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Sammelband 2: Drei Mal Liebe, Luxus, Leidenschaft im Hochadel zum Sparpreis
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"Fürsten-Romane" entführen in die Welt des Hochadels und lassen die Herzen der Leserinnen und Leser höherschlagen. Die Romanzen der Prinzessinnen und Prinzen spielen auf herrlichen Schlössern, erzählen von Mut und Hoffnung, von Glück und Tränen, Glanz und Einsamkeit - und von der ganz großen Liebe! Welche geheimen Wünsche, Träume und Sehnsüchte bewegen die Reichen und Adeligen?
Seit mehr als 50 Jahren bilden die Fürsten-Romane den Inbegriff für Geschichten aus der Welt des Hochadels. Tauchen Sie ein in eine ebenso aufregende wie glamouröse Welt!
In diesem Sammelband sind Folgen 2433 bis 2435 enthalten:
2433: "Du bist meine Muse" von Sandra Heyden
2434: "Ein Kuss, der mehr als Worte sagt" von Nina Gregor
2435: "Als er in ihre Augen sag ..." von Nina Gregor
Der Inhalt dieses Sammelbands entspricht ca. 250 Taschenbuchseiten.
Fürsten-Romane - Luxus zum Lesen
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Seitenzahl: 365
Sandra Heyden, Nina Gregor
Fürsten-Roman Sammelband 2 - Adelsroman
Cover
Impressum
Du bist meine Muse
Vorschau
BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige E-Book-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe
Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG
© 2015 by Bastei Lübbe AG, Köln
Verlagsleiter Romanhefte: Dr. Florian Marzin
Verantwortlich für den Inhalt
Titelbild: shutterstock / Sidarta
Datenkonvertierung E-Book: Blickpunkt Werbe- und Verlagsgesellschaft mbH, Satzstudio Potsdam
ISBN 978-3-8387-5145-0
www.bastei-entertainment.de
www.lesejury.de
Du bist meine Muse
Wie eine schöne Prinzessin einem Krimiautor zu seinem größten Erfolg verhalf
Von Sandra Heyden
Tief in Gedanken versunken, verlässt die junge Ärztin Dana Prinzessin von Harthensand das Klinikgebäude. Warum nur hat sie den sympathischen Fremden, dem sie auf dem Bahnhof begegnet ist, nicht nach seinem Namen gefragt? Seine blauen Augen gehen ihr einfach nicht mehr aus dem Kopf, und sie würde ihn so gerne wiedersehen.
Doch noch während die hübsche Prinzessin dieser vertanen Chance nachtrauert, nimmt ihr Leben eine dramatische Wende. Sie wird von einem Auto angefahren und fällt ins Koma. Als sie erwacht, gibt ihr das neue Buch des bekannten Autors Mike Mathény Kraft, und sie verschlingt die romantische Liebesgeschichte begeistert. Das Buch fasziniert sie auf eine seltsame Art und Weise. Nicht nur die Zeichnung auf dem Cover sieht ihr auffallend ähnlich, auch die Hauptfigur weist erstaunlich viele Parallelen zu ihr auf …
Der Zug aus Münster lief mit einer halben Stunde Verspätung im Kölner Hauptbahnhof ein. Doch Mike Mathény blieb gelassen. Er hatte seinem Freund und Verleger, mit dem er verabredet war, eine SMS geschickt und ihm darin mitgeteilt, dass er sich etwas verspäten würde.
Den meisten seiner Mitreisenden fehlte diese Gelassenheit jedoch. Aus Sorge um ihre Anschlusszüge eilten sie bereits zu den Türen, lange bevor der Zug stand.
Mike ließ ihnen den Vortritt und verließ als einer der Letzten das Erste-Klasse-Abteil. Langsam bewegte er sich zu den Treppen, die zum Ausgang führten.
Niemand der an ihm Vorbeihastenden beachtete ihn, und darüber war er froh, denn er war ein bekannter Schriftsteller, und sein Foto prangte gelegentlich auf der Rückseite der Schutzumschläge seiner Bücher. Deshalb wurde er hin und wieder erkannt, zumal sein markantes Äußeres für gewöhnlich auffiel.
Mike Mathény – bekannt für seine äußerst blutrünstigen Thriller – war ein durchaus attraktiver Mann, groß und sportlich-schlank von Gestalt. Sein Gesicht wurde von einer langen, schmalen Nase und einem recht kantigen Kinn dominiert, was ihn äußerst männlich erscheinen ließ.
Auffällig war jedoch sein kurz geschnittenes Haar. Bereits vor einigen Jahren hatte es sich etwas gelichtet, sodass er älter wirkte, als er war. Heute war er Anfang vierzig und hatte sich inzwischen dazu entschlossen, seine Haare stets millimeterkurz schneiden zu lassen, was ihm durchaus gutstand und ihm eine reizvolle Ausstrahlung verlieh.
Sine eisblauen Augen schienen seine Umwelt stets zu analysieren, was er als Berufskrankheit auffasste.
Auch jetzt fiel sein Blick auf einen schmalen Frauenrücken und lange schlanke Beine, die in engen Jeans steckten. Die Frau, zu der die Beine gehörten, trug eine sandfarbene, abgetragene Ziegenlederjacke im Parka-Stil. Ihr kupferrotes Haar war elegant zu einer sogenannten Banane am Hinterkopf hochgesteckt. Sie schien jung zu sein, und sie bewegte sich anmutig und geschmeidig.
Mike begann sich zu fragen, wer sie wohl war. Welchen Beruf übte sie wohl aus? War sie verheiratet? Hatte sie Kinder? Oder war sie auf dem Weg zu einem Geliebten?
Seine ausufernde Fantasie begab sich sofort auf die Reise, wurde aber jäh von einem spitzen Schrei unterbrochen, der sowohl Angst als auch Ungläubigkeit ausdrückte.
Unruhe entstand an dem Waggon, den er gerade passierte. Auch die junge Frau vor ihm blieb sofort stehen und sah sich suchend um.
Mike war fasziniert von ihr. Sie hatte ein schönes Gesicht – perfekt von der Natur modelliert: hohe Wangenknochen, eine schmale, gerade Nase, wunderschön geschwungene Lippen und graublaue Augen unter dunklen Brauen, umkränzt von langen, dichten Wimpern. Sie war groß und schlank und strahlte ein starkes Selbstbewusstsein aus.
Wie Mike entdeckte auch sie die alte Dame, die auf den schmalen Tritten des Waggons beim Aussteigen ausgerutscht und auf den Bahnsteig gestürzt war. Die Dame wimmerte vor Schmerzen und war umringt von einer Menschentraube. Einige waren hilfsbereit, doch zögerlich, andere hingegen nur neugierig und sensationslüstern.
Die junge Frau ließ ohne Zögern ihren Koffer stehen und eilte zu der alten Dame, deren Hut Mike vor die Füße gerollt war. Er hob ihn auf und folgte der faszinierenden Frau.
»Ich bin Ärztin!«, rief sie, und ihr wurde bereitwillig Platz gemacht.
