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Alle vier Teile der GELÖSCHT Reihe in einem. WHITE Ein Rolltreppenlabyrinth in einem gläsernen Kubus. Ein weißes Meer von emotionslosen Gesichtern, ein Welt der Ideale. Doch das, was ganz sein soll, wird durch sieben Farben geteilt. Was angeblich aus freien Stücken geschah, wird zur Strafe. Die Grenzen zwischen Opfern und Tätern verschwimmen ... GOLDEN Die Zeit steht still. Gefangen in der Ewigkeit, ist Anuva Mo nur ihr Name geblieben. Umgeben von Schönheit, wird sie in einem spiegellosen Paradies als Göttin der Hässlichkeit verehrt. Müde gibt sie sich den Wellen des Meeres preis, doch ist der Tod ein Ausweg? Alles erscheint sinnlos, bis Anuva Mo eines Tages aus dem Paradies entführt wird. CRIMSON In Anuva Mos Körper sind fünf Seelen gefangen, geschustert aus geliehen und gestohlenen Erinnerungen. Bruchstücke aus verschiedenen Leben drohen ihren Geist und das fragile Selbst, das kaum die Welt erblickt hat, zu zerreißen. Die tragische Liebesgeschichte, an die sie glauben will, scheint eine Lüge. Kann Mo der Wahrheit nahe kommen, bevor ihr Geist in den Wahnsinn abdriftet? BLACK In ihrer Seele zerrissen und dem Wahnsinn nahe, geplagt von Erinnerungen, die nicht ihre sind, zieht Nüshen aus, um für die Freiheit des Willens zu töten. Ist es Mord, wenn ein Tod die Menschheit vor der Versklavung retten könnte? Sind Ideale und abstrakte Vorstellungen von etwas, das man nicht messen kann, das Verlöschen von Leben wert?
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Seitenzahl: 700
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Sabina S. Schneider
Gelöscht - Die komplette Reihe
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Inhaltsverzeichnis
Titel
GELÖSCHT I - WHITE
Kapitel 02 - Lüge & Wahrheit
Kapitel 03 - Das Glaslabyrinth
Kapitel 04 - Freier Fall
Kapitel 05 - Verlorene Wärme
Kapitel 06 - Verräter
Kapitel 07 - Der Zeuge
Kapitel 08 - Märchen
Epilog
GELÖSCHT II - GOLDEN
Prolog
Kapitel 01 – Paradiesisch schön
Kapitel 02 – Spieglein, Spieglein
Kapitel 03 – Grau wie die Angst
Kapitel 04 – Wahre Kraft
Kapitel 05 – Sucht & Vertrauen
Kapitel 06 – Trojaner
Kapitel 07 – Wahrheit
Epilog
GELÖSCHT III - CRIMSON
Prolog
Kapitel 01 – Reichtum der Slums
Kapitel 02 – Wildes Leben
Kapitel 03 – Unmenschlich
Kapitel 04 – Grenzgänger
Kapitel 05 – Klippenspringer
Epilog
GELÖSCHT IV – BLACK
Prolog
Kapitel 01 – Die Illusion von Liebe
Kapitel 02 – Weiß wie Schnee, rot wie Blut
Kapitel 03 – Universen verschmelzen
Kapitel 04 – Unterwerfung
Kapitel 05 – Überleben
Epilog
Impressum neobooks
Kapitel 01 - Wiedergeburt
Dunkelheit. Licht. Schmerzen. Das grelle Licht tut in meinen Augen weh und ich schließe meine Lider, rolle mich zusammen und will wieder zurück in die Dunkelheit, aus der ich entstanden bin. Meine Augen … meine Lider … ich? Ich bin, ich existiere. Doch ich bin leer. Da ist nichts, was mich ausmacht. Kein Ego, keine Erinnerungen, keine Gefühle. Nichts außer Schmerz. Was ist ‚Ich‘? Wer bin ich?
Ich öffne den Mund, huste und krächze: „W … Wasser …“ Das Wort verlässt nur leise meine Lippen und doch ist es riesig, bedeutet so viel mehr, als ich in einem Augenblick fassen kann.
Ich kann sprechen.
Ich weiß, was Wasser ist.
Irgendwo habe ich gelernt, was Wasser ist.
Wieso fühle ich mich dann so leer? Wieso erinnere ich mich an nichts und kann doch sprechen, habe Wissen darüber, dass Wasser existiert und weiß, was ich damit tun muss. Trinken. Ich empfinde Durst und weiß, dass Wasser mir helfen wird, ihn zu löschen. Vorsichtig öffne ich wieder meine Lider. Das Licht … Grell brennt es in meinen Augen und doch ist es notwendig. Es eröffnet mir eine Welt. Neu und doch irgendwie vertraut. Ich blinzele und gewöhne mich an das Helle.
Alles um mich herum gewinnt an Konturen. Ohne nachzudenken, stehe ich auf, gehe ein paar Schritte, bevor mir bewusst wird, was ich tue. Meine Beine sacken unter mir weg und ich lande hart auf dem Boden. Mir ist schwindelig und doch habe ich etwas Neues über mich gelernt. Ich kann gehen. Zittrig stehe ich wieder auf, erfreue mich an den Bewegungen meines Körpers. Meine Augen wandern meine dünnen Arme entlang und halten bei meinen Fingern. Lange starrte ich auf meine Hände.
Sie wirken so klein und zerbrechlich. Meine Beine sind ebenfalls schmal. Ich vergleiche, ohne einen Gegenpart zu haben. Das heißt, ich kenne Hände, die größer und Beine, die dicker sind. Und doch ist da kein Bild, keine Erinnerung. Meine Knie fangen meinen Blick ein und ich starre auf dünne, weiße Linien, die sich von dem Rest abheben. Mein Kopf sagt mir, dass es Narben sind. Narben, verheilte Verletzungen. Ich habe mich verletzt? Wo? Und vor allem wann? Meine Existenz hat doch gerade erst begonnen! Oder etwa nicht?
Ich fühle mich müde, lege mich auf den Boden und rolle mich wieder zusammen. Doch meine Augen wollen sich nicht schließen. Sie suchen alles ab. Aber sie finden nichts als Weiß. Weiße Wände, weißer Boden, weiße Decke. Es dauert, bis ich die Tür in all dem Sterilen entdecke. Sterilität und Sauberkeit. Ich denke über die Bedeutung dieser Worte nach. Irgendetwas stört mich. Doch warum, kann ich nicht sagen. Ist Sauberkeit etwas Schlechtes? Mein erster Gedanke ist: nein. Und doch ist da etwas, das nicht passt. Was ist das Gegenteil von sauber? Dreckig! Ich freue mich, dass mir das Wort und seine Bedeutung eingefallen sind. Doch auch Dreck ist nichts Positives. Wenn Sauberkeit nicht gut ist und Dreck auch nicht, wo liegt das Gute zwischen diesen beiden Begriffen?
Bevor ich eine Lösung finden kann, öffnet sich die weiße Tür, die ich vergessen habe. Vergessen … meine Gedanken zucken vor der Bedeutung dieses Wortes zurück und doch halte ich daran fest, verbeiße mich in das einzige, das mir eine Erklärung liefern könnte. Habe ich vergessen? Wenn ja, dann habe ich gewusst. Man kann nicht vergessen, wenn man nicht gewusst hat. Doch was habe ich gewusst?
„Brauchst du Hilfe beim Aufstehen? Kannst du laufen?“ Die Stimme ist weiblich. Sie klingt angenehm, freundlich.
Ich blicke hoch und sehe … einen Menschen? Bin ich ein Mensch? Bin ich weiblich oder männlich? Eine Hand legt sich um meine Schulter. Die Frau zieht mich sanft hoch. Ich strauchle, kann jedoch mit ihrer Hilfe stehen bleiben.
„Kannst du sprechen?“ Ich sehe sie an und nicke zögerlich. Ich glaube, dass ich sprechen kann. Ein Wort habe ich schon gesagt. Langsam öffne ich den Mund und schließe ihn, um ein Gefühl dafür zu bekommen. Dann forme ich vorsichtig Laute und ich bekomme schließlich ein leises: „Ja …“, heraus.
