Frei und glücklich durch die Heilung der Mitte - Georg Weidinger - E-Book

Frei und glücklich durch die Heilung der Mitte E-Book

Georg Weidinger

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Beschreibung

Um es gleich vorwegzunehmen: Glück kann man lernen! Der Arzt und TCM-Experte Georg Weidinger nimmt uns in dem vierten Buch seiner Reihe »Heilung durch die Mitte« mit auf den spannenden Weg zum Glück. Dieses Buch widmet sich dem Element Feuer und der zugeordneten Emotion Freude. Mit buddhistischen und yogischen Weisheiten, Meditation, dem Wissen der TCM, Erkenntnissen der modernen Neurowissenschaft sowie Erfahrungen aus seiner Arztpraxis und seinem Leben zeigt Georg Weidinger uns, dass es möglich ist, inneres Glück zu finden, Freiheit und Glück entstehen dort, wo all unsere Gefühle im Gleichgewicht sind, wo Zufriedenheit herrscht und man die Ruhe in sich entdeckt. 50 Übungen zur Kraft der Meditation helfen uns, diesen Zustand der Freiheit und des Glücks herbeizuführen.

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Dr. med. Georg Weidinger

FREIund GLÜCKLICH

durch die Heilung der Mitte

Inhalt

Vorwort

Einleitung

GLÜCK

DER WEG ZUM GLÜCK

Das Leben lieben

Glück, Wohlstand und Lebensqualität

…für Daniel

YOGA-WEG UND BUDDHISTISCHER ZUGANG

YOGA: TEIL 1 – DER WEG

Sukha & Duhkha

Das Ich und das Selbst

Die Suche nach Sukha

Der Yoga-Weg und die Hindernisse des Glücks

Die Befreiung

DER BUDDHA

Die Vier Edlen Wahrheiten

Die Vier Unermesslichen

GEFÜHLE

Wege aus der Emotion

Geistesschulung

Warum so viele negative Emotionen?

YOGA: TEIL 2 – DIE FREIHEIT

Die Meditation

Die Freiheit

Shraddha, das Vertrauen

Das Leid verwandeln

Demut und Dankbarkeit

Angekommen

TCM

DIE TRADITIONELLE CHINESISCHE MEDIZIN

Die gesunde Mitte

Herz-Blut und Nieren-Yin

Der Schlaf

Chinesische Kräuter und Granulate

Die Heilung der Mitte

Index

Frei und glücklich, wären wir das nicht alle gerne? Streben wir nicht alle nach Freiheit, Selbstbestimmung, Gesundheit, Zufriedenheit und Glück? Ist es nicht das, was ein Mensch normalerweise in seinem Leben erreichen möchte? Einfach glücklich sein.

Fahren Sie einmal in der Früh zur Stoßzeit in einer Großstadt mit der U-Bahn, zum Beispiel in Wien oder in Berlin. Wenn sich dann massenhaft Menschen in die einzelnen Waggons drängen, man sich gegenseitig vorwärts schiebt, um ja noch mitgenommen zu werden, sieht da irgendjemand glücklich aus? Wie viele von diesen Menschen sind ihrem Lebensglück wirklich nahe und wie viele von ihnen funktionieren einfach, machen einfach so weiter?

Denken Sie an Ihre Kindheit zurück – ich hoffe, es war eine schöne Kindheit mit vielen glücklichen Momenten. War da Glücklichsein nicht viel leichter? Und was haben Sie damals zum Glücklichsein gebraucht? Nicht viel, oder?

Fast täglich stelle ich mir als Arzt in meiner „Landarztpraxis für Chinesische Medizin“ diese große Frage: „Warum sind bei uns so wenige Leute glücklich?“ Daraus ergeben sich viele weitere Fragen: Warum sind wir nicht zufrieden? Warum streben wir nach immer mehr? Was ist der Grund dafür, dass sogar Jugendliche unglücklich und perspektivenlos sind? Und was kann ich als Arzt, Mensch und Mitmensch tun, um dem entgegenzuwirken?

