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Ein Schloss voller Geheimnisse. Eine Frau in großer Gefahr. Bei ihrer Ankunft in Italien ist Lady Cecile McCaulay vom Castello di Scogliera und seinen glamourösen Bewohnern verzaubert, aber verbirgt sich hinter dem überschwänglichen Empfang ein dunkleres Motiv? Reisen Sie für den zweiten Teil dieser düster-erotischen Trilogie nach Italien … Über der Insel aus wellengepeitschten Felsen erhebt sich das Castello di Scogliera. Lauschen Sie dem Auf und Ab des Meeres, weit und unergründlich. Sehen Sie zu den schmalen Fenstern hinauf, wenn Sie sich beobachtet fühlen. Welche dunklen Geheimnisse verbergen sich hinter diesen Mauern? Wahnsinn, Entführung, Gefangenschaft … Mord? Die Vergangenheit ruht nicht still. »Anmerkung der Autorin: Dieser Roman enthält heißen Liebesszenen und ist ausschließlich für Erwachsene bestimmt.« Die Trilogie ist in sich abgeschlossen, mit garantiertem Happy End. Forbidden Pleasure – Verbotenes Vergnügen Forbidden Temptation – Verbotene Versuchung Forbidden Seduction – Verbotene Verführung
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Bei diesem Roman handelt es sich um eine fiktive Geschichte. Die Namen, Charaktere, Orte und Ereignisse sind entweder der Fantasie des Autors entsprungen oder werden auf fiktive Art und Weise integriert. Mit Ausnahme bekannter historischer Figuren und Orte ist jegliche Ähnlichkeit mit lebenden oder verstorbenen Personen sowie Geschäftsbetrieben, Ereignissen oder Orten vollkommen zufällig.
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Erschien ursprünglich in englischer Sprache unter dem Titel „Italian Sonata“ und unter dem Titel „Forbidden Temptation“
Copyright © 2022 Emmanuelle de Maupassant
Bucheinbanddesign von Victoria Cooper
Übersetzt von Anna Grossman
Redaktionelle Unterstützung: Carola Karth-Neu
Der Zweck des Urheberrechts besteht darin, Autoren und Künstler darin zu bestärken, kreative Werke zu entwerfen, die unsere Kultur bereichern.
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Dark Castle Press : Inverurie, Aberdeenshire, Scotland, AB51 0LD, UK
www.emmanuelledemaupassant.com
Kontact : [email protected]
Über die Autorin
Forbidden Temptation – Verbotene Versuchung
Band 2 der »Verrucht«-Trilogie
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Anna lebt in den schottischen Highlands mit ihrem Mann (Hersteller von Tee und Obstkuchen) und ihrer Schnüffelnase, Archie, auch bekannt als ihr liebstes Fellknäuel und Liebhaber von quietschenden Spielzeugen und Schinken.
Bekannt ist Anna Quinn auch für die historische Liebesromanreihe »Handbuch einer Lady«, die sie unter dem Pseudonym Emmanuelle de Maupassant schreibt.
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ANNA QUINN
Ins Deutsche übertragen von Anna Grossman
Redaktionelle Unterstützung: Carola Karth-Neu
Sinnlich, gefährlich, sündig – im Sog der Leidenschaft
»Forbidden Temptation – Verbotene Versuchung« ist der zweite Band der Serie »Verrucht«.
Der erste Band ist, »Forbidden Pleasure – Verbotenes Vergnügen«.
Forbidden Pleasure – Verbotenes Vergnügen
Forbidden Temptation – Verbotene Versuchung
Forbidden Seduction – Verbotene Verführung
Die Trilogie ist in sich abgeschlossen, mit garantiertem Happy End und expliziten Szenen.
Nicht weit von Sorrent, in Süditalien, wo die Küste in steilen Klippen auf das Meer trifft, liegt das Castello di Scogliera, jener alte Sitz des schnöden Adels. Erbaut auf einer Insel aus ewigem, wellengepeitschtem Fels, ist das Castello über einen gepflasterten Damm erreichbar – aber nur zu bestimmten Tages- und Nachtzeiten, je nach Ebbe und Flut.
Wenn man zu den schmalen Fenstern hinaufblickt, könnte man meinen, man werde beobachtet. Vermutlich beobachten alle alten Gebäude. Wie sonst könnten sie sich die Jahrhunderte vertreiben, wenn nicht durch die Beobachtung ihrer Bewohner? Sie lauschen und erinnern sich: Geheimnisse und Täuschungen, Erinnerungen an Freude und Schmerz.
Nachts blinzeln einige dieser Fenster, beleuchtet von Kerzen oder Kronleuchtern. Andere stehen im Dunkeln, doch mit einem wissenden Schimmer, der das Mondlicht auf ihren Scheiben reflektiert.
Betreten Sie diese steinernen Stufen, die von Generationen von di Cavours und allen, die ihnen dienen, glatt geschliffen wurden. Lauschen Sie dem Auf und Ab des Meeres, dem Knarren der Gebeine der Burg und dem kalten Murmeln des Granits. Legen Sie Ihre Hand auf die salzbefeuchteten Mauern, wo andere sie berührt haben.
Eine Tragödie hat die Bewohner des Castello in einer Weise geformt, die wir uns kaum vorstellen können.
Kommen Sie und treten Sie ein, denn in der alten Feuerstelle lodert ein Feuer, und das Abendessen ist bereits vorbereitet. Der Wein ist eingeschenkt, und eine Geschichte ist bereit, erzählt zu werden.
Die Vergangenheit schlummert nicht friedlich.
Ende März 1899
An einem bestimmten Donnerstag zwischen zehn und elf Uhr versammelte sich eine kleine Gruppe in der Kirche der Heiligen Dreifaltigkeit in der Gemeinde Kensington, westlich von Hyde Park Corner, an der Brompton Road.
Wie die Zeitungen berichteten, trug die Braut ein Kostüm im Stil eines indischen Moguls, das eher zu einer Kostümveranstaltung als zu einer Hochzeit passte. Trotz ihrer unkonventionellen Wahl waren sich die Anwesenden einig, dass es ihr gut stand. Ihre karmesinrote Jacke war mit flatternden Vögeln und Hummeln bestickt und wurde oberhalb der Hüfte durch eine breite goldene Schärpe akzentuiert. Aus dem Bund der Schärpe holte sie später einen Miniaturkrummsäbel hervor und überraschte die Anwesenden beim Hochzeitsfrühstück mit ihrer Geschicklichkeit beim Anschneiden der Torte. Smaragdgrüne, tropfenförmige Ohrringe – ein Geschenk des Bräutigams an seine Braut –, lugten unter den tizianroten Locken hervor, die kunstvoll in einen scharlachroten Turban gesteckt waren.
Die Schwester des Bräutigams, Lady Cecile, die als Trauzeugin fungierte, war traditioneller gekleidet, in einem grünen Samtanzug mit Puffärmeln nach Gigot-Art, der sich am Unterarm verjüngte, und trug einen kecken Hut auf ihrem blonden Haar.
Beide hielten einen Strauß aus Orangenblüten und weißen Rosen in den Händen.
Vor dem Allmächtigen stehend, gab der Bräutigam seiner Braut einen Kuss auf die Stirn.
Es war noch nicht zu spät für sie, umzukehren und die Flucht zu ergreifen. Doch keiner von ihnen kam in Versuchung. Sie waren genau da, wo sie zu sein wünschten. Wenn Rancliffe einen Anflug von Unsicherheit verspürte, als er sah, wie seine zukünftige Frau dem attraktiven jungen Pfarrer, der am Altar auf sie wartete, in die Augen blickte, so verdrängte er dies. Er war ein Mann, der besessen war, und solche Extreme der Liebe veranlassen uns, die Schwächen zu vernachlässigen, vor denen wir unter anderen Umständen vielleicht fliehen würden.
Der Earl of Rancliffe hatte Lady Finchingfield mit so viel Standhaftigkeit und Eifer umworben, dass diese erlaubte, sich einfangen zu lassen – auch wenn die Gäste, die der Braut am nächsten standen, über die Bedingungen spekulierten, unter denen ihr Bund zustande gekommen war.
Die Ehe war eine Verpflichtung, der Maud im Streben nach weiblicher Befreiung und Unabhängigkeit niemals hatte unterliegen wollen. Und doch ließ sie es zu, dass man um ihre Hand anhielt und ihr einen Ring ansteckte. Ihr Gelübde war ernst gemeint, und sie hatten versprochen, den Wünschen des anderen gerecht zu werden.
Das Gesicht der strahlenden Braut war vor Freude gerötet. Wie wundervoll war es doch, wenn wir von der glücklichen Fügung unserer Entscheidungen überrascht werden.
Nur die Zynischsten würden darüber spekulieren, was es bedeutete, dass Maud als verheiratete Frau Zugang zu einer ansehnlichen Summe hatte, die nach dem Tod ihrer Eltern treuhänderisch angelegt und bei ihrer Heirat freigegeben wurde.
