1,99 €
"Du musst mit dieser Dame sprechen und meine Briefe zurückholen, koste es, was es wolle!"
Ungläubig lauscht Philipp Prinz von Triloff diesen Worten seines Vaters, Fürst Raimund, der ihn zu einem vertraulichen Gespräch "unter Männern" in die Bibliothek gebeten hat. Zwar sind die Liebesbriefe, von denen der Fürst spricht, schon fast ein halbes Jahrhundert alt, doch ihr Auftauchen könnte der Familie trotzdem großen Schaden zufügen. Was würde geschehen, wenn die Fürstin von ihnen erführe?
Schweren Herzens erklärt sich Philipp bereit, diese schwierige Mission zu erfüllen und mit niemandem darüber zu sprechen. Noch kann er nicht ahnen, dass er im Haus der ehemaligen Geliebten seines Vaters einer jungen Frau begegnen wird, die ihn sofort verzaubert, sein Herz gefangen nimmt - und ihn in schwere Erklärungsnot bringt, als seine Verlobte kurz vor Weihnachten von seinen Aktivitäten erfährt ...
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 123
Cover
Impressum
Adventszauber im alten Schloss
Vorschau
BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe
Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG
© 2017 by Bastei Lübbe AG, Köln
Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller
Verantwortlich für den Inhalt
Titelbild: Sam Edwards / iStockphoto
Datenkonvertierung eBook: Blickpunkt Werbe- und Verlagsgesellschaft mbH, Satzstudio Potsdam
ISBN 978-3-7325-5632-8
www.bastei-entertainment.de
www.lesejury.de
Adventszauber im alten Schloss
Eine stimmungsvolle Liebesgeschichte aus dem Hochadel
Von Marion Alexi
Du musst mit dieser Dame sprechen und meine Briefe zurückholen, koste es, was es wolle!«
Ungläubig lauscht Philipp Prinz von Triloff diesen Worten seines Vaters, Fürst Raimund, der ihn zu einem vertraulichen Gespräch »unter Männern« in die Bibliothek gebeten hat. Zwar sind die Liebesbriefe, von denen der Fürst spricht, schon fast ein halbes Jahrhundert alt, doch ihr Auftauchen könnte der Familie trotzdem großen Schaden zufügen. Was würde geschehen, wenn die Fürstin von ihnen erführe?
Schweren Herzens erklärt sich Philipp bereit, diese schwierige Mission zu erfüllen und mit niemandem darüber zu sprechen. Noch kann er nicht ahnen, dass er im Haus der ehemaligen Geliebten seines Vaters einer jungen Frau begegnen wird, die ihn sofort verzaubert, sein Herz gefangen nimmt – und ihn in schwere Erklärungsnot bringt, als seine Verlobte kurz vor Weihnachten von seinen Aktivitäten erfährt …
Sie war so sicher gewesen, endlich über den ärgsten Schmerz hinweg zu sein. Aber nun klopfte ihr Herz wieder genauso heftig wie in der ersten Zeit nach dem Tod ihrer Mutter. Es tat noch immer sehr weh, sich an Sophie zu erinnern. Vor allem dann, wenn man inmitten jener Dinge stand, die dieser viel bedeutet hatten.
Alles in dem geschmackvoll eingerichteten Wohnzimmer atmete Sophies ausgeglichene, liebenswürdige Persönlichkeit. Da war vor allem der Konzertflügel, der den größten Teil des Raumes einnahm. Ein echter und vortrefflicher Wiener Bösendorfer Flügel, an dem Sophie sehr gehangen hatte – wie die Musik ihr überhaupt sehr wichtig gewesen war.
Einige der Blumenaquarelle hatte sie im Laufe ihres tragisch kurzen Lebens gekauft, doch die beiden kleinformatigen Rosenbilder stammten von ihrer Hand. Blumen waren immer ihre Leidenschaft gewesen, Sophie hatte sie sogar auf Kissen und Bezüge gestickt.