Der Dank für meine Anstrengung ist ein warmes Lächeln. Die Frau ist schön. Sie ist vollkommen in Weiß gekleidet, ihre Haut hat einen dunkleren Ton. Ich muss an Kaffee denken mit einem Schuss Milch. Ich starre wieder auf meine Hände. Milch. Sie sind fast so weiß wie alles in diesem Raum. Wann hat diese Haut das letzte Mal Sonne gesehen? Sonne … ein Feuerball am Himmel, heiß und brennend, zerstörerisch und doch lebensspendend. Feuer … Licht … Wärme … Hitze …
„Das alles muss sehr verwirrend für dich sein. Der Anfang ist für alle schwer. Aber tröste dich damit, dass es deine freie Entscheidung war. Du wolltest einen Neuanfang. Wir entscheiden uns aus verschiedenen Gründen für die Wiedergeburt, für eine Chance auf ein neues, besseres Selbst. Doch die sind nicht mehr wichtig.“
Ich horche auf und bekomme ein ungutes Gefühl. „Wir?“, frage ich leise und verliere mich in der Wärme der Augen einer Frau, die mir ihren Namen nicht genannt hat und ich bin erleichtert darüber. Ich hätte ihr für ihren Namen nichts im Austausch geben können. Wenn ich einen Namen besessen habe, so habe ich ihn vergessen.
„Ich bin vor einiger Zeit denselben Weg gegangen, den du von jetzt an gehen wirst. Ich war eine Neugeborene und habe in mir den Wunsch zu helfen entdeckt. Deshalb bin ich hier. Ich will dir helfen.“
„Wie heiße ich?“, entschlüpfen mir die Worte. Eigentlich wollte ich sie nach ihrem Namen fragen.
„Du hast keinen Namen“, erwidert sie lächelnd, freundlich, warm. Und obwohl sie sagt, dass sie mir helfen will, spüre ich Vorsicht, Zweifel und Argwohn in mir. Bin ich ein schlechter Mensch gewesen? Habe ich schlechte Erfahrungen gemacht? Wieso bin ich so unsicher, wenn ich neugeboren bin? Müssen Neugeborene diese negativen Gefühle nicht erst lernen?
„Du hast noch keinen Namen. Wir nennen alle Neugeborenen nach ihrem Geburtsmonat und Geburtstag. Du heißt für den Moment Oktober Montag. Doch du kannst jederzeit einen Namen deiner Wahl annehmen. Es ist nur solange, bist du deinen Namen gefunden hast.“ Ich bin Oktober Montag? Heute ist Montag? Es gibt sieben Wochentage und der Montag ist nicht der beliebteste. Warum, kann ich nicht sagen, aber ich weiß, dass ich lieber an einem Freitag geboren wäre.
Wie werde ich den Montag los? Ich brauche einen neuen Namen, doch mir fällt keiner ein. Also frage ich: „Wie heißt du?“
„Sunshine.“ Ein ungewohnter Laut entweicht meinem Mund. Ich lache?
„Ja, es ist ein seltsamer Name, doch er bringt andere zum Strahlen und Lachen und das macht ihn passend für mich. Ich möchte meinem Umfeld Freude schenken.“ Ich schäme mich, doch Sunshine lächelt mich immer noch freundlich an und ich bin erleichtert. Den ersten Menschen, dem man in seinem Leben begegnet, sollte man nicht verärgern.
„Du kannst mich Mutter Sunshine nennen. Wir Mütter kümmern uns jeweils um einen Pflock Neugeborener, bis sie selbständig leben können“, sagt sie und nimmt mich in den Arm. Ich habe eine Mutter? Ihr Busen drückt gegen meinen Körper und ich taste an mir herum, bis meine Hände kleine Hügel spüren. Es ist nicht viel, könnten auch Männerbrüste sein. Wobei ich dann nicht so schmale Beine hätte … oder? Ich blicke zu Sunshine hoch, die ein Kopf größer ist als ich, und frage: „Bin ich männlich oder weiblich?“
Ihre Augen weiten sich vor Überraschung, dann verschwinden alle Emotionen hinter einem strahlenden Lächeln.
„Du bist alles, was du sein willst. Doch dein Körper ist der einer hübschen, jungen Frau.“ Meine Hände wandern wieder zu meinen Brüsten. Jung … heißt das, sie wachsen noch? Ein Blick zu Sunshines Oberkörper lässt etwas in mir aufsteigen … ein unangenehmes Gefühl, das sich nur schwer fassen lässt … Ist es Neid? Ich senke den Blick und lasse meine Arme leblos an meinen Seiten baumeln.
Sunshine nimmt sanft meine Hand in ihre und führt mich durch die Tür. Mit ihren Fingern um meine, wird das Gehen zu einer Leichtigkeit. Kurz drehe ich mich um, betrachte das weiße Zimmer, in dem ich das weiße Bett fast nicht ausmachen kann. Dann richte ich meinen Blick in das Zimmer, das vor mir liegt. Der Raum ist mit Spiegeln übersät. Die Wände, die Decke, sogar der Fußboden.
„Ich lasse dich kurz alleine, damit du Zeit hast, deinen Körper aus jedem Blickwinkel kennenzulernen. Hab keine Angst, ich bin hinter dieser Tür. Sie ist nicht verschlossen. Du kannst jederzeit zu mir kommen.“ Sie presst leicht ihre Lippen an meine Stirn, dann ist sie verschwunden und ich bin alleine mit tausenden meiner Selbst. Es ist schwer, in all den unendlichen Ichs ein Mich zu finden. Also trete ich näher an die Wand zu meiner Linken und die Frauen in den Spiegeln bewegen sich mit mir.
Sie sind alle schlank. Kurzes dunkles Haar ragt ihnen wild vom Kopf, dunkle Augen, fast schwarz, starren mich aus einem schmalen Gesicht an. Sie wirken riesig. Eine schmale Nase mit einem leichten Hubbel, volle, rote Lippen. Meine Haut ist so weiß, wie das knielange Hemd, das ich trage. Meine Augen suchen die Narben, die meine Knie bedecken. Habe ich andere Narben? Ohne zu zögern, ziehe ich das Hemd über den Kopf und lasse es zu Boden gleiten.
Ich habe eine schmale Hüfte, kaum Brust. Ein Blick zwischen meine Beine bestätigt, dass ich weiblich bin. Wie alt bin ich? Meine Augen gehen auf die Suche nach Alterspuren, doch sie finden nichts. Bis auf die Narben an den Knien, scheint meine Haut makellos. Doch dann sehe ich genauer hin.
Feine Linien, kaum sichtbar, schmücken beide meiner Handgelenke. Der Gedanke, der aufkommt, gefällt mir nicht und doch verdrängt er alles andere: Habe ich versucht mich umzubringen? Habe ich die Neugeburt gewählt, weil mein altes Leben unerträglich war? Der Gedanke bringt anstatt Schmerz eine tiefe Ruhe in mich und ich werde müde. Ich finde noch ein Muttermal direkt unter meiner linken Brust. Sonst ist mein Körper, wie mein Geist, ein unbeschriebenes Blatt.
Nach einer Weile hebe ich das Hemd auf, streife es über und gehe zur Tür, hinter der Sunshine auf mich wartet. Der Gedanke hat etwas Beruhigendes. Ich bin nicht allein. Als ich in den nächsten Raum trete, umarmt mich Sunshine liebevoll und küsst mich auf die Wange.
„Der Raum der Spiegel soll dir die unendlichen Möglichkeiten zeigen, in die du dich verwandeln kannst. Du kannst dein neues Ich wählen. Du alleine bestimmst, wer du sein willst, wie du handeln möchtest und was du anstreben wirst. Das ist das Geschenk der Neugeborenen.“
„Und der Preis ist mein altes Selbst.“ Ich erschrecke über meine eigenen Worte. Sunshine sieht mich lange durchdringend an, sucht nach etwas. Doch ich weiß nicht nach was. Dann sagt sie: „Ein Preis, den wir alle freiwillig und mit Freuden bezahlt haben.“ Ich denke an meine Narben und die Worte purzeln aus meinem Mund: „Und wie gehen wir sicher, dass wir nicht immer wieder dieselben Fehler machen?“
„Wir lenken dich von dem weg, das dich zerstört hat“, sagt sie und ihr Lächeln ist nicht mehr ganz so strahlend. Ihre Antwort besteht aus nichtssagenden Worten und doch analysiert mein Gehirn, kristallisiert die unausgesprochenen Informationen heraus, die Sunshine nicht preisgegeben hat und die doch so offensichtlich vor mir liegen. Wer auch immer ‚wir‘ ist, jemand hat Informationen über meine Vergangenheit. Jemand will mich zu etwas oder jemandem machen, den er für gut befindet.