Als die Braut den rutschigen Gang entlangschritt, dachte sie bereits an die Wärme in den Armen ihres Ehemannes. Vielleicht denken alle Bräute an solche Dinge, wie rein, einfach und bescheiden sie auch erscheinen mögen.
Sie gingen hinaus in den Graupelschauer. Eine Böe veranlasste Maud, sich an ihren Bräutigam zu klammern, und er war so ergriffen von der Woge der Freude in seinem Herzen, dass er sie ostentativ in seine Arme hob und die letzten Stufen der Kirche hinunter in die wartende Kutsche trug.
»Was für ein hingebungsvolles Paar sie doch sind«, rief der Pfarrer aus. »Eine wahre Liebesheirat, ohne Zweifel.«
Einige der Freunde der Braut, die dem Brautpaar auf der Brompton Road zujubelten, wären den Lesern der Times oder der Illustrated London News unbekannt gewesen. Man könnte sagen, dass die Wahl ihrer Kleidung gewagter war als für eine Society-Hochzeit üblich und das Rouge auf ihren Wangen ein wenig zu enthusiastisch aufgetragen wurde. Unter ihnen befand sich die berühmte Hutmacherin Ms. Tarbuck, die die Kopfbedeckungen der Braut und ihrer Trauzeugin für diesen glücklichen Anlass geliefert hatte.
Isabella, die Großtante der Braut, erinnerte sich an ihre Tüte mit Blütenkonfetti und warf dem lachenden Paar eine Handvoll getrocknete Rosenblüten zu.
Mit strahlenden Augen küsste Cecile ihren Bruder und seine neue Ehefrau, deren Freude auch die ihre war.
Neben ihr stand ihre Tante aus Oxfordshire und schüttelte mit einer Grimasse des Unmuts die Nässe von ihrem Rock. Sie hoffte, dass es nicht mehr lange dauern würde, bis Cecile einen Partner fand. Sie nahm sich vor, mit Rancliffe ein ernstes Wort über diese Angelegenheit zu sprechen. Wenn andere Bewerber ausblieben, könnte sich die Ehe mit ihrem Dorfpfarrer, der gerade verwitwet war, als geeignet erweisen. Er war alt und trist genug, um eine ruhige, lenkende Hand zu sein.
Ja, dachte die Tante aus Oxfordshire, das ist das Mindeste, was ich tun kann.
In ihrem letzten Zeugnis, das von der Beaulieu Academy for Ladies ausgestellt worden war, hieß es, dass ihr gepflegtes Benehmen genau dem entsprach, was man sich von einer würdigen jungen Dame ihres Standes erhoffte. Neben ihrer Gesangsstimme und ihrem Klavierspiel verfügt sie über weitere, weniger bedeutende Fähigkeiten: eine elegante Handschrift, die Fähigkeit, die großen Dichter zu rezitieren, und ein Talent im Umgang mit der Sticknadel.
Rancliffe kam nicht umhin, über den Kontrast zwischen Cecile und Maud nachzudenken, die dieselbe Einrichtung besucht hatte. Mauds umfassendes Wissen über bestimmte Aspekte der Naturwissenschaften und die brillante Anwendung ihres Verstandes bei ihren eigenen entomologischen Studien reichten, um die meisten Männer in den Schatten zu stellen.
Doch seine süße Cecile war ein Vorbild an Sittsamkeit, Geduld und Großzügigkeit, die eher gut als schlecht über andere dachte.
Sie wird irgendwann einen Burschen sehr glücklich machen,hatte sich Rancliffe oft gesagt. Die Notwendigkeit einer Heirat für seine Schwester war ihm schon lange durch den Kopf gegangen, und Maud war geneigt, ihm zuzustimmen. Es wäre wahrlich nicht gut für Cecile, wenn sie für immer bei ihnen lebte.
»Natürlich kann man von ihr nicht erwarten, dass sie einen Ehemann für sich entdeckt«, bemerkte Maud. »Wir müssen ihr, wenn die Zeit gekommen ist, die Männer vorstellen, die wir für geeignet halten.«
Rancliffe nickte zustimmend und erinnerte sich einmal mehr daran, wie glücklich er sich schätzen konnte, Maud zur Ehefrau genommen zu haben. Sie besaß nicht nur Schönheit und Charme, sondern auch Witz und Verstand.
»Mit dem neuen Jahrhundert, das vor der Tür steht, ändern sich die Zeiten«, mahnte die neue Countess Rancliffe. »Ein Mann von Rang und Namen darf von seiner Ehefrau zwar nicht erwarten oder wünschen, dass sie eine zustarke Meinung zu den Dingen der Welt äußert, aber von ihr verlangen, dass sie die charmante Gastgeberin an seinem Tisch ist. Ein gewisses Bewusstsein und intellektuelles Verständnis muss kultiviert werden. Sie ist zu viel in engstirniger Gesellschaft gewesen. Eine Reise durch die europäischen Hauptstädte wird genau das Richtige sein – und unsere kleine Cecile wird viel klüger zurückkehren.«
Es stimmte, dass heutzutage kein Mann von Rang dafür bekannt sein wollte, eine Ehefrau mit dem Verstand eines Kindes zu haben, auch wenn diese Eigenschaft zu Zeiten seines Großvaters sehr geschätzt wurde. »Du hast in jeder Hinsicht recht, meine Liebe«, räumte Rancliffe ein. »Ich habe es versäumt, sie früher mit der Eleganz der europäischen Kultur bekannt zu machen.«
Kurzerhand buchte der Earl die Überfahrt über den Kanal.
* * *
Cecile war begeistert. Wie sehr hatte sie sich danach gesehnt, die Schweizer Alpen und die mittelalterlichen Städte des Rheinlands zu sehen, wie sie in ihren Lieblingsromanen beschrieben wurden. Beim Packen ihres Koffers fand sie Platz für die Erzählungen von Mr. Wilkie Collins und Mrs. Braddon sowie für die Bände Die Geheimnisse von Udolpho und Das Schloss von Otrano, die sie von ihrer Mutter geerbt hatte.
Englischer Regen prasselte gegen das Fenster, als sie den Zug von Charing Cross in London bestiegen, der sie an die Küste bringen sollte. Doch in ihrer Vorstellung wurde Cecile bereits von der goldenen Mittelmeersonne gewärmt.
Wie wird Europa aussehen? Ein Ort mit alten Schlössern, Gärten voller üppiger Blüten und exotischer Düfte und dunkelhaarigen, romantisch dreinblickenden Gentlemen. Ich könnte meinen Handschuh fallen lassen, und einer wird ihn mir mit einer Verbeugung zurückreichen und mir für einen kurzen Moment in die Augen sehen. In diesem verschmolzenen Blick werden unsere Seelen sprechen.
Ihr Puls beschleunigte sich ob dieses Gedankens.
Er wird seine Hand auf sein Herz drücken und ewige Anbetung versprechen. Vielleicht …
* * *
Die Überfahrt dauerte nicht lange, und das war auch gut so, denn Ceciles Magen neigte dazu, sich im Einklang mit dem Schiff zu schaukeln und zu heben. Wie ärgerlich, gerade jetzt, wo sie ihre Reise antrat! Keine der Heldinnen, die sie so bewunderte, würde unter einer solchen Schwäche leiden, war sie sich sicher.
Als sie den Zug von Calais nach Paris bestiegen, hatte Cecile ihren Appetit wiedergefunden und wollte unbedingt am Nachmittagstee teilnehmen. Da sie sich jedoch unwohl fühlten, schlossen sich die Frischvermählten in ihrem Abteil ein. Aus dem anschließenden Stöhnen schloss Cecile, dass die Bewegung des Zuges ihnen zu schaffen machte.
Glücklicherweise war Cecile wieder gesund, und so traute sie sich, den Speisewagen aufzusuchen. Da sie nicht allein sitzen wollte, setzte sie sich an den Tisch zweier älterer Damen, die sie herzlich willkommen hießen. Bald wurden eine Kanne Darjeeling und eine Auswahl an Eclairs und feinen Törtchen serviert, und die Zeit verging wie im Flug. Alte Damen, so stellte Cecile fest, waren immer gern bereit, Geschichten aus ihrer Jugend zu erzählen und Klatsch und Tratsch über berühmte Persönlichkeiten ihres Geschlechts auszutauschen. Die Browne-Huntley-Schwestern bildeten da keine Ausnahme.
»Meine Liebe, seht nur!«, sagte die erste Ms. Browne-Huntley und deutete auf eine Gestalt am anderen Ende des Wagens: eine Frau in einem Reisekostüm aus steifer brauner Baumwolle, deren Jacke und Rock eine außergewöhnliche Anzahl von Taschen hatten.
»Das ist die unerschrockene Flora McTavish«, sagte die zweite und tätschelte Cecile aufgeregt die Hand.