Mike zückte sein Handy und rief den Rettungsdienst.
Mit routinierten Handgriffen untersuchte die junge Frau nun die Verletzte, während sie mit ruhiger, angenehmer Stimme auf sie einsprach und sie so beruhigte.
»Der Knöchel scheint gebrochen«, teilte sie der älteren Dame einfühlsam mit. »Und Sie haben eine Platzwunde am Hinterkopf. Sie müssen in einer Klinik versorgt werden.«
Ihr Blick hob sich und fiel auf Mike und sein Handy.
»Rufen Sie bitte einen Krankenwagen!«, bat sie.
»Schon geschehen«, gab er zurück.
Wie zum Beweis tauchten nun zwei Sanitäter mit einer Trage auf.
Die junge Ärztin erstattete ihnen umgehend Bericht und übergab ihnen die verletzte alte Dame, die sich mit einem dankbaren Händedruck von ihr verabschiedete.
»In welches Krankenhaus bringen Sie sie?«, wandte die Ärztin sich an einen der Sanitäter.
»Krankenhaus Holweide«, erwiderte dieser kurz angebunden.
Sie nickte und drückte noch einmal fest die Hand der Verletzten.
»Da sind Sie gut aufgehoben«, versicherte sie ihr.
Nachdem die Dame abtransportiert worden war, verlief sich auch die Menge der Schaulustigen. Nun gab es nichts mehr zu sehen. Nur Mike blieb zurück.
Die attraktive Medizinerin musterte ihn und lächelte, als er nun ihren Koffer nahm.
»Sie sind wohl der Einzige gewesen, der daran gedacht hat, den Rettungsdienst zu alarmieren«, meinte sie. »Vielen Dank.«
Sie streckte die Hand aus, um ihren Koffer entgegenzunehmen.
»Erlauben Sie mir, Ihnen behilflich zu sein«, gab Mike daraufhin höflich zurück.
Er begleitete sie die Treppen hinab in den unterirdischen Tunnel, wo sich zwischen den Aufgängen zu den Bahngleisen Geschäft an Geschäft reihte. Sie wirkte plötzlich ein wenig müde, und er lud sie deshalb auf einen Kaffee ein, was sie dankend annahm.
In einem kleinen Café stellten sie sich an einen der nicht sehr sauberen Stehtische.
»Wollten Sie eigentlich immer Ärztin werden?«, erkundigte er sich, als zwei Becher der aromatisch duftenden Flüssigkeit vor ihnen standen.
Sie nickte, doch ihr Gesicht verschloss sich abrupt, sodass Mike klar wurde, dass er offenbar unabsichtlich einen wunden Punkt getroffen hatte.
»Verzeihen Sie«, murmelte er und setzte den Kaffeebecher an seine schmalen Lippen.
Seine Zufallsbekanntschaft schüttelte daraufhin den Kopf.
»Nein, ich muss mich entschuldigen. Es ist nur so, dass ich mich wegen dieses Berufswunsches mit meiner Familie entzweit habe. Vor allem mein Vater war sehr erbost darüber. Er hatte mich schon als seine Nachfolgerin in der Bank gesehen …«
»Ihr Vater besitzt eine Bank?«, staunte Mike.
Wieder nickte sie. »Seit vier Generationen im Familienbesitz!«
Er lachte leise. »Ich kann Sie mir beim besten Willen nicht als Bankerin vorstellen«, gestand er. »Sie scheinen doch mit Leib und Seele Ärztin zu sein. Das war unverkennbar, als Sie sich um die verletzte alte Dame gekümmert haben …«
In diesem Augenblick kündigte Mikes Handy mit einem kurzen Summen den Eingang einer SMS an. Sie kam von seinem Freund Oskar Sandner, der sich Sorgen machte und wissen wollte, wo Mike war.
Seufzend schob Mike das Handy wieder in die Brusttasche seines Hemdes.
»Ich sollte mich wohl auf den Weg machen«, entschuldigte er sich. »Es hat mich sehr gefreut, Sie kennenzulernen.«
»Ganz meinerseits«, gab sie lächelnd zurück und sah auf ihre Armbanduhr. »Oh, ich muss mich auch beeilen. In einer Stunde beginnt mein Dienst!«
Vor dem Bahnhof trennten sich ihre Wege. Mike stieg in ein Taxi und nannte dem Fahrer die Adresse seines Freundes, der ein exklusives Penthouse in einem der neu erbauten Kranhäuser im Kölner Rheinauhafen bewohnte.
Er wandte sich kurz um und versuchte, durch das Rückfenster noch einen Blick auf die junge Ärztin zu erhaschen. Und tatsächlich sah er sie auf eine Bushaltestelle zugehen, wo sie in einer Menschentraube verschwand.
Mike ärgerte sich plötzlich, sie nicht nach ihrem Namen gefragt zu haben. Er hätte sie wirklich gern wiedergesehen. Nicht nur, weil sie mit ihrem sympathischen Lächeln und ihrer offene Art ausgesprochen attraktiv war, nein, in allererster Linie regte sie seine Fantasie an, die bereits begann, eine Geschichte um sie herum zu spinnen.
***
»Da bist du ja endlich!« Mit diesem erleichterten Ausruf wurde Mike Mathény von seinem Freund empfangen. »Ich dachte schon, jemand hätte dich auf die Bahngleise geschubst!«
»Warum hätte jemand das tun sollen?«
Oskar Sandner hob die Augenbrauen. »Immerhin hast du deinen letzten Roman in die Abgründe des Sozialdezernats deiner Heimatstadt Münster verlegt. Wenn du mich fragst, war das eine recht grauslige und blutrünstige Geschichte, die bestimmt dem einen oder anderen im Hals stecken geblieben ist!«
Mike lachte, stellte seine kleine Reisetasche in der geräumigen Diele der großzügigen Penthouse-Wohnung ab und folgte seinem Freund in das loftartige Wohnzimmer mit der offenen, amerikanischen Küche. Von hier aus genoss man einen ungetrübten Blick über den Rhein, und die Dächer Kölns lagen einem zu Füßen.
In dem offenen Kamin, der die Mitte des großen Raumes in einen Wohn- und einen Essbereich teilte, brannte ein kleines Feuer, das eine angenehme Wärme verströmte, denn noch hatte der gerade angebrochene Frühling mit warmen Tagen gegeizt.
Mike ließ sich in einen recht niedrigen, modernen Ohrensessel fallen und bemerkte auf dem gläsernen Couchtisch eine Flasche Bordeaux und ein halb volles Glas. Oskar Sandner registrierte den Blick und goss seinem Freund ebenfalls ein Glas ein, das dieser dankbar entgegennahm.
Oskar war um einige Jahre älter als sein Freund und entstammte einer ebenso bekannten wie erfolgreichen Verlegerfamilie.
Bereits vor einigen Jahren hatte er die Geschäfte von seinem Vater übernommen und den Verlag sogar noch ausgebaut und zu einem umfassenden Medienunternehmen gemacht.
Wie sein Star-Autor war Oskar Sandner ein großer, sportlich-schlanker Mann mit einem ausdrucksstarken Gesicht, das ein schmaler Oberlippenbart zierte, der ein wenig unnatürlich wirkte.
Doch fehlte seiner Erscheinung die herbe Männlichkeit, die Mike Mathény zu eigen war. Der Verleger wirkte elegant und modisch und war dennoch mit seinem vollen dunklen Haar und den warmen braunen Augen ein ausgesprochener Frauentyp – und er liebte die Frauen.
Mit seinen achtundvierzig Jahren war Oskar Sandner immer noch Junggeselle – nicht aus Überzeugung, sondern ganz einfach, weil er der richtigen Frau noch nicht begegnet war. Er zweifelte jedoch nicht daran, dass die eines Tages in sein Leben treten würde. Bis dahin beließ er es bei unverbindlichen und unbedeutenden Affären.
Nach einem belanglosen Willkommensgeplänkel begann Oskar nun, seinem Freund die Verkaufszahlen seines letzten Thrillers zu erläutern, die alles übertrafen, was der Verlag je zuvor von Mike veröffentlicht hatte.
»Du verstehst, dass wir mit Spannung auf dein nächstes Werk warten«, schloss Oskar höchst zufrieden und stellte irritiert fest, dass Mike ihm nicht richtig zuhörte, sondern nachdenklich aus den hohen Panoramafenstern starrte.
»Wann können wir mit deinem nächsten Buch rechnen, Mike?«, wiederholte der Verleger betont laut.
Wie Oskar es beabsichtigt hatte, zuckte der Schriftsteller zusammen und sah seinen Verleger verständnislos an.
»Was?«
Oskar Sandner lachte amüsiert.
»Wo warst du?«, wollte er wissen. »Ist dir eine Idee für dein nächstes Buch gekommen?«
»Könnte man so sagen«, bestätigte Mike zur Freude seines Freundes.
»Klasse«, erwiderte Oskar und erhob sich, um aus dem Wein-Kühlschrank in der Küche eine zweite Flasche zu holen. »Du weißt, du bist mein umsatzstärkster Autor. Jeder Thriller von dir geht über den Ladentisch wie geschnitten Brot. Deine Mischung stimmt eben. Du bietest genau den Gruselfaktor, den deine Leser erwarten, lässt sie in menschliche Abgründe blicken, von denen sie bislang keine Ahnung hatten, und doch fehlt es nicht an psychologischem Tiefgang. Nicht umsonst haben einige der Rezensenten dich als deutsche Antwort auf Stieg Larsson beschrieben.«
»Zu viel der Ehre«, gab Mike zurück, ohne jedoch bescheiden zu klingen.
Gern ließ er sein Glas von seinem Freund nachfüllen, zumal dieser nun auch einen Teller mit Schmalzbroten auf den Tisch stellte.
Oskar grinste auf den fragenden Blick seines Freundes.
»Ich weiß, in dieser Umgebung sollte man mit Sushi aufwarten oder doch zumindest mit etwas ausgefallenem Mediterranen …« Er zuckte resignierend mit den Schultern. »Ich liebe nun einmal Schmalzbrote.«
»Kein Problem«, erwiderte Mike, der einfacher Hausmannskost ebenfalls gern zusprach, und bediente sich.
»Also?«, erkundigte sich Oskar nun und setzte sich seinem Autor neugierig gegenüber. »Willst du mir von deiner neuen Idee erzählen?«
»Es ist eigentlich kein Krimi«, eröffnete ihm Mike und sah die Verblüffung im Gesicht des Verlegers.
»Kein Krimi?«
Mike schüttelte den Kopf. »Mir schwebt da etwas ganz anderes vor …«
»Und was, wenn ich fragen darf?« Oskar Sandner runzelte etwas abschätzig die Stirn.
»Weißt du, ich habe da am Bahnhof vorhin jemanden kennengelernt. Eine Ärztin. Ungeheuer attraktiv und selbstbewusst. Viel weiß ich nicht über sie – nicht einmal ihren Namen. Wir haben uns nur kurz unterhalten. Aber sie hat mich ungeheuer beeindruckt, Oskar – und sie hat mich zu einer Liebesgeschichte inspiriert …«
Oskar Sandner verschluckte sich fast, doch Mike Mathény ließ sich nicht beirren.
»Mir schwebt da etwas Besonderes vor«, fuhr er fort. »Das könnte etwas ganz Großes werden!«
»Das wird es ganz bestimmt nicht!«, fuhr Oskar entsetzt auf. »Mike Mathény – das steht für guten, harten Krimistoff, für Thriller, die einem unter die Haut gehen – nicht für seichte Liebesschnulzen.«
»Wer spricht von seicht?«, antwortete Mike beharrlich. »Bis jetzt ist es nur eine vage Idee, aber ich spüre es im ganzen Körper. Ich muss die Geschichte schreiben. Und wenn sie mir so gelingt, wie ich es mir vorstelle, musst du sie veröffentlichen, Oskar!«
Oskar Sandner sprang empört auf.
»Das werde ich ganz sicher nicht!«, machte er Mike klar. »Ich lasse mir von solchen Flausen doch nicht meine Jahresbilanz versauen. Das Risiko ist mir viel zu groß. Kein Mensch wird eine Liebesgeschichte von Mike Mathény lesen wollen. Sie wird wie Blei in den Regalen liegen.«
Mike sah auf. »Ich werde nie wieder einen Thriller schreiben oder bei dir veröffentlichen, wenn du es nicht tust«, drohte er leichthin, doch sein Freund verstand den Wink sofort.
»Du wärst bereit, den Verlag zu wechseln?« Fassungslosigkeit lag in seiner Stimme, doch Mike nickte.
»Ich spüre es in jeder Faser meines Körpers. Ich muss diese Geschichte schreiben, Oskar. Verstehst du nicht? Das ist wie ein Fieber in mir …«
Oskar Sandner ließ sich wieder in die weichen Polster der Couch sinken.
»Na schön«, erklärte er sich widerstrebend bereit. »Wenn dir so viel daran liegt …« Insgeheim hoffte er jedoch, dass sein Freund das absurde Projekt bald aufgab. »Ich denke, du wirst bald einsehen, dass romantische Liebesgeschichten nicht dein Genre sind.«
Mike war da anderer Ansicht.
»Ich habe auch schon einen Titel«, gab er kund. »Was hältst du von Nur Worte?«
»Gar nichts, ehrlich gesagt«, fauchte Oskar widerwillig, und Mike lachte.
***
Wenige Tage darauf fuhr Mike nach Münster zurück, wo er in der Innenstadt eine verwinkelte kleine Altbauwohnung besaß. Dort begann er, die Geschichte, die ihm im Kopf herumschwirrte und ihn einfach nicht loslassen wollte, niederzuschreiben.
Unwillkürlich hatte er vor seiner Abfahrt auf dem Bahnhof Ausschau nach der Unbekannten Schönen gehalten, die ihn zu dieser ungewöhnlichen Liebesgeschichte inspiriert hatte, und war enttäuscht gewesen, sie nicht zu entdecken.
Er konnte nicht ahnen, dass Dana Prinzessin von Harthensand just in diesem Augenblick das Zentralkrankenhaus durch einen Hinterausgang verließ und zum Fahrradstand gehen wollte, als sie von ihrem Chef angesprochen wurde.
»Doktor von Harthensand«, hielt er sie auf, ehe sie den Fahrradhelm aufsetzen konnte, den sie in der Hand hielt.
Prinzessin Dana drehte sich um.
Der Chefarzt der Chirurgie, bei dem sie gerade ihren Facharzt machte, war ein kleiner behäbiger Mann mit einem freundlichen, runden Gesicht und einer ausgeprägten rötlichen Lockenpracht auf dem Kopf, die ihm ein etwas clowneskes Erscheinungsbild verlieh.
»Wir hatten noch gar keine Gelegenheit, über das Symposium in Hamburg zu sprechen, zu dem ich Sie geschickt habe«, erklärte er mit fragender Stimme, als er neben der jungen Ärztin stand, die ihn um Haupteslänge überragte.
»Stimmt.« Dana nickte, denn erstens war der Chefarzt einige Tage in Urlaub gewesen und zweitens hatte sich im Alltag des Klinikbetriebs in der Tat keine Gelegenheit ergeben. »Es war durchaus interessant«, resümierte sie nun und fragte sich, warum ihr gerade in diesem Augenblick das Bild jenes Fremden vor Augen stand, der sie am Bahnhof zu einem Kaffee eingeladen hatte.
Sie hatte ihn faszinierend und interessant zugleich gefunden. Hochgewachsen war er gewesen, mit einer männlich-attraktiven Ausstrahlung.
Obgleich schlank und athletisch von Gestalt, konnte er eine gewisse durchtrainierte Muskulatur nicht verheimlichen. Er hätte auch als Türsteher einer Diskothek durchgehen können, wenn er nicht gleichzeitig auch etwas Intellektuelles an sich gehabt hätte. Seine eisblauen Augen hatten zudem eine eigenartige Magie auf sie ausgeübt. Sie waren Fenster in eine andere Welt gewesen – und doch seltsam vertraut.
»Schade, dass ich seinen Namen nicht erfahren habe«, murmelte sie gedankenverloren.
Das Lachen ihres Vorgesetzten holte sie in die Gegenwart zurück, und sie errötete verlegen.
»Ihre Männerbekanntschaften gehen mich nichts an, Frau Kollegin«, meinte der Chefarzt nun amüsiert. »Ich sprach vom Symposium, wenn Sie sich erinnern wollen!«
Danas Verlegenheit vertiefte sich.
»Verzeihung, Professor Meyer-Wening«, entschuldigte sie sich. »Wäre es Ihnen recht, wenn ich Ihnen morgen alles umfassend berichte?«
»Haben Sie es eilig?«
Sie nickte. »Ich habe versprochen, eine alte Dame zu besuchen, der ich bei meiner Rückkehr am Bahnhof Erste Hilfe geleistet habe und die ins Krankenhaus Holweide eingeliefert worden ist.«
Dana von Harthensand hatte mittlerweile ihr Fahrrad erreicht und öffnete das Schloss, wozu sie ihren Helm vorübergehend in den Fahrradkorb auf dem Gepäckträger legte.
Plötzlich jedoch vernahm sie ein bedrohliches Quietschen von Autoreifen, und ein warnender Ruf ihres Chefs erreichte ihre Ohren.
Doch da sah sie nur noch einen Pkw auf sich zurasen, dessen Fahrer offensichtlich die Kontrolle über das Fahrzeug verloren hatte. Im selben Augenblick spürte sie einen dumpfen Aufprall und wunderte sich, weshalb sie keine Schmerzen hatte.
Dann wurde es dunkel um sie, und sie erlebte nicht mehr, wie das Fahrzeug nur wenige Meter weiter an einem Laternenmast zum Stehen kam. Sie bekam ebenso wenig mit, wie die träge Behäbigkeit des Chefarztes sich in umsichtige Eile verwandelte.
Nur Sekunden später waren Sanitäter zur Stelle, und das rettete Dana von Harthensand das Leben.
***
Ira Fürstin von Dorgast pflegte ein altmodisches Hobby: Sie unterhielt zahlreiche Brieffreundschaften in aller Welt. So beantwortete sie gerade ihre Post und schrieb einer befreundeten Diplomatengattin aus Tokio, als der Hausdiener Alfred würdevoll ihren Schreibsalon betrat.
Die Fürstin war eine elegante Dame, von kleinwüchsiger, zierlicher Gestalt und strahlte doch eine Würde aus, die einer anderen Zeit angehörte – was einen nicht verwundern musste, denn die Fürstin zählte bereits gute achtundachtzig Jahre.
Seit mehr als zwanzig Jahren lebte sie auf Schloss Sandenfurth bei ihrem Schwiegersohn Wolfram Fürst von Harthensand. Gleich nach dem Tod ihrer einzigen Tochter hatte sie in den barocken Gemäuern Einzug gehalten, um sich um ihre beiden Enkeltöchter Britta und Dana und den großen Haushalt zu kümmern. Trotz ihrer fast neunzig Jahre war sie immer noch voller Energie.
»Was gibt es, Alfred?«, erkundigte sie sich und erhob sich.
»Ein Herr Professor Meyer-Wening wünscht Seine Durchlaucht zu sprechen.« Alfred reichte ihr das Mobilteil des Telefons. »Ich habe ihm erläutert, dass Seine Durchlaucht tagsüber nicht unter seiner Privatnummer zu sprechen ist. Doch es scheint dringend zu sein, weshalb ich ihn an Ihre Durchlaucht verwiesen habe.«
»Aha!«, machte die Fürstin und nahm den Hörer. »Es ist gut, Alfred!«
Der Hausdiener verneigte sich leicht und zog sich zurück.
»Dorgast«, meldete die Fürstin sich mit fester Stimme.
»Meyer-Wening«, kam es zurück, empört, weil man ihn so lange hatte warten lassen. »Sind Sie eine Angehörige von Doktor Dana von Harthensand?«
»Allerdings. Ich bin ihre Großmutter. Worum geht es denn?« Fürstin Ira zeigte sich irritiert.
Seit beinahe zehn Jahren hatte sie ihre Enkelin nicht gesehen, sie wusste nur, dass Dana nach Köln gegangen war, um dort Medizin zu studieren. Ira erhielt lediglich von Zeit zu Zeit Postkarten, die Alfred abfing, damit sie nicht in die Hände des Fürsten gerieten.
»Ich habe leider schlechte Nachrichten, Fürstin. Ihre Enkelin hatte einen ziemlich schweren Unfall. Hier bei uns, auf dem Parkplatz der Klinik. Wir konnten ihr Gott sei Dank mit einer sofortigen Operation das Leben retten. Doch zurzeit liegt sie im Koma. Sie hat schwere Verletzungen davongetragen. Wenn es Ihnen möglich ist, sollte jemand von der Familie bei ihr sein …«
»Dana liegt im Koma?« Fürstin Ira sank entsetzt auf den Lehnstuhl vor ihrem Schreibsekretär zurück. »Wie furchtbar!«
»In der Tat sieht es sehr ernst aus«, gab der Oberarzt der Chirurgie zurück. »Es wäre vermutlich sehr hilfreich, wenn jemand bei ihr sein könnte …«
»Aber natürlich«, entschloss sich die Fürstin spontan. »Ich werde mich sofort auf den Weg machen.«
»Dann erwarte ich Sie«, erklärte der Arzt und legte auf.
Fürstin Ira blieb einige Minuten regungslos sitzen, denn sie musste diese Nachricht erst einmal verkraften.
Dana lag im Koma! Sie war schwer verletzt! Es sah ernst aus!
Die Hand der Fürstin, die das Telefon umklammert hielt, begann zu zittern. Dana war immer ihre Lieblingsenkelin gewesen. Sie hatte ihr in ihrem rebellischen Charakter viel näher gestanden als die fügsame, vergeblich nach väterlicher Anerkennung hechelnde Britta.
Fürstin Ira sprang nun entschlossen auf, und wie aus dem Nichts tauchte auch Hausdiener Alfred wieder auf. Sie beauftragte ihn, ihr eine Fahrt mit dem nächsten Zug sowie ein Hotelzimmer in Köln zu buchen, und eines der Hausmädchen sollte ihr beim Kofferpacken helfen.
Die Anordnungen der Fürstin wurden umgehend erfüllt, und so stand ihr kleiner Koffer bereits in der großen barock-verspielt ausgestatteten Eingangshalle des Schlosses, als Fürst Harthensand zurückkehrte und diesen irritiert bemerkte.
Seine Schwiegermutter schritt eben mit würdevoller Eleganz die leicht geschwungene Treppe herunter, einen kecken Hut auf dem Kopf und einen Wollmantel über dem Arm.
»Du willst verreisen?«, wollte er wissen. »Das kommt etwas plötzlich. Du hättest mich unterrichten können!«
»Ich habe versucht, dich in der Bank zu erreichen. Deine Sekretärin hat mir mitgeteilt, dass du bereits auf dem Heimweg seist«, erwiderte die Fürstin gelassen und musterte ihren Schwiegersohn nicht gerade freundlich.
Fürst Wolfram war ein stattlicher Mann von Mitte sechzig, er verströmte jenen weltmännischen Charme, den Frauen so mochten. Der Fürst verstand diesen Charme sehr wohl gezielt zu seinem Vorteil einzusetzen. Schon manchen Geschäftspartner hatte er damit getäuscht, denn sein Charme verbarg jene gnadenlose Härte, die Fürstin Ira wohl in seinen kühlen grauen Augen zu erkennen vermochte.
Fürst Wolfram war ein Mann mit einem unbeugsamen Willen, der nicht duldete, dass man sich ihm widersetzte. Und er war beinahe krankhaft stolz auf seine Herkunft. Der makellose Ruf der Fürsten von Harthensand war seine absolute Priorität, der er alles unterordnete, sogar das Glück seiner Töchter.
»Ist diese Reise so dringend, dass du nicht einmal mehr mit der Familie dinieren kannst?«, wollte der Fürst nun pikiert wissen.
»Oh ja!«, gab seine Schwiegermutter zurück und berichtete ihm erschüttert, was geschehen war.
Wenn sie Mitgefühl erwartet hatte, so hatte sie sich getäuscht. In dem kantigen Gesicht des Fürsten, das von weißen, buschigen Augenbrauen beherrscht wurde, regte sich keine Miene.
»Ich sehe nicht ein, weshalb du dich deshalb so überstürzt auf den Weg machen solltest, Ira«, meinte er kühl. »Es war damals Danas eigene Entscheidung, uns zu verlassen, um für ein Medizinstudium nach Köln zu gehen. Wäre sie hiergeblieben, wie ich es von ihr erwartet habe und wie es ihre Pflicht gewesen wäre, wäre dieser Unfall ihr höchstwahrscheinlich erspart geblieben. Aber nein, die Privatbank Harthensand war ihr ja nicht gut genug. Seit vier Generationen ist die Bank im Besitz der Familie, und Dana hatte nichts Besseres zu tun, als nach ihrem persönlichen Glück zu streben!«
Ira gelang ein zögerliches Lächeln.
»Wahrscheinlich hast du recht, Wolfram«, gab sie zu. »Nichtsdestotrotz ist Dana eine Harthensand, und sie gehört immer noch zur Familie, ob dir das passt oder nicht. Ich werde jetzt nach Köln fahren und mich um das Kind kümmern!«
Fürst Wolfram machte ein säuerliches Gesicht, doch er hielt seine Schwiegermutter nicht auf, als sie jetzt dem großen Portal zustrebte, an dem Alfred auf sie wartete, um sie nach Braunschweig zum Bahnhof zu fahren.
»Bitte«, murrte er nur. »Du brauchst meine Erlaubnis nicht!«
»Eben!«, machte die Fürstin ihm klar und verschwand.
***
Nur wenig später saß Fürst Wolfram im eleganten Abendanzug in dem riesigen Speisezimmer des Schlosses, dessen Deckenfresken von der Fachwelt bewundert wurden und dessen Wände kostbare Seidenteppiche zierten. Raumhohe Sprossenfenster ermöglichten einen Blick in den weitläufigen Park, in dem Narzissen und Osterglocken erste Farbtupfer setzten.
Pünktlich betraten auch seine Tochter Britta und deren Gatte Cord Graf Hebestreit den Raum und setzten sich auf ihre angestammten Plätze.
Beide bewohnten einen separaten Flügel des Schlosses, doch es war seit jeher Usus, die Mahlzeiten gemeinsam einzunehmen. Seine Durchlaucht legte großen Wert auf das abendliche Dinner, und niemand hatte Lust, sich dieser Anordnung zu widersetzen.
Daher fiel Gräfin Brittas Blick auch etwas konsterniert auf den leeren Stuhl ihrer Großmutter. Die geborene Prinzessin von Harthensand sah ihrer Schwester Dana sehr ähnlich, allerdings war ihr Haar, das sie zu einem Zopf geflochten und aufgesteckt trug, goldblond.
»Ist Großmutter indisponiert?«, erkundigte sie sich besorgt.
»Durchaus nicht«, erwiderte ihr Vater in einem barschen Ton, der sie leicht zusammenzucken ließ. »Sie fand es angebrachter, sich um deine Schwester zu kümmern. Dana hatte offenbar die Güte, einen Unfall zu erleiden und sich ins Koma zu begeben.«
Die Gräfin, die ein kühles Verhältnis zu ihrem Gatten unterhielt, konnte nicht umhin, diesen nun lauernd anzusehen, und sie bemerkte durchaus, wie es in seinem attraktiven Gesicht arbeitete.
Natürlich, dachte sie bitter. Natürlich liegt ihm immer noch etwas an Dana. Er hat nie aufgehört sie zu lieben!
In der Tat hegte Cord Graf Hebestreit ähnliche Gedanken.
Zwei Jahre lang war er mit der schönen, selbstbewussten Dana liiert gewesen und hatte nie einen Gedanken an deren Schwester verschwendet. Als Dana sich entschlossen hatte, nach Köln zu gehen, um dort ihren Traum vom Medizinstudium zu verwirklichen, wäre er ihr bedenkenlos gefolgt.
Doch dann hatte Fürst Wolfram ihm das Angebot gemacht, sein Nachfolger in der Privatbank Harthensand zu werden, für die Cord seit Kurzem tätig gewesen war – ein Angebot, das er unmöglich hatte ausschlagen können. Geschäftsführer der Bank zu sein bedeutete nicht nur einen grandiosen Karrieresprung, es bedeutete auch Prestige, Macht und Einfluss in der Branche.
So hatten Dana und er sich getrennt, wobei er den Eindruck gewonnen hatte, dass es Dana leichter gefallen war als ihm.
Es hatte sich dann herausgestellt, dass der Fürst eine Bedingung stellte. Für ihn stand außer Frage, dass nur ein Familienmitglied die Bank führen konnte, eine Aufgabe, die er für seine Tochter Dana vorgesehen hatte, die ihn nun so bitter enttäuscht hatte, dass er nicht duldete, dass in seiner Gegenwart ihr Name genannt wurde.
Die Bedingung des Fürsten war die Heirat mit seiner fügsamen Tochter Britta gewesen und die Annahme des Namens Harthensand. Dem ersten Teil der Bedingung hatte sich der Graf gefügt, doch zum zweiten hatte er sich nicht überwinden können, und der Fürst hatte nachgeben müssen.
Erstaunlicherweise hatte Britta sich auf diesen Kuhhandel eingelassen. So war sie Cords Frau geworden, eine gute Frau, wie er sich eingestehen musste, und eine Zeit lang war so etwas wie Zuneigung zwischen ihnen aufgekeimt. Doch Cord hatte Dana nie vergessen können und in Brittas Augen immer nur sie gesehen.
Auch konnte er sich mit Brittas Unterwürfigkeit ihrem Vater gegenüber nicht recht anfreunden. Brittas Traum war es immer gewesen, als Künstlerin zu arbeiten, denn sie besaß großes Talent und hatte bereits einige Ausstellungen gehabt. Sie hatte ihrem Vater das Versprechen abgenötigt, weiter als Malerin arbeiten zu dürfen, als dieser von ihr die Heirat mit Cord von Hebestreit verlangt hatte.
Doch schon kurz nach der Hochzeit hatte der Fürst sein Versprechen gebrochen und von Britta verlangt, die Leitung der weithin bekannten Porzellanmanufaktur Sandenfurth zu übernehmen, die zum Familienimperium gehörte und bislang von einem entfernten Cousin geführt worden war.
Dieser Cousin hatte ziemlich plötzlich das Zeitliche gesegnet, und der Fürst hatte Britta zu dessen Nachfolgerin bestimmt, wie es von Anfang an sein Wille gewesen war.
Der Graf ahnte, wie sehr Britta sich nach der Liebe und der Anerkennung ihres Vaters sehnte, der jedoch gar nicht daran dachte, sie ihr zu gewähren. Nur diese ungestillte Sehnsucht machte Britta zu einem derart gefügigen Wesen.
Cord wusste, dass Britta Dana die Schuld daran gab, dass die Träume ihres Lebens nicht wahr geworden waren, dass sie stets die Pflicht erfüllte, die ihr Vater von ihr erwartete, während ihre Schwester sich seinem Einfluss einfach entzog und ihr eigenes Leben lebte.
Wenn Dana nicht so rücksichtslos ihre eigenen Bedürfnisse über alles andere gestellt hätte, ja dann wäre auch Brittas Leben anders verlaufen, war diese überzeugt. Sie wäre nicht an einen Mann gebunden, den sie nicht liebte, und wäre nicht mit der Leitung einer Porzellanmanufaktur konfrontiert, die sie hasste.
»Es geschieht ihr recht«, hörte der Graf seine Frau zischen, und der Fürst nickte beipflichtend.
»In der Tat!«
Cord senkte den Blick, denn er wollte nicht offenbaren, was für große Sorgen er sich um seine einstige große Liebe machte – zumal der Fürst dem Gespräch eine Wendung gab.
In diesem Haus war Dana ein absolutes Tabuthema, denn der Fürst konnte seiner jüngeren Tochter nicht verzeihen, sich seinen Wünschen und vor allem seinem Willen widersetzt und entzogen zu haben.
***
Fürstin Ira sah man die nächtliche Bahnreise und den kurzen, unruhigen Aufenthalt in einem Luxushotel nicht an, als sie am nächsten Morgen in aller Frühe das Zentralkrankenhaus betrat und sich an der Information nach ihrer Enkelin erkundigte.
Mitgefühl schlug ihr ebenso entgegen wie Neugier. Eine echte Fürstin bekam man nicht jeden Tag zu Gesicht, und kaum einer hatte gewusst, dass Doktor von Harthensand, die die meisten seit Jahren kannten und als Kollegin schätzten, eine echte Prinzessin war.
Ira Fürstin von Dorgast wurde umgehend zum Chefarzt der Chirurgie, Professor Meyer-Wening geführt, der Dana persönlich operiert hatte und Zeuge des Unfallhergangs gewesen war. Zurückhaltend, doch freundlich begrüßte er sie in seinem Büro und bot ihr Platz an.
Die Fürstin war nicht sehr angetan von dem kleinen behäbigen Mann. Die roten Locken wirkten eher lustig als vertrauenerweckend.
Doch rasch musste sie ihr Urteil korrigieren. Offenbar saß sie einer weltweit geachteten Koryphäe gegenüber, wie zahlreiche Urkunden und Auszeichnungen an den Wänden bewiesen.
»Wie geht es Dana?«, erkundigte sie sich besorgt.
»Es hat sich nichts verändert, sie liegt immer noch im Koma. Wir können froh darüber sein, Durchlaucht. Ihre Enkelin würde die Schmerzen sonst wohl nicht aushalten.«
»So schlimm ist es?« Iras Gesicht zeigte tiefe Erschütterung.
»Nun, Dana hat einen Schädelbasisbruch, multiple Verletzungen der inneren Organe und einen Oberschenkelhalsbruch erlitten. Diese Verletzungen konnten wir versorgen und ich denke nicht, dass sie bleibende Schäden davongetragen hat.«
»Oh, Gott sei Dank«, entfuhr es der Fürstin erleichtert, doch sie sah dem Arzt an, dass dies nicht die ganze Wahrheit war. »Ich mag alt sein, Professor, aber ich ertrage eine ganze Menge«, forderte sie ihn auf, offen ihr gegenüber zu sein.
Dennoch zögerte der Professor.
»Nun«, seufzte er schließlich. »Was uns wirklich Sorgen macht, ist ein Bruch ihrer Lendenwirbelsäule. Dana wurde durch den Aufprall leider mit dem Rücken auf einen Fahrradständer geschleudert, was den Bruch verursacht hat.«
»Was bedeutet das?«, wollte die alte Fürstin ahnungsvoll wissen.
»Der Bruch hatte eine Querschnittslähmung zur Folge«, stieß der Professor die unglaubliche Wahrheit hervor. »Wir konnten leider gar nichts tun. Es sind mehrere Wirbel betroffen, und die Brüche haben das Rückenmark irreparabel durchtrennt.«
Die Fürstin stieß einen erschrockenen und entsetzten Laut der Fassungslosigkeit aus.
»Soll das heißen …«, sie zögerte, der Wahrheit ins Gesicht zu sehen, »Dana wird für den Rest ihres Lebens im Rollstuhl sitzen?«
Der Professor nickte verhalten. »Das steht zu befürchten!«
»Ich will sie sehen!« Fürstin Ira erhob sich entschlossen. »Darf ich bitte zu meiner Enkelin?«
»Aber natürlich, Durchlaucht.«
Professor Meyer-Wening führte die zierliche alte Dame auf die Intensivstation, wo Dana in einer separaten Box ohne Tageslicht lag, über viele Kabel und Schläuche verbunden mit zahlreichen Monitoren und Infusionen. Überall gurgelte und piepte es.
Fürstin Ira hielt sich erschrocken am Türrahmen fest. Zwischen all den Geräten war das schmale bleiche Gesicht ihrer Enkelin kaum zu erkennen. Einzig das schöne kupferfarbene Haar stach hervor. Jemand hatte es liebevoll zu einem dicken Zopf geflochten.
Der Professor war an die Monitore herangetreten und musterte sie prüfend.
»Ihre Vitalwerte sind im Augenblick soweit in Ordnung«, stellte er fest.
»Wann wird sie erwachen?«, erkundigte sich die Großmutter seiner Patientin mit leiser Stimme.
»Das kann niemand vorhersagen, Durchlaucht«, entgegnete der Professor und sah die Fürstin bedauernd an.
Ira stand jetzt am Bett und strich vorsichtig die eingefallenen Wangen ihrer Enkelin, dann drückte sie zaghaft ihre Hand.
»Wenn Sie möchten, können Sie gerne eine Weile bleiben«, bot der Professor an, und als die Fürstin nickte, versprach er: »Ich werde Ihnen einen Sessel bringen lassen!«
***
Ahnungslos, wie dramatisch sich das Leben seiner Zufallsbekanntschaft vom Kölner Bahnhof verändert hatte, legte Mike Mathény bereits nach einigen Wochen seinem Freund Oskar Sandner eine erste Fassung seines Romans Nur Worte vor, zu dem er durch sie inspiriert worden war. Er selbst war einigermaßen zufrieden.
»Noch nie ist mir eine Geschichte in so kurzer Zeit praktisch aus den Fingern geflossen«, eröffnete er seinem Freund, der das Manuskript flüchtig und mit sauertöpfischer Miene durchblätterte. »Sag, was hältst du davon?«
»Hm?«, machte der Verleger, ohne vom Manuskript aufzusehen.
Ohne dass er es gewollt hatte, hatten ihn die Worte auf dem Papier gefesselt, und er konnte sich kaum davon lösen. Mike bemerkte es wohl und lächelte zufrieden.
Nach einer Weile sah Oskar Sandner auf.
»Das ist verdammt gut geworden«, lobte er. »Ich hätte nicht gedacht, dass du so etwas hinkriegst«, gestand er. »Thriller sind schließlich etwas anderes als eine Liebesgeschichte – vor allem so eine.«
»Also, dann veröffentlichst du es?« Mike lächelte selbstbewusst, lehnte sich in den Sessel zurück und schlug die langen Beine übereinander.
Oskar legte seine Hand auf das Manuskript.
»Das ist hervorragend, Mike«, versicherte er, doch in seiner Stimme klang ein Aber mit. »Und wenn ein Martin Walser oder meinetwegen auch eine Amelie Fried so was veröffentlichen würde, hätten wir hier vermutlich einen Bestseller. Aber du bist Kriminalschriftsteller, Mike. Du bist für harte, blutige Thriller bekannt. Das hier«, Oskar klopfte auf das Manuskript, »nimmt dir keiner ab, Mike. Kein Mensch wird das lesen. Im Gegenteil, du wirst dir damit noch deine Stammleser vergraulen …«
Mike runzelte die Stirn. »Du hast es versprochen, Oskar!«
»Vielleicht könntest du es unter einem Pseudonym …?«
»Kommt gar nicht infrage«, fiel Mike ihm verärgert ins Wort. »Das ist das Beste, was ich bislang geschrieben habe, und dafür will ich mich nicht hinter einem Pseudonym verstecken, nur weil das deinen Verkaufszahlen besser bekommt.«
Oskar zögerte immer noch, und Mike beschloss, seine Drohung zu wiederholen, um seinem Freund Entscheidungshilfe zu leisten.
»Ich habe das ernst gemeint, Oskar, als ich sagte, ich würde den Verlag wechseln, wenn du Nur Worte nicht verlegst. Ich habe einen guten Namen, und es wird Verlage geben, die es mit Kusshand nehmen werden.«
»Schon gut«, fügte sich der Verleger ins Unvermeidliche. »Ich habe nicht die Absicht, meinen besten Autor zu verlieren. Wenn du gestattest, werde ich das Manuskript einem versierten Lektor aus der Belletristik-Abteilung vorlegen. Er wird sich bei dir melden, einverstanden?«
»In Ordnung«, gab sich der Schriftsteller zufrieden und erhob sich, um aus dem Panoramafenster zu blicken.
Der Frühling stand mittlerweile auf der Schwelle zum Sommer, und unten in der Stadt waren die Menschen dazu übergegangen, leichtere Kleidung zu tragen.
Wenn Mike geradeaus blickte, sah er den Kölner Dom, und weit rechts davon war noch der große, verschachtelte Gebäudekomplex des Zentralkrankenhauses zu erkennen. Mike konnte sich selbst nicht erklären, weshalb eine innere Kraft ihn zwang, gerade dorthin zu sehen.
***
Der Sommer verging, und der Herbst zog mit milden Temperaturen und satten Erdfarben über das Land.
Pünktlich zur Frankfurter Buchmesse Anfang Oktober erschien der neue Roman Nur Worte von Mike Mathény. Allen Unkenrufen Oskar Sandners zum Trotz zeichnete sich schon nach nur wenigen Tagen ein großer Erfolg ab, und schon in der ersten Woche nach seiner Erscheinung erreichte er einen Spitzenplatz in diversen Bestseller-Listen.
Mike wurde daraufhin zu Talkshows eingeladen und um Interviews gebeten, denn niemand hatte dem Autor blutrünstiger Thriller eine romantische Liebesgeschichte zugetraut.
Dana war inzwischen auf eine Station für Koma-Patienten verlegt worden. Die schweren Verletzungen des Unfalls waren verheilt, doch noch immer war sie nicht aufgewacht, und das bereitete nicht nur den Ärzten Sorgen, sondern auch ihrer Großmutter.
Fürstin Ira war in den letzten Monaten regelmäßig angereist, um bei ihrer Enkelin zu sein. Auch an diesem Tag betrat sie mit Elan das Foyer der Klinik. Sie wollte schon an dem gut besuchten Kiosk vorbeigehen, doch der Anblick eines Plakates hielt sie auf.
Es warb für den neuen Roman von Mike Mathény und zeigte die Zeichnung einer Frau, die ihrer Enkelin verblüffend ähnlich sah. Sie konnte nicht wissen, dass die Zeichnung für den Schutzumschlag des Buches nach Mikes Erinnerung angefertigt worden war.
Der Kiosk hatte einige Exemplare des Buches in den Verkauf genommen, weil die Besitzerin ein großer Fan von Mike Mathény war.
Nachdem die Fürstin sich davon überzeugt hatte, dass es sich nicht um einen schrecklichen Thriller handelte, sondern um eine romantische Liebesgeschichte, kaufte sie ein Exemplar, um es ihrer Enkelin vorzulesen.
Doch kaum auf der Station angekommen, wurde sie am Betreten des luxuriösen Einzelzimmers gehindert.
»Professor Meyer-Wening möchte Sie gern sprechen, Durchlaucht!«
Verwundert und besorgt folgte die alte Dame der Stationsschwester und sah sich alsbald dem behäbigen Professor gegenüber, der sie mit einem strahlenden Lächeln empfing.
»Fürstin – gute Neuigkeiten!«, verkündete er.
»Wirklich?«
»Ihre Enkelin ist gestern aus dem Koma erwacht. Zu unserer Erleichterung hat die Kopfverletzung keine bleibenden Schäden hinterlassen. Dana leidet nicht unter Gedächtnisverlust, sie kann schreiben, lesen, sprechen, hat keine motorischen Ausfälle – bis auf den befürchteten.«
»Sie kann ihre Beine nicht bewegen!« Es war eine Feststellung, denn die Fürstin hatte sich in den vergangenen Monaten an den Gedanken gewöhnt, dass ihre Enkelin auf ein Leben im Rollstuhl blickte.
Der Professor nickte. »Ihre Enkelin ist über ihren Zustand bereits informiert worden.«
»Musste das sein?« Fürstin Ira runzelte die Stirn. »Hätte man ihr nicht wenigstens Hoffnungen machen können?«
»Durchlaucht, Ihre Enkelin ist selbst Ärztin und kann ihren Zustand recht gut selbst einschätzen. Es hätte keinen Sinn gemacht, sie gnädig zu belügen.« Er lächelte zaghaft. »Kommen Sie, ich begleite Sie zu Dana.«
Fürstin Ira wappnete sich, einer am Boden zerstörten und völlig aufgelösten Dana gegenüberzutreten und atmete tief ein, bevor sie dem Chefarzt in das Zimmer folgte.
Doch Dana saß aufrecht und völlig ruhig in ihrem Bett. Sie war schmal geworden in den letzten Monaten, und man hatte ihr langes Haar auf Kinnlänge gestutzt, weil die Pflege sonst zu aufwendig gewesen wäre. Ira war froh, längst keine Kabel mehr und nur noch einen Monitor zu sehen.
»Oma!« Dana sah ihre Großmutter verblüfft an, während sie zuließ, dass ihr einstiger Chef ihr den Puls fühlte.
Ira konnte nicht verhindern, dass ein glückliches Strahlen über ihr Gesicht huschte. Sie eilte an das Bett ihrer Enkelin und umarmte sie freudig.
»Dana, wie schön. Du bist endlich wach. Ich habe mir solche Sorgen um dich gemacht!«
Dana erwiderte die Umarmung zögernd.
»Man hat mir schon gesagt, dass du mich regelmäßig besucht hast, Oma«, gestand sie und nickte dem Professor zu, der nun leise den Raum wieder verließ. »War Vater denn damit einverstanden?« Ihre Stimme drückte Zweifel aus.
Doch Fürstin Ira lächelte und zog sich einen Sessel heran.
»Aber natürlich, Kind«, versicherte sie. »Dein Vater war genauso besorgt um dich wie wir alle. Du hast uns einen großen Schrecken eingejagt, meine Liebe. Auch dein Vater hätte dich gern besucht, aber leider war er in den letzten Monaten geschäftlich stark eingespannt. Die Finanzkrise hat auch das Bankhaus Harthensand nicht verschont, Liebes. Doch ich bin sicher, jetzt, wo du wieder wach bist, wird er es sich nicht nehmen lassen, dich zu besuchen.«
»Großmutter, das glaubst du doch selbst nicht.« Danas bleiche Lippen verzogen sich zu einem bitteren Lächeln. »Vater hat mir nie verziehen! Er hat mein Leben verplant, und ich habe die Unverfrorenheit besessen, mich ihm zu entziehen. Das kann er mir nicht vergeben. Niemals!«
»Das ist nicht richtig, Dana.« Ira tätschelte beruhigend die Hand der schönen Ärztin. »Dein Unfall hat so vieles verändert und selbst deinen Vater zum Nachdenken gebracht. Er liebt dich, Dana, glaube mir!«
Die Fürstin blieb nicht lang, denn sie wollte der Familie Danas Erwachen aus dem Koma nicht vorenthalten. Bevor sie ging, überreichte sie ihrer Enkelin noch das eben gekaufte Buch.
Vorsorglich hatte sie den Schutzumschlag entfernt, denn die gezeichnete Frau darauf, die Dana so unerhört ähnelte, lehnte an einem Gartenzaun. Dana jedoch würde nie mehr stehen können. Diesen Anblick einer gesunden jungen Frau, die ihr auch noch ähnlich sah, wollte Ira ihrer Enkelin gern ersparen.
»Eigentlich wollte ich es dir vorlesen«, meinte sie, als sie sich verabschiedete. »Aber nun kannst du es selbst lesen.«
Dana sah ihrer Großmutter verwundert nach und legte das nicht sehr dicke Buch auf ihren Nachtschrank.
Die Worte der Fürstin wollten ihr nicht aus dem Kopf gehen. Sie konnte nicht glauben, dass ihr Vater sich so verändert haben sollte. Nicht ihr Vater! Allerdings hatte sie in ihrer Laufbahn als Ärztin schon einige Male erlebt, wie eine lebensbedrohliche Erkrankung Menschen verändern konnte.
Dana verspürte den Funken der Hoffnung und erkannte, dass sie nach all den Jahren nun doch ein wenig Heimweh nach Schloss Sandenfurth verspürte, wo sie aufgewachsen war und mit ihrer Schwester zu Lebzeiten der Mutter eine wunderschöne und behütete Kindheit verlebt hatte.