Ich bin ein leeres Gefäß, das jemand beabsichtigt, zu füllen. Etwas regt sich in mir, etwas Fremdes wühlt in meiner Brust. Meine Augen müssen etwas von meinen Gedanken preisgeben, denn Sunshines Lächeln erstirbt völlig. Ihr Gesicht wird dunkel, als hätte sich eine schwarze Wolke vor die Sonne geschoben. Ich bekomme eine Gänsehaut und versuche zu lächeln, doch stattdessen kullert eine Träne meine Wange hinunter. Mutter Sunshine nimmt mich in den Arm und flüstert: „Ich hätte dir das gerne erspart. Doch wir müssen sichergehen, dass dein Wille erfüllt wird. Dass alles Schreckliche, was du erlebt hast, aus deinem System verschwunden ist. Sonst wirst du auf ewig im Teufelskreis der Gewalt stecken bleiben. Wir tun es, damit du frei sein kannst.“
Ihre Worte machen mir Angst, doch ich folge ihr wie ein braves Kind der Mutter, als sie sanft meine rechte Hand ergreift und mich durch eine Tür führt. Wir betreten einen dunklen Raum, in dem nichts zu sehen ist. Ein Scheinwerfer geht an und erleuchtet einen einsamen Stuhl. Sunshine lässt mich Platz nehmen. Dann spüre ich etwas Kaltes an meiner Stirn, ein Ziehen und einen Druck. Etwas saugt sich an meinen Schläfen fest. Es schmerzt nicht, doch es ist unangenehm.
„Du bist jetzt an ein Gerät angeschlossen, das deine Gehirnströme misst. Ich werde dir ein paar Fragen stellen und dir Bilder zeigen.“ Ich verkrampfe mich. Es gefällt mir hier nicht. Doch ich habe keine Wahl … oder?
„Denk immer daran: Wir tun das, um sicherzugehen, dass dein Wille respektiert und ausgeführt wird“, sagt Sunshine und nimmt mir jede Möglichkeit zu wählen. Wenn mein altes Ego seinen Tod wollte, warum darf es über mich, die ich hier und jetzt lebe, entscheiden? Hat es nicht alle Macht, alles Recht aufgegeben, als es sich löschen ließ, wie ein virenbefallenes Programm? Doch ich weiß zu wenig, um entscheiden zu können, ob das hier okay ist, ob ich das hier wirklich wollte oder will. Wie ein Neugeborenes ohne jede Erfahrung habe ich keine Grundlage, auf deren Basis ich entscheiden kann.
Also bleibe ich gehorsam sitzen.
„Wie ist dein Name?“, fragt Sunshine und ich spüre ein Spannen an den Schläfen.
„Ich habe noch keinen Namen.“ Und das ist die Wahrheit.
„Was siehst du?“ Kaum hat sie die Worte ausgesprochen, leuchtet eine Wand auf. Weiß und Schwarz trennen sich. Nicht mehr, nicht weniger.
„Schwarze Flecken“, erwidere ich und schrumpfe in mich zusammen. Das ist sicher nicht das, was Sunshine hören wollte. Werde ich jetzt bestraft?
„Erinnern sie dich an irgendetwas?“ Ich schüttle den Kopf und verwerfe in einem Atemzug den Gedanken, irgendetwas zu sagen, um Sunshine glücklich zu machen. Um wieder von diesem Stuhl zu dürfen. Der Druck an meiner Schläfe ist unangenehm. Ich will hier weg.
„Ich benötige eine verbale Antwort.“ Ich atme tief durch und sage: „Nein.“ Wie soll es auch? Dann spüre ich einen Stich im Nacken. Erschrocken schreie ich auf, mein Kopf wird nach hinten gezogen und ich durchlebe alles, was heute geschehen ist. Etwas wühlt in der Schwärze meines Geistes, sucht, stöbert, lässt mir keinen Platz zum Verstecken. Tief dringt es in mich vor und ich weiß, dass, wenn ich Geheimnisse hätte, es sie wie ein Staubsauger in sich aufsaugen würde. Doch da ist nichts. Wie kann da auch etwas sein? Ich fühle mich leer, weil ich leer bin. Wie eine Flasche hat man mich umgekippt und mein Inhalt, alle Erinnerungen sind im Sandboden versickert. Unerreichbar für mich. Für immer verschwunden?
Ich atme schwer und als ich glaube, ich müsste unter dem Druck zerbrechen, sehe ich in der Dunkelheit ein Licht. Verzweiflung kommt in mir auf und Angst. Was da auch immer in mir lauert, darf nicht gefunden werden. Kurz bevor der Staubsauger das kleine Licht erreicht, erstirbt der Sog. Ich keuche, zwinkere und spüre Arme um mich. Der Duft nach einer Sommerwiese erfüllt mich und Sunshine drückt mir ihre Lippen auf die Stirn.
„Es tut mir leid, aber ich musste sichergehen, dass wir alle Erinnerungen gelöscht haben. Die Prozedur ist nicht angenehm, aber jetzt besteht kein Zweifel, dass du neugeboren bist.“ Sie streichelt mir die Haare aus der Stirn und ich frage mich kurz, was passiert wäre, wenn sie das Licht in mir entdeckt hätte, wenn sie den Staubsauger nur einen Moment länger in mir hätte wüten lassen.
Ich halte den Mund, versuche ein Lächeln und taste vorsichtig in mir herum. Das Licht ist nicht zu finden, doch ich kann spüren, dass es da ist. Ich bin nicht vollkommen leer, etwas haben sie mir nicht nehmen können. Und was auch immer es ist. Ich werde es mit Zähnen und Klauen verteidigen. Kurz wundere ich mich, wo der Kampfgeist herkommt. Wieso sträubt sich in mir alles, wenn ich genau das hier wollte?
Sunshine legt mir ein weißes Armband um, Oktober Montag leuchtet schwarz auf der Anzeige auf, als ich das Armband berühre.
„Dein biologischer Charakter scheint sehr stark ausgeprägt zu sein. Viele Neugeborene können die erste Zeit nur Befehle befolgen. Die wenigsten sprechen direkt nach der Wiedergeburt und ich habe noch niemanden erlebt, der solche Fragen stellt wie du. Das ist ungewöhnlich. Du bist etwas Besonders.“ Das klingt nicht danach, als wäre es etwas Gutes. Ich versuche mich zurückzuhalten, doch mein Gesichtsausdruck scheint mich zu verraten.
„Charakterstärke kann etwas Gutes sein, aber es wird die Anfangszeit, die Akzeptanzphase, nicht erleichtern.“ Und wieder sind es all die kleinen Dinge, die Sunshine nicht sagt, die mich aufhorchen lassen.
Es ist besser sich anzupassen, nichts in Frage zu stellen und alles so zu akzeptieren, wie es ist.
Eine Frage liegt mir auf der Zunge, doch ich schlucke sie herunter. Und die unausgesprochenen Worte gesellen sich tief in mir zu dem Licht, das ich nicht erreichen kann: Was hätte Sunshine getan, wenn sie etwas in mir gefunden hätte?
„Lass mich dich in dein Zimmer bringen. Deine Zimmergenossen sind sicher schon gespannt auf dich.“
Zimmergenossen? Sunshine führt mich durch eine Tür, einen Gang entlang, dann eine Treppe hoch und vor meinen Augen explodiert eine Welt, zerreißt alles in Stücke, was ich geglaubt habe zu wissen. Ich öffne meinen Mund, doch kein Laut entschlüpft meinen Lippen. Vor mir sehe ich ein gläsernes Labyrinth aus Rolltreppen. Kreuz und quer überschneiden sie sich, winden sich umeinander. Auch wenn ich niemanden außer Sunshine und mir sehe, ist alles in Bewegung.
Glaswände rahmen das Labyrinth ein. Sie sind übersät mit Türen. Woher weiß man, wohin man rollt? Wie kann man entscheiden, wo man hin will und wie man dorthin kommt? Ich verliere das Gefühl für unten und oben und meine Knie werden weich. Dann spüre ich Sunshines warme Hand auf meiner Schulter.
„Keine Angst! Alles hat ein System. Alles hat einen Anfangspunkt und ein Ende. Ich bin da, bis du deinen eigenen Weg findest.“
Es klingt wie ein Versprechen. Es klingt wie eine Drohung. Ich bin überwältig und nicke nur, denke an das kleine Licht in mir, das im Moment das einzige Ziel ist, das ich habe.
Wie soll ich wissen, was ich will, wohin ich will, wenn mein altes Ich alles aufgegeben hat, was ich einmal war?
Wie kann ich eine Zukunft haben ohne Vergangenheit?
Wie kann ich stark sein, ohne zu wissen, was mich schwächt?
Wie kann ich laufen, ohne zu wissen, wie man geht?
Wie soll ich tauchen, wenn ich mich nicht daran erinnere, wie man atmet?
Was ist passiert? Was hat mich so zerstört, dass ich nicht mehr ich sein wollte?
Was habe ich getan?
Was wurde mir angetan?
Bin ich ein Täter?
Bin ich Opfer?
Bin ich noch ein Mensch oder ein Computer, bei dem man auf Neustart gedrückt hat?
Ich folge Sunshine wie in Trance, merke nicht, wie wir auf welche Treppe steigen, welche Abzweigung wir entlangrollen. Obwohl sich der Boden unter mir bewegt und ich einfach stehenbleiben könnte, setze ich einen Fuß vor den anderen. Warum? Was treibt mich an? Ich kenne niemanden, ich habe nichts. Und doch schreite ich der Zukunft entgegen, anstatt sie auf mich zukommen zu lassen.
Wo kommt der Drang her, wenn der Wille nicht existieren kann? Fragen über Fragen. Sie wollen aus mir herauspreschen, doch ich presse die Lippen aufeinander und schlucke sie herunter, presse sie tief in mich, bis sie zu einem stillen Teil von mir werden. Und ich bin. Etwas macht mich aus. Etwas treibt mich an. Meine Fragen schicken mich auf die Suche nach Antworten und ich erkenne die Bedeutung von Fragen, die mehr Kraft in sich tragen, als Antworten es je könnten.
Sunshine führt mich durch das Kubus-Labyrinth in einen gläsernen Gang. Nur Decke und Boden bieten dem Auge Ruhe. Die Wände sind alle durchsichtig und es wuselt umher, wie in einem Albino-Ameisenhaufen oder einem weißen Bienenstock. Die Vergleiche, die in mir auftauchen, erfreuen mich. Ich weiß, was Ameisen sind und Bienen. Das Wissen wärmt mein Herz und es dauert, bis ich die perfide Bedeutung des Glases erkenne.
Ich werde in einem Aquarium leben, ohne jede Möglichkeit auf Privatsphäre. Schlimmer als jedes Gefängnis, nimmt mir die Durchsichtigkeit jeden Freiraum. Mein Magen rebelliert. Das Wort Privatsphäre scheint riesig und ich kann es nicht fassen. Was bedeutet es? Was will ich tun, das niemand anderes sehen soll? Als mir Tränen in die Augen steigen, habe ich meine erste Antwort. Warum, weiß ich nicht, aber ich darf keine Schwäche zeigen. Ich kämpfe mit dem Kloß in meinem Hals, der Schwäche in meiner Brust und der Trauer, um etwas, das ich nie besessen habe: Freiheit.
Glas, das alles freigibt. Transparenz, die alle Geheimnisse im Keim erstickt. Zu viel, um gut zu sein. Mich umgeben keine Wärter, doch die Augen, die mich durch das Glas hinweg anstarren, sind auf Wanderschaft. Sie gehen auf die Suche nach Informationen über mich. Jeder Schritt wird zur Prüfung.
„Wir sind alle eine große Familie und haben keine Geheimnisse. Wir sprechen offen über alles. Ehrlichkeit wird hier groß geschrieben. Alle, die du hier siehst, durchleben gerade das gleiche wie du oder haben es durchlebt. Sie können dich führen, lenken und dir bei allem, was vor dir liegt, helfen. Das erste, das du lernen wirst, ist die Bedeutung der Gemeinschaft. Du bist nicht alleine.“ Sunshine lächelt mir aufmunternd zu, als sie bei einer Glaswand anhält und ihre Hand auf eine kleine Anzeigetafel presst.
Kurz leuchtet der Bildschirm grün auf, dann surrt es und ein Teil der Glaswand verschwindet in der Decke. Alles, was vorher nur ein bewegtes Stillleben gewesen ist, bekommt Volumen, einen Soundtrack. Stimmen sprechen leise miteinander, im Hintergrund höre ich das Rauschen eines Wasserfalls und das Zwitschern von Vögeln. Mädchen und Frauen stehen nach Größe sortiert wie Soldaten vor mir. Alle tragen sie die gleiche weiße Tunika und ein weißes Armband um ihr linkes Handgelenk.
Ich weiß nicht, wo ich mich hinwenden soll und meine Augen begegnen einem wunderschönen Hellblau und Grübchen kommen zum Vorschein. Ein Lächeln, bezaubernd und verboten niedlich. Mein Herz schmilzt und die Angst fällt von mir ab. Ich kann ihr Lächeln nur erwidern.
„Hallo meine Schäfchen, das ist Oktober Montag. Seid freundlich und hilfsbereit zu ihr. Jeder von euch weiß, wie schwer die ersten Tage sind. Also, wer möchte die Patenschaft für Oktober Montag übernehmen?“
Verlegen blicke ich zur Seite, als schon eine Hand eifrig hochschießt und ich bin glücklich, als die junge Frau mit den Grübchen und den blauen Augen eifrig winkt. Erleichterung füllt meine Brust. Es ist unfair, aber die anderen machen mir Angst, sie sehen aus, wie ich mich fühle: leer.
„September Freitag …“
„Ich heiße jetzt Dannie!“, fällt September fröhlich Sunshine ins Wort. Sunshine verdreht die Augen und erwidert: „Der wievielte Name ist das jetzt?“
„Nummer 23“, sagt Dannie, ohne ihr Lächeln abzulegen.
„Wegen dir wird noch eine maximale Namenszahl festgelegt.“ Auch wenn Sunshines Worte hart klingen, so ist ihr Lächeln liebevoller, als ich es bisher gesehen habe.
„Bei diesem habe ich ein gutes Gefühl“, erwidert Dannie leichtherzig.
„Also gut, Dannie, du kennst ja die Aufgaben eines Paten. Oktober Montag, Dannie wird dich zu ihrem Stundenplan mitnehmen, bis du deinen eigenen bekommst. Folge ihr einfach. Sie wird all deine Fragen beantworten.“
Und in diesem Augenblick glaube ich an Sunshines Worte und lege alles, was mich im Moment ausmacht, vertrauensvoll in Dannies Hände. Als die anderen vorgestellt werden, entgeht mir nicht, dass wir einen Jahreszyklus bilden. Von Januar bis Dezember ist alles vertreten. Bin ich der Ersatz für den vorhergehenden Oktober? Falls ja, was ist mit meiner Vorgängerin geschehen?
Sunshine lässt uns eine Stunde zum Kennenlernen, bevor der Tagesablauf beginnt. Dannie scheint mit ihrem Redeschwall die Stille und Zurückhaltung der anderen übertönen zu wollen. Ich versuche zuzuhören, doch mehr als Wortfetzen dringen nicht zu mir durch.
„… Ruhe findet man hier genug … wenig Aufregung … interessanter Unterricht … regelmäßige ärztliche Untersuchung … freundliche Lehrer … langweiliges Essen … große Bibliothek … zu wenige Kinonächte und Tanzabende…“
Mein Kopf schwirrt und ich kann Informationen nicht von Meinungen und Wertungen trennen. Alles verschwimmt zu einer homogenen Masse. Dannies Stimme wird Teil der Hintergrundgeräusche. Alles, woran ich denken kann, ist, dass ich an einem Montagmorgen im Oktober wiedergeboren bin und in kurzer Zeit mein erstes Frühstück zu mir nehmen werde. Nach einem Anker suchend, hafte ich meinen Blick an das Abteil, das man mir zugesprochen hat, konzentriere mich auf den wenigen Raum, der nur für mich bestimmt ist.
Mein Platz in dieser seltsamen Gemeinde.
Ein Bett, ein Schrank und ein Schreibtisch. Neutral, kahl und weiß. Nichtssagend. Mein Blick schweift zu den anderen Betten und Dannie zählt sofort auf, wer wo schläft. Das System ist simpel wie die Namensgebung. Dannie ist die einzige, die ihren Namen geändert hat. Rechts neben mir ist Novembers Bett. Obwohl sie meiner Vermutung nach fast ein Jahr hier ist, finde ich nichts Persönliches auf ihrem Bett oder ihrem Schreibtisch. Alles sieht neu und unbenutzt aus. Als hätte sich November selbst gerade erst aus dem Ei gepellt. Genauso bei Dezember, Januar, Februar bis hin zu August.
Nur der September ist anders. Dannies Bett ist etwas unordentlicher als die der anderen, Bücher und Hefte liegen wild verteilt auf dem Tisch und geben ihrer Ecke, die direkt neben meiner ist, eine persönliche Note. Es sieht im Vergleich zu den anderen unordentlich aus und doch verwandelt sich bei Dannie Unordnung in etwas Warmes, Vertrautes. Ein Wort sticht wie eine spitze Nadel in mein Herz: heimisch. Heimat … Zuhause.
