Erhalten Sie Zugang zu diesem und mehr als 300000 Büchern ab EUR 5,99 monatlich.
Das Buch von Michael Mary, dessen Bestseller 5 Lügen, die Liebe betreffend den Mythos von der unsterblichen Leidenschaft in Paarbeziehungen ins Wanken gebracht hat: Praktische Lösungen für Partner, frei von überzogenen Idealen. In 5 Lügen, die Liebe betreffend ist Michael Mary den verbreitetsten Sexlügen nachgegangen. Wie aber leben Paare tatsächlich zusammen? Welche Entwicklungen durchlaufen ihre Partnerschaften im Widerspruch zwischen Bindung und Begehren? Welche praktischen Lösungen haben Partner für sich gefunden? 5 Wege, die Liebe zu leben beschreibt fünf unterschiedliche Partnerschaftsformen, die sich herauskristallisieren haben und unterlegt diese durch ene Anzahl von Schilderungen der betreffenden Partner selbst: Arrangierte Beziehungen, die das harmonische Zusammenleben über die sexuelle Lust stellen. Distanzierte Beziehungen, die den Abstand als eine Bedingung der Leidenschaft in ganz besonderer Weise würdigen. Serielle Beziehungen, in denen die Leidenschaft höher geschätzt wird als die Dauer. Parallele Beziehungen, die sowohl Verlässlichkeit als auch Leidenschaft erlebbar machen. Kontrolliert freie Beziehungen, die Sexualität ausserhalb der Partnerschaft in begrenztem Maße zulassen. In dieser modernen Beziehungsvielfalt gibt es keine allgemeingültigen Normen mehr. Michael Mary ermutigt daher zu einem Beziehungsleben, das gleichermaßen die eigenen Wünsche wie auch die eigenen Möglichkeiten berücksichtigt. Daraus ergibt sich ein breites Spektrum von Möglichkeiten, wie Partner mit ihrer Sexualität frei von Erfolgsdruck umgehen können.
Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:
Seitenzahl: 341
Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:
Inhalt
Buch
Vorwort
Ganz normale Entwicklungen in exklusiven Beziehungen
Das Ringen um die Beziehung und der Kampf um die Sexualität
Paartherapeutische Bemühungen
Sexualtherapeutische Bemühungen
Begehren, Erotik und die Dynamik von Nähe und Distanz
Ein Leben im Widerspruch
Fünf Wege, die Liebe zu leben
Arrangierte Beziehungen
Distanzierte Beziehungen
Serielle Beziehungen
Parallele Beziehungen
Kontrolliert freie Beziehungen
Resümee und Aussichten
Experten-Interviews
Interview mit Wolfgang Schmidbauer
Interview mit Professor Dr. Ulrich Clement
Abschluss-Empfehlung
Über den Autor
Endnoten
Michael Mary
Fünf Wege, die Liebe zu leben
print: ISBN 978-3-926967-93-0
epub: ISBN 978-3-926967-24-4
pdf: ISBN 978-3-926967-33-6
© 2015 Henny Nordholt Verlag, Testorfer Straße 2 D 19246 Lüttow
Besuchen Sie die Homepage des Autors, dort finden Sie weitere Bücher und Hinweise auf seine Arbeit.
www.michaelmary.de
Wir haben die Preise unserer Ebooks am absolut unteren Ende kalkuliert. Hier ein Überblick über Kosten, die der Preis abdeckt. Vom Verkaufspreis gehen ab:
19% MwSt.
Anteil eBook-Shop (z.B. 30% beim Apple-Store).
Anteil Bezahlsystem (PayPal etc.).
Anteil eBook-Konvertierung.
Kosten Rechnungsstellung und Buchführung.
Kosten Internetprovider, Werbung und Vertrieb.
Honorar Autor.
Steueranteil des Verlages.
Sie sehen, dass in der Kalkulation kein Spielraum mehr vorhanden ist. Wenn Sie wollen, dass es unserem Verlag und dem Autor zukünftig möglich sein soll, weitere Ebooks zu vertreiben, dann sehen Sie bitte von illegalen Kopien unserer Ebooks ab. Seien Sie fair!
Darüber hinaus gilt: Dieses Ebook ist mit einem unsichtbaren Wasserzeichen als Kopierschutz versehen. Es ist verboten, Kopien dieses Ebooks anzufertigen und/oder zu vertreiben. Wir werden jeden Missbrauch zur Anzeige bringen.
Eugen-Maria Schulak
Vor etwa 60000 Jahren ... begann der Mensch, seine Toten zu bestatten. Verstorbene wurden geschmückt und deren Gräber gekennzeichnet. ... 30000 Jahre später ... entstanden in Frankreich die ältesten uns bekannten Ritzzeichnungen der westlichen Welt ... Der Inhalt jener ersten Kunst war einschlägig: Schamlippen und erigierte Glieder, üppige Brüste und fette Hinterteile, Paare beim Geschlechtsakt ...
Die Vergänglichkeit und die Geschlechtlichkeit, die Mysterien des Todes und des überschäumenden Lebens, waren damit zweifellos die ersten und zentralen Inhalte transzendenter kultureller Überlegungen.1
Vergänglichkeit und Geschlechtlichkeit – diese beiden Themen spielen seit Urzeiten im Leben des Menschen die wesentlichen Rollen und prägen bis heute jede Partnerschaft.
Steckt hinter dem Wunsch nach einer festen Bindung, einer der Zeit trotzenden und verlässlichen Beziehung, in der sich der Mensch geborgen fühlt, nicht das Thema Vergänglichkeit? Und ist es nicht die Suche nach dem überschäumendem Leben, die es Menschen unmöglich macht, auf sexuelle Erregung und auf den Rausch des Begehrens zu verzichten?
Partnerschaftsformen, wie ich sie in diesem Buch beschreibe, gibt es »eigentlich« nicht, und wenn man ihnen dennoch begegnet, handelt es sich um »Ausrutscher«, »Versehen«, »Störungen« oder »Makel«. Damit ist gemeint: Es sollte oder dürfte sie eigentlich nicht geben. Zumindest nicht, wenn man sich den Standpunkten zahlreicher Psychologen und Sexualtherapeuten oder auch anderen idealisierten Partnerschaftsvorstellungen anschließt.
Denn Partnerschaft und Leidenschaft seien ohne weiteres miteinander vereinbar, auch auf Dauer, so heißt es. Wem das nicht gelänge, der arbeite nicht genug an sich und an seiner Beziehung. Es sei daher infantil und unreif. Wer nach Beziehungsalternativen sucht, könne sich nicht von den Eltern lossagen und würde in lebenslanger Opposition zu ihnen verharren. Wer sich nicht völlig auf einen Partner festlege, scheue den Schritt ins Erwachsensein. Wer Außenbeziehungen eingehe, bleibe an der Oberfläche und würde die eigentlich wichtigen Fragen wegschieben.2
Einzig die zugleich lebenslange und monogame Beziehung scheint vor den Augen der meisten Experten Gefallen zu finden, und das auch nur, solange Sexualität darin eine tragende Rolle spielt. Drei große Gruppen von Paaren fallen aus dieser so locker konstruierten psychologischen »Normalität« heraus:
sexarme oder sexlose Paare,
seriell monogame Partner,
und solche, die mit Beziehungsformen experimentieren.
Diese Gruppen sollen im Folgenden zu Wort kommen. Und – das ist vielleicht das Wichtigste – die Paare und ihre Schilderungen zeigen: Es gibt gangbare Wege und anziehende Aufenthaltsorte, es gibt ein buntes Leben im Widerspruch zwischen Bindung und Begehren. Ungewöhnliche Wege sind darunter, bizarre zuweilen, anregende allemal.
Ich möchte betonen, dass die Lektüre der zahlreichen Schilderungen der Partner positive und versöhnliche Eindrücke bei mir hinterlassen haben im Sinne eines »Ja, so ist das Leben, so sind die Menschen, so verlaufen Beziehungen«. Nicht glatt und perfekt, sondern auf Umwegen und unvollkommen, aber eben zutiefst menschlich.
Vielen Partnern, die mit ihren Schilderungen zu diesem Buch beitrugen, erging es offensichtlich ähnlich. Ihre persönliche Beziehungsgeschichte und, die sexuellen Entwicklungen darin aufzuschreiben war für sie etwas Neues und, wie die folgenden Zeilen zeigen, etwas durchaus Lohnendes.
Ich freue mich, das alles einmal aufschreiben zu können. Es macht mich traurig und sicher zugleich: Ja, so ist es.
Ähnliches wünsche ich den Lesern: Optionen im Beziehungsleben zu erkennen und sich von starren Vorstellungen, wie die eigene Partnerschaft sein sollte, könnte, müsste, zu lösen; sich an der realen Beziehungsvielfalt zu orientieren, anstatt an Idealen, ermöglicht, zu sich zu stehen und zu erkennen, wie es ist. Für den Einzelnen, für das Paar, in dieser Lebensphase und überhaupt.
Dieses Buch entspricht dem Wunsch zahlreicher Leser von 5 Lügen, die Liebe betreffend, mehr zu den individuellen Lösungen zu erfahren, die Menschen im Bereich ihrer Partnersexualität gefunden haben. Ich hatte solche von Expertenratschlägen unabhängige Lösungen dort im Kapitel »Leben im Widerspruch« nur kurz skizziert.
Inzwischen habe ich weiteres Material zusammengetragen und mehr als fünfzig Partner beziehungsweise Paare zu diesem Thema interviewt. Dabei habe ich nach dem Weg gefragt, den ihre Partnersexualität genommen hat, wohin dieser Weg sie führte, was ihnen unterwegs wichtig wurde, und nach dem Preis, den Regeln und den Tabus ihrer Beziehungen.
Die Informationen aus diesen Partnerschilderungen mögen nicht repräsentativ in streng wissenschaftlichem Sinne sein, sie erscheinen jedoch schon deshalb wertvoll, weil sie durchweg offen und ehrlich von den Problemen und Lösungen im Beziehungsleben der Menschen erzählen. Diese Offenheit wurde unter anderem durch die Anonymität des Internets gewährleistet, über das ich zahlreiche Interviews per E-Mail führte. Sie geht über private Mitteilungen oder übliche Befragungen weit hinaus, wie die Zeilen einer Interviewpartnerin verdeutlichen:
Es ist ein bisschen ungewohnt, einem fremden Menschen Dinge zu erzählen, die ich noch niemandem erzählt habe. Bei Eltern und Partnern und Kindern sortiert man doch sehr aus, was man erzählt und was nicht. Aber bei einem Fremden ist es einfach, weil es keine Konsequenzen nach sich zieht und ich auf die zugesicherte Anonymität vertraue.
Durch die unzähligen Internetzuschriften, die ich als Reaktion auf die Website3 zu »5 Lügen« erhielt, finde ich meine These von der realen Vielfalt partnerschaftlicher Lebensformen bestätigt. Vor nicht allzu langer Zeit noch galt eine Partnerschaft klar definiert als eine lebenslange rechtlich-sittliche Verbindung zwischen einem Mann und einer Frau, mit geschlechtlich verteilten Rollen und Aufgaben. Das hauptsächliche Ziel dieser Partnerschaft war das gemeinsame Überleben. Mittlerweile ist von dieser traditionellen Partnerschaft nicht viel übrig geblieben. Andere Beziehungsformen haben sich entwickelt. Diese modernen Partnerschaften haben nicht mehr nur das Überleben, sondern die Liebe zum Ziel, die Liebe in all ihren Facetten, eben auch und gerade die erotische und leidenschaftliche Liebe; und das aufgrund individueller Gewichtungen.
In der Realität begegnet man daher verschiedensten Beziehungsformen, die parallel zueinander existieren. Wie zum Beispiel der traditionellen Partnerschaft, der sexlosen Beziehung, der seriellen Beziehung, der distanzierten Beziehung, der Parallelbeziehung, um nur die gängigsten zu nennen, sowie unzähligen Mischformen.
Wie kommt es zu dieser Vielfalt? Der Rückgang wirtschaftlicher Zwänge und verbindlicher Rechts- und Moralvorschriften für die Mann-Frau-Beziehung hat einen immensen Spielraum geschaffen, den die Menschen für sich nutzen. Das hat zur Folge, dass sich in den Lebensläufen der Menschen oft verschiedene Partnerschaftsformen finden lassen. »Biografische Beziehungsvielfalt« nennt man dieses Phänomen.
Manche Menschen leben die ersten zehn oder zwanzig Jahre ihres Beziehungslebens beispielsweise »seriell«. Sie wechseln von Partner zu Partner und loten im Laufe der Jahre die Grenzen und Möglichkeiten ihres romantischen Ideals aus, um womöglich in einer harmonischen Partnerschaft zu landen. Andere beginnen in frühen Jahren den Langzeitversuch Partnerschaft, heiraten mit 18 oder 20 Jahren, um im Alter von 40 oder 50 auszubrechen und auf den Spuren des Begehrens zu wandeln. Lange Zeiten des Single-Daseins sowie alle erdenklichen Kombinationen unterschiedlicher Beziehungsformen sind nichts Außergewöhnliches mehr.
Offensichtlich ist Partnerschaft heute weniger Vorgabe, sondern vielmehr Ergebnis eigener Erfahrung. Diese individuelle Definition von Partnerschaft entsteht durch Hoffnung und Enttäuschung, durch Erfolg und Krise, also durch Lernen. Im Laufe der Jahre stellt sich dann die zum jeweiligen Menschen oder seiner momentanen Lebensphase passende Partnerschaftsform heraus.
Unter solchen Umständen machen sich nicht wenige Partner auf die Suche nach Alternativen. Hier taucht nun, vor allem von Statistikern, der Einwand auf, individuelle Beziehungsformen spielten in unserer Gesellschaft lediglich eine untergeordnete Rolle. Sicherlich lässt sich kaum beweisen, wie viele Paare individuelle Lösungen suchen und leben. Umfragen dazu halte ich zudem für wenig aussagekräftig, schon weil sie ihren Gegenstand nicht exakt definieren können. Was soll eine Partnerschaft heute s ein, welche Kriterien sollen für sie gelten? Wann beginnt sie? Nach einem Monat? Nach einem Jahr? Nach zehn Jahren?
Ich war jedoch äußerst erstaunt darüber, dass jeder meiner Interviewpartner im Alter zwischen 30 und 70 Jahren, und zwar ohne Ausnahme, sich selbst oder andere aus seinem unmittelbaren Umfeld als Beispiel für Partner anführen konnte, die fremdgehen oder etwa Nebenbeziehungen pflegen. Es kann sich dabei also nicht um Randphänomene handeln, es steckt mehr dahinter, als mancher Wissenschaftler wahrhaben möchte. Das zeigen auch die spannenden Schilderungen der Partner. Das größte Problem bestand für mich darin, sie zu kürzen, sonst wäre dieses Buch Tausende Seiten dick geworden.
Eines möchte ich zu Beginn betonen: Es geht in diesem Buch nicht darum, bestimmte Beziehungsformen zu idealisieren und andere zu kritisieren. Es geht mir bei der Darstellung der modernen Beziehungsvielfalt um die Ermutigung zu einem Beziehungsleben, das die eigenen Wünsche und die eigenen Möglichkeiten gleichermaßen berücksichtigt.
Die häufigste Form der Partnerschaft ist nach wie vor die exklusive Beziehung, mit der Partner meist ins Beziehungsleben starten. Darin leben Partner mit der Absicht zusammen, einander umfassend, ausschließlich und dauerhaft zu lieben.
Derartige Beziehungen finden in Verliebtheit ihren Anfang. Die in der Verliebtheit aktivierten starken Gefühle füreinander, die aus zu diesem Zeitpunkt noch verborgenen emotionalen, psychischen oder seelischen Motiven entstehen, lassen die Illusion vollkommener und ewig währender Gemeinsamkeit aufkommen.
Verliebtheit ist bekanntlich von nicht allzu langer Dauer, sie stellt lediglich die erste Phase einer Beziehung dar. Auf den gemeinsamen Höhenflug lässt die Zeit eine Desillusionierung, eine Landung auf dem Boden der Realität folgen. Die Partner entdecken nach und nach das, was sie trennt, worin sie sich unterscheiden und wo sie nicht zusammenfinden. Viele Vorstellungen und Hoffnungen werden im Laufe dieses Landevorgangs zum Teil recht herbe enttäuscht.
In Folge dieser Entwicklung gerät beinah jede Beziehung in eine Krise. Diese Krise ergibt sich eigentlich unvermeidbar aus der Spannung zwischen Wunsch und Realisierbarkeit, zwischen Erwartungen und individuellen und gemeinsamen Möglichkeiten, und sie hat, wenn sie nicht zum Ende der Beziehung führt, eine bereinigende und entlastende Wirkung:
Es geht darum, die Idealisierung der Verliebtheit – wonach ein Partner alle meine Wünsche erfüllt – in die Realität einer Liebesbeziehung umzuformen, in der jeder weiß, was er am an-deren hat und was er nicht hat. In der Idealisierung ist der Austausch vollständig und illusionär – ich gebe alles und erhalte alles. In einer stabilen Liebesbeziehung ist der Austausch realistisch und begrenzt: Ich weiß, was ich am Partner habe, er weiß, was er an mir hat, und wir lieben uns beide so, wie wir sind.4
Haben die Partner die mystische Einheit der Verliebten aufgelöst und hat ihre Beziehung diesen Prozess überlebt, finden sie ein neues Gleichgewicht miteinander. Ihr Bild von der Beziehung, ihre Erwartungen daran – und damit auch die Beziehung selbst – haben sich gewandelt. Die Partner sind nun in der Lage zu sagen: »So bin ich, so bist du, und so ist unsere Beziehung, jetzt oder auch grundsätzlich!«
Läuft die Realisierung einigermaßen glatt, weiß nun jeder, wie Wolfgang Schmidbauer es ausdrückt, was er am Partner hat. Ob und wie er damit zufrieden sein und damit leben kann, ist jedoch eine ganz andere Frage. Mit der Realisierung der Beziehung ist die Paarentwicklung also nicht abgeschlossen. Es stellt sich die Frage, wie die Partner mit dieser erkannten Beziehung umgehen werden.
Mit der Feststellung »So ist unsere Beziehung!« und der Konsequenz »Was fangen wir damit an?« betreten Partner das Feld individueller Formgebung. Sie versuchen nun, bewusst oder unbewusst, freiwillig oder gezwungenermaßen, eigene Lösungen für sich und ihre Partnerschaft zu finden. Solche Lösungen und deren Vielfalt sind hauptsächlicher Gegenstand dieses Buches.
Damit wäre, in Kurzform, der Verlauf der meisten Beziehungen beschrieben. Doch so glatt und reibungslos, wie es aufgrund dieser Skizze erscheinen mag, verläuft der Realisierungsprozess einer Beziehung eigentlich nie. Es ist dies ein zumeist langwieriger, schwieriger, spannungsvoller und in wesentlichen Teilen auch schmerzhafter Vorgang, weil die Partner die Realität nicht kampflos annehmen, da sie verständlicherweise an ihren Illusionen und Wünschen festhalten.
Eine Beziehung und ihre Entwicklung zu realisieren, meint vor allem, Vorstellungen aufzugeben, wie sie in der Verliebtheit entstanden sind oder darin scheinbar bestätigt wurden. Da es sich bei diesen Illusionen nicht bloß um gedankliche Konzepte, sondern auch um emotionale Erwartungen und zum Teil existenzielle Gefühle handelt, halten die Partner krampfhaft an ihrer ursprünglichen Wahrnehmung der Beziehung fest. Sie beginnen um das, was jeder für die Beziehung hält, zu ringen und wollen auf alle Fälle das erhalten, was ihnen die Beziehung gab und langfristig zu versprechen schien.
Dieses Ringen umfasst selbstverständlich auch den sexuellen Bereich der Beziehung, der vom Kampf zwischen Wunsch und Wirklichkeit nicht verschont bleibt. Konflikte und Verletzungen aus den nichtsexuellen Begegnungsebenen sowie Stress und Belastungen des Alltags beeinträchtigen den erotischen Genuss, und nicht selten werden Machtkämpfe auf sexuellem Gebiet ausgetragen. Dorthin, wo bisher leidenschaftliche Begegnung möglich war und die Partner sich der erträumten Ganzliebe am nächsten wähnten, in der erotischen und sinnlichen Begegnung, dehnt sich allmählich der Alltag aus und hinterlässt seine Spuren. Das anfängliche Begehren geht zurück, die Kraft der Leidenschaft lässt nach.
Dieser Entwicklung liegen keineswegs nur Konflikte zugrunde, sie ist, wie ich schon in »5 Lügen« gezeigt habe, ebenso auf sinnvolle und selbstverständliche Zusammenhänge zurückzuführen und soll sogar zum Schutz der Lebenspartnerschaft beitragen. Vor dem Hintergrund des konventionellen Beziehungsmodells und der Wünsche der Partner aber birgt der Rückgang des Begehrens unberechenbare Gefahren.
Das Dilemma vieler Beziehungen liegt darin, dass ... die Sexualität wegen ihrer starken Faszinationen und Lust-qualitäten eingeordnet werden muss, wenn sie nicht dauernd als Gefahr erlebt werden soll.5
Die Partner suchen das Begehren, aber können es seltener miteinander finden. Verunsichert schauen sie sich um und finden sogleich eine Reihe professioneller Helfer. Diese versprechen, ihnen beim Kampf um die Sexualität beizustehen um die Beziehung zu retten. Aber sie versprechen in vielen Fällen noch mehr, nämlich den Erfolg dieser Bemühungen. Insofern lässt sich mitunter von einer Verstärkung partnerschaftlicher Illusionen durch Experten sprechen. Betrachten wir dies näher.
Experten zeigen im Großen und Ganzen zweierlei Reaktion auf den Rückgang der Leidenschaft. Entweder wird der Widerspruch zwischen Bindung und Begehren geleugnet, und es wird partnerschaftliche Arbeit zum Erhalt der Sexualität verordnet, oder es wird zum Verzicht auf Leidenschaft unter Berufung auf eine so genannte Reife aufgerufen, wobei eine einigermaßen zufrieden stellende Partnersexualität erhalten bleiben soll. Wir wollen einige solcher Aussagen betrachten.
Dabei will ich zeigen, dass das, was wir alle heute suchen und was uns so schwer gelingt, nämlich eine lebendige erotische Liebe und eine verlässliche Dauerhaftigkeit, keine Widersprüche sind, vielmehr dass beide aus dem Wesen der Geschlechterliebe heraus sogar notwendig zusammengehören.6
Hier wird ein Widerspruch zwischen Bindung und Begehren geleugnet und sogar das glatte Gegenteil behauptet. Das ergebe sich »notwendig« aus einem so genannten »Wesen der Geschlechterliebe«, denn:
Worum es bei Sexualität jedoch eigentlich geht, ist die Begegnung mit einem selbst und mit dem Du.7
»Eigentlich« geht es um die Begegnung mit sich und dem Du, aber in Wirklichkeit doch um vieles andere mehr. Hier wird Sexualität auf die personale Begegnung festgelegt und der Partnerschaft als Mittel sozialer Kommunikation untergeordnet. Noch weiter geht die nächste Aussage:
Demgegenüber ist zu betonen, dass es in der Sexualität zentral um den anderen geht ... Der Drang nach sexuellem Erleben sagt: ›Es drängt mich danach, mich dir zu schenken‹. Das ist der Kern jeder wirklich sexuellen Begegnung.8
Hier ist Partnersexualität endlich vom Trieb befreit, darf weder Weg zur Transzendenz noch zur Lustbefriedigung sein, sondern ist zum Mittel der Paarbindung erhoben und damit eigentlich funktionalisiert. In solchen Expertenmeinungen fällt auf, dass die Sexualität nicht einfach außer Acht gelassen wird; dafür ist sie zu wichtig und der Dauerbeziehung zu gefährlich. Gerade deshalb, weil sie unberechenbar ist, soll sie ja kontrolliert und in die Ehe integriert werden, und deshalb kommen Partnerschaften ohne Sexualität angeblich nicht aus.
Eines ist sicher: Die Sexualität macht die Paarbeziehung zur Paarbeziehung. Ohne Sexualität ist die Beziehung der Partner vielleicht eine Art Eltern-Kind-Beziehung, oder das Paar ist ein gutes Arbeitsteam, das seine Aufgaben kooperativ und reibungslos erledigt, oder es ist eine Art Geschwister- oder Freundespaar ... Das sind zwar Möglichkeiten, wie Paare auch miteinander leben können, aber dann leben sie nicht eigentlich als Frau und Mann zusammen.9
Paare ohne Sexualität leben »nicht eigentlich« (!) als Mann und Frau zusammen. Eine derartige Reduzierung der Mann/ Frau-Beziehung auf sexuelle Komponenten scheint keine Probleme zu bereiten. Seitenlang ließen sich ähnliche Zitate anführen, die das emsige Bemühen um den Erhalt der Partnersexualität zeigen und doch eigentlich als Illusionen der Experten selbst erscheinen.
Zur Beschwörung der dauersexuellen Paarbindung müssen allenthalben Begriffe wie Intimität, Nähe, Reife, Verzicht, Hingabe und ähnliche herhalten. Daraus entstehe die Sexualität der Partner. Alles andere sei nicht »eigentlich«, nicht »wirklich«, nicht »dem Kern« der Partnerliebe entsprechend oder treffe ihr »eigentliches Wesen« nicht. Und wie erreicht man eine solche Reife und Hingabe? Dazu gibt es beinahe lückenlose Anleitungen und eine Reihe von Anforderungen.
Michael Lukas Moeller berichtet, dass er lange Zeit Konfliktfähigkeit für die wichtigste Voraussetzung einer gelingenden Beziehung hielt. Heute wertet er Entwicklungsfähigkeit noch höher. Neben einer ausgeprägten Kommunikationsfähigkeit, versteht sich. Anscheinend muss man erst zum perfekten Menschen werden, um eine gelingende Partnerschaft führen zu können.
Bei Jellouschek »gilt es«, ist es »wichtig«, da«muss man«, da »darf man keinesfalls«, denn »nur wenn« oder »nur wer« das und jenes »beachtet« und »bedenkt«, dass etwas »eingeübt werden muss«, dem wird die hohe Kunst der Partnerschaft zuteil. Doch zuvor »braucht es ein starkes Ich«, denn »um mich hingeben zu können, muss ich mich erst selbst besitzen«, und »deshalb ist die Arbeit am eigenen Individuum ... so unaufgebbar wichtig«; und was es »außerdem braucht, ist das Einüben der eigentlichen Hingabe«.10 Da kann man mit Recht von Arbeit sprechen.
Hinter all dem steht die Vorstellung der personalen Liebe, der alles andere wie von selbst folgt, natürlich auch Erotik und Sexualität. Die personale Liebe beruht auf psychischen Elementen. Hier tun sich Partner zusammen, weil sie gemeinsam »ein Ganzes« ergeben, sich also in ihren psychischen Eigenschaften ergänzen. Auch wenn man die Realität von personaler Liebe und die Kraft der Wesensergänzung selbstverständlich anerkennen muss, weil sie tatsächlich einen wichtigen Aspekt der meisten Partnerschaften darstellt, so beruht gerade diese Liebe auf den Personen, auf deren psychischen Eigenarten, und eben nicht auf Sexualität. Daher stellt sich die Frage, warum diese Liebe den sexuellen Ausdruck brauchen und die sexuelle Treue fordern sollte. Partnerschaft meint doch im Grunde, dass sich zwei zusammentun, um eine gemeinsame Aufgabe zu erfüllen; und diese bestünde in der Ehe vor allem in der gemeinsamen Bewältigung des Lebens mit seinen Höhen und Tiefen und der Organisation des Alltags mit seinen Anforderungen.
Wer alltäglicher Harmonie und Wesensergänzung den Vorrang gibt, und das tun aus meiner Sicht die meisten Partner und Experten, sollte die Integration der Sexualität nicht fordern und schon gar nicht die partnerschaftliche Sexualität zur Grundlage oder zum wesensmäßigen Bestandteil einer Beziehung erklären. Verständlich ist es natürlich. Man will das eine haben, die Lebenspartnerschaft, und auf das andere, auf Leidenschaft und Begehren, nicht verzichten; und daher wird sich um die Sexualität bemüht.
Die Experten neigen also dazu, eine Beziehung als »gestört« zu betrachten, sobald sie die erwartete sexuelle Befriedigung nicht mehr liefert, denn eine gestörte Beziehung ist Voraussetzung jeder Paartherapie. Diese soll die Partner zur umfassenden Liebe befähigen.
Verläuft eine Beziehung in ihren erotischen Dimensionen nicht den Partnerwünschen entsprechend, ist der Begriff der »sexuellen Störung« schnell parat. Schon wenn ein Partner mehr, der andere weniger begehrt, wird oft von einer sexuell gestörten Beziehung gesprochen. Ganz so, als sei es tatsächlich Aufgabe jeder Beziehung, die Partner dauerhaft mit beglückender Sexualität zu versorgen. Doch:
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!