vor allem erfordert es Selbstvertrauen. Dieses Selbstvertrauen muss sich dem Leser mitteilen – weil er Ihnen vertrauen muss, damit er sich auf Hunderte von Seiten Ihrer Geschichte einlässt. Sie sind sein Führer, Sie nehmen ihn an der Hand. Sie wollen mit ihm durch ein Land, das ihm anfangs vollkommen fremd ist.
Mit wem würden Sie lieber durch einen unbekannten, finsteren Wald wandern? Mit einem stotternden, abgerissenen Männlein, das sich nicht mal traut, Ihnen in die Augen zu sehen? Oder mit einem aufrechten, bewaffneten Jägersmann mit scharfem Blick und beruhigendem Lächeln?
Ihnen gefällt das Bild nicht, weil Sie etwas gegen Leute haben, die Tiere töten? Wie wäre es damit: Das Verhältnis zwischen Autor und Leser ist wie das zwischen Masseur und Patient. Der Patient vertraut darauf, dass der Masseur weiß, was er tut. Der Patient erwartet, dass der Masseur warme Hände hat. Dass er beendet, was er anfängt, und nicht unvermittelt den Raum verlässt und den Patienten nackt auf der Liege zurücklässt, während von der Decke lulliger Ambient träufelt.
Dieses Vertrauen Ihren Lesern gegenüber etablieren Sie mit derErzählstimme. Dem ersten Satz Ihres Romans kommt dabei eine Schlüsselrolle zu. Sie dürfen ihn sich tatsächlich wie einen Schlüssel vorstellen, denn er schließt Ihren Roman für den Leser auf.
Call me Ismael.
»Nennt mich Ismael.« So beginnt Herman Melvilles »Moby Dick«. Ein starker Satz, einfach und vertrauenswürdig. Da weiß einer, wovon er schreibt. Er hat es nicht nötig, sich aufzuplustern. Er verspricht nicht massivgoldene Wunder, von denen nach ein paar Seiten schon die gelbe Farbe blättert.
Der Anfang, idealerweise schon der erste Satz soll dem Leser zeigen, was ihn erwartet. Etwa ein witziges Buch.
Bisher passierte folgendes:
Am Anfang wurde das Universum erschaffen.
Das machte viele Leute sehr wütend und wurde allenthalben als Schritt in die falsche Richtung angesehen.
So mein Lieblingsanfang, der dem Roman »Das Restaurant am Ende des Universums« von Douglas Adams entstammt (Rogner und Bernhard 1981). Der Tonfall und die Art des Humors, die einen in dem Buch erwarten, werden etabliert.
Ein Thriller?
Jene rote Tür zu öffnen, das wusste ich, würde mein Leben zerstören.
Der erste Satz in Harlan Cobens Roman »Caught« (Orion 2010 / dt. »In seinen Händen« / eigene Übersetzung). Schon der erste Satz sagt: Hier geht es um alles. Schnall dich an. Die Fahrt wird schnell – und verdammt holprig.
Oder die Geschichte zweier halbkrimineller Brüder im Juwelier-Milieu, über die Clancy Martin in seinem Roman »How to sell« schreibt (Farrar, Straus und Giroux 2009 / dt. »Verkaufen« / eigene Übersetzung)?
Unser Vater erzählte, wie Jim beim Tragen der schwarzen Mikomotos meiner Großmutter erwischt worden war, kaum zwei Jahre alt, aber das erste Mal, dass ich mich mit Schmuck befasste, war an dem Morgen, als ich den Ehering meiner Mutter stahl.
Die Art, wie das erzählt wird, gibt den lakonischen Ton des ganzen Romans vor.
Der Satz schafft noch mehr: Dadurch, dass der Erzähler dem Leser eine Abweichung vom Schema zeigt, etwas Verbotenes, weckt er sofort sein Interesse. Humor klingt an bei der Vorstellung eines kleinen Jungen mit einer Kette schwarzer Perlen. Durch diesen Anfang schafft es der Autor oder, wenn Sie so wollen, der Ich-Erzähler, dass er dem Leser trotz seines verwerflichen Diebstahls nicht unsympathisch ist.
Wenn Sie einen Helden einführen, der negative Eigenschaften hat oder etwas, was ihn unsympathisch macht, sorgen Sie unbedingt für Ausgleich. Durch, wie hier bei Martin, Humor. Oder durch eine andere positive Eigenschaft.
Am besten, Sie machen den Helden zuerst sympathisch, bevor Sie uns seine Schattenseiten zeigen. Sie wissen ja, der erste Eindruck zählt. Auch beim Roman.
Stellen Sie sich vor, Martins erster Satz lautete so:
Das erste Mal, dass ich mich mit Schmuck befasste, war an dem Morgen, als ich den Ehering meiner Mutter stahl.
Der Satz ist interessant, er weicht von unseren Erwartungen ab. Aber bemerken Sie, wie unser Eindruck des Erzählers sofort ein anderer wird als eben? Der Satz klingt wie der Anfang einer Verbrecherkarriere. Selbst der leichte Humor darin, den wir als Leser eben noch sympathisch fanden, wirkt nun überheblich.Als Leser denken wir:Wie kann man der eigenen Mutter so etwas antun? Schlimmere Verbrechen als nur der Diebstahl eines Rings werden in Aussicht gestellt.
Unterschätzen Sie nicht die Wirkung des ersten Satzes. Er kann Ihnen den perfekten Einstieg in den Roman ermöglichen und die Leser sofort binden. Schlimmstenfalls aber wendet er sich gegen Sie. Feilen Sie so lange daran, bis Sie ein Juwel in Händen halten. (Dann brauchen Sie es schon mal nicht Ihrer Mutter zu klauen.)
Hier noch zwei Beispiele für Einstiege, die durch ihren Ton den Leser unverzüglich mitnehmen. [Vielen Dank dafür an Evelyn.]
An dem Abend, als sie ausgeraubt wurden, speisten Roxy Palmer und ihr Mann Joe mit einem afrikanischen Kannibalen und seiner ukrainischen Hure.(»Blutiges Erwachen« von Roger Smith, Tropen 2010).
Wer kann schon einem Kannibalen widerstehen?
Lange Sätze zum Einstieg sind grundsätzlich problematischer. Manche Leser nehmen sie für das Buch ein, andere schrecken sie ab. Wie reagieren Sie auf den folgenden ersten Satz (aus »Tsotsi« von Athol Fugard, Klett-Cotta 1989)?
Stille war eingetreten wie immer um diese Zeit, eine lang anhaltende Stille, in der sich keiner von ihnen rührte, oder vielleicht nur, um ein Glas hoch über den Kopf zu heben und die letzten Reste in den offenen Mund tropfen zu lassen oder um zu gähnen, die Beine zu strecken und sich rückwärts auf den Stuhl sacken zu lassen, wobei sich vielleicht einer von ihnen kratzte, ein anderer in den Hinterhof horchte, wo die alte Frau, deren Stimme wie Kiesel in einer Blechbüchse rasselte, schimpfte, während sie alle zu dieser ihrer Zeit auf die Straße hinaussahen und sich fragten, ob die Schatten da draußen jetzt wohl schon lang genug wären.
Mich zieht die Poesie darin in den Roman, sprich: Ich vertraue dem Autor sprachlich. Während sich Blog-Leserin Evelyn für die Schatten interessiert und für das, was darin lauert.
Was lauert in Ihrem Einstiegssatz?
Schneller-Bestseller-Trick:Wovon lassen Sie sich in Romane hineinziehen? Analysieren Sie Ihre zehn Lieblingsromane. Wie gehen die Autoren dort vor? Gibt es Parallelen oder Muster? Was hätten Sie anders oder sogar besser gemacht?
Es ist vermutlich eine gute Idee, wenn Sie auf die Dinge in Ihrem eigenen Roman setzen, die Sie selbst an anderen Romanen faszinieren. Denn nur dann legen Sie das Maximum an Gefühl in Ihren Text.
Garantierte Abhilfe bei peinlichen Beziehungsproblemen
Leiden auch Sie unter einem Problem, das den meisten Autoren nur allzu vertraut und vielen von ihnen peinlich ist? Ja, Sie ahnen es schon: Ich spreche vom frühzeitigen Informationserguss (FIG), einem Verwandten des Infodumps, aber auf keinen Fall mit ihm zu verwechseln.
Der frühzeitige Informationserguss tötet die Spannung, vergrätzt den Leser und führt bei Wiederholung zu einer ernsthaften Gefährdung der Beziehung zwischen ihm und dem Autor. Zum Glück gibt es Abhilfe. Und Sie müssen dafür nicht einmal zur Apotheke.
Wie äußert sich der FIG? Vor allem im Unvermögen, sich so lange mit einer Information zurückzuhalten, bis auch der Leser so weit ist und auf seine Kosten kommt. Das ist weniger eine Frage der erzählerischen Potenz als vielmehr eine der Dramaturgie.
Beispiel:
Die Heldin Ihres Romans, Eva-Maria, gelangt auf Seite 49 in den Besitz eines wertvollen USB-Sticks mit Geheimdaten über einen Plan der Bundesregierung, die alternativen Energien bloßzustellen, um die Energiewende zurückzunehmen. Sie brennt darauf, jemandem davon zu erzählen – wer aber vor allem darauf brennt, sind Sie, der Autor. Der Leser weiß lediglich, dass Eva-Maria den Stick hat, seinen Inhalt kennt er nicht. Er wüsste es schon gern. Ihm ist klar, dass es etwas Wichtiges sein muss. Auf Seite 56 schließlich halten Sie es nicht länger aus und lassen Eva-Maria gegenüber ihrem Boyfriend Julian ausplaudern, dass sie den Stick hat und was Brisantes darauf zu finden ist.
Ah, so ist das also! Interessant, aber die Spannung lässt nach.
Sie haben die Information zu früh vermittelt. Im Roman.
Aber auch in der Szene findet sich der FIG und richtet Unheil an: Er macht Ihren Roman schlechter.
Die Szene beginnt so:
»Julian, ich muss dir was erzählen.«
»Der Stick?«
»Ja. Infos der Regierung über die angebliche Ineffizienz von Windkraft. Ihre Daten – Fälschungen! – sollen belegen, dass die Studien Pro-Windenergie alle massiv geschönt sind.«
»Verbrecher!«
»Das kannst du laut sagen. Aber du solltest es nicht. Zu gefährlich.«
»Aber wir müssen etwas tun.«
Danach ergehen sich Julian und Eva-Maria seitenlang darüber, wie fies die Regierenden doch sind und dass sie zur nächsten Wahl aus Protest nicht wählen gehen werden.
Bissel schwach, diese Szene, finden Sie nicht?
Eva-Maria hätte Julian zumindest hinhalten müssen. Sie schläft zwar mit ihm, aber sie weiß nicht, ob sie ihm trauen darf. Er ist schließlich Mitglied einer der Regierungsparteien.
Julian hätte die Szene über versuchen müssen, Eva-Maria die Information zu entlocken. Und sie hätte sich zieren sollen. Erst am Ende wäre ihr, zermürbt und ausgetrickst von Julians raffinierten Fragen, die Information entwischt.
Und das ist nur eine Möglichkeit, dem Protagonisten den Zugang zu wichtigen Informationen zu erschweren.
Noch besser wäre es gewesen, wenn Eva-Maria erst dreißig Seiten später davon gesprochen hätte. Denn dann hätte sie den Leser lange genug hingehalten, um die Information genau in die Pressekonferenz der Kanzlerin hineinplatzen zu lassen, exakt im dramatischsten Moment. Eine großartige Szene. Die so leider nie geschrieben wurde.
Eine mögliche Abhilfe zeigt uns Julian Cronin indirekt in seinem (übrigens auch gut getimten) Roman »The Passage« (Ballantine 2010 / dt. »Der Übergang« / eigene Übersetzung):
Er erzählte Olson nichts von dem Bunker, sein Schweigen deutete darauf hin, dass der Ort, von wo sie kamen, gut mit Waffen ausgestattet war. Es wird der Moment kommen, dachte Peter, wenn er Olson die Wahrheit würde sagen müssen, oder zumindest das meiste davon. Aber der Moment war noch nicht da, und Olson schien die Ausflüchte in seiner Erklärung zu akzeptieren.
Versetzen Sie sich in folgende Situation: Sie als Autor oder Autorin sitzen in einem Verhörzimmer. Ihnen gegenüber sitzt Ihr Leser. Er stellt die Fragen. Er versucht, aus Ihnen herauszubekommen, was hinter der Story steckt, was passieren wird, er will ihre Geheimnisse lüften.
Sie aber sind gut. Sie halten dicht.
Obwohl Sie wissen, dass Sie irgendwann die Wahrheit werden sagen müssen, wissen Sie auch: Der Zeitpunkt ist noch nicht gekommen.
Sie sind raffiniert. Sie lügen. Sie erzählen Halbwahrheiten, geben falsche Hinweise, lenken die Aufmerksamkeit des Lesers in eine verkehrte Richtung, suchen Ausflüchte, tricksen mit fadenscheinigen Erklärungen. Und erst nach und nach, wenn Sie merken, dass Ihr Leser nervös wird und kurz davor ist, die Geduld zu verlieren und wütend aus dem Verhörzimmer zu stürzen, erst dann rücken Sie mit der Wahrheit heraus. Mit einem Stück davon, gerade genug, dass Ihr Leser sich wieder hinsetzt und Ihnen weitere Fragen stellt.
Die Abhilfe gegen den FIG ist gutes Timing, eines der anspruchsvollsten Werkzeuge des Roman-Autors. Wenn Sie einen überdurchschnittlichen Roman schreiben wollen, müssen Sie das Timing beherrschen: wann sie wie viel preisgeben.
Ein Richtig oder Falsch gibt es hier nicht. Das ist ähnlich wie beim Schalten im Auto. Der ideale Zeitpunkt, mit einer Information herauszurücken, hängt von vielen Faktoren ab. Sie müssen ein Gespür für die Situation entwickeln. Und das schaffen Sie durch analytisches Lesen von Meistern des Timings, häufig Thriller-Autoren, denn in keinem anderen Genre ist das Timing so entscheidend.
Das heißt nicht, dass Sie das Timing bei Ihrem Mainstream-Roman oder Ihrer Liebesgeschichte vernachlässigen dürfen. Bei Thrillern tritt es nur offener zutage und lässt sich entsprechend besser studieren.
Analysieren Sie den ein oder anderen guten Thriller, selbst wenn Sie das Genre sonst nicht so mögen. Lesen Sie amerikanische oder britische Thriller-Autoren. Die verstehen sich am besten darauf. Etwa Dennis Lehane, Michael Connelly, Peter Abrahams, Nicci French, John Hart, Harlan Coben, Michael Robotham.
Allein auf Ihren Instinkt müssen Sie sich jedoch nicht verlassen. Beim groben Timing, das den Roman als Ganzes betrifft, hilft Ihnen die Struktur des Plots. Beispielsweise das klassische Drei-Akte-Schema mit seinen Wendepunkten am Ende des ersten und am Ende des zweiten Akts.
Wenn Sie Ihren Roman in seiner Gesamtheit planen, ist es einfacher, den perfekten Zeitpunkt für die wichtigsten Enthüllungen, Überraschungen und Wendungen festzulegen, als auf gut Glück loszuschreiben. Zudem gibt die bewährte Struktur die optimalen Zeitpunkte für Wendungen vor.
Wenn es ums Feintuning des Timings geht, hilft eine Struktur ebenfalls. Dafür sollten Sie jede Ihrer Szenen wie eine eigene Geschichte mit eigener Dramaturgie betrachten. So ist der beste Zeitpunkt für eine wichtige Enthüllung zugleich der Höhepunkt der Szene. Eine kleinere Überraschung fühlt sich hingegen an einem Wendepunkt innerhalb der Szene gut aufgehoben.
Sie sehen, eine gute Planung ist auch dann von Vorteil, wenn Ihr Roman Elemente beinhaltet, die eines perfekten Timings bedürfen. Doch keine Sorge: Selbst wenn Sie zu denen gehören, die einfach drauflosschreiben, können Sie auch noch später, beim Überarbeiten, für gutes Timing sorgen. Auch wenn das heißen kann, Szenen umzustellen oder gar komplette Szenen zu verschieben. Diese Arbeit erspart Ihnen eine kluge Planung.
Achtung!Eine Sorte Informationen sollten Sie dem Leser früh, wenn nicht schnellstmöglich geben: Das sind die Informationen, die er bereits kennt, etwa vom Titel oder vom Klappentext. Ein Thriller namens »Atombombentod«, der auf Seite 100 als große Überraschung eine Atombombe in die Handlung einführt, hat ein Problem, genauer: Sie als sein Autor haben eins.
Was den Klappentext betrifft, stimmt es, dass Sie den beim Schreiben Ihres Romans noch nicht kennen. Selbst bei der letzten Fahnenkorrektur kann Ihnen der noch unbekannt sein. Dennoch können Sie sich mehr oder weniger gut ausmalen, was im Klappentext stehen wird. Etwa, wenn es in Ihrem Roman um eine Entführung geht und darum, dass sich die Entführte in den Entführer verliebt. Das Wort »Entführung« wird ganz sicher im Klappentext auftauchen. Für den Leser wird die Entführung also keine Überraschung mehr sein. Ergo sollten Sie keine Energie und Leserzeit darauf verschwenden, diese Entführung erst im zweiten Teil des Romans zu bringen und reichlich Hinweise zu streuen.
Schneller-Bestseller-Trick:Suchen Sie sich drei wichtige Enthüllungen oder Überraschungen in Ihrem Manuskript, die den ganzen Roman und nicht nur eine Szene betreffen. Schieben Sie jede davon eine Szene weiter. Sie zögern? Strafe für Ihr Zögern: Schieben Sie sie drei Szenen weiter.
Oder probieren Sie es einfach mal andersherum: Könnte der Roman mit einer wichtigen Enthüllungbeginnenund damit den Leser gleich an den Haken nehmen, dem Helden sofort ein Problem servieren? Diese Enthüllung aber sollte auch dann funktionieren, wenn der Leser den Charakter noch nicht kennt, sprich: allgemeingültig sein.
Beispiel: Erste Szene. Sven kommt von der Arbeit nach Hause und findet in seinem Allerweltseinfamilienhaus seine Frau und seine beiden Kinder ausnahmsweise nicht vor – stattdessen einen Brief, in dem seine Frau ihm schreibt, dass sie ihn verlässt, dass sie bereits mit einem anderen Mann verheiratet ist und die beiden Kinder nicht von ihm, Sven, sind, sondern von ihrem ersten und dem Gesetz nach einzig richtigen Ehegatten. Damit diese Enthüllung wie eine Bombe einschlägt, dazu braucht es keiner großen Vorbereitung.
Fällt Ihnen etwas Vergleichbares für Ihren Roman ein?
Wenn Hänsel und Gretel von Aliens entführt werden
Es waren einmal zwei Geschwister, Hänsel und Gretel. Eines Tages gingen sie in den Wald. Da stand ein Häuschen ganz aus Lebkuchen und Zuckerwerk und duftete gar vortrefflich.
»Du, Hänselein, ich habe solchen Hunger. Wollen wir nicht in das Häuslein fein hinein?« Gretel wartete nicht ab, was ihr Bruder erwiderte. Mit wehendem Röckchen lief sie durch die weit offenstehende Tür.
Hinter ihr aber schlug die Tür zu. Aus dem Boden des Hauses stieg beißender Rauch, der Hans die Sicht vernebelte. Ein Quietschen und Ächzen ertönte, und langsam erhob sich das Haus auf einer Rauchwolke und stieg in den Himmel.
»Schon wieder Außerirdische«, fluchte Hans vor sich hin und sprach in die in seinen Hals implantierte ComUnit: »Sie haben Grete.Code Wicked Witch.Sofort XC12 nach BC9. Ich wiederhole: BC9.«
Zu den Dingen, die der Autor festlegen sollte, noch bevor er den ersten Satz seines Romans schreibt, gehört das Genre. Das klingt banal, ist aber alles andere als das. Mit dem Genre legen Sie eine Reihe von Regeln fest und geben sich und Ihren Charakteren Entscheidungen vor. Etwa die, dass in einem Märchen Grete eben nicht von Außerirdischen entführt wird.
Mit dem Genre bestimmen Sie (manchmal auch erst Ihr Verlag), wo in einer Buchhandlung sich Ihr Roman wiederfindet: auf den hohen Stapeln am Eingang des Ladens, als einzelnes Exemplar im Regal der Autoren von A bis Z – oder irgendwo weit hinten im Kartoffelkeller Ihrer Verlegerin.
Genres folgen Konventionen. Viele davon werden heute nicht mehr so eng ausgelegt. Gerade in der phantastischen Literatur verwischen die Grenzen. Subgenres sprießen aus dem Boden wie genmanipulierte, respektive verzauberte, Pilze. Ein Krimi ohne Mord ist dagegen noch immer schwer vorstellbar, ein Thriller ohne schnelle Action ebenso wenig. Wo die Grenzen zwischen Krimi und Thriller verlaufen, lässt sich längst nicht mehr entscheiden.
Eine Entwicklung, die ich begrüße, als Autor und als Leser. Wie jeden Ausbruch aus der Schublade.
Ein ganz anderer Fall ist es, wenn ein Roman als Science-Fiction beginnt, mit einer Weltraumschlacht und technischem Firlefanz exklusiv für Maschinenbaustudenten, und im zweiten Teil als Krimi im viktorianischen London endet. (Für Trekkies: Wer erinnert sich nicht an jene legendäre Folge von »Raumschiff Enterprise: Das nächste Jahrhundert«, als Captain Picard und seine Crew im Holodeck der Enterprise als Sherlock Holmes und Konsorten ins viktorianische London »reisten«?)
Ich spreche von Erwartungen.
Für den Leser regelt das Genre seine Erwartungen an den Text. In einem Thriller etwa erwartet er Spannung, temporeiche Action und sich zuspitzende Dramatik. Findet er stattdessen ausufernde Landschaftsbeschreibungen, mehrseitige Schachtelsätze und philosophische Debatten, werden seine Erwartungen enttäuscht.
Moment mal. Sollten Autoren denn nicht die Erwartungen der Leser enttäuschen? Durchaus. Aber auf eine dem Leser angenehme Weise. In der Geschichte. Und nicht außerhalb, eben zum Beispiel im Genre.
Kleiner Tipp:Vermeiden Sie in Ihrem ersten Roman solche Wechsel des Genres. Überschätzen Sie auch nicht die Zahl der Leser, die lieber überrascht werden. Die ist leider erstaunlich klein. Sie bezweifeln das? Sehen Sie sich die Verkaufszahlen der entsprechenden Bücher an.
Ob und wie Sie die Erwartungen der Leser gewichten, liegt bei Ihnen. Aber bedenken Sie: Der Leser kauft Ihren Roman, weil er ganz bestimmte Erwartungen an das Buch mitbringt. Die Sie mit der Wahl des Genres begründet haben. Sie (und Ihr Verlag) machen dem Leser ein Versprechen. Das Versprechen zu brechen und die Lesererwartungen zu ignorieren, ist keine kluge Idee, wenn Sie vom Romane Schreiben leben möchten. Und lieber Leser hätten, die mehr als ein Buch von Ihnen kaufen.
Romane, in denen von einem Genre zum anderen gewechselt wird, erblicken selten das Licht der Buchhandlungen. Denn sie schaffen es erst gar nicht, einen Verlag zu finden. Für Sie heißt das: Wenn Sie das Genre im Roman wechseln oder mehrere Genres mischen, machen Sie es sich schon bei der Agenten- und Verlagssuche viel schwerer.
Hier taucht sie wieder auf, die Zweischneidigkeit dieser Filterfunktion der klassischen Verlage. Einerseits hilft Ihnen der Filter, ein bewährtes Genre zu bedienen und damit Lesererwartungen zu erfüllen. Andererseits hält der Filter aber eben das Neue zurück, das die Genregrenzen weitet oder bricht und dem offeneren, dem experimentierfreudigeren Roman-Genießer ein noch nie dagewesenes Lesevergnügen beschert.
In den USA gibt es diesen Trend von Cross-Genre-Romanen schon länger. Dort werden den Verlagen wahrscheinlich immer mehr Geschichten angeboten, die so gut sind, dass sie sie einfach veröffentlichen müssen, egal welches Genre.
Auch in Deutschland zeichnen sich vergleichbare Tendenzen ab, nicht nur weichere Grenzen zu durchbrechen (etwa zwischen Thriller und Krimi, zwischen SF und Fantasy), sondern auch die härteren wie die zwischen Thriller und Phantastik oder zwischen historischem Roman und Krimi.
Ich bin zuversichtlich, dass wir das Ende dieser richtigen und überfälligen Entwicklung noch nicht gesehen haben. Sie wird stehen und fallen mit dem Erfolg selbstveröffentlichter Romane als E-Book oder Print-On-Demand. Viele der Autoren dort scheren sich nämlich nicht um Grenzen, weil sie nie gelernt haben, sie bewusst wahrzunehmen. Haben diese Autoren Erfolg, werden sich auch die großen Verlage diesem Geschäft nicht verschließen. Und so ist es ja in vielen Bereichen des Marktes: Die flexiblen Kleinen strömen in die Nischen und die unbeweglichen Großen preschen nach, sobald sie Geschäfte wittern.
Ein bizarrer Wechsel von einem düsteren Neo-Heimatroman zu einem Werk der Phantastik vollzieht Stefan Kiesbye in seinem empfehlenswerten »Hemmersmoor« (Tropen 2011). Nicht weiter verwunderlich, dass ein Kritiker auf Amazon seine Besprechung mit »Etikettenschwindel?« überschreibt. (Die meisten Kritiken dort sind allerdings positiv bis sehr positiv.)
Bei einem Volksfest im Dorf – ein Koch- und Back-Wettbewerb – kippt die Stimmung urplötzlich. In abergläubisch motivierter Wut, ja, im Blutrausch stürzt sich das ganze Dorf auf eine zugezogene Familie und reißt sie in Stücke. Nachdem auch noch das Haus angezündet ist und die Spuren der armen Familie ausgelöscht sind, macht die Gemeinschaft von Hemmersmoor weiter, als wäre nichts geschehen.
An dieser Stelle hätte ich beinahe das Buch in die Ecke geschmissen.
Ich war völlig überrascht.
Diesen irren Blutrausch habe ich den Leuten nicht abgenommen.
Zugleich war ich fasziniert. Und habe weitergelesen.
Die sonderbaren Dinge, die sich dann noch ereignen – oder spielen sie sich nur in der Phantasie eines Kindes ab? – habe ich akzeptiert. Den unerwarteten Wechsel des Genres konnte ich mitgehen.
Der Autor ist ein hohes Risiko eingegangen und der Verlag mit ihm, was sicher nicht die Regel ist – aber Tropen (Klett-Cotta) ist eben auch keiner der ganz großen deutschen Verlage. Trotzdem, Kiesbye hat fertiggebracht, was vielen anderen Autoren nicht gelungen wäre.
Zweifellos haben nicht alle Leser diesen Umschwung mitgemacht, sicher wurde das Buch von einigen zur Seite gelegt.
Trotz dieser positiven Entwicklung: Unterschätzen Sie das Risiko nicht, wenn Sie Genres mischen oder im selben Roman von einem Genre ins andere wechseln. Die meisten Verlage werden Ihr Manuskript allein aus dem Grund ablehnen. Warum? Weil sie die meisten Romane ablehnen und sich das leisten können. Schließlich bekommen sie haufenweise Genreliteratur angeboten. Und weil sie am liebsten Bücher veröffentlichen, die ein möglichst geringes Risiko bedeuten – sprich: bei denen Handel und Leser wissen, was sie kriegen.
Bleiben Sie realistisch und erwarten Sie nicht, dass Ihr Roman so sensationell und herausragend ist, dass Ihnen dieser Genre-Mix verziehen wird. Betrachten Sie ein Genre nicht als Einengung. Sehen Sie es vielmehr als freundliche Leitplanke, die Sie in der Spur halten will.
Wenn Sie erst einmal erfolgreich sind, wird man Ihnen das Umherwandern in den Genres eher verzeihen. Eher! Machen Sie sich jedoch keine Illusionen: Selbst Bestseller-Autoren und vielleicht gerade sie können sich nicht alles leisten. Die Kosten des Scheiterns sind in ihrem Fall nämlich besonders hoch. Ein wildes Vermischen von Genres ist daher auch für sie in den meisten Fällen ein ähnliches No-Go wie ein Lebkuchenhausraumschiff mitten im Märchenwald.
Schneller-Bestseller-Trick:Welche Versatzstücke, Wendungen, Charaktere, Verhaltensweisen, Ereignisse sind typisch für Ihr Genre? Machen Sie sich eine Liste. Vieles davon benutzen Sie auch, stimmt’s? Greifen Sie etwas davon heraus und verkehren Sie es in sein Gegenteil. Mutig? Dann tun Sie das mit einem zweiten. Einem dritten ...
»Ich werde den Ring nehmen, obwohl ich den Weg nicht weiß«
Worin unterscheiden sich Held und Gegenspieler? In ihren Taten. Diese aber sind nur die Symptome, der Ausdruck von etwas anderem: Taten sind umgesetzte Entscheidungen. Der wesentliche Unterschied zwischen Protagonist und Antagonist liegt darin, wie sie sich in den Schlüsselsituationen der Geschichte entscheiden. Der Held wählt das Gute (sofern er kein tragischer Held ist), sein Gegenspieler entscheidet sich für das Böse.
In den besseren Romanen verwischen die Unterschiede zwischen Gut und Böse – und damit werden auch die Entscheidungen von Held und Gegenspieler schwieriger und für den Leser spannender.
Behalten Sie im Hinterkopf, dass der Leser diese Entscheidung auch für sich selbst treffen soll: Wie würde er anstelle der Romanfigur handeln? Je stärker seine Identifikation mit der Figur ist, desto mehr wird er sich den Kopf über die Entscheidung zerbrechen: War sie richtig? War sie unumgänglich? Kam sie zur richtigen Zeit? Was sind die Konsequenzen? Wie wirkt sie sich auf andere wichtige Figuren aus? Wie auf das Romanziel?
Die wichtigsten Entscheidungen fallen in den großen Wendepunkten des Romans – und zwar dort, wo sich der Held in eine neue Richtung entwickelt. Eine zentrale Stelle ist die, an der der Held sich endgültig entscheidet, die Herausforderung anzunehmen: der erste Wendepunkt in der Drei-Akte-Struktur. Die Wendepunkte im Plot, in der Handlung liegen meist dicht bei den Wendepunkten im Charakter(bogen) oder decken sich sogar mit ihnen.
Je stärker ein Roman auf seine Charaktere fokussiert, desto zentraler sind die Entscheidungen, die diese treffen müssen. Ja:müssen. Ein gelungener Plot erzwingt schwierige Entscheidungen, selbst und gerade dann, wenn der Held in einem Dilemma gefangen ist.
In einem eher charaktergetriebenen Roman liegen die Entscheidungen in den Charakteren und vertiefen diese zugleich. In einem stärker vom Plot bestimmten Roman sind es eher die Handlungen, die eine zentrale Rolle in der Geschichte einnehmen. In einem besseren Roman mit Bestseller-Potenzial aber hält sich beides die Waage.
Das, was Entscheidungen interessanter macht als die reine Action, sind die Gefühle, die bei den Entscheidungen mitschwingen. Große Entscheidungen gehen meist mit großen Gefühlen einher. Sprich: Ein Held, der eine essenzielle Lebensentscheidung trifft, tut das in aller Regel nicht emotionslos. Manchmal aber verlangt es der Charakter, keine Gefühle zu offenbaren oder tatsächlich kühl zu bleiben. Dann sollte zumindest der Leser be- oder gerührt werden.
In Tolkiens »Der Herr der Ringe« (Klett-Cotta, Ausgabe von 1998) sind die Entscheidung des Helden und die Tat im ersten Wendepunkt deckungsgleich. In Bruchtal, wo der Ringträger ausgewählt werden soll, sagt der Hobbit Frodo den entscheidenden Satz:
»Ich werde den Ring nehmen, obwohl ich den Weg nicht weiß.«
Der Wendepunkt im Innern Frodos, die Entscheidung, die er selbst für sich getroffen hat, wird von Tolkien nicht gezeigt. Sein Roman konzentriert sich stärker auf die (äußere) Handlung. Die Überraschung, als Frodo mit dem Satz herausplatzt, ist daher umso größer – für die anderen Charaktere, aber auch für den Leser.
Dennoch ist die Entscheidung glaubhaft, hat Tolkien doch viele Seiten auf diesen Moment hingearbeitet und Frodo entsprechend aufgestellt. Ganz wichtig: Der Augenblick, in dem Frodo den entscheidenden (sic!) Satz sagt, ist gefühlsintensiv – und das vermittelt sich auch dem Leser.
Sie vertiefen Ihre Charaktere – gerade auch die Schurken, die Gegenspieler –, wenn Sie solche Entscheidungen zeigen, etwa mittels innerer Monologe. Und zwar nicht nur ein »Ich werde es tun« oder »Ich werde es nicht tun«, sondern den Prozess, der zu dieser Entscheidung führt.
Eine Sekunde lang, nur eine, dachte er es. Es strich über ihn wie ein Flügel: der Wunsch, dass er eine andere Art Mensch wäre, dass der Blick in das Auge des Kindes ihm etwas bedeuten würde.
Hier erleben wir den Gedankengang eines der von einem Virus verwandelten Monster in Justin Cronins »The Passage« (Ballantine 2010 / dt. »Der Übergang« / eigene Übersetzung). Wir sehen den Rest von etwas Gutem in ihm, erleben kurz die Hoffnung mit, er möge sich doch noch zurückverändern zu der Person, die er einmal war, und die richtige Entscheidung treffen: die zum Guten hin.
Das Monster erhält eine menschliche Seite, wird vertieft, wird interessanter und trägt den Keim in sich, den Leser zu überraschen: Steckt womöglich noch genug Menschliches in ihm, etwas Gutes zu tun?