Fürchten Pazifisten Kriege mehr als Sklaverei? - Rolf Friedrich Schuett - E-Book

Fürchten Pazifisten Kriege mehr als Sklaverei? E-Book

Rolf Friedrich Schuett

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Beschreibung

Drei Essays und etwa fünfhundert sentenziöse Geschenke an die happy few ... I N H A L T Umworbene Rekrutenanwerber Biedermeier als verschlafene Idylle oder linke Revolte zur rechten Zeit? Das Wort sollen sie stehen lassen Lieber gesunder Stolz als eitle Koketterie?

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INHALT

Umworbene Rekrutenanwerber

Biedermeier als verschlafene Idylle oder linke Revolte zur rechten Zeit?

500 sentenziöse Weihnachtsgeschenke

Lieber gesunder Stolz als eitle Koketterie?

Für Elke in Liebe und Dankbarkeit

Umworbene Rekrutenanwerber

Die Zielgruppe des Werbeschützen sind seine Opfer. Er will keinen Bedarf decken, den wir haben, sondern Bedürfnisse wecken, die wir haben sollten (und ohne ihn nicht hätten), um dafür dann zu schuften. Aber wenn Werbepsychologen nun einander umwerben?

Ein guter Essay beginnt nicht langweilig mit dem Anfang, sondern gleich mit dem Schluss, um ihn durch logische Schlüsse oder auch nur psychologische Entschlüsse schrittweise immer etwas plausibler zu machen. Da ich einen verführerischen Werbe-Essay versuche, fange ich an mit dem Ergebnis meiner sicher unterlegenen Überlegungen : Jedermann ist ein Werbepsychologe und sollte ein guter Werbepsychologe seines Lebens und Strebens sein.

Die schlechtesten Werbepsychologen der Welt sind allerdings jene, die Werbepsychologie an Universitäten oder Fachhochschulen ausdrücklich studiert haben, und was für Werbepsychologie gilt, gilt ganz allgemein für alle Psychologie.

Jede Sprache ist ursprünglich eine Sprache der Verführung, schrieb der Pariser Existenzialist Jean-Paul Sartre, als großer Sprachkünstler selber ein (hässlicher) Verführer schönster Frauen und klügster Intellektueller. Jede Sprache, ob nun verbal oder subverbal, versucht ja, Mitmenschen zu umwerben und ins eigene Lager zu ziehen. Jeder wirbt mehr oder weniger erfolgreich und geschickt für sich und die Seinen und für das, was er so anzubieten und auf Thackerys „Jahrmarkt der Eitelkeiten“ zu werfen hat. Es kommt nur an auf das, was da gut oder schlecht ankommt. (Sogar ein großer Dichter wie Frank Wedekind schrieb Werbesprüche für „Maggi“ und Salonkommunist Brecht für eine Autofirma, die ihn dann mit einem PKW bezahlte.)

Der beste Werbepsychologe der Welt ist nicht, wer LeBons oder Freuds „Massenpsychologie“ studiert hat, sondern the common sense of the common man, der gesunde Menschenverstand des gewöhnlichen Sterblichen, weil nur er gegen Werbepsychologie von Spezialisten potentiell immun macht.

Psychologie ist allgemein der gelehrte Versuch, ohne die menschliche Seele auszukommen und sie zu ersetzen durch ein Bündel konditionierbarer Reflexe, einschleifbarer Reaktionsautomatismen und manipulierbarer Motivkonventionen. Sie behandelt unser Innenleben wie ein Regelwerk bekannter Schrauben, Hebel und Dampfventile, auf denen dann der werbepsychologisch Gewitzte sein garstig´ Lied beliebig spielen kann wie auf einer verweltlichten Orgel. Der diplomierte Werbepsychologe ersetzt Einfühlungsvermögen, das ihm stets abgeht, durch Unterstellung von gesellschaftlich einprogrammierten Entscheidungsmotiven, denen wir alle angeblich hilflos ausgeliefert sind. Deshalb hat er in Industrie- und Dienstleistungsbetrieben auch keinen Erfolg, also nur messbaren.

Psychologe ist die Lehre von der sterblichen Seelenlosigkeit. Jedermann ist legitimer Werbepsychologe seiner selbst von Natur und familiärer Erziehung aus. Schon das Baby wirbt mit erstem Lächeln um den „stillen Glanz im Auge der Mutter“. Nur Werbepsychologie als explizites Studienfach lehrt nicht die Kunst, Mit- oder Gegenmenschen zu verführen, sondern nur anzuführen, also an der Nase herumzuführen. Wir bieten Produkte einer Arbeit an, die wir hassen, um Dinge einzuhandeln, die wir nicht brauchen, sagt der Volksmund.

Selbst der „zwanglose Zwang des besseren Arguments“ will uns nur rhetorisch überreden, von Herdenmoral überzeugt zu werden, und selbst das schlichteste Gemüt versteht es ja, andere Gemüter erfolgreich zu erspüren und zu umwerben. Der Geworbene zahlt für das, was man ihm geben kann; er opfert etwas, um etwas ihm Begehrenswerteres zu bekommen, und man tauscht Werte aus wie Meinungen und Ansichten.

Der Werbepsychologe tut nur das, was jeder Mensch tut, weil jeder Mensch Werbepsychologe ist, also leibhaftig eine Seele hat und leibhaftig Seelen umwirbt und Reklame fürs Seine macht. Vom lärmenden Laiendemokraten und Stammtischbruder unterscheidet er sich nur durch Demagogie eines tölpelhaften Hilfsdespoten von sehr verschwiegenen Konzerndespoten. Diese Experten-Werbung ist so laut wie unlauter, weil sie sich soweit selbst erniedrigt, ihre Adressaten nur zu erniedrigen, also zu reduzieren auf Maschinenmenschen, die nur von Menschmaschinen bedient werden, bis die bedient sind.

Kurzum : Die werbepsychologisch verführbarsten Menschen der Welt sitzen nicht im gemeinen Volk, sondern unter den gebildetsten Anführern, im linken wie im rechten Lager. Die verführten Verführer und philosophischen Werbepsychagogen Sartreund Heidegger, Grübelleuchten ihrer Zeit, fielen wie intelligente Dummköpfe herein auf Werbepsychologie von Führernaturen. Der Münsteraner Philosoph Hans Blumenberg schrieb ein lesenswerteres Buch über „Die Verführbarkeit der Philosophen“ durch dümmste Werbestrategien.

Werbefuzzys sind immer schon hereingefallen auf den sozialpsychologischen Zeitgeist, bevor sie auch nur ein einziges Opfer aufs Korn genommen haben. Überreden sie uns nur zu dem, was wir insgeheim ohnehin wollen – wie moderne Psychotherapeuten, die uns ermuntern, selbst zu unseren verdorbensten Trieben zu stehen und uns von ihnen komfortabel treiben zu lassen? Dann aber wird jedermann Komplize dessen, was er erleidet, auch und gerade der ausgebuffteste Werbefachmann selber. Oder will der nur nicht als einziger hereingefallen sein?

Wie Mann und Frau einander umwerben, indem sie vorgeben, nur verführt oder angeführt zu werden, ist eine alte Kunst, die heutzutage durch "Anmache und Anbaggerei" und sexual harassment ersetzt ist, und das ist das erotische Vorbild aller modernen Werbepsychologen, die sich gegenseitig über den Tisch ziehen zu den bekannten Mesalliancen, die alle unbefriedigt genug lassen, um nach Neuem endlos weiter zu jagen im sozialgerechten Hamsterrad der modernen Hochleistungsindustrien.

Man studiert Psychologie, um Menschen zu beherrschen unter dem Vorwand, ihnen zu helfen. Zum Glück erreicht das Studium stets das genaue Gegenteil : Der Berufspsychologe wird lebenslang fachgerecht beherrscht von seiner Unfähigkeit, sich und andere zu verstehen. Angestellt wird er in Betrieben, um für reibungsloseren Betrieb zu sorgen und dadurch die Produktivität zu steigern. Er steht oft mit an den Selektionsrampen der Personalbeschaffer und -kontrolleure. Sind Diplompsychologen mehr als überangepasste Anpassungsexperten?

Sie stolzieren hinter unserem Alltag. Man ist heute stolz auf sein Understatement wie Diogenes auf seine Tonne, aber der eitle arme Sünder und gewöhnliche Sterbliche strahlt und prahlt zurecht mit seinem Kinderreichtum und braucht keine Reklamepsychologie, um für das Leben zu werben.

Biedermeier als verschlafene Idylle oder linke Revolte zur rechten Zeit?

Wenn alle dagegen sind wie gegen den Brandstifter-Biedermann des „Biedermeier“, muss etwas dran sein, und wenn alle dafür sind wie für seinen Todfeind, den linksliberalen Politdichter des „Vormärz“, muss etwas daran faul sein. Keine Lebens- und Kunstepoche der deutsch(sprachig)en Geschichte ist so verrufen und verachtet wie nach Napoleon, dem Verräter und Vollender der Französischen Revolution, die drei vergleichsweise kriegs- und kampfesmüden Biedermeier-Jahrzehnte des „Deutschen Bundes“ zwischen Graf Metternichs „Wiener Kongress“ 1815 und der jungdeutsch gescheiterten liberalbürgerlichen „Märzrevolution“ von 1848.

Die „Karlsbader Beschlüsse“ nach Napoleons „Waterloo“ und nach der rohen „Völkerschlacht bei Leipzig“ führten zur „Restauration“ der „Heiligen Allianz“ mit Österreichs und Russlands Monarchien. Turners Bildimpressionismus gab den Smog von Vulkanausbrüchen wieder, nicht von revolutionärem Pulverdampf. Gartennatur und Hauskultur überstimmten Tumult und öffentliche Blutraserei.

Spitzwegs kauzige Idyllenmalerei war im Grunde spätromantischer Humor. Hausmusik bevorzugte Kammermusik, die geheime Königin der klassischen Musik, ja, bis hin zu Robert Schumann und Franz Schubert. Zeittypisch „holdes Bescheiden“ (Mörike) und stille Genügsamkeit eines „einfachen Lebens“ waren im Grunde stoische Ideale der antiken Autarkeia. Wiener Strauss-Walzer und karnevaleske Volksfröhlichkeit von 1830 werden vom pessimistischen Pop-Hedonisten von heute nur verlacht. „Freut euch des Lebens“? Heuer hat man lieber Heidenspaß und Mordsspaß.