Das Gefühl, frei zu sein, hat ganz viel damit zu tun, ob man glücklich ist oder nicht. Oft büßen wir auf der Suche nach Glück sogar viel unserer Freiheit ein. Wir gehen zum Beispiel nach der Arbeit ins Fitnessstudio, um den perfekten Körper zu bekommen, weil wir glauben, dass wir glücklich sind, wenn wir das geschafft haben. Oder wir kaufen uns ein neues, tolles Auto, weil uns das kurzfristig glücklich macht, müssen dafür aber in Kauf nehmen, mehr zu arbeiten, um mehr zu verdienen. Oder wir machen wunderbare Fernreisen auf der Suche nach dem Glück in der Welt da draußen, träumen danach aber vielleicht von dem wunderbaren Ort und bestreiten mit der Sehnsucht „auszusteigen“ unseren grauen Alltag zu Hause unglücklich weiter. Oder jemand konsumiert Drogen wie Zigaretten, Alkohol oder Cannabis (ganz zu schweigen von härteren Drogen), um seiner oder ihrer Alltagswelt zu entfliehen und diese kurzzeitig zu vergessen. Doch wie lange währt dieses scheinbare Glück wirklich? Der Gedanke an den unvollkommenen Körper, an das nächste noch tollere Auto oder die Sehnsucht nach der Ferne oder einfach nach der nächsten Zigarette machen uns unfrei und verhindern unser Glück im Jetzt.

Wie werden wir nun glücklich? Wie lösen wir dieses Dilemma? Einfach wieder Kind zu sein, keine Verantwortung zu tragen, kein Geld verdienen zu müssen, geht leider nicht. Und was bedeutet überhaupt „Glück“, vor allem, was bedeutet Glück für Sie?

Die Medizin bewirkt Glück, wenn sie Krankheit idealerweise heilt und Leid mildert. Demgemäß ist die Abwesenheit von Leid und Krankheit dann wohl gleichbedeutend mit Glück. Einmal „repariert“ und dann ist man wieder glücklich? So leicht geht es leider nicht, wie Sie vielleicht aus eigener Erfahrung wissen …

Die Psychologie verhilft zu Glück, indem sie seelische Traumata auflöst, psychische Probleme beseitigt sowie bei Störungen, die außerhalb der Norm liegen, Abhilfe schafft und dadurch Unglück beendet. Wir behandeln also alles Negative aus der Psyche, wodurch diese wieder positiv wird. Nun gibt es wahrlich vieles, was uns unglücklich macht: Neid steht dabei ganz oben. Wir wollen Dinge haben, die andere haben. Wir wollen so sein, wie andere sind. Warum er und nicht ich? Warum sie und ich schon wieder nicht? Genau so funktioniert die Werbung heute: Sie zeigt uns Dinge, die wir haben wollen und kaufen sollen, sowie Menschen, denen wir nacheifern sollen. Diese Bilder machen uns aber in Wirklichkeit nur unglücklich. Aber dieses Unglück ist der Motor der Wirtschaft.

Doch auch andere negative Emotionen wie Angst, Wut oder Trauer verhindern, dass wir glücklich sind. Angst raubt uns die Sicherheit sowie die Perspektive für die Zukunft. Wut hingegen entsteht heute oft dann, wenn man hinter die Fassade unserer Gesellschaft mit all ihrer Ungleichbehandlung und ihren Ungerechtigkeiten blickt. Trauer über den Verlust von geliebten Menschen oder hervorgerufen durch ein Unglück wiederum lässt das Glück ebenfalls in weite Ferne rücken …

Freiheit und Glück entstehen dort, wo man seine Talente und Begabungen ausleben kann und bei seiner Tätigkeit das Gefühl hat, nicht im klassischen Sinne arbeiten zu müssen. Wer das tut, was er oder sie liebt und gut kann, wofür er oder sie „geboren“ ist, kann ohne große Anstrengung „tätig sein“.

Freiheit und Glück entstehen dort, wo all unsere Gefühle im Gleichgewicht sind, wo wir alles ausleben und ausdrücken dürfen und jedem Zustand seine eigene Zeit einräumen können.

Freiheit und Glück entstehen dort, wo Zufriedenheit herrscht und man die Ruhe in sich entdeckt.

Freiheit und Glück entstehen dort, wo es kein Begehren gibt.

Freiheit und Glück entstehen dort, wo man das Unglück und Leid hinter sich gelassen hat und man mit einem Lächeln in die Zukunft blicken kann.

Tatsächlich kann man im Körper Veränderungen beobachten, wenn jemand Glück empfindet: Im Gehirn ist etwa der Spiegel des Hormons Oxytocin erhöht, wenn man verliebt ist. Wenn man ausgeglichen und zufrieden ist, wird vermehrt Serotonin ausgeschüttet. Dopamin wiederum führt zu einem gesteigerten Antrieb und positiven Tatendrang, und die Endorphine rufen ein Gefühl von Euphorie hervor und unterdrücken die Angst. Das klingt doch nach dem perfekten Glückscocktail, oder? Doch ist jemand wirklich glücklich, wenn man ihm nun all diese Hormone spritzt? Auf kurze Sicht vermutlich schon. Bei einem „Hochgefühl“ ist die gesamte Stoffwechselaktivität des vorderen Teils des linken Vorderhirns erhöht sowie das vegetative Nervensystem des gesamten Körpers auf „Aktivität“ geschaltet. Das sind Veränderungen, die man gleichermaßen bei Stress beobachten kann.

Wäre es nicht wunderbar, wenn es eine „Glückspille“ gäbe, die man einfach schluckt und dann alles wieder gut ist und man sich wieder glücklich fühlt? Genau dieser Wunsch treibt Menschen, in der Hoffnung ein Glücksgefühl zu erleben, zum Konsum von Drogen.

Im Jahr 1932 beschreibt Aldous Huxley in seinem Roman „Schöne neue Welt“ (im englischen Original: „Brave New World“) eine Welt, die 600 Jahre in der Zukunft liegt. Dort besteht das höchste Ideal aus genormtem Glück und psychologisch konditionierter Zufriedenheit. Zu diesem Zweck gibt es die Droge „Soma“, die bereits ab der Kindheit verabreicht wird und die die Menschen in einem betäubenden Glücksgefühl hält. Freies Denken wird durch ständige Reizüberflutung im Zaum gehalten und individuelle Freiheit ist abgeschafft. Der Roman erinnert erschreckenderweise an Entwicklungen in unserer heutigen Gesellschaft …

Der Konsum von Antidepressiva, von „Medikamenten gegen das Unglück“, steigt in unserer Welt dramatisch an. Leider ist es nur allzu oft so, dass man lieber täglich eine Tablette einnimmt, um wieder zu funktionieren, anstatt zu hinterfragen, warum es einem so schlecht geht. Antidepressiva helfen einem zwar aus der seelischen Grube, sind aber auf keinen Fall Glückspillen. Sie können einem helfen, das Leben besser zu ertragen und nicht mehr so viel zu empfinden – weder negative noch positive Gefühle. Eine Patientin, Lehrerin von Beruf, hat das gut beschrieben: Sie hielt die Grabrede für eine verstorbene Kollegin, aber durch das Antidepressivum, das sie regelmäßig einnahm, konnte sie keine Trauer empfinden.

Daher möchte ich die Frage nochmals stellen: Wie werden wir wirklich glücklich?

In China und der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) erklärt man sich Glück mit dem Vorhandensein des Geistes „Shen“, der im Herzen wohnt und dann strahlt, wenn es dem gesamten Körper so richtig gut geht und alle Gefühle im Gleichgewicht sind. Im Buddhismus wird der Weg hinaus aus dem Leid, welches unweigerlich Teil unseres irdischen Lebens ist, beschrieben. Die Yogatradition lehrt uns, nicht an unserem Ich anzuhaften, und zeigt uns viele Übungen dafür, um schließlich Kaivalya, die wahre Freiheit zu erlangen. Und Mahatma Gandhi sagt, dass man nur dann glücklich wird, wenn man sich um andere kümmert.

Nicht nur bei Fragen der gesunden Lebensführung, auch hier kann uns also der Blick zu den alten Kulturen in Asien helfen. Um Antworten auf diese Frage zu finden, rücke ich diesmal – anders als bei meinen Büchern, die in dieser Reihe bereits zu Angst, Stress und Depression erschienen sind – yogische Weisheit, die daraus gewachsene buddhistische Philosophie und die damit eng verbunden Praxis der Lebensführung und Meditation in den Vordergrund. Die jahrtausendealten yogischen Erfahrungen hat Buddha einfach und zugänglich zusammengefasst, weil er wollte, dass jeder und jede sie verstehen und anwenden kann.

Genau diesen Wunsch verfolgt auch dieses Buch: Es ist ein Cocktail aus buddhistischer und yogischer Lehre, Wissen der alten Chinesen ebenso wie aus der modernen Neurowissenschaft, Erkenntnissen aus meiner Arztpraxis sowie persönlichen Erfahrungen meines Yoga-Weges und aus meiner täglichen Praxis als Buddhist. Ich habe all das Wissen so zusammengefasst, dass es jeder und jede anwenden kann. Unser Übungsfeld dafür ist der Alltag, jeder einzelne Tag und jede einzelne Begegnung mit anderen Menschen.

In diesem Buch werden Ihnen viele unterschiedliche Begriffe begegnen, die zum Teil etwas Ähnliches, zum Teil auch das Gleiche bezeichnen. Auch ich versuche Ihnen das Wissen in meiner Sprache näher zu bringen. Vielleicht passt eine Version davon zu Ihnen. Nehmen Sie sich intuitiv, was Ihnen sympathisch ist oder finden Sie eigene Worte dafür.

Es ist ein bunter Weg, der vor Ihnen liegt!

Und das Beste von alledem ist: Jeder kann glücklich werden, denn Glücklichsein kann man lernen.

Ein Buch kann nur Inspirationsquelle und Wegweiser sein, gehen dürfen Sie den Weg selbst. Doch wenn Sie viele Wege kennen, können Sie auch viele einschlagen, und die Wahrscheinlichkeit, dass der richtige Weg für Sie dabei ist, steigt drastisch.

Viel Freude auf Ihrem persönlichen Glücks-Weg!

Ihr Georg Weidinger

Einleitung

Wissen verändert erst dann etwas, wenn man sich intensiv damit beschäftigt, wenn man es anwendet und übt. So macht man das mit allen Dingen, die man können möchte. So funktioniert der Yoga-Weg, der Weg des Buddha und jeder Weg, bei dem es wirklich um etwas geht. Darum werde ich Ihnen in diesem Buch eine Reihe von „Übungen des Glücks“ vorschlagen. Bitte machen Sie diese am besten in der angegebenen Reihenfolge. Es kann sein, dass Sie manche Übungen nur einmal machen wollen. Vielleicht spricht Sie eine einzelne Übung aber auch so an, dass Sie diese mehrmals wiederholen oder sogar als Basis Ihrer regelmäßigen Meditation wählen. Auch hier gilt: einfach, aber täglich. Es ist weniger kompliziert, als Sie vielleicht denken. Unter den Übungen finden Sie Schreibimpulse, Meditations-Übungen und auch einige geführte Meditationen, die ich für Sie eingesprochen habe und die per QR-Code für Sie zur Verfügung stehen.

Übung 1: Vorbereitungen

Bitte richten Sie sich ein Heft oder ein kleines Büchlein her, das Ihnen gefällt und in welches Sie Ihre „Übungen des Glücks“ schreiben können. Vielleicht nennen Sie es „Glücks-Tagebuch“, „Notizbuch des Glücks“ oder etwa „Die Reise zu meinem Glück“ und überlegen sich einen Ort, an dem dieses Büchlein gut aufgehoben ist. Lassen Sie es nicht achtlos herumliegen, sondern bewahren Sie es, wie einen Schatz, gut auf.

Ich kann heute sagen, dass ich ein glücklicher Mensch bin. Ich fühle mich täglich beschenkt vom Leben, verspüre unendliche Dankbarkeit für meine Familie, für all die Tiere, die unser Leben teilen und bereichern, für meine Arbeit, die mich tief erfüllt und mir die Möglichkeit gibt, Menschen Gutes zu tun und viel meines Glücks zurückzugeben. Außerdem für die Möglichkeit zu lehren und damit mein Wissen und meine Begeisterung für das Heilen an die nächste Generation weiterzugeben. Für unser 150 Jahre altes Steinhaus, das uns gefunden hat, für das Land, in dem es steht und wir leben dürfen, für all die guten Menschen um uns herum, die uns in ihre Mitte aufgenommen haben.

Das war nicht immer so. Wie auf jedem anderen Lebensweg gab es viele Steine und Hindernisse, die ich zu überwinden hatte, um schließlich dort zu sein, wo ich heute bin – mit meiner Frau, den Kindern, den Tieren, meiner Arbeit, meiner spirituellen Praxis. Auch mein Leben war, wie das von vielen anderen Menschen, lange Zeit geprägt von „trial and error“, von „Versuch und Irrtum“ – also von ausprobieren und sehen, was passiert. Doch wie sagt man in China so schön: „Umwege erhöhen die Ortskenntnis.“ Und so ist es wichtig, Umwege zu gehen, aber dabei das Ziel nie aus den Augen zu verlieren.

Mein Ziel als Kind war es zu überleben, zunächst emotional, zumal meine Eltern von einer Ehekrise in die nächste schlitterten und dabei vollkommen auf uns – meinen älteren Bruder und mich – vergaßen, und dann auch körperlich, da mir das Schicksal (oder auch die vielen Emotionen?) ein schweres Bronchialasthma verpasst hatte. Dieses sollte fortan mein weiteres Leben bestimmen. Normalerweise geht man mit seinem Kind zum Arzt, wenn es krank ist. Nicht so in unserer Familie. Da mein Vater Arzt war, brauchten wir ja keinen Hausarzt. Nur leider stand er für uns medizinisch nicht zur Verfügung. Wenn er einmal, selten genug, zu Hause war und ich ihm sagte: „Papa, ich bekomme keine Luft!“, war seine Antwort meist: „Du hast Asthma bronchiale. Das ist nicht lebensgefährlich. Ich habe noch nie jemanden an Asthma sterben gesehen.“ Dazu muss man sagen, dass mein Vater Angiologe und Kardiologe (Gefäß- und Herzspezialist) war. Für ihn war nur das sogenannte „Herzasthma“ lebensgefährlich und seiner Aufmerksamkeit würdig. Sein Nachsatz war dann immer noch: „Und wenn du was brauchst, dann nimm dir halt was …!“ Das war der Hinweis auf den Apothekerschrank in unserem Wohnzimmer mit unzähligen Laden, vollgefüllt mit Medikamenten. Ich begann also mit zehn Jahren, mich selbst zu behandeln. Meine bevorzugte Literatur in dieser Zeit waren die Beipackzettel all der Medikamente, die ich so über die Jahre durchkostete. Rückblickend kann ich sagen, dass dies eine wirklich sehr spannende Zeit war, da viele neue Medikamente in den 1970er- und 1980er-Jahren bei uns auf den Markt drängten. So habe ich all die verschiedenen Generationen der Antihistaminika, Medikamente gegen Allergien, miterlebt und vor allem ihre potenten Nebenwirkungen am eigenen Leib gespürt. Überhaupt faszinierten mich die Nebenwirkungen weit mehr als die gewünschte Hauptwirkung, welche bei mir leider nie eintrat. So waren manche Medikamente in ihrer Nebenwirkung potente Schlafmittel, störten erfolgreich die Konzentration oder lösten Migräne (da war ich bei Euphyllin angekommen) oder eine Depression aus (wie zum Beispiel Cortison). Meine erste Akne bekam ich dank Cortison mit zwölf Jahren. Mein Potenzial für eine Essstörung aufgrund ständiger Übelkeit wiederum erhöhten mehrere Substanzen, die auch schnell wieder vom Markt verschwanden. Ab dem 16. Lebensjahr erhielt ich aufgrund meiner vielfältigen Allergien drei Jahre lang eine Desensibilisierung in Form einer Spritzenkur. Später wurde der Name der Therapie von „Desensibilisierung“ auf „Hyposensibilisierung“ geändert, als man bemerkte, dass die Allergie nicht wegging („De-“), aber idealerweise leichter wurde („Hypo-“). Das Resultat dieser Therapie war, dass ich jahrelang mit ständigem Fieber herumlief, was mich sehr schwächte.

Mein Asthma brachte mich dazu, Medizin zu studieren, und schließlich landete ich bei der Ausbildung zum Lungenfacharzt. Doch an dieser Abteilung gab es nichts, was ich nicht selbst schon erfolglos ausprobiert hätte. So zog ich weiter und entschied mich für eine Ausbildung zum Neurologen. Dort lernte ich Professor Alexander Meng kennen, durch den ich mich für Akupunktur zu interessieren begann. Das veränderte alles. Ich akupunktierte mich einen Monat lang jeden Tag selbst und konnte wieder normal atmen. Also brach ich meine Ausbildung zum Neurologen ab – Allgemeinmediziner war ich bereits – und folgte meinem vorbestimmten Weg weiter. Ich studierte die (Traditionelle) Chinesische Medizin und Yoga, um mein Spektrum nicht nur für mich als Patienten deutlich zu erweitern, sondern um als Arzt einen größeren Weitblick zu erlangen.

Sie wissen vielleicht, wie das ist, wenn man etwas im Leben verstanden hat und wirklich davon begeistert ist: Man will es unbedingt weitererzählen und anderen weitergeben. So ging und geht es mir mit der Chinesischen Medizin und Yoga. Die Chinesische Medizin konnte mit den Kräutern meine tiefe Erschöpfung heilen (wenn man so viele Jahre eine Krankheit hat, laugt das den Körper sehr aus) und Yoga brachte mir bei, noch viel besser zu atmen. Über die Atmung fand ich den Weg nach innen und über die Meditation den Weg zum Buddhismus.

Wenn ich diesen, meinen Weg heute betrachte, sehe ich viele Momente des tiefen Glücks. Spannenderweise haben diese glücklichen Momente nie etwas mit mir selbst zu tun oder mit meinem Asthma. Gut atmen zu können, hat mich noch lange nicht glücklich gemacht. Glücklich war ich dann, wenn ich jemand anderem auf seinem Weg helfen konnte. Das war schon als Kind so. Ab dem 14. Lebensjahr habe ich angefangen, Nachhilfe zu geben. Mit 18 habe ich auch noch Klavierunterricht gegeben. Wenn dann ein Kind etwas spielen konnte und sich dabei gefreut hat, war vor allem ich glücklich! Glücklich war ich auch dann, wenn ich das Strahlen von Patientinnen und Patienten gesehen habe, wenn es ihnen wieder besser ging. Das erlebte ich immer wieder, vor allem in Nachtdiensten, wenn Ruhe herrschte und ich Zeit hatte, mich wirklich um Patienten zu kümmern. Große Glücksmomente erlebte ich immer wieder, wenn ich Klavier spielte und vollkommen in der Musik versank. Ein solcher tiefer Glücksmoment, der eine Stunde lang angedauert hat, ist zum Beispiel durch meine CD „dark side“ dokumentiert. Ein unglaublicher Glücksmoment war, als unser Sohn Daniel geboren wurde. Ein weiterer tiefer Glücksmoment war das „Ja“ meiner Frau bei unserer Hochzeit, welche wir ganz allein gefeiert haben.

Übung 2: Glücksmomente

Nehmen Sie sich ein bisschen Zeit, um darüber nachzudenken, welche die großen Glücksmomente in Ihrem Leben waren. Wann und wo waren Sie so richtig glücklich? Wer oder was hat Sie glücklich gemacht? Denken Sie an Glücksmomente, die Ihnen auch heute noch ein Lächeln auf Ihr Gesicht zaubern, die Ihren Augen eine Träne der Freude entlocken. Und schreiben Sie diese in Ihr „Tagebuch des Glücks“. Wenn Sie schöne Bilder dazu im Kopf haben, machen Sie eine Skizze oder eine Zeichnung. Vielleicht haben Sie ja auch ein Foto, das Ihnen die Erinnerung an das Glück lebendig hält und das Sie Ihrer Notiz beifügen wollen.

Mein Asthma war jahrelang mein wichtigster Freund, mein verlässlichster Wegweiser. Mein Asthma ist der Grund, warum ich heute der Mensch bin, der ich bin. Ihm verdanke ich meine Frau, meine Kinder und die vielen Glücksmomente beim Helfen und Heilen von Menschen. Denn ohne mein Asthma wäre ich niemals Arzt geworden.

Ohne mein Asthma wäre ich heute Musiker, würde es wahrscheinlich hauptberuflich unterrichten und würde für die Musik leben. Vielleicht hätte ich mich als Mensch nie so weiterentwickeln dürfen, wie es wegen des Asthmas möglich war. Warum hätte ich mich der Chinesischen Medizin und damit seiner Philosophie zuwenden sollen, warum dem Yoga?

Natürlich habe ich das nicht immer so gesehen. Wenn man im Leid steckt, sieht man nichts außer dem Leid. Ich habe mich in meiner Jugend sehr zurückgezogen, da ich mich für meine Atemlosigkeit geniert habe. Ich war von dem Ziel angetrieben, „normal wie die anderen“ zu sein, frei atmen zu können, frei zu sein. Mein Asthma hat mir die körperliche Begrenztheit ständig vor Augen gehalten: Der Körper hat mich angekettet, unfrei gemacht. Und die Atemlosigkeit, vor allem die Asthmaanfälle, machten mir große Angst zu ersticken.

Und dann passierte ein Wunder.

Ich war 14 Jahre alt, wachte eines Nachts auf und konnte nicht mehr ausatmen. Eine große Panik erfasste mich. Ich erlebte das Ersticken wie in Zeitlupe. Kurz vor der Bewusstlosigkeit spürte ich auf einmal ein unendliches Glücksgefühl. In diesem Moment war alles gut und ich konnte das Leben loslassen. Meine Angst war verschwunden. Mein Vater war in dieser Nacht zu Hause, spritzte mir etwas und holte mich ins Leben zurück.

Seither habe ich keine Angst mehr vor dem Ersticken, keine Angst mehr vor dem Tod und auch nicht vor dem Leben.

Übung 3: Überwundenes Leid

Haben Sie in Ihrem Leben Leid erleben müssen, wie etwa eine schwere Krankheit, Schmerzen, eine schwere seelische Verletzung oder Misshandlung – und haben Sie dieses Leid auch tatsächlich überwunden, bewältigt und geheilt? Haben Sie es geschafft, das Leid abzustreifen? Auf welche Weise hat dieses überwundene Leid Ihr Leben positiv beeinflusst? Nehmen Sie bitte nur ein Leid, das Sie auch wirklich überwunden haben, und schreiben Sie die Erlebnisse auf.

Ich durfte in jungen Jahren bereits so viel erleben, was auf den ersten Blick „negativ“ und „furchtbar“ erscheint. Doch auf den zweiten Blick sieht man, dass all dies die Basis für mein heutiges Glück darstellt. Dafür bin ich meinen Eltern unendlich dankbar.

Jeder von uns hat seine eigene, ganz persönliche Geschichte. In jedem Leben passieren gute und schlimme Dinge. Ein glückliches Leben zu haben bedeutet nicht automatisch, dass einem nur Gutes widerfährt, dass man nur auf die Butterseite des Lebens gefallen ist. Im Gegenteil: Anscheinend muss man einmal viel erlebt haben, um das Spektrum des Möglichen abschätzen zu können, muss man einmal gelitten haben, um sich am Fehlen des Leids erfreuen zu können. Wer einmal richtig Hunger leiden musste, wird Essen ganz anders würdigen können als jemand, der Hunger gar nicht kennt. Jemand, der reich aufgewachsen ist, kennt den Wert des Geldes nicht. Jemand, der arm aufgewachsen ist, sich sein erstes Geld selbst verdient und sich damit seine erste Mahlzeit selbst kaufen kann, wird dieses Essen in großer Freude genießen können.

Glück hat auch viel mit Freiheit zu tun, wie wir in den zwei Jahren der Corona-Pandemie, die von wiederkehrenden Ausgangsbeschränkungen und Einschränkungen jeglichen gemeinschaftlichen Lebens begleitet waren, am eigenen Leib schmerzlich erleben konnten. Im Lockdown war es auf einmal nicht mehr möglich, sich frei zu bewegen, Freunde zu treffen oder einkaufen zu gehen. Besonders gelitten haben in dieser Zeit Kinder und Jugendliche, die man teilweise in der natürlichen Entwicklung ihrer Sozialisation gehemmt hat. Unser Sohn Daniel war 13, als die Pandemie ausbrach. Er war Teil einer Schauspieltruppe und hätte im Jahre 2020 eine Hauptrolle gespielt. Durch die Corona-Maßnahmen der österreichischen Bundesregierung war dies alles nicht mehr möglich. Jetzt, nach mehr als zwei Jahren, kämpft Daniel darum, wieder in ein normales Leben zurückzufinden, kämpft um seine seelische Gesundheit und um sein Glück. Ihm widme ich dieses Buch, da Daniel uns Eltern sehr viel gelehrt hat. Glück ist nicht selbstverständlich, auch wenn wir Eltern es für unsere Kinder unbedingt wollen. Widrige Lebensumstände erinnern uns daran, das Glück nicht im Außen zu suchen, sondern in uns selbst. Genau das wollen wir unseren Kindern weitergeben, genau das ist der Weg für uns alle …

Glück

DER WEG ZUM GLÜCK

„Glück“ könnte man als „größtmögliches Wohlbefinden“ übersetzen. Dabei geht es um das Gefühl, wie man jeden einzelnen Augenblick im Leben empfindet. Die Qualität der Empfindung ist dabei entscheidend und das Erleben dieser Empfindung ist rein subjektiv. Man spricht von glücklichen Momenten, wenn einzelne Momente als positiv empfunden werden, und von einem glücklichen Leben, wenn die Qualität des Lebens als positiv empfunden wird.

Der Begriff „Glück“ beinhaltet Äußeres und Inneres: Äußere Umstände, die zu Glück führen, sind zum Beispiel ein Lottogewinn, das bestandene Abitur, eine Beförderung in der Arbeit, ein Sonnenuntergang, ein gutes Essen, die Geburt eines Kindes, ein Orgasmus oder das Lächeln eines geliebten Menschen.

So wunderbar all das ist, ist es doch flüchtig und schafft nur ein kurzzeitiges Glücksgefühl. Leider hat man die Auslöser dieses Glücks oft nicht unter Kontrolle. So kann man die Länge eines Sonnenuntergangs nicht beeinflussen, den Orgasmus nicht künstlich verlängern, das gute Essen nicht immer weiteressen, und die Freude über das bestandene Abitur ist spätestens bei der Inskription eines Studiums, bei dem es um die nächsten zu erbringenden Leistungen geht, vorbei. Was man aber machen kann, ist ein Foto von besonderen Momenten oder ein „inneres Foto“ von diesem Glück. So bewahrt man das wertvolle Ereignis in seinem Herzen auf.

Übung 4: Kleine Momente des Glücks

Welche Momente Ihres ganz persönlichen kleinen Glücks erleben Sie im Alltag? Ist es vielleicht das Lächeln einer geliebten Person, vielleicht ein bestimmtes Essen, ein Drink in einem bestimmten netten Lokal, das Lesen in einem schönen Buch? Beschreiben Sie es so, dass Sie ein lebendiges Bild vor Augen haben. Finden Sie die Form, Ihre Gedanken festzuhalten und auszudrücken, die Ihnen entspricht und mit der Sie sich wirklich wohlfühlen – das „Tagebuch des Glücks“ ist schließlich nur für Sie selbst.

Für den französischen Philosophen Robert Misrahi ist Glück, „dass ein Mensch vor Freude über seine Existenz insgesamt strahlt“. Dabei handelt es sich um inneres Glück, das lange besteht und nicht bei kleinen Veränderungen im Außen verschwindet.

Um dauerhaft glücklich zu sein, ist es entscheidend, wie man die Welt sieht. Es ist wohl schwierig, die Welt zu ändern. Doch wir können unsere Sicht auf die Welt verändern. Wenn wir uns gut fühlen, ruhig und entspannt sind, werden wir die Welt um uns herum viel positiver beurteilen, als wenn wir uns unruhig und abgehetzt fühlen und angespannt sind.

Eine klassische Beschreibung des vollkommenen Glücks ist das Gefühl eines tiefen inneren Friedens.

In meiner Kindheit waren Tiere meine besten Freunde. Tiefes Glück habe ich dann empfunden, wenn ich mit meinem Pferd zu einem nahen See geritten und dann am Ufer gesessen bin. Das Pferd graste hinter mir, der Hund lag direkt neben mir und ich hatte das Gefühl, als würde ich mit der Natur und der Welt verschmelzen. Ich konnte im Nachhinein oft nicht sagen, wie lange ich dort gesessen bin, ob fünf Minuten vergangen waren oder eine Stunde. Die Zeit hatte keine Bedeutung.

Übung 5: Die Zeit vergessen

Kennen Sie solche Momente des Glücks, in denen Sie die Zeit vollkommen vergessen, sich in etwas verlieren? In denen Sie sich eins fühlen mit Ihrer Umgebung, mit der Welt? Und wie würden Sie Glück für sich selbst beschreiben?

In solchen Glücksmomenten kommen die Gefühle im Inneren zur Ruhe. Alle Gedanken sind verstummt, Frieden macht sich in einem breit, man ist einfach im Hier und Jetzt.