»Ist sie das?« Cecile reckte den Hals. »Ich habe in The Lady über sie gelesen. Ich dachte, sie würde als Mann verkleidet auf einem Kamel durch die Wadis in Jordanien und Syrien reiten.«
»Das hat sie tatsächlich getan«, antwortete die erste. »Aber sie war in letzter Zeit in London, um eine Reihe von Vorträgen über die Beduinenstämme zu halten. Zweifellos bricht sie jetzt wieder auf, zu neuen Abenteuern.«
»Wie wunderbar«, sagte Cecile, obgleich die Wirkung der Sonne auf Ms. McTavishs Haut sie schockierte; sie war viel dunkler, als es für eine Dame angemessen war.
Ich muss darauf achten, dass ich immer meinen Hut trage, aber wenn ich wirklich eine Abenteurerin wäre, diezu abgelegenen Dschungeldörfern im Kongo oder zu obskuren Orten der spirituellen Mystik in den Bergen Tibets reist, würde es mir vielleicht nichts ausmachen, wenn meine Nase mit Sommersprossen übersät wäre. Vielleicht würde es mir nicht einmal etwas ausmachen, solch eintönige Farben zu tragen. Ich nehme an, man muss praktisch sein, wenn man mit Maultier und Rikscha reist.
»Ah«, verkündete eine der alten Damen. »Wir nähern uns dem Stadtrand. Es wird Zeit, uns vorzubereiten.«
Cecile ging durch den Speisewagen, während sie immer noch darüber nachdachte, wohin sie wohl reisen würde, wenn sie in die Fußstapfen von Ms. McTavish treten würde, und wie groß ihr Gepäck unter diesen Umständen wohl sein würde.
Als sie den Korridor zu ihren Abteilen betrat, blickte sie auf die Skyline von Paris. Wie herrlich war es, endlich in der Stadt zu sein, von der sie so viel gelesen hatte, mit den schicken Pariserinnen und ihren hübschen Verehrern.
Währenddessen näherte sich ein Fahrgast vom anderen Ende des Zuges, den Blick nicht aus dem Fenster, sondern auf eine Landkarte gerichtet. Als sie auf gleicher Höhe waren, geriet der Zug ins Schlingern, und Cecile wurde gegen eine feste, unnachgiebige Brust gedrückt. Sie stolperte und trat ihm auf die Zehen, dann verlor sie ganz das Gleichgewicht.
Zwei große Hände waren plötzlich unter ihren Armen und stützten sie, um sie aufzurichten. »Verzeiht meine Ungeschicklichkeit, Ma’am. Lasst mich Euch aufhelfen.«
Zu ihrer Überraschung sprach der Mann mit einem amerikanischen Akzent, und obgleich Cecile dazu erzogen worden war, ihre Cousins von jenseits des Atlantiks für vulgär und laut zu halten, war diese Stimme wie Karamellbutter, die Vokale lang gezogen wie die Verheißung des Sommers – anders als jede Stimme, die sie bisher gehört hatte.
»Ich hoffe, Ihr seid nicht verletzt.« Als sie aufblickte, stellte sie fest, dass auch der Besitzer der Stimme anders war als alle anderen Männer, denen sie bisher begegnet war. Er war so groß, dass sein goldblondes Haar, das in üppigen Locken von seinem Kopf abstand, die Decke berührte, und so breit, dass seine Schultern die gesamte Breite des Ganges ausfüllten.
»Mein Name ist Lance Robinson. Es freut mich, Euch kennenzulernen.« Er streckte seine Hand aus. »Die Kurzform von Lancelot. Die Wahl meiner Mutter. Sie liebte die Geschichten von König Artus und all den tapferen Rittern der Tafelrunde, die gute Taten vollbrachten. Sie hoffte wohl, ich würde genauso werden.«
»Und seid Ihr das?«, fragte sie. »Ich meine … ich bin sicher, sie ist sehr stolz auf Euch.«
»Das ist sie.« Der Amerikaner grinste, und Cecile war erstaunt über das Weiß seiner Zähne. »Mein Pa auch. Er will nach Südamerika expandieren, um die breiten Ebenen Argentiniens mit der Hauptstadt zu verbinden, per Eisenbahn. Es ist meine Pflicht, ihm bei diesem Plan zu helfen, und es ist mir ein ehrliches Vergnügen. In drei Monaten werde ich mit der SS Leviathan nach Rio fahren und dann weiter nach Buenos Aires.«
»Das klingt nach einem großen Abenteuer, Mr. Robinson.«
Wenn ich heiraten würde, seid ihr die Art von Mann, mit dem ich gern verheiratet wäre.
»Ich werde durch Europa reisen, mit der Eisenbahn fahren, verschiedene wichtige Persönlichkeiten treffen und alles lernen, was ich kann.«
»Keine Galerien oder Museen? Keine klassische Grand Tour?«
Er schüttelte den Kopf und lächelte, was Ceciles Puls in einen höchst beunruhigenden Rhythmus versetzte. »Für mich ist das alles Arbeit, aber ich amüsiere mich trotzdem prächtig.«
Cecile betrachtete seine Lippen, während er sprach, und fragte sich, wie sie sich wohl an ihren eigenen anfühlen würden. Sie konnte nicht umhin zu bemerken, dass er sie direkt ansah.
Sie standen einfach so da, bis sich die Tür des Abteils ihres Bruders öffnete und Cecile Henrys Stimme hörte, die nach ihr rief.
»Es hat mich gefreut, Euch kennenzulernen, Mr. Robinson.« Sie reichte ihm ihre behandschuhte Hand, und es brannte ihr auf der Zunge, ihn zu fragen, wo er sich in Paris aufhalten würde, aber eine solche Unverfrorenheit lag ihr fern. Keine Dame würde so etwas fragen.
Er schüttelte ihre Hand noch einmal kräftig. »Ma’am, das Vergnügen war ganz meinerseits.«
* * *
Paris!
Derselbe rußige Regen, der London in Schlamm und triefendem Dreck versinken ließ, verlieh dieser Stadt glitzernde Straßen, die den Glanz der abendlichen Beleuchtung unendlich widerspiegelten. Vielleicht gab es dort auch die gleichen Gefahren, den gleichen Schmutz und die gleiche überquellende Kanalisation. Und doch sah unsere fröhliche Gruppe nur ihre glitzernden Vergnügungen und kühnen Triumphe.
Henry war fest entschlossen, seiner Braut jeglichen Komfort zu bieten, und hatte die Suite Impériale im neu eröffneten Hôtel Ritz im 1. Arrondissement gebucht. Praktischerweise verfügte es über ein schlichteres angrenzendes Zimmer für Cecile. Es war wie ein zweites Zuhause, mit fließend heißem Wasser im Badezimmer. Von der Decke des geräumigen, mit roten und goldenen Polstern ausgestatteten Salons hingen große Kronleuchter, deren Licht sich in den barocken Spiegeln zwischen den Fenstern mit Blick auf den Place Vendôme spiegelte.
Als sich Maud für die Nacht zurückzog, zog sie die Bettdecke bis zum Kinn hoch (so prächtig das Zimmer auch war, durch die Fenster zog es doch recht stark). »Man sagt, dieses Bett sei identisch mit dem Bett, das Marie Antoinette im Schloss von Versailles benutzte.«
»Und wir alle wissen, wie Marie Antoinette sich warm gehalten hat«, murmelte Henry und legte seine Hand auf den Rücken seiner Frau. Als sich ihre Hüften trafen, presste sich sein Mund auf ihren. Sein Kinn war rau ob der nachwachsenden Bartstoppeln: rau an ihrer Wange, rau an ihrem Schlüsselbein, rau über ihrer Brustwarze. Henry schlüpfte unter die Decke, und mit einem zufriedenen Seufzer ließ Maud diesen rauen, hungrigen Mund zwischen ihre Beine.
* * *
Maud begleitete Cecile zunächst in die Pariser Ateliers und stattete sie mit einer Garderobe aus, die für das wärmere Wetter geeignet war, das sie erwarteten: Kleider aus leichtem Musselin und Seide, mit schmaler Taille, die mit einer Schärpe oder einem Gürtel betont wurde, und breitkrempige Hüte, die die Sonne abhalten sollten und mit Bändern und Kunstblumen verziert waren. Die mit exotischen Federn geschmückten Hüte ignorierten sie. Rancliffe, der das Abschlachten von Vögeln strikt ablehnte, wäre darüber sehr verärgert.
Anschließend aßen sie im Café Anglais auf den Grands Boulevards zu Mittag und bestellten salzige Austern und in Knoblauchbutter getränkte Schnecken.
Wie stilvoll die Franzosen sind, dachte Cecile. Die Frauen schaffen es, selbst beim Essen mit den Fingern elegant auszusehen.
Am Abend gingen sie ins Voisin in der Rue Saint-Honoré, wo sie Hummer-Thermidor und die unvergleichliche Sole Meunière aßen, bevor sie sich in der Pariser Oper eine Aufführung von Donizettis Lucrezia Borgia ansahen.
»Eine Frau, die diesen Namen verdient«, flüsterte Maud in Ceciles Ohr. »Intelligent undschlau.«
Doch anscheinend reichte die List nicht aus. Cecile konnte nicht umhin, sich zu fragen, warum die Frauen in solchen Geschichten immer ein tragisches Ende nahmen.
Hatte eine der Opern ein glückliches Ende für die Heldin? Wenn ich das Libretto schreiben würde, würde ich für einen besseren Ausgang sorgen. Die Geschichte einer Frau muss nicht immer im Elend enden.
Am nächsten Tag, nach der Besichtigung des Louvre, fuhren sie die Champs-Elysées hinunter und genossen die Frische im Jardin des Tuileries. Wie in London stand auch hier die Zurschaustellung der eigenen mondänen Erscheinung im Vordergrund.
Am Triumphbogen bestand ihr Bruder darauf, dass sich Cecile porträtieren ließ, und ein junger Mann stand mit seinem Fotoapparat bereit. Cecile wurde angewiesen, ihre Arme auszustrecken, als ob sie sich gegen die Säulen des Bogens stemmen würde, und sie war sich der Blicke der Passanten bewusst, die auf sie gerichtet waren. Auf der Straße zu posieren war sehr unangenehm.
Maud schlug vor, dass der Mann an einem Abend seine Ausrüstung ins Hotel bringen sollte. »Ich werde ein paar orientalische Kostüme mieten, und wir werden Theater spielen.« Ihre Augen funkelten, wie Cecile bemerkte, mit ihrem üblichen Schalk. »Ein Tableau, Liebling, meinst du nicht auch? So wie du es einst in London gesehen hast? Wir könnten den Spaß mit der Kamera dieses Herrn einfangen.«
Cecile wandte sich ab, als ihr Bruder Maud zu sich zog und sie sich küssten, was, da war sich Cecile sicher, in der Öffentlichkeit nicht schicklich war.
* * *
Maud hatte darauf bestanden, dass Cecile sie so oft wie möglich begleiten durfte und zu neuen Erfahrungen ermutigt wurde.
Sie verbrachten einen Abend im Café du Dôme, wo die Berühmten (und solche, die dabei waren, es zu werden) für ein paar Francs Saucisse de Tolouse und Kartoffelpüree aßen. Der Raum war voll von Zigarettenrauch und Künstlern: Bildhauer und Maler, Dichter und Schriftsteller. Auf violettfarbenen Samtbänken ruhten Modelle, die ihre Konturen zur Schau stellten.
An einem anderen Abend dinierten sie im Maxim’s in der Rue Royale und tranken Absinth im Le Casino de Paris in der Rue de Clichy. »Er wird aus den Blüten und Blättern von Artemisia absinthium und süßem Fenchel hergestellt«, erklärte Maud, rührte mit einem Löffel darin und fügte ein wenig Wasser hinzu.
Genau wie Lakritze. Cecile nippte an der grünen Flüssigkeit und tat ihr Bestes, um nicht zu zeigen, dass sie Absinth nicht mochte. Ihr Bruder griff freundlicherweise ein und bestellte ihr stattdessen ein Glas Calvados.
An einem verregneten Samstagabend ging Cecile mit ihnen in die Folies-Bergère, und ihre Augen weiteten sich angesichts der prächtigen und grandiosen Darbietungen von Akrobaten, Jongleuren und Feuerspuckern, ganz zu schweigen von der fehlenden Kleidung der schönen jungen Frauen, die dort herumliefen.
»Meine Güte, die müssen ja ganz schön frieren«, bemerkte sie, aber Maud versicherte ihr, dass das Tanzen sie warm hielt.
Als Vergleich diente das Moulin Rouge im Jardin de Paris mit seiner roten Windmühle auf dem Dach und dem monumentalen Elefanten im Garten, um den herum beschwipste Nachtschwärmer den Cancan versuchten, um den Tänzerinnen in ihren aufreizenden Kostümen nachzueifern.
Um Himmels willen! Cecile war ziemlich verblüfft. Wer hätte gedacht, dass man das mit seinen Beinen machen kann?
Es war alles sehr unterhaltsam … obgleich sie sich über die ostentative Künstlichkeit dieser Vergnügungen wunderte. An beiden Abenden blickte sie sich im Publikum um, um zu sehen, ob sie einen gewissen hochgewachsenen Herrn mit goldblonden Locken entdeckte, aber von Lance gab es keine Spur. Sie war zum Teil enttäuscht, aber auch erleichtert – sie wollte sich nicht vorstellen, dass er hier war und den verwegenen Tänzerinnen unter den Rock sah.
Am fünften Tag begann Cecile daran zu zweifeln, ob ihr die französische Hauptstadt überhaupt gefiel.
Nachdem sie den Eiffelturm bestiegen und die Aussicht von der Spitze aus bewundert hatte, erschrak Cecile, als sie eine Hand an der Unterseite ihres Korsetts spürte. Sie wirbelte herum, doch der Täter tauchte mit teilnahmslosem Gesicht in der Menge unter. Als sie ihre Stimme wiederfand, war ihr Angreifer gänzlich aus ihrem Blickfeld verschwunden.
Was nützt es, wenn ich einen Aufstand mache? Die Leute werden nur denken, dass ich die Aufmerksamkeit auf mich lenke, und das wird sehr unangenehm sein.
Noch ein weiteres Mal, in der Basilique du Sacré-Cœur auf dem Montmatre, mit Christus und all den Heiligen und Anbetern, die auf sie herabblickten, den Kopf nach oben gerichtet, um die Details der Deckenfresken zu betrachten, spürte Cecile, wie ihr jemand kräftig in den Hintern kniff. Als sie sich umdrehte, war niemand anderes in der Nähe als ein älterer Priester, der sein Gebetbuch in der Hand hielt.
Er lächelte wohlwollend und ging weiter.
Europa, oder das, was ich bisher davon gesehen habe, lässt es eindeutig an Galanterie fehlen. Der mit Abstand netteste Mann, den ich getroffen habe, ist mein Texaner.
Außer natürlich, dass er nicht ihr Texaner war.
Wäre es Liebe auf den ersten Blick gewesen,beklagte sich Cecile, hätte er den Rand seiner Karte abgerissen und mir eine Notiz geschrieben, bevor wir uns trennten. Eine Adresse oder einen Treffpunkt. Jetzt werden wir uns nie wiedersehen!
Höchstwahrscheinlich erlebte er inzwischen Abenteuer in der Ferne. Die Frage war nur, welche Art von Abenteuern auf sie warteten. Das Leben in der Stadt war zwar lebhaft und überraschend, aber weniger einnehmend, als sie gehofft hatte, und mit dem unliebsamen Lärm anderer Menschen gefüllt.
Ohne großes Bedauern ließ sie Maud und Henry an ihrem vorletzten Abend in Paris allein losziehen und begnügte sich damit, in ihrem Zimmer ein leichtes Abendessen einzunehmen und die Zeit mit dem Roman zu verbringen, den Maud ihr gegeben hatte: eine Geschichte von Mr. Stoker, die in den dunklen Bergen von Transsylvanien spielte. Eine spannende Lektüre, hatte Maud versprochen, voller geheimnisvoller Unbekannter und unerforschter Landschaften.
»Aber erzähle es nicht deinem Bruder«, hatte Maud gesagt, die Ausgabe auf Ceciles Schminktisch gelegt und ihr ein geheimnisvolles Lächeln geschenkt. »Er muss nicht alles wissen.«
* * *
»Vergiss nicht …«, sagte Maud zu Rancliffe, als sie aus den Türen des Hôtel Ritz traten. »Du bist mein Begleiter, der mich an der Hand führt, wenn ich meiner verruchten Natur nachgebe. Hier, um mich zu beschützen, aber nicht, um mich zu zügeln.«
»Sehr wohl, Mademoiselle.« Er drückte ihr einen Kuss auf die Hand. »Was auch immer du an Vergnügungen suchst, es ist mir eine Freude, dir dabei zu helfen. Nur wenige Männer haben das Glück, nicht nur eine bezaubernde Frau zu heiraten, sondern zwei.«
Maud lachte. »Jeder von uns hat mehr als nur ein Gesicht. Wenn du ein wenig gräbst, wirst du feststellen, dass du einen ganzen Harem geheiratet hast!«
Arm in Arm erkundeten sie die glitzernden Straßen der mondbeschienenen Stadt.
Ich bin verliebt,dachte Rancliffe. Ich dachte, ich wäre es schon zuvor gewesen, und ich war es auch, aber jetzt ist es etwas anderes.
Sie saß in einer ruhigen Ecke der Brasserie de l’Espérance in der Rue Champollion und fuhr mit ihren Fingern durch die Haare in seinem Nacken, die Augen halb geschlossen von zu vielen Gläsern Champagner. »Was machen wir heute Abend, mein Ehemann? Sollen wir für etwas Gesellschaft bezahlen?«
Er versteifte sich in seinem Sitz, da er befürchtete, dass sie belauscht werden könnten, obgleich der Raum mit lautem Stimmengewirr angefüllt war.
Maud beugte sich näher, ihre Stimme war verführerisch. »Eine Frau mit einem verführerischen Mund oder jemand von deinem eigenen Geschlecht? Jemand Starkes?«
Rancliffes Mund wurde trocken, wenn sie so sprach. Er erinnerte sich an die spöttische Mademoiselle Noire, die wieder auftauchte, um ihn zu verführen und zu betören. Er bewegte sich in seinem Sitz und senkte den Blick.
»Willst du Hände, die grob zu dir sind?« Ihr Atem an seinem Ohr ließ ihn erschauern.
Rancliffe winkte den Kellner weg, der kam, um ihre Gläser nachzufüllen.
»Jemand, der dich zu Boden drückt und dir befiehlt, dich hinzuknien?« Mauds Finger knöpften geschickt Rancliffes Hose auf und zogen den Rand des Tischtuchs herunter, um seinen Schoß zu verdecken.
Sie griff in seine Hose, umfasste seinen Schwanz und streichelte ihn mit ihrer Handfläche. »Was wirst du tun, wenn deine Beine auseinandergedrückt werden, wenn dein Liebhaber in dich eindringt, als wärst du eine Frau? Wirst du darum betteln, tiefer genommen zu werden? Bis du denkst, du kannst es nicht mehr ertragen? Bis zum letzten Stöhnen und Zucken?«
Noch ein paar Augenblicke, und Rancliffes cremiger Samen würde ihre Hand benetzen.
Er wollte es, und er liebte sie dafür, dass sie das wusste.
* * *
Weit nach Mitternacht machten sie sich auf den Weg nach Le Chabanais, wo der Prinz von Wales einst einen Abend verbracht hatte. Im Japanischen Zimmer, wo zarter Bambus und Weiden die blassgrünen Wände verzierten, zog Maud ihr Abendkleid aus purpurroter Seide aus und legte sich auf die bestickte Seidendecke des Bettes.
Rancliffe sehnte sich nach ihr, aber seine derzeitige Rolle bestand nur darin, zuzusehen. Ein Mädchen nach dem anderen war an der Reihe, seiner Frau zu gefallen.
Schließlich sagte sie mit leiser Stimme und dunklen Augen: »Bringt mir einen Mann.«
Nicht ihren Ehemann.
Nicht ihn.
Noch nicht.
Auch keinen Diplomaten im Abendanzug oder einen Finanzier, obgleich es davon in diesem Etablissement genug gab.
Er brauchte nicht lange, nur ein paar Minuten zu Fuß. Er wusste, was sie wollte. Der Mann war so breit wie ein Shire Horse und, wie sich herausstellte, mit einem Organ ausgestattet, das desselben würdig war; dichtes Haar auf Brust und Rücken, Hände groß wie Teller und ein Atem, der nach billigem Rum roch.
»Ich bin hier, um dich zu ficken.« Er taumelte zum Bett und begutachtete ihren nackten Körper, während er seine Hosenträger abstreifte und seine Hose bis zu den Knöcheln fallen ließ. Er strich ein paarmal über seinen Schwanz und wandte sich spöttisch an Rancliffe. »Du bist wohl nicht genug für sie, was? Sie braucht einen richtigen Mann.«
Rancliffe wollte sich von seinem Platz erheben, um dem Schuft ein blaues Auge zu verpassen, aber Maud schüttelte den Kopf.
Über Rancliffes Zorn lachend, stellte sich der Rüpel breitbeinig hin, packte Mauds Beine und zog sie näher an den Rand des Bettes. Er nahm seinen geschwollenen harten Schwanz und brachte sich in Position, bevor er zustieß.
Mauds Atem stockte, ihre Lippen spitzten sich, aber ihr Gesicht blieb wie in Trance regungslos.
Er schob seine Hände unter sie und zog Maud weiter auf seinen Unterleib, sodass nur noch ihre Schultern und ihr Kopf auf dem Bett lagen und ihr langes Haar nach hinten flog. Der Mann entwickelte einen grunzenden Rhythmus.
Ein paar Minuten vergingen. »Wie siehst du von hinten aus?«, fragte der Franzose.
Nach unten gedreht, lag Mauds Gesicht neben einem goldenen Kolibri auf der Bettdecke. Ihre Augen waren offen, ihr Kopf dem Stuhl zugewandt, auf dem Rancliffe saß, aber er glaubte nicht, dass sie ihn sah. Nicht jetzt.
Maud hatte sich klar ausgedrückt. Während dieser Episoden, wie selbstzerstörerisch sie auch erscheinen mochten, sollte er nicht eingreifen – nur wenn ihr Leben in Gefahr war oder wenn sie ihn um Hilfe bat.
Was trieb sie zu einer solchen Entwürdigung?
Aber wer war er, um darüber zu urteilen? Hatte er nicht seine eigenen Fantasien? Fantasien von Paarungen, die er aus Scham nur mit Maud teilen wollte. Nur sie verstand ihn. Sie neigte dazu zu dominieren, aber es gab Zeiten wie diese, in denen ihr Verlangen nach Unterwerfung, nach Demütigung, keine Grenzen kannte. Wenn er sie beobachtete, sah er eine andere Version von sich selbst.
Seine Fingernägel bohrten sich in seine Handflächen, und er konnte es kaum ertragen, hinzusehen. Ein Wort von Maud, und er würde dem Kerl einen Schlag auf die Nase versetzen. Er hatte für seinen Universitätsklub geboxt. Er beherrschte ein oder zwei Schläge.
Doch sie sagte nichts.
Rancliffe sah weg, aber er konnte immer noch hören: das schwere Atmen des Mannes und das Klatschen seines Fleisches gegen das von Maud. Und noch ein anderes Geräusch. Ein leises, aufkeimendes Wimmern. Ein klagendes Wimmern.
Halb angewidert, halb erregt drehte sich Rancliffe um, um zu sehen, wie der Mann kam und Mauds Hüften dabei fest umschloss.
Danach hustete er vor Anstrengung und spuckte auf den Teppich. Er wischte sich die Nase an seinem Ärmel ab und steckte die zwei Francs ein, die Rancliffe ihm reichte.
Mit einer beträchtlichen Portion Toskana in der Tasche geboren, begegnete der Conte di Cavour der Welt mit der angemessenen Herablassung und der Bereitschaft, sich zu amüsieren, ohne Rücksicht auf das Wohl der anderen.
Glücksspiel, Huren, Trinken und Jagen waren sein Geburtsrecht, ein Erbe, das er mit Begeisterung pflegte. Lorenzo war stolz darauf, in diesen Bereichen Maßstäbe zu setzen, denn jeder Adlige benötigte ein Vorbild. Sogar der italienische König Umberto war in seinen jungen Jahren geneigt gewesen, eine Einladung von Lorenzo di Cavour anzunehmen.
Von Siena über Mailand bis nach Venedig war er für seinen Geschmack berüchtigt und ließ selbst hartgesottene Prostituierte erblassen.
Es spielte keine Rolle, dass Signora Battaglia nach einer Soiree anlässlich des vierzigsten Geburtstags von Lorenzo gezwungen war, ihren Gelben Salon, der für sein prächtiges Dekor und die Möbel von Francesco Scibec da Carpi (die auch die Gemächer von Fontainebleau schmückten) bekannt war, völlig neu zu dekorieren. Der Abend verlief relativ gesittet, bis eine Gruppe von Trapezkünstlerinnen, mit denen er sich in Orvieto angefreundet hatte, mithilfe von vier Dutzend Champagnerkorken und dem großen Kronleuchter des Salons (der seinerseits eine Miniatur des Spiegelsaals im Schloss von Versailles war) eine innovative Darbietung begann.
Der Conte hatte Signora Battaglia so großzügig entschädigt, dass die gute Dame ihm zu Ehren ein Porträt in Auftrag gegeben hatte, das noch immer im Vestibül dieses Etablissements hing.
Ebenso hatte Signora Segreti ihm bereitwillig die Zerstörung ihrer Sammlung seltener Folterinstrumente verziehen, die sie aus der Stanza di Tormenti unter dem Dominikanerkloster in Narni entwendet hatte. Obgleich sie von einem Schmied restauriert wurden, würden sie nie wieder so sein, wie sie einst waren. Natürlich waren sich alle einig, dass das willfährige Verrenkungsduo Esmeralda und Eduardo in Wahrheit einen Teil der Schuld trug.
Lorenzo war selten völlig nüchtern, aber wenn er es war, richtete sich das Glitzern in seinen kalten, dunklen Augen rundum auf seine Beute. Dann war sein Wolfsblick am gefährlichsten. Er war ein gefallener Engel, so frei von Reue und Gewissen wie Satan selbst.
Man hätte ihn als den Inbegriff der Ehrlichkeit bezeichnen können, denn er machte keinen Versuch, seine Sünden zu verbergen. Seine Skandale, von denen einer abscheulicher war als der andere, wurden regelmäßig in den Zeitungen der Provinz und gelegentlich auch in internationalen Magazinen veröffentlicht. Seine Heldentaten, die immer berichtenswert waren, hätten jede Ausgabe füllen können, wenn nicht die wohlhabenderen Opfer seiner Ausschweifungen diejenigen, die ihre Schande öffentlich machen wollten, zum Schweigen gebracht hätten.
Selbst die raffgierigsten Mütter, die ihre Debütantentöchter in Wohlstand und Ansehen einheiraten wollten, scheuten sich, ihm ihre zarten Sprösslinge in die Hände zu spielen. Doch wie viele schöne Lilien waren den Unvorsichtigen schon unter der Nase weggepflückt worden? Nachdem er sie in seinen Bann gezogen hatte, gewährten ihm selbst die Sittsamsten alle Freiheiten.
Das Erobern einer vor Erwartung und Angst bebenden Jungfrau konnte ihn eine Stunde lang beschäftigen. Es amüsierte ihn, sich an das Keuchen zu erinnern, wenn er in die Innenseite eines Schenkels kniff und seine Finger an Stellen wanderten, die nicht einmal die betreffende Dame berührte.
An wie vielen hübschen Hälsen hatten seine Zähne geknabbert, während sein Daumen in sie eingetaucht war und sie gereizt hatte? Wie viele Arme hatten sich um seinen Hals geschlungen, wie viele Beine sich einladend gespreizt und ihn an sich gezogen, während sie seine verdammte Dreistigkeit beklagten.
Keine kehrte als dieselbe zu ihrer Mama zurück. Röcke und Haare konnten geglättet und Gesichter zurechtgerückt werden, aber jede junge figlia wankte mit neuem Wissen und einem gewissen Trotz zu ihrer Anstandsdame zurück.
Das war sein Geschenk an sie.
Eine feste Hand kann nicht verleugnet werden, und seine Hand war eine Hand der Erfahrung, der Freude und des Schmerzes und allem, was dazwischen lag.
Natürlich war es weitaus befriedigender, eine Frau zu verführen, deren äußeres Erscheinungsbild unter seiner Obhut zerbröckelte. So manche Frau hatte er zu ihrem Gemahl nach Hause geschickt, mit dem Abdruck seiner Handfläche oder seiner Gerte auf dem Gesäß, mit schmerzendem Fleisch, aber erregt ob dieser Demütigung.
Es amüsierte ihn zu sehen, wie weit er ihre Sensibilität treiben konnte, und als rücksichtsvoller Meister sorgte er dafür, dass auch sein Mann, Serpico, seinen Spaß daran hatte.
Als er kürzlich seine Mutter in ihrem Londoner Haus besuchte, hatten Serpico und er die Gesellschaft der Baronin Billington und ihrer Schwester genossen, unterstützt von drei Hafenarbeitern, die Serpico auf seinen nächtlichen Streifzügen aufgesammelt hatte. Lorenzo war beim Anblick dieser straffen und muskulösen Brüste und der prächtig tätowierten Bizepse versucht gewesen, die Damen wegzuschicken. Seine eigenen Knie waren angesichts so vieler prächtiger Schwänze schwach geworden. Die Erinnerung daran ließ seine Eier immer noch schmerzen.
Natürlich konnte das Leben nicht immer mit frivolem Vergnügen gefüllt werden. Gelegentlich gab es Kränkungen zu rächen, für die er seine gute Laune hinten anstellen musste. Lorenzo fehlte es nicht an Fantasie, und Serpico sorgte dafür, dass niemand zu kurz kam.
In dieser Hinsicht war noch eine Rechnung offen, wenn auch nicht vergessen. Eine gewisse junge Frau, die unter dem Schutz seiner Mutter stand, mochte denken, dass sie ihn besiegt hatte, aber sein Gedächtnis war langlebig. Der Tag würde kommen, an dem sie ihre cleveren Spielchen bereuen würde. Bis dahin hatte er genügend Zeit, um zu planen …
* * *
Pater Giovanni aus der kleinen Stadt Pietrocina hatte sein ganzes Leben damit verbracht, seinen Glauben an die lodernden Flammen der Hölle zu kultivieren, und warnte mit aller gebotenen Dringlichkeit vor den Qualen, die diejenigen erwarteten, die sich gottlosen Handlungen hingaben.
Die Verderbnis des Fleisches lehnte er mit besonderer Strenge ab, wobei er seine weiblichen Schäfchen genau studierte, damit er diejenigen, die auf den Pfad der Versuchung geraten waren, leichter ausmachen konnte. Im Beichtstuhl bestand er auf allen Einzelheiten.
Seine Haushälterin Maria Boerio, von kräftiger Statur, hatte ihm im Laufe der Jahre gute Dienste geleistet. Jeden Morgen sah sie nach ihm, um sich zu vergewissern, dass ihr geliebter Pater, denn das war er für sie, noch atmete.
Während er schlief, bewunderte sie das weniger müde Aussehen seines Gesichts und zeichnete die nun schlaffe Linie seines Kiefers nach, die Bartstoppeln, die sich in der Nacht gebildet hatten. Dass sie oft daran dachte, ihm einen Kuss zu geben, war ihr größtes Geheimnis. Es spielte keine Rolle, dass seine Augen trübe waren und sein Nasenhaar mit den Jahren immer üppiger wurde, oder dass sie den Gesundheitszustand seines Darms am Zustand der Unterwäsche erkannte, die sie schrubbte. Für sie war er all das, was ein Mann sein sollte: ernsthaft und über irdische Versuchungen erhaben.
Wie die meisten Männer seines Alters war er anfällig für Hämorrhoiden. Selbst in diesem Fall tat sie ihr Bestes, um die Beschwerden zu lindern, und bereitete ihm einen Tee aus Mäusedorn und eine Salbe aus Hamamelis und Kamille. Wenn er darum bitten würde, die Salbe auf die blassen Stellen seines Hinterns aufzutragen, würde sie es ohne zu zögern tun. Leider war eine solche Bitte noch nie geäußert worden.
Obgleich es eine schändliche Sünde war, hatte sie sich manchmal versteckt, um ihn heimlich zu beobachten und diesen edlen, wenn auch gealterten Körper in seiner nackten Pracht zu bewundern. So verkrümmt er auch war, die Ellbogen und Knie spitz und der Bauch schlaff, für Maria war die Gestalt des Paters ein Augenschmaus.
Nur einmal hatte sie seinen Penis gesehen: ein trauriges, schlaffes kleines Ding, das diesen Namen kaum verdiente. Sie hatte sich vorgestellt, ihn zum Leben zu erwecken und zu führen, um ihm den ultimativen Trost zu spenden.
Solche verruchten Vorstellungen ließen sich nicht immer vermeiden, aber seine Reinheit war ihr Trost, wie sie sich sagte, während ihre Hand die wärmende Stelle zwischen ihren üppigen Oberschenkeln umschloss. Wie gut, dass der Pater ein Mann Gottes und über solche ausschweifenden Gedanken erhaben war.
* * *
Der Conte Lorenzo di Cavour überließ Serpico den Großteil seines Gepäcks und bestieg einen Zug von Pisa über Rom nach Neapel, bevor ihn eine Kutsche am späten Nachmittag nach Sorrento bringen würde. Er hätte sich ein Zimmer in der Paradiso Vigoria nehmen können, um die üppigen Gärten voller Zitrusfrüchte und Olivenhaine mit Blick auf die azurblaue Weite der Bucht zu genießen. Die Zimmermädchen hätten ihm höchstwahrscheinlich auf amüsante Weise Gesellschaft geleistet. Er hatte sich dort schon oft genug vergnügt.
Doch er wollte unbedingt an sein Ziel, das Castello di Scogliera, gelangen. Während die Sonne ins letzte Viertel des Himmels eintauchte, bestieg Lorenzo eine Kutsche, die über Scogliera und Pietrocina nach Salerno fuhr. Darin saß bereits ein älterer Priester, in den Augen des Conte ein unsympathisches Exemplar. Dennoch nickte er zur Begrüßung und lächelte vor sich hin. Er hatte damit gerechnet, die Kutsche mit mindestens einem weiteren Passagier zu teilen, und dieser weißhaarige Geistliche, der in sein Taschentuch schnäuzte, kam ihm wie gerufen. Das Schicksal würde nun über ihre Reise wachen, wenn nicht sogar Gott selbst (von dem Lorenzo seit Langem überzeugt war, dass er in die andere Richtung sah, wenn er überhaupt hinsah).
Einige Minuten später öffnete sich die Tür erneut und eine dritte Person trat ein: eine von Kopf bis Fuß in Schwarz gekleidete Frau mit Handschuhen, Schleier und Hut. Sie ließ sich auf das Polster gegenüber nieder und breitete ihre Röcke aus, so gut es auf dem engen Raum möglich war. Es gab nur wenig Platz zwischen ihnen. Ihre Knie würden sich berühren, wenn Lorenzo nur eine Handbreit nach vorn rutschen würde. Sie hielt den Kopf aufrecht, und obgleich sie von ihrem Schleier verdeckt wurde, hätte er zehntausend Lire darauf gewettet, dass ihr Blick von Empörung und Zurückweisung, ja sogar von Verachtung zeugte.
* * *
Der Kutscher schwang die Peitsche, die Kutsche rüttelte und schwankte, und sie fuhren über das Kopfsteinpflaster der Piazza Tasso, in Richtung Via Fuorimura und nach Süden, vorbei an den Straßenhändlern und den ersten abendlichen Spaziergängern.
Padre Giovanni Gargiullo rutschte unruhig hin und her. Seine Hämorrhoiden schmerzten ihn mehr als sonst – vielleicht wegen der Hitze. Er war auf dem Rückweg von seiner Berufung nach Sorrent durch Bischof Cavicchioni, und sein Bericht über die sinkende Zahl der Gläubigen, die die Messe besuchten, war nicht gut aufgenommen worden. Der Bischof hatte darauf hingewiesen, dass nicht alle von einer Krankheit befallen sein konnten und dass die Einwohner seiner kleinen Stadt genug Kinder zeugten, um diejenigen zu ersetzen, die diese sterbliche Hülle verließen. Pater Gargiullo war beim Bischof in Ungnade gefallen und würde weder zu den Jubiläumsfeierlichkeiten eingeladen noch eine Zulage zu seinem Salär erhalten.
In seinem Selbstmitleid suchte er Trost in seiner Bibel und schlug seine Lieblingsstelle im Galaterbrief auf: »Nun aber sind die Werke des Fleisches offenbar, nämlich: Ehebruch, Unzucht, Unreinheit, Lüsternheit …«
Als sie den Stadtrand hinter sich gelassen hatten und die schroffen Berggipfel deutlicher zu sehen waren, ergriff der Conte als Erster das Wort.
»Wie warm es heute Abend ist. Erlaubt Ihr mir, das Fenster zu öffnen? Vielleicht erfrischt uns die Luft der hereinbrechenden Dämmerung.« Ohne eine Antwort abzuwarten, beugte er sich vor und tat genau das, sodass die Kühle hereinströmte.
Pater Giovanni blickte von seiner Bibel auf und wollte sich für diese Aufmerksamkeit bedanken, doch die Worte blieben ihm im Hals stecken.
Die vornehme Dame, die so anmutig und sittsam dasaß, hatte die Knöpfe an ihrem Hals geöffnet. Nicht zwei oder drei, sondern sechs oder sieben, sodass die Jacke ihres Kostüms fast bis zum Bauchnabel offen war. Darunter, wo ihre Bluse hätte sein sollen, befand sich nichts. Es gab auch kein Unterhemd, kein Mieder und kein Korsett.
Instinktiv wollte der Pater aufschreien, seine Beunruhigung zum Ausdruck bringen, sich über ihre Unanständigkeit empören. Seine Lippen bewegten sich, um seinen Protest zu formulieren, doch … kein Laut kam heraus.
Ihre Haut war glatt.
Makellos.
Er konnte nicht wegsehen.
Sie griff nach den Haarnadeln in dem Knoten an ihrem Hinterkopf und zog eine heraus. Eine einzelne Strähne aus gelocktem schwarzen Haar löste sich.
Den Blick auf den Geistlichen gerichtet, schob sie den Stoff ihrer Jacke zur Seite, um die süße Rundung ihrer Brust freizulegen. Sie war so weich und jung, ihr Warzenhof war blassrosa und groß. Ihre behandschuhte Hand umfasste ihr Fleisch: zur Schau stellend, anbietend, einladend. Ihr Haar streifte die Brustwarze: Satin gegen Seide, Mitternacht gegen Mondlicht.
Ein kurzer Kniff bewirkte, dass sich die Brustwarze keck aufrichtete.
Der Conte war offensichtlich versucht, ein Wort der Bewunderung oder Ermutigung zu sagen, aber er zügelte seine Zunge.
Padre Giovanni war nicht in der Lage zu sprechen, sein Mund war ganz wie ausgetrocknet. Seine Finger klammerten sich an seine Bibel. Einige der Seiten waren ziemlich zerknittert.
Die Dame neigte sich nach vorn, ihre Brüste schwangen frei aus ihrer Jacke, sie beugte sich, bis sie den Saum ihrer Röcke erreichte. Stück für Stück hoben sich der Taft und der Musselin über den Knöchel ihres Stiefels. Sie hielt auf ihrem Knie inne, ihr Blick huschte zu dem Conte, um sich zu vergewissern, dass er sie immer noch beobachtete.
Sein Mund zuckte ein wenig, als ob er jederzeit anfangen würde zu lachen.
Die Dame trug keine Unterwäsche.
Als der obere Teil ihrer Strümpfe zum Vorschein kam, flatterten die Finger des Paters gegen sein Buch und verloren ihren Halt. Das Buch fiel mit einem dumpfen Schlag zu Boden, wobei die Ecke seinen kleinsten Zeh erwischte, was ihm einen Aufschrei entlockte.
Die Dame spreizte ihre Oberschenkel und zog ihre Röcke ganz nach oben. Da war es, das feuchte Haar zwischen ihren Beinen.
Dem Pater entrang sich ein leises Stöhnen.
Conte Lorenzo di Cavour erlaubte sich unterdessen ein leichtes Verschieben in seinem Sitz und rückte seine Hose zurecht.
Sie zog einen der Handschuhe aus. Sie öffnete die Knöpfe und zupfte daran, bis ihre eleganten Finger befreit waren. Die Dame streckte ihre Hand aus, als wäre sie eine Katzenpfote, deren Krallen ausgefahren werden mussten.
Mit aller Langsamkeit fand sie die Spalte zwischen ihren Beinen, und als sie sich nach hinten lehnte, fiel ihre Jacke komplett auf. Ihre Brüste reckten sich nach oben, und ihre Brustwarzen versteiften sich unter den Blicken der beiden Männer, die so dicht nebeneinandersaßen.
Die Beine gespreizt, ihr inneres Geheimnis gelüftet, zog sie ihre Schamlippen auseinander, um ihre dunkelsten Tiefen zu enthüllen.
Hier bin ich, erklärte sie wortlos. Hier ist alles, was es zu sehen gibt. Hier ist das, was Männer begehren: die Essenz der Weiblichkeit, aus der alles Leben entspringt. Seht und bewundert.
Der Pater fühlte sich wie Eis und Feuer, wie eine Salz- und eine Wassersäule. Mit Sicherheit konnte er seine Beine nicht mehr spüren.
Die Dame warf den Kopf zurück. Sie schaukelte gegen ihre Finger, erst langsam, dann immer heftiger, ihre Brüste hoben und senkten sich mit ihrem schneller werdenden Atem. Die Hüften zuckten, eine wild gewordene Schlange entrollte sich, wand sich durch Schoß, Bauch und Wirbelsäule – und dann wurde die Schlange zum Raben, der sich in die Lüfte erhob. Ihre Stimme, ein Wehklagen, warf sie die Fesseln ihrer gefangenen Menschlichkeit ab und wurde eins mit der Luft und der Nacht.
Die Zeit blieb für einige Augenblicke stehen, obgleich keiner von ihnen sie messen konnte.
* * *
Lorenzo musste zugeben, dass sie sich selbst übertroffen hatte, und er hatte in seiner Zeit schon einige Auftritte erlebt.
»Brava, liebste Lucrezia.« Er hob seine Hände zum Beifall. »Ich hätte es besser wissen müssen, als eine so verlockende Herausforderung einer so begabten Frau zu stellen.«
Die Dame fummelte an ihren Knöpfen herum, ihre Finger zitterten leicht ob der fiebrigen Flut, die ihren Körper durchströmte.
»Ich bin sicher, ich spreche nicht nur für mich, sondern auch für unseren guten Pater, wenn ich dir meine aufrichtige Bewunderung ausspreche«, fuhr der Conte fort. »Wie schade, dass wir fast am Ziel sind, denn ich bin sicher, dass ein zweiter Akt sehr willkommen gewesen wäre. Ein harter Fick ist immer gut, und der Pater sieht aus, als bräuchte er eine Stärkung. Ein grober Stoß in deine herrliche Fotze, meine Liebe, hätte ihn sehr belebt.«
Padre Giovannis Augen funkelten, sein Mund versuchte, seine Empörung auszudrücken, aber ihm fehlten sichtlich die passenden Worte.
Lucrezia, die ihre Locken wieder aufsteckte, schob ihre Röcke hinunter und drehte sich zu dem Geistlichen um.
»Kümmert Euch nicht um die groben Spötteleien meines Halbbruders, Padre«, beschwichtigte sie. »Er ist ein Kind, wisst Ihr, und immer auf der Suche nach Neuem. Ich kann mir vorstellen, dass Ihr mehr als er die wahre Offenbarung der Leidenschaft einer Frau zu schätzen wisst: eine Flamme, die vom göttlichen Gott selbst entzündet und nach seinem Willen in ein exquisites Fleisch eingebettet wurde.«
In Scogliera angekommen, ließen Lucrezia und Lorenzo Padre Giovanni zurück.
Zu dessen offensichtlicher Beschämung war der Schoß des Paters feucht.
Im Castello di Scogliera saßen sie sich bei Kerzenlicht gegenüber.
Die Augen der Frau waren seltsam hell, als ob die funkelnden Kristalle des Kronleuchters über dem Esstisch in diese dunklen Becken gefallen wären. Sie hob ihr Glas und trank einen tiefen Schluck. »Hast du ein Gewissen, Bruder? Oder wurdest du ohne die Fähigkeit geboren, Schuld oder Scham zu empfinden?«
»Du kennst mich besser als jeder andere, liebe Schwester. Wenn du sagst, dass dem so ist, muss ich dir glauben.« Lorenzo prostete ihr mit seinem Glas zu.
»Ich würde dich zum schwärzesten Schurken erklären, wärst du nicht gelegentlich so sanft zu den Menschen deines eigenen Blutes. Das Paradoxe ist, dass es dir so viel Freude bereitet, uns zu quälen.«
»Meine liebe Lucrezia, wie würde deine Rebellion aussehen, hättest du nicht meine kleinen Käfige, gegen die du dich auflehnen kannst? Ich nähre nur deinen Wunsch, ungehorsam zu sein.«
Der Gegenstand ihrer Auseinandersetzung wurde für den Moment beiseitegelegt, als Vittoria eintrat und die Schokoladen-Tartufo hereinbrachte.
»Heute Nachmittag ist ein Brief der lieben Tante Agatha eingetroffen, Schwester. Da sie ihrer Enkelin angeboten hat, ihre Flitterwochen in der Villa zu verbringen, bittet sie um ein Zimmer bei uns für ein paar Wochen, damit die Frischvermählten ihren Spaß haben können.«
Lucrezia hielt inne. »Die berühmte Schönheit, die bei deiner Mutter in London wohnte?«
Lorenzos Messer schnitt in den Tartufo.
»Eine Heirat mit einem schönen, jungen Aristokraten, wie ich höre …«, fügte Lucrezia hinzu.
Lorenzo machte eine abweisende Handbewegung. »Meine Zeit in London war kurz. Ich habe kaum mit der besagten Dame gesprochen. Sie war einigermaßen attraktiv, obgleich ich fürchte, dass sie nicht gut altern wird.«
»Ich wundere mich, dass du sie so schnell vergessen hast«, entgegnete Lucrezia. »Ein Vögelchen hat mir gezwitschert, dass Isabella hoffte, dieses hübsche Ding würde dich umgarnen.«
»Ich sage nicht, dass ich sie vergessen habe.« Lorenzos Augen wurden schmal. »Agatha bittet auch um Unterkunft für die Schwester des Bräutigams, ein Mädchen, das gerade erst der Gesellschaft vorgestellt wurde. Zweifellos wird sie eine Langweilerin sein, die sich weder durch Konversation noch durch andere Talente auszeichnet. Ich muss sie dir überlassen, Lucrezia. Deine Toleranz für Langweiler übersteigt meine eigene.«
Lorenzo fand die Kirschen in seinem Tartufo und nahm einen Bissen von ihnen. Ein scharlachroter Sirupfleck breitete sich auf seinen Lippen aus.
»Wie du wünschst.« Lucrezia hielt seinem Blick stand. »Aber ich muss belohnt werden. Ich habe schon zu oft Abmachungen mit dir getroffen, und bislang noch keinen Nutzen daraus gezogen.«
Lorenzo leckte nachdenklich seinen Löffel ab. »Ich höre, obgleich du kaum in der Lage bist, Forderungen an mich zu stellen.«
»Du weißt genau, was ich will«, zischte Lucrezia, die Fäuste fest auf dem Tisch geballt. »Ein größeres Einkommen, sodass ich mein eigenes Leben führen und hier weggehen kann. Weg von dir!«
»Das Geld ist leicht zu beschaffen.« Lorenzo schenkte ihr ein wölfisches Lächeln. »Aber du würdest mich vermissen, nicht wahr?«
Lucrezia, die ausnahmsweise ihr Temperament zügelte, weigerte sich zu antworten.
»Vielleicht könnten wir ein Spiel spielen, um uns die Langeweile bei der Unterhaltung unseres jungen Gastes zu vertreiben. Meine Tante wird sich sicher amüsieren, aber junge Frauen sind so … bedürftig.«
Lucrezia kannte Lorenzos Spiele von früher.
»Ich frage mich, liebe Schwester, wer von uns beiden wohl zuerst diese quietschende Maus erobern wird. Zeig mir das kleine Tierchen, gezähmt und gefügig in deiner Pfote, und ich werde dir deinen Wunsch erfüllen: eine Million Lira pro Jahr, in welcher Währung auch immer du das Geld bevorzugst.«
Er ließ die Summe vor Lucrezia schweben, reich an Möglichkeiten. »Wenn ihr weiches Schamhaar den Weg zwischen meine Zähne findet, werde ich mir ein Vergnügen meiner Wahl ausdenken, bei dem ich erwarte, dass du es erfüllst.«
Lucrezia wurde ein wenig blass. Es gab nur wenige Dinge, die sie Lorenzo verweigerte, denn sie war ihm dankbar, dass er sie, seine Halbschwester, aus dem Waisenhaus, in dem sie aufgewachsen war, herausgeholt hatte, aber sie kannte die Pfade seiner Gerissenheit.
»Ich weiß, wie gut du eine Herausforderung annimmst. Dein Auftritt vor dem Padre hat die Kutschfahrt sehr angenehm gemacht. Du hast ein Talent zur Schauspielerei, wie schon deine Mutter. Schlaf darüber, meine Lucrezia.« Er löffelte den letzten Rest des Desserts in seinen Mund. »Und mögen deine Träume süß sein.«
* * *
Lucrezia entfernte die Rubine aus ihren Ohren und betrachtete die teuren Flaschen auf ihrem Frisiertisch. Ihr Bruder war großzügig, aber der Preis war zu hoch. Alle unter seinem Dach gehörten ihm, und das Joch wurde immer schwerer. Es war unerträglich, wie er sich immer neue Wege ausdachte, wie sie sich seinen Launen beugen musste.
Das Schicksal der jungen Frau, die bald zu ihnen stoßen würde, war ihr gleichgültig. Was kümmerte sie ein verwöhntes und dummes englisches Mädchen, das sich das Leben, das Lucrezia ertragen musste, nicht einmal ansatzweise vorstellen konnte. Es wäre leicht genug, ihr Vertrauen zu gewinnen. Sie würde ihr innerhalb einer Woche einen Kuss entlocken.
Schwieriger würde es sein, ihre mädchenhaften Schwärmereien von Lorenzos schelmischem Charme fernzuhalten. Wenn man ihn großzügig einsetzte, versagte er selten.
Sie stellte sich den Preis vor, den sie zahlen würde, wenn er die Wette gewann: das, was sie ihm verweigert hatte, obgleich nicht aus moralischen Gründen oder aus Angst vor dem Allmächtigen.
Sie würde diesen Teil von sich niemals hergeben. Kein Mann würde so vollkommen Besitz von ihr ergreifen.
* * *
Als Lorenzo allein am Tisch saß, schnippte er mit den Fingern, und eine dunkle Gestalt trat aus den Schatten hervor.
»Ich habe noch eine Rechnung mit der neuen Countess offen. Wir werden unsere Zeit abwarten, aber – sei bereit zu handeln, wenn sich die Gelegenheit bietet. Geh zur Villa, Serpico. Beobachte und lausche.«
Von Paris aus reisten sie nach Straßburg, weiter nach München, dann nach Prag und in den Süden nach Wien, bis sie das geheimnisvolle Budapest erreichten, wo gotische Türme und barocke Paläste mit byzantinischer Architektur konkurrierten.
Cecile war von der ungarischen Hauptstadt verzaubert. Hier gab es endlich ein Gefühl der Unergründlichkeit: Gegenwart, Vergangenheit, miteinander verwobene Jahrhunderte, die Einblicke in ihre Geheimnisse gewährten.
Im Laufe der Wochen wurde es zunehmend wärmer, und sie fuhren weiter nach Süden.
Cecile hatte aufgehört zu zählen, wie viele Galerien und Museen sie besuchte, wie viele Kathedralen.