Und drüben im sonnigen Erker hatte sie gemütlich gefrühstückt und dabei mit großem Interesse die Morgenzeitung gelesen …
Diana Kretschmer stand vor dem schönen Barocksekretär mit den kostbaren Intarsien und überlegte, ob sie ihr Vorhaben, den Nachlass ihrer geliebten Mutter zu sichten, nicht besser verschieben sollte. Es fiel ihr noch immer enorm schwer, sich mit jener furchtbaren Endgültigkeit abzufinden, die der Tod eines bewunderten und geschätzten Menschen darstellte.
Sie waren einander so eng verbunden gewesen, ihre Mutter und sie, dass sich Diana jetzt schrecklich allein gelassen fühlte. Und schier unerträglich war ihr die Vorstellung, nie wieder Sophies klugen Rat einholen zu können, nie wieder ihren liebevollen Blick auf sich zu spüren oder ihre streichelnde Hand zu fühlen.
Immer war Sophie für sie da gewesen, nie hatte es Diana an Aufmerksamkeit, Wärme und Verständnis gefehlt.
Die junge Frau seufzte bekümmert auf und straffte sich. Und wie so oft in den letzten traurigen Wochen sagte sie sich auch jetzt, dass es gewiss nicht in Sophies Sinne war, wenn sie sich gehen ließ und erneut davor zurückscheute, das zu tun, was sie eigentlich längst hätte erledigen sollen.
»Also gut!« Mit einem herzzerreißenden Seufzer machte sich Diana an die Arbeit und sichtete die Dinge, die auf der Schreibfläche des Sekretärs standen.
Da waren Sophies viele Verzeichnisse, ohne die sie, eine bestens organisierte Frau, nicht ausgekommen wäre. Sie hatte sogar eine Liste darüber geführt, was ihre Gäste am liebsten aßen und tranken. Es gab eine Kartei, in der die verschiedenen Menüs geführt wurden, die Sophie sich ausgedacht hatte. Kein Wunder, dass sie als einzigartige Gastgeberin galt.
Diana fand eine vergessene Perlenkette, deren Verschluss defekt war. Sie ließ die Perlen durch die Finger gleiten und versuchte sich daran zu erinnern, wann sie die Kette zuletzt an ihrer Mutter gesehen hatte. War es nicht Ostern gewesen? Aber nein, damals hatte Sophie zu Besuch bei ihrer besten Freundin in Südfrankreich geweilt, sie war zwei Monate dort geblieben.
Behutsam berührten Dianas schlanke Finger die beiden böhmischen Gläser, an denen Sophie immer sehr gehangen hatte. Manchmal, und zwar an ganz bestimmten Tagen, hatte ihre Mutter eine Rose in das rubinrote Glas gestellt und dann gelegentlich mit träumerischer Miene daran geschnuppert.
Aber beim besten Willen konnte sich Diana nicht mehr daran erinnern, wann sie Sophie zum letzten Mal dabei beobachtet hatte. Ach, sie wünschte, sie wäre viel öfter aufmerksam gewesen!
Sophie hatte eine rege Korrespondenz geführt. Es gehörte zu Dianas frühen Kindheitserinnerungen, die Mama an diesem Barocksekretär einen Brief schreiben zu sehen. Sophies Lesebrille lag auf dem schmalen Buch, in dem sie oft geblättert hatte. Das Büchlein enthielt Gedichte, die Sophie besonders geliebt hatte.
»Manche konnte sie sogar auswendig zitieren«, murmelte Diana, und ihre Augen füllten sich mit Tränen, als sie versuchte, sich an die eigentlich immer leise, sehr angenehme Stimme ihrer Mutter zu erinnern. Alles verschwamm vor ihren Augen, sie musste sich sogar hinsetzen.
Es war viel, viel schwerer, als sie sich vorgestellt hatte, den Nachlass ihrer Mutter zu ordnen. Allein das Berühren jener Gegenstände, die Sophie lieb und teuer gewesen waren, kostete einige Überwindung. Denn Sophie hatte es nie gemocht, wenn jemand sich an ihren persönlichen Dingen vergriff.
Aber jetzt musste es sein. Beherzt zog Diana die nächste Schublade auf. Diese klemmte ein wenig, weil sie arg vollgestopft war. Endlich und mit viel Fingerspitzengefühl gelang es der schmalen jungen Frau, die Schublade aufzuziehen, ohne dabei den runden Elfenbeinknopf abzubrechen.
Zum Vorschein kam ein Bündel Briefe, liebevoll verschnürt mit einem himmelblauen Seidenband.
Liebesbriefe? Diana hielt den Atem an. Und die Welt schien das auch zu tun, so jedenfalls kam es ihr vor. Von einem Augenblick zum anderen war es still geworden, so still, dass sie glaubte, ihren eigenen Herzschlag zu hören.
Noch viel später würde sie behaupten, in diesem Moment genau gewusst zu haben, dass sie auf etwas sehr Bedeutendes gestoßen war, ein bisher sorgsam gehütetes Geheimnis, das ihr Leben entscheidend verändern würde.
Diana hielt das Briefbündel mit beiden Händen fest und starrte es fasziniert an, während sie versuchte, ihr aufgeregt pochendes Herz zu beruhigen.
O Gott, dachte sie bestürzt, und nun? Was soll ich tun? Was darf ich tun? Und warum hatte Sophie ihr diese Briefe nie gezeigt, sondern sie in der Schublade versteckt? Waren sie denn nicht für ihre Augen bestimmt? Diana fragte sich, ob sie überhaupt berechtigt war, auch nur einen dieser Briefe zu lesen.
Gebot nicht der Anstand, die Briefe ungelesen zu vernichten?
Diana wischte die Träne, die ihr über die Wange rann, rasch mit dem Handrücken weg, damit sie nicht auf den obersten Brief tropfte. Auf einmal verspürte sie ganz deutlich das Gefühl, dass sie das Geheimnis ihrer Mutter überhaupt nichts anging. Somit war es ihre Pflicht, die Briefe schleunigst zu verbrennen.
Aber was, wenn es Sophies Wunsch gewesen wäre, ihre einzige Tochter eines Tages in ihr Geheimnis einzuweihen? Der Tod hatte sie an diesem Vorhaben gehindert, er war zu schnell gekommen.
Diana löste die himmelblaue Seidenschleife, die wie von selbst auseinanderfiel. Ein gutes Omen? War Sophie also damit einverstanden, dass man ihr Geheimnis entdeckte?
Die Handschrift auf den Briefumschlägen war schwungvoll und verriet viel Energie. An manchen Stellen war die Tinte verwischt. Waren Tränen dafür verantwortlich?
Sophie hatte neugierige Menschen nicht ausstehen können, erinnerte sich Diana, die von schweren Skrupeln geplagt wurde.
Doch dann zog sie kurz entschlossen einen Briefbogen aus dem Umschlag und entfaltete ihn. Es konnte ja etwas Wichtiges darin stehen. Und womöglich verstand sie nun endlich, weshalb sich ihre Mutter so strikt aus der Welt zurückgezogen und nur ab und zu ihre engsten Freundinnen besucht hatte.
Der Brief war vor vielen Jahren geschrieben worden. Fast ein Vierteljahrhundert war es her, dass der Verfasser mit der zärtlichen Anrede »Meine liebste Sophie, du meine Allerliebste …«, sehnsüchtig an ihre Mutter gedacht und diese Zeilen zu Papier gebracht hatte. Noch immer fühlte sich das Papier edel und samten an. Und es duftete ganz zart nach Rosen, nach welken Gartenrosen.
Dies war definitiv nicht die Handschrift ihres Vaters, wie Diana auf den ersten Blick erkannte. Und nun lautete die spannende Frage: Wer war der Mann gewesen, der ihrer Mutter diese Liebesbriefe geschrieben hatte?
***
Fürstin Vanessa von Triloff trug bei ihren Schlossführungen gern ein praktisches Kostüm oder einen sportlichen Hosenanzug. Schließlich dauerte so eine Führung durch die der Öffentlichkeit zugänglichen zweiundachtzig Räume eine Stunde. Und wer anschließend noch einen Rundgang durch den Park wünschte und zu diesem Zweck an der Kasse in der Remise ein Kombi-Eintrittsbillett gelöst hatte, wurde von der Fürstin höchstselbst eine weitere Stunde durch die im englischen Stil gestaltete, in vielen Reiseprospekten gerühmte Gartenanlage geführt.
Die groß gewachsene, jugendlich schlanke Fürstin mit den glatten, honigblonden Haaren bat die Besucher mit einer kleinen eleganten Handbewegung, die Blicke auf das Eingangsportal zu richten. Dort oben, wohin ihre linke, zimtbraun behandschuhte Hand nun deutete, umarmten sich nämlich in einer großzügigen Sandsteinkartusche Minerva und Venus.
»Minerva wurde von den alten Römern als Göttin der Künste verehrt, sie war aber auch Schutz- und Friedensgöttin«, führte Vanessa aus, wohl routiniert, doch keinesfalls im leider oft gehörten Leierton mancher Fremdenführer.
»Und der Vogel, was hat der zu bedeuten?«, wollte eine rundliche weißhaarige Frau wissen. »Oder ist er einfach nur so da?«
»Keineswegs. Das ist eine Eule. Die Attribute der Minerva waren Eule und Olivenbaum. Sie gilt ferner als Göttin des Kriegshandwerks, aber zum Glück auch des Friedens«, entgegnete Vanessa mit ihrem freundlichen Lächeln. »Und die andere Gestalt kann man ebenfalls ganz leicht identifizieren, glaube ich. Es handelt sich nämlich um Venus, die römische Göttin der Liebe. Der Liebe und der Gartenkunst. Und ihr Symboltier ist die Taube.«
»Ist ja interessant«, murmelte ein junger Mann, der bisher den Ausführungen der Fürstin eher gelangweilt gefolgt war.
»Minerva und Venus umarmen sich«, setzte Vanessa hinzu. »Und die Inschrift darunter Omnia vincit amor ist Programm und gleichzeitig das Motto der Familie von Triloff.«
Ein Mädchen im Teenageralter, mit unwahrscheinlich roten, weithin leuchtenden Haaren wiederholte unsicher: »Omnia vin … vinci …«
»Omnia vincit amor«, zitierte die Fürstin mit charmantem Augenzwinkern. Und übersetzte: »Alles besiegt die Liebe. Und wenn Sie sich jetzt einmal umdrehen und einen Blick auf die Inschrift dort an der Mauer werfen würden … Dort steht auch etwas.«
Ein älterer Herr las flüssig vor: »Pax optima rerum. Was so viel bedeutet wie: Frieden ist das Beste auf der Welt. Jawohl. Stimmt!«
Vanessa erzählte nun die beliebte Geschichte von jenen beiden Adelsfamilien, die seit Jahrhunderten miteinander verfeindet gewesen waren. Erst als sich ein Sohn der einen und eine Tochter der anderen Familie ineinander verliebt hatten und nicht mehr voneinander lassen mochten, sogar mit dem gemeinsamen Liebestod drohten, sollten die Familien nicht endlich zur Vernunft kommen, besann man sich in den jeweiligen Schlössern. Man reichte sich die Hände zur längst fälligen Aussprache und anschließenden Versöhnung.
Die beiden jungen Menschen durften heiraten.
»Die Hochzeit wurde natürlich mit allem Pomp der damaligen Zeit gefeiert«, schloss die Fürstin ihren kleinen Bericht. »Und beide Elternpaare beschlossen, dem glücklichen jungen Paar ein Schloss zu bauen, ein besonders schönes Schloss, das gleichzeitig ein Sinnbild der Versöhnung durch die Liebe sein sollte …«
Während die Besuchergruppe der Fürstin lauschte, ja, geradezu gebannt an ihren Lippen hing, stand im zweiten Stockwerk des Mitteltrakts ein stattlicher Herr in den besten Jahren am Fenster. Er stand so still, dass die Besuchergruppe unten auf dem Ehrenhof gar nicht auf die Idee kam, nach oben zu blicken.
Der Mann war eine attraktive, schlanke Erscheinung in einem tadellos sitzenden, weil natürlich maßgeschneiderten Dreiteiler. Nie sah man den Hausherrn in nachlässiger Garderobe, stets machte er eine hervorragende Figur, ob im Salon, in der Bank oder zu Pferd. Er ritt für sein Leben gern und freute sich jetzt schon auf den nahenden Herbst, wenn die großen Jagden stattfinden würden.
Eine Hand hielt den seidengefütterten Brokatvorhang zurück, während die andere nach dem mobilen Telefon griff, das gerade läutete. Fürst Raimund von Triloff hatte bis eben mit ausdrucksloser Miene das Geschehen unten vor dem Eingangsportal verfolgt. Nun warf er einen verblüfften Blick auf das Display.
»John!«, meldete er sich erfreut. »Das ist ja eine nette Überraschung! Wie geht es dir?«
»Mir geht es ausgezeichnet, mein Lieber«, antwortete Sir John Benson-West, dem ein nobles Londoner Auktionshaus mit internationalem Prestige gehörte. »Und Vanessa und dir?«
»Fein. Sie macht gerade eine Führung.«
»Und macht ihre Sache ausgezeichnet, nehme ich an.«
»Sie ist großartig, wie immer«, stimmte Raimund ihm zu. »Ich könnte das nicht, um ehrlich zu sein. Immer dieselben Fragen! Und weißt du, nicht viele Leute sind wirklich interessiert.«
»Ich habe die Führung einmal mitmachen dürfen und war begeistert. Es war alles andere als langweilig.«
Raimund nickte zustimmend und kehrte zu seinem Schreibtisch zurück. Dort nahm er im Sessel mit den Löwentatzenfüßen Platz und griff nach dem vergoldeten Kugelschreiber.
»Wie war euer Sommerurlaub?«, wollte Sir John wissen.
»Fantastisch!« Raimund strahlte. »Ich könnte sofort wieder starten. Die Karibik ist für mich die schönste Urlaubsregion der Welt. Allein das Tauchen!«
»Du scheinst dich blendend erholt zu haben.«
»Es war fantastisch!«
»Und nun muss ich deiner guten Stimmung einen Dämpfer versetzen, tut mir aufrichtig leid.«
Raimunds Lächeln erlosch. Sofort erkundigte er sich besorgt: »Du hast schlechte Nachrichten? Mit deiner Familie ist doch hoffentlich alles in Ordnung?«
»Dorothy erfreut sich zum Glück wieder bester Gesundheit. Nein, Raimund, es handelt sich um etwas anderes, eine, wie ich fürchte, sehr unerfreuliche Angelegenheit.«
Raimund zog die dunklen Brauen zusammen.
»Heraus damit!«
»Bist du allein?«
»Gütiger Gott, John! Mach es bitte nicht so spannend!«
»Es handelt sich um gewisse Briefe, Raimund.«
Der Fürst wiederholte verblüfft: »Briefe?« Er konnte sich beim besten Willen nicht an irgendwelche Briefe erinnern, die ihm hätten irgendwie schaden können. Allerdings schrieb oder diktierte er täglich viele Briefe. Er furchte die Stirn.
»Du weißt doch, dass wir gelegentlich auch alte Korrespondenzen versteigern, schöne und seltene Autografen berühmter Persönlichkeiten. Erst kürzlich hatten wir eine Albumswidmung von Goethe, die hat ein wahres Bietgefecht ausgelöst.«
»Und eine beachtliche Summe erzielt, oder?«
»Es hat sich für den Einlieferer gelohnt, richtig.«
Der Fürst räusperte sich. Noch war er ganz unbefangen.
Sir John Benson-West hielt sich zu diesem Zeitpunkt in seinem Privathaus im Londoner Stadtteil Kensington auf. Er trug wie an jedem Sonntag bequeme Kleidung, denn er hatte nicht vor, das Haus zu verlassen. In aller Ruhe und vor allem ungestört wollte er Zeitungen lesen und telefonieren. Dieses Telefonat lag ihm speziell am Herzen, wie er seinem deutschen Freund Raimund nun erklärte.
Die Herren kannten sich seit der gemeinsamen Studienzeit in München, wo man mehrere Jahre Wand an Wand in einer kleinen Pension gewohnt und sich blendend verstanden hatte.
»Raimund, was ich dir nun erzähle, ist ein wenig heikel …« Sir John, obwohl alles andere als jugendlich-schmal, verschwand fast zwischen den riesigen Kissen des mit groß geblümtem Chintz bezogenen Sofas in seinem behaglichen Wohnzimmer.