Ein weiteres Wort, dessen Bedeutung ich nicht ganz fassen kann. Ist dieses nichtssagende Bett mein Zuhause? Mein Zufluchtsort? Sind die Mädchen und Frauen, die mich umgeben, meine Familie? Mein Blick trifft Dannie und die Unruhe verschwindet, wird ertränkt in dem Schwall von Wörtern, aber vor allem in dem aufgeregten Glitzern in ihren Augen und in der Wärme ihres Lächelns. Und ich habe das Gefühl, dass ich mich hier geborgen fühlen könnte.
Doch dann lenkt Dannie meine Aufmerksamkeit auf die Sanitäranlagen. Die Wände um die Duschen sind … durchsichtig! Die Wände um die Toiletten … sind durchsichtig! Ungläubig starre ich Dannie an, die zum ersten Mal den Mund hält und mich genau beobachtet. Etwas Bösartiges leuchtet in ihren Augen auf, als sie mich in einen der vier gläsernen Kuben zieht. Und mein Herz bleibt stehen vor Glück, als sich die Fronte um uns verdunkeln.
Ein glockenklares Lachen schallt durch das Bad.
„Du hast doch nicht wirklich gedacht, dass wir dies und jenes und das da vor aller Augen machen, oder?“ Ich schüttle lächelnd den Kopf, auch wenn ich mir eingestehen muss, dass ich für kurze Zeit wirklich Angst gehabt habe.
„Du musst jedoch achtgeben! Die Scheiben bleiben 20 Minuten dunkel. Sobald das Licht ausgeht, werden die Scheiben wieder durchsichtig. Egal ob du dieses oder jenes gerade machst. Auch bei den Duschkabinen.“ Ich nicke langsam und bin froh um das kleine bisschen Privatsphäre in dieser gläsernen Welt.
„Ein Bad ist auf drei von uns ausgelegt. Es gibt einen Nutzungsplan und einen Reinigungsplan. Wir halten hier alles selbst sauber. Mutter Sunshine erstellt die Pläne. Wenn du also Beschwerden hast, kannst du dich an sie wenden. Auch wenn das nicht viel bringen wird. Glaub mir, ich habe es versucht und bin eine Woche lang alleine für unser Bad eingeteilt worden. Es ist einfach übertrieben, das ganze Bad zwei Mal am Tag zu putzen. Man könnte die Zeit so viel sinnvoller nutzen. Schlafen, lesen, tanzen, Musik hören … Aber es ist wirklich besser, du behältst diese Meinung für dich. Es hat Tage gedauert, bis ich das Gefühl hatte nicht mehr nach Zitrone oder Meeresbrise zu duften … Riech mal! Riechst du was?“
Dannie hält mir ihre Hand unter die Nase und ich schüttle den Kopf, obwohl ich einen Geruch einfange, der wirklich salzig riecht … salzig wie das Meer. War ich schon einmal am Meer? Woher weiß ich, wie das Meer riecht? Dannie plappert fröhlich weiter. Anscheinend hat sich mein Gehirn an ihre Redeweise gewöhnt und ich schaffe es, ihr eine Weile zu folgen und meine Nervosität zu vergessen, als wir uns gemeinsam in die Kantine aufmachen.
Der Gedanke an mein allererstes Frühstück verursacht ein seltsames Kribbeln in meinem Bauch und Dannie beruhigt mich lachend.
„Es ist nichts Besonderes. Jeden Morgen gibt es das gleiche. Langweilig, aber nahrhaft. Mutter Sunshine sagt, dass wir dankbar sein müssen, etwas zu essen zu haben.“
Heißt das, nicht jeder hat etwas zu essen, frage ich mich und es kommt mir falsch vor. Doch bevor ich weiter darüber nachdenken kann, ertrinken meine Gedanken in einem Meer aus Weiß und ich fühle, wie ich mich auflöse. Unzählige Frauen, in dem gleichen Gewandt gekleidet, bilden eine Masse, die sich synchron wie ein riesiges Lebewesen bewegt. Der Einzelne wird zu einer kleinen Zelle, die genau ihren Platz kennt, ihre Aufgabe. Wie soll ich mich in dieses System, das Zahnrad an Zahnrad passgenau konstruiert ist, eingliedern?
Möchte ich das überhaupt?
Wie sollen wir uns in dieser nichtssagenden Welt finden? Ein Ich aufbauen, wo nur ein Wir existiert? Ich bin überwältigt von der Gleichheit, den ausdruckslosen Gesichtern. Alleine Dannies aufmunterndes Lächeln gibt mir Hoffnung. Und ihre Worte schenken mir ein Rückgrat, als sie leise in mein Ohr flüstert: „Du bist nicht wie sie. Das habe ich gleich gesehen. In dir brennt ein Licht.“ So leise, dass es auch meine eigene Gedanken sein könnten, doch es hilft. Ich lächle und finde die Kraft, zu schwimmen und gegen das Ertrinken anzukämpfen.
Unsere Gruppe von zwölf stellt sich an eine Schlange an. Jeder bekommt ein Tablett mit dem gleichen Inhalt. Eine graue Masse, eine braune Flüssigkeit. Wir setzen uns gemeinsam an einen freien Tisch. Ich bin mir noch nicht sicher, doch ich glaube, dass wir unseren Namen nach einen Kreis bilden.
Ich stochere skeptisch in der grauen Masse. Dannie stößt mir einen Ellenbogen in die Rippen und ich zwinge meine Hand ein wenig von der seltsamen Paste auf den Löffel zu schaufeln und führe ihn zu meinen Lippen, schiebe den Inhalt vorsichtig in den Mund und verziehe das Gesicht in Erwartung eines scheußlichen Geschmacks. Doch es schmeckt nach nichts. Überrascht und zu meinem Erstaunen enttäuscht, nippe ich an dem braunen Getränk. Es schmeckt wie Tee. Lauwarmer Kräutertee.
„Und es gibt jeden Tag das Gleiche zum Frühstück?“, frage ich in der Hoffnung, dass Dannie mich auf den Arm genommen hat. Ein Witz in einer Welt der Gleichheit. Ich bin nicht überrascht, als Dannie traurig bejaht.
„Aber das Mittagessen variiert! Es gibt sieben verschiedene Gerichte!“ Ich kann mir denken, dass auch diese im gleichen Zyklus immer und immer wiederkehren. Doch ich behalte meine Gedanken für mich. Ich habe nicht das Recht, mich über etwas zu beschweren, das man mir einfach so gibt, ohne eine Gegenleistung zu erwarten. Oder?
„Dannie“, frage ich zögerlich, „arbeiten wir?“
Dannie schüttelt den Kopf und erklärt: „Im ersten Jahr sind wir Schüler, die nach sich selbst suchen und einer Aufgabe, die ihnen Erfüllung bringt.“
Ich blicke mich um und suche in den Gesichtern nach einem Funken, der verrät, dass sie an irgendetwas Interesse haben. Viele sind es nicht, die ich ausmachen kann. Die meisten löffeln ihre graue Paste wie gehorsame, kleine Roboter in sich hinein.
„Wie kommt es, dass Mutter Sunshine so fröhlich ist, wenn alle um uns so … so … apathisch sind?“
Dannie blickt sich verstohlen um und flüstert dann leise: „Soweit ich das nach nicht ganz einem Monat beurteilen kann, ist für jeden die Wiedergeburt individuell. Ich habe ein Mädchen gesehen, das sich ständig in die Hose gemacht hat, weil sie nicht wusste, wann sie auf die Toilette muss. Wie ein Baby. Sie musste erst lernen, wann ihr Körper was für Bedürfnisse hatte. Andere haben Sprachprobleme. Aber die meisten sind am Anfang nur willenlose Puppen. Und dann gibt es solche wie dich und mich. Wir erinnern uns zwar nicht an unsere Vergangenheit, darüber hinaus jedoch arbeiten unsere Gehirne normal. Die kognitiven Prozesse funktionieren reibungslos. Jeder Neugeborene hat seine eigenen Bedürfnisse, daher hat jeder auch einen individuellen, auf sich ausgerichteten Unterrichtsplan.“
„Unterrichtsplan …“, wiederhole ich und versuche zu verarbeiten, was ich gerade gehört habe. Dannie nickt und öffnet wieder den Mund und ich schiebe schnell noch eine Frage hinterher. Wer weiß, wann ich sonst wieder bei Dannies Redeschwall die Gelegenheit dazu bekomme. Ich wundere mich kurz, ob ihr Gehirn genug Sauerstoff bekommt und frage: „Werden die anderen mit der Zeit … normal?“
Dannie scheint es, zu meiner Überraschung, die Sprache verschlagen zu haben, und sie sieht mich kurz konzentriert an, bevor sie tief Luft holt: „In meiner Zeit hier, habe ich bei unseren Monaten kleine Fortschritte gesehen. Ich hoffe einfach ganz fest, dass es nicht nur Wunschdenken ist.“ Dann tritt eine ungewohnte Stille zwischen uns und ich werde unruhig. Nach den vielen Worten, fühlt sich Dannies Schweigen falsch an, wie eine Strafe. Also sage ich etwas, irgendetwas: „Wie sieht denn dein Unterrichtsplan aus?“
Ich atme erleichtert auf, als Dannie den Mund öffnet und sich ein Schwall an Informationen, Meinungen und Wertungen über mich ergießen.
„Morgens habe ich immer Ethik und Philosophie. Ich mag diese Gruppe. Da sind viele wie wir. Mädchen und Frauen, bei denen die kognitiven Prozesse wieder voll funktionieren. Die Neigungsfächer sind jeden Tag frei wählbar. Mutter Sunshine nennt es die Zeit der Findung. Es gibt verschiedene Kurse und man darf sich immer wieder neu entscheiden, wo man hin will. Im Moment werden Kochen, Malen, Töpfern, Nähen, Programmieren, Chemie und Mathematik angeboten. Das Programm soll sich ständig wechseln und sich unseren Bedürfnissen anpassen. Kannst du lesen und schreiben?“ Erwartungsvoll sieht Dannie mich an. Doch ich kann nur mit den Schultern zucken und flüstere: „Ich weiß es nicht.“
„Keine Sorge! Mutter Sunshine ist sicher schon dabei einen Test für dich zusammenzustellen. Nach deiner ersten Woche werden deine Fähigkeiten und dein Wissensstand gemessen und dein eigener Stundenplan erstellt. Oh, ich hoffe so, dass wir ein paar gemeinsame Fächer haben! Komm, ich zeige dir den Weg zu den Unterrichtsräumen!“ Dannie greift nach ihrem Tablett, springt auf und ich folge ihr zur Geschirrabgabe. Dann laufen wir verschiedene Glasgänge ab und meine Augen fressen sich an den bewegenden Stillleben fest. Wie in einem alten Schwarzweißfilm, sehe ich durch die Glaswände alles, doch kein Laut dringt an mein Ohr.
Dannie fliegt an leeren Räumen mit aneinandergereihten Stühlen vorbei, bis ans Ende eines langen Ganges. Sie setzt sich in die erste Reihe, zappelt unruhig vor sich hin und wird plötzlich ganz ruhig, als eine wunderschöne Frau den Raum betritt. Sie hat ein schmales Gesicht, in dem pastellgrüne Augen freudig leuchten. Sommersprossen bedecken jeden Tupfer Haut, den ich sehen kann. Feuerrote Haare fallen in Locken über ihre Schultern, bis zu ihrer Taille.
„Guten Morgen, Dannie! Wer ist denn deine neue Freundin?“ Dannies Wangen röten sich und sie stottert vor Aufregung: „Das i… ist Mo!“ Mo? Ich starre Dannie verblüfft an und hebe fragend eine Augenbraue.
„Besser als Om, oder?“ Ich muss lächeln und drehe mich der schönen Rothaarigen zu, die mir die Hand hinstreckt.
„Mein Name ist Aira. Herzlich willkommen, Mo! Im wievielten Monat bist du?“ Ich verstehe ihre Frage nicht und blicke hilfesuchend zu Dannie.
„Es ist heute ihr erster Tag. Ich bin ihre Patin!“, verkündet Dannie stolz.
„Dein erster Tag? Und du bist schon so fit? Alle Achtung! Ich unterrichte Philosophie, Ethik, Literatur, aber eigentlich würde ich am liebsten den ganzen Tag nur lesen. Da das leider nicht geht, versuche ich, andere mit meiner Leidenschaft anzustecken.“ Aira zwinkert mir zu.
„Ich … ich lese gerne! Mich haben Sie angesteckt!“ Aira lacht, streichelt Dannie über den Kopf und Dannie sieht so aus, als würde sie gleich vor Glück platzen. Ich muss lächeln und Aira bedenkt mich mit einem seltsamen Blick, den ich nicht deuten kann. Allmählich kommen andere Frauen und ein paar junge Mädchen in den Raum und setzen sich. Aira wendet ihre Aufmerksamkeit der ganzen Gruppe zu und ich kann Dannies Widerwillen, die Aufmerksamkeit ihrer Lehrerin mit anderen zu teilen, körperlich spüren. Ein leises Lachen entschlüpft meinen Lippen und wieder fange ich einen seltsamen Blick von Aira auf.
„Was wir für wahr halten, muss nicht wahr sein. Urteile können irren, Gefühle den Verstand verdrehen. Deshalb halten wir uns nur an unumstrittene Fakten und entscheiden vorurteilsfrei und basierend auf Tatsachen, die fundiert belegt sind. Vor allem für Neugeborene ist es schwierig, Situationen richtig einzuschätzen, da sie auf wenig oder keinen Erfahrungsschatz zurückgreifen können. Doch genau hier liegt auch die Freiheit. Ihr könnt frei von allen Stereotypen und Vorurteilen, nur auf Fakten basierend, Entscheidungen fällen. Neugeborene werden häufig als neutrale Jury bei schwierigen Prozessen eingesetzt. Haltet euch an die Werte, die euch hier vermittelt werden und ihr werdet nie wieder falsche Entscheidungen treffen. Und falsche Entscheidungen sind der Quell aller Probleme. Gestresste Menschen treffen häufig aufgrund von Emotionen Entscheidungen, die das Leben anderer negativ beeinflussen. Hier, bei uns, unter uns, seid ihr davor sicher.
Wir sind der Schutzwall, hinter dem ihr euch entwickeln und stärken könnt. Einige von euch werden so stark und in unseren Idealen verfestig werden, dass sie, wenn sie es wünschen, in die Gesellschaft zurückgeführt werden. Viele von euch jedoch werden ihr Leben hier verbringen, in dem sicheren Schoß der Menschen, die die gleichen Ideale teilen. Sprecht mir nach:
Ich spreche die Wahrheit. - Ich spreche die Wahrheit.
Ich helfe mit Freuden. - Ich helfe mit Freuden.
Ich bin bescheiden. - Ich bin bescheiden.
Ich liebe alle. - Ich liebe alle.
Ich teile, was ich besitze. - Ich teile, was ich besitze.
Ich arbeite hart. - Ich arbeite hart.
Ich vergebe. - Ich vergebe.
Ich bin wir. - Ich bin wir.
Die Worte im Chor gesprochen, haben Macht. Ich spüre die Energie und werde fortgerissen mit dem Strom. Dannies Augen glänzen und auch ich werde fortgetragen von dem Bild einer Welt, in der alles in Ordnung ist. Ich höre hin und mir gefällt das, was ich nicht höre, die Information, die im Stillen mitschwingt.
Eine Welt, in der
niemand lügt,
niemand anderen schadet,
niemand egoistisch ist,
niemand hasst,
niemand nach weltlichem Luxus strebt,
niemand faul ist,
niemand sich für etwas rächen muss,
niemand nur an sich denkt.
Ich wünsche mir diese Welt von Herzen und ich werde alles tun, um diese Welt zu formen und zu erhalten. Das Meer aus Weiß verliert seinen Horror. Die eintönige Gleichheit bekommt etwas Vertrautes, Tröstendes. Und die Worte Privat und Persönlich verblassen gegen das Strahlen einer Welt, in der alles in Ordnung ist. Ich gebe einen Teil von mir ab und werde zu einem großen Ganzen.
Meine Unsicherheit verfliegt und mit ihr der Argwohn. Ich möchte ein Teil dieser Gesellschaft sein, lernen und diese wundervollen Ideale weitergeben. Mein Herz schlägt schneller und ich tauche ein in pastellgrünes Mint. Als ich mich vorsichtig in dem kleinen Kreis umsehe, erblicke ich das gleiche Feuer, das in mir brennt, in den Augen aller. Wir sind nicht viele, doch die Frauen um mich, die so anders sind als die gesichtslosen und charakterlosen Wesen, die mich in der Kantine umgeben haben, zeigen mir einen Weg, den ich gehen möchte.
Mit Geduld, Zeit und viel Zuwendung, da bin ich mir sicher, werden aus den nichtssagenden Pflanzen blühende Rosen und farbenfrohe Schmetterlinge. Airas feurige Worte füttern das Licht in mir und ich weiß, ich werde alles tun, um eine Welt und eine Gesellschaft zum Blühen zu bringen, die auf Wahrheit, Rechtschaffenheit und Nächstenliebe aufgebaut ist. Es ist eine Welt, in der man gerne lebt. Was für eine schlechte Welt da draußen auch existiert, wie sehr sie die Menschen auch in Stücke reißt, mein altes Ich in Stücke gerissen hat, hier ist die Welt in Ordnung.
Und wenn wir im Kern stark bleiben, können wir unsere Welt in das Draußen tragen, bis auch Draußen zu unserem Kern gehört. Vielleicht bin ich wirklich gestorben und im Paradies gelandet. Die Suche nach mir selbst, die Fragen, die mir Kraft gegeben haben, sind nicht verschwunden, nur in den Hintergrund getreten. Ich möchte Teil des Wirs werden und mich selbst im großen Ganzen finden.
Dannie greift nach meiner Hand, blickt mir in die Augen, lächelt und flüstert: „Ich wusste, dass du es verstehen würdest!“ Ich drücke ihre Hand leicht und erwidere ihr Lächeln, freue mich hier sein zu dürfen.
Es ist eine Unbedachtheit, die meine neugewonnene Sicherheit ins Wanken bringt. Meine Ideale erzittern unter dem Aufprall eines Meteoriten, den ich nicht habe kommen sehen. Auch wenn sich der Krater, den er hinterlässt, mit Tränen füllt, um das Loch zu stopfen, das er in mein junges Ich gerissen hat, und der Boden, auf dem ich mich bewege, oberflächlich gesehen glatt ist, muss jeder Tritt kalkuliert und vorsichtig gesetzt werden, wenn ich nicht in dem See meiner gespalteten Ideologie ertrinken will.
Es ist ein Tag wie jeder andere. Ich habe den Überblick verloren und doch ist seit meiner Wiedergeburt nur ein Monat vergangen. Ich fühle mich gut.
Die Mädchen, mit denen ich mein Zimmer teile, sind etwas indifferent. Doch jeder Tag bringt sie einem Lächeln näher.
Ich genieße es, mich freuen zu können, und lächle für sie mit, verstehe Sunshines Bedürfnis, Freude zu schenken und Lächeln zu ernten. Meine Ausbeute ist mager und würde ohne Dannie ins Minus rutschen. Doch ich sage mir immer wieder, dass jedes freundliche Wort, jede selbstlose Geste meine Mitmenschen in die richtige Richtung lenken könnte.
Die wenigen Lächeln, die ich ernte, wirken wie gespielte Routine und verlieren im Mimikry seine Bedeutung. Eine Geste, der die Freude nicht abhandengekommen ist. Nein. Eine Geste, deren Sinn nicht verstanden wird. Noch nicht, sage ich mir und lächle weiter. Und solange mich Dannie morgens strahlend begrüßt, weiß ich, kann ich alles schaffen. Können wir alles schaffen.
Das kleine Licht tief in mir drin flackert jedes Mal freudig auf, wenn ich Dannie sehe, und wächst ein kleines bisschen mehr. Es ist immer noch außerhalb meiner Reichweite, aber ich kann seine tröstende Wäre spüren. Und so füttere ich es immer weiter mit Airas Idealen und träume von einer Welt des Friedens und der Freundlichkeit. Friedlich ist meine Welt schon, es fehlt nur noch die ehrlich gemeinte Freundlichkeit und hierfür muss ein jeder beitragen, was er kann.
Ich beeile mich im Bad, um den durchgeplanten Tagesablauf nicht zu stören. Wie ein Schatten versuche ich mich in die Masse des Weiß zu integrieren, weiche, wo Platz benötigt wird, und helfe, wo ich kann. Laut Mutter Sunshine mache ich gute Fortschritte und integriere mich schneller als erwartet. Meine Wiedergeburt sei perfekt abgelaufen, sagt sie. Alles notwendige Wissen ist intakt geblieben, während die dunklen Erinnerungen verloschen sind. Wenn ich so weiter mache, wird vielleicht sogar eine Rückkehr möglich, sagt Aira. Das Wort Rückkehr macht mir Angst. Was soll ich in einer Welt, die mein altes Ich willentlich verlassen hat? Ich verstehe den Drang der anderen, hier im sicheren Nest zu bleiben, wenn da draußen so viel Dunkelheit und Falschheit lauert.
Sunshines und Airas Worte klingen in mir nach, machen mich glücklich und gleichzeitig traurig. Wenn eine Rückkehr etwas Besonderes ist, bedeutet das, dass nicht jeder zurückkehrt. Und das macht mich zu etwas Besonderem. Ich will in der Masse verschmelzen, ein Teil der idealen Welt sein und doch verführt der Gedanke, speziell zu sein und sich von den anderen abzuheben. Ich habe aber vor allem Angst davor, die neugewonnene Sicherheit verlassen zu müssen.
Was bedeutet Rückkehr? Wohin soll ich zurückkehren, wenn alles, was ich kenne, hier versammelt ist? Wenn alles, was ich liebe und brauche, mir in Dannies Lächeln entgegenstrahlt? Ich will nicht zurück in eine Welt, die mein altes Ego gebrochen hat. Eine Gesellschaft, die mein altes Ich dazu getrieben hat, mich und alles, was mir je passiert ist, vergessen zu wollen.
„Ist alles in Ordnung, Mo?“
Ein Lächeln huscht über mein Gesicht. Dannie weigert sich mich Oktober oder Montag zu nennen. Ich kann ihr nicht böse sein, auch wenn sie mir mein Recht, einen Namen zu wählen, entrissen und sich zu eigen gemacht hat, gehe ich auf in diesen zwei Buchstaben. Mo. Es fühlt sich richtig an, wenn es aus ihrem Munde kommt.
„Mir geht es gut, Dannie“, antworte ich lächelnd.
„Dann solltest du etwas essen. Du stocherst seit Ewigkeiten in deinem Mittagessen herum!“ In ihrer Stimme klingt Sorge mit, wo Vorwurf herrschen sollte.
Essensverschwendung wird nicht gern gesehen. Man hat uns erzählt, dass es Menschen gibt, die hungern und alles tun würden für ein Stück Brot. Hunger … das Wort bedeutet mir etwas, doch ich kann es nicht fassen. Es müsste mehr als ein Wort sein, ein Gefühl und doch klingt es leer. Bevor ich darüber nachdenken kann, entschlüpft der Gedanke meinem Mund: „Ich möchte wissen, wie es ist hungrig zu sein.“
Dannies Augen weiten sich vor Schreck. Und meine Wangen brennen vor Scham. Ich bin undankbar. Meine Hand zittert, als meine Gabel Gemüse aufspießt und in meinen Mund schiebt. Dannie blickt zu mir, dann zu ihrem Essen. Ihre Augen glitzern, ihr Mund bewegt sich, doch ich kann nicht verstehen, was sie sagt. Ihr Blick wird dunkel. Wie eine vollgegossene Tasse schwappen ihre Augen über und eine Träne kullert ihre Wange hinunter. Sie blinzelt, wischt sie ab.
„Dannie? Alles okay?“ Sie blinzelt wieder, nickt und lächelt mich an.
Doch statt Freude durchsticht Traurigkeit mein Herz. Etwas hat Dannies Licht getrübt. Einen Film der Traurigkeit über ihren Glanz gelegt. Und ich habe das Gefühl, ich hätte ihr etwas genommen. Meine Worte haben ihr etwas entrissen und sich zu Eigen gemacht, aus purem Egoismus.
Ich bin sprachlos, weiß nicht, was ich getan habe und wie ich es wieder gut machen kann. Schweigend gehen wir zum Unterricht. Wir sprechen kein Wort und ich verliere bei meinem Schal eine Masche nach der anderen.
Handarbeit liegt mir nicht. So viel wusste ich schon nach der ersten Stunde und doch besuche ich den Unterricht, weil Dannie hier ist. Irgendwie habe ich es bei meinem Einstufungstest geschafft, in keinem von Dannies Kursen zu landen. Und so bleiben uns nur die freien Kurse. Auch wenn ich lieber Stunden in der Bibliothek verbringen würde, sitze ich in Stricken, nur um bei Dannie sein zu können. Ich fühle mich etwas albern dabei, doch ich kann einfach nicht anders.
Ich habe zwei linke Hände. Und während Dannie normalerweise alles wie ein Schwamm in sich aufsaugt und mit ihren Händen zaubern kann, hat ihr Schal mehr Löcher als meiner. Die Lehrerin ruft sie raus und Dannie kommt mit roten Augen wieder. Der Schal bekommt mehr Löcher.
„Dannie …“, flüstere ich leise und obwohl ich die Konzentration der anderen stören könnte, ist mir das jetzt egal. Sie schüttelt nur den Kopf und presst die Lippen aufeinander. Ich packe sie an der Hand und zerre sie aus dem Unterricht. Man starrt uns an, lässt uns jedoch gewähren. Ich ziehe sie an den Glaswänden vorbei in den einzigen Raum, der uns für kurze Zeit etwas gibt, das ich geglaubt habe nicht mehr zu brauchen: Privatsphäre.
Das Klicken des Schalters ist das Go unserer Stoppuhr. Die öffentlichen Toiletten geben uns nur 10 Minuten. Ich ergreife Dannies Hände, drücke meine Lippen auf ihren Handrücken.
„Was ist los?“, flüstere ich, als hätte ich ein Geheimnis. Dannie presst die Lippen aufeinander und schüttelt den Kopf. Tränen steigen in ihre Augen. Ich nehme sie in den Arm und streichle über ihren Kopf, wie es Sunshine tun würde.
„Du kannst mir alles erzählen“, sage ich und wiege sie hin und her.
„Schwörst du, es niemandem zu sagen?“, flüstert sie leise.
„Natürlich! Wir sind doch Freunde.“ Freunde … weiß ich überhaupt, was Freundschaft bedeutet? Soweit es meine Erinnerungen betrifft, habe ich noch nie eine Freundin gehabt. Dannie versteift sich in meinen Armen. Habe ich das Wort, dessen Bedeutung ich noch nicht nachempfinden kann, zu früh ausgesprochen? Mich geirrt? War es nur Freundlichkeit, die Dannie mir gezeigt hat und keine Freundschaft?
„Ich … ich erinnere mich.“ Die Worte sind nicht existent. Sie dürfen nicht wahr sein. Ich rücke von Dannie ab und blicke in ihre tränenden Augen. Freude kämpft in mir mit Neid und Angst.
„An was erinnerst du dich?“, wage ich kaum zu fragen und muss es doch wissen. Wie es wohl ist, sich zu erinnern? Zu wissen, wer man war?
„Es ist ein Gefühl, … das ich nicht kennen sollte. Ich erinnere mich daran, wütend zu sein und zu hassen. Ich hasse den Hunger und bin wütend über die Ungerechtigkeit. Etwas Schlimmes ist passiert. Ich spüre Trauer in mir und so viel Hass.“ Während sie spricht, sehe ich die Schatten in ihren Augen tanzen. Ist das Wut oder Hass?
„Was … was ist passiert?“, frage ich zögerlich. Die Verantwortung wiegt schwer auf meinen Schultern. Meine Worte haben Dannies Damm gebrochen. Doch sie schüttelt den Kopf.
„Ich weiß es nicht. Da sind Menschen um mich … ich … ich bin angekettet, kann mich kaum bewegen. Dann ist da nur noch Wut und Hass …“ Ihr kleiner Körper zittert unter meinen Händen.
„Versprich mir, dass du niemandem davon erzählst! Ich … ich habe Angst …“ Tränen steigen mir in die Augen, ich presse den kleinen, dünnen Körper an meinen.
„Ich verspreche es, Dannie.“ Sie weint in meinen Armen, bis das innere Licht ausgeht und wir wieder den Augen aller preisgegeben werden.
„Lass uns in unser Zimmer gehen, du ruhst dich aus und ich lese dir etwas vor“, sage ich und Dannie nickt. Ich nehme ihre kalte Hand und ziehe Dannie in Richtung unseres Quartieres.
Die anderen sind alle im Unterricht. Wir sehen sie in ihren Glasquadraten und sie sehen uns. Und ich wünsche mir nichts mehr als Dunkelheit, die uns verschluckt, die uns Schutz gibt vor den neugierigen Blicken. Ich mache mich so groß und breit wie möglich, will Dannie mit meinem Körper von den Blicken abschirmen, doch sie haben von allen Seiten Zugang und ich komme mir vor wie eine zweidimensionale Zeichnung in einer dreidimensionalen Welt.
Als wir endlich nach dem Spießrutenlauf in unserem Zimmer ankommen, helfe ich Dannie beim Entkleiden, decke sie bis zur Nase zu, setze mich auf die Bettkante und greife nach einem Buch, das ich vor wenigen Tagen in der Bibliothek gefunden habe. Ich war so glücklich, als ich herausgefunden habe, dass ich lesen kann. Es ist eine seichte Geschichte über einen kleinen Jungen, der von Planet zu Planet hüpft, auf der Suche nach Freunden.
Ich bin noch nicht sehr weit gekommen, als Sunshine ans Bett tritt. Ihr Gesicht ist voller Sorge.
„Was ist mit Dannie?“, fragt sie leise. Ein Blick verrät mir, dass Dannie eingeschlafen ist. Ich öffne den Mund, doch bevor die Worte herauspurzeln können, fange ich sie ein, verdrehe sie und höre mir selbst entsetzt zu, wie ich lüge.
„November hat doch in wenigen Tagen ihren Abschluss. Dannie hat Angst, dass wir sie nie wiedersehen werden. Ich … ich fühle mich auch etwas unwohl. Wir haben uns doch gerade erst kennengelernt. Es ist schwer, jemanden gehen zu lassen.“ Meine Wangen brennen und ich kann Sunshine nicht in die Augen blicken. Ich habe in einem Monat nur wenige Sätze mit November gewechselt. Sie ist sehr distanziert und wirkt … leer, wie so viele andere. Wenn ich mir gegenüber ehrlich bin, freue ich mich ein wenig, dass sie bald nicht mehr da sein wird.
Sunshine setzt sich neben mich, nimmt mich in den Arm und streichelt mir über den Kopf: „Veränderung ist ein Teil unseres Lebens. Es muss nichts Schlechtes sein. November Sunday mag euren direkten Umkreis verlassen, aber sie macht auch Platz für jemand neues.“
Ich nicke und flüstere: „Danke!“, während ich nicht weiß, wie ich je wieder in den Spiegel blicken soll. Ich habe Sunshine angelogen. Ich habe eine der wichtigsten Regeln gebrochen.
Ich spreche die Wahrheit –
wird in einem Herzschlag zu –
Ich lüge.
Ich kann körperlich spüren, wie die Wahrheit aus mir fließt und die Lüge von mir Besitz ergreift. Es ist nur ein Korn, verglichen mit dem Sand in einem Stundenglas. Doch die Lüge frisst sich langsam an der Wahrheit satt, bis sie alles verseucht hat.
Sunshine drückt mir einen Kuss auf den Scheitel und lässt uns allein.
So allein man in einem gläsernen Käfig sein kann. Ich erschrecke über meinen Gedanken. Das hier ist mein Zuhause. Ich bin hier geboren, nicht eingesperrt.
Zweifel nagt an mir, als meine Augen Dannies Gesicht suchen. Darf die Wahrheit einem Versprechen geopfert werden? Wie weit kann ich gehen, um ein Versprechen zu halten, an dem meine erste Freundschaft hängt?
Etwas Dunkles in mir wird geboren. Ich kann es fühlen. Die reine Liebe, die ich seit dem ersten Lächeln für Dannie gespürt habe, wird trüb. Ein Schatten legt sich über sie. Was ist es? Ich grüble, forsche und analysiere.
Als ich zu einem Ergebnis komme, hüpfe ich entsetzt vom Bett, entferne mich von Dannie. Doch das Gefühl bleibt. Ich mache Dannie Vorwürfe. Ich bin ihr böse, weil sie mich in diese Situation gebracht hat. Sie ist schuld am Tod meiner reinen Wahrheit. Ich habe zum ersten Mal gelogen und fühle mich schmutzig.
Dannies Gesicht verzerrt sich. Sie wirft den Kopf hin und her. Schweiß tritt auf ihre Stirn. Ich schiebe die negativen Gefühle beiseite, nehme ihre Hand und streichle über ihren Kopf.
Ich helfe mit Freuden.
Kann ich nicht mehr sagen.
Ich helfe aus Pflichtgefühl.
Reicht das? Oder habe ich noch einen Teil meiner Reinheit verloren? Bin ich das schwarze Schaf in einer weißen Herde? Ich schäme mich, weil ich Dannie die Schuld gebe und kann doch nicht anders. Bin ich ein schlechter Mensch? Am liebsten würde ich mich auch in mein Bett verkriechen und die Decke über den Kopf ziehen. Mein hässliches Ich vor der Welt verstecken.
Die Tage kommen und gehen. Dannie wird immer blasser. Ihr bereits schlanker Körper schrumpft, die Schatten unter ihren Augen werden tiefer. Ich frage nicht mehr, woran sie sich erinnert. Fadenscheinig kann ich es Rücksicht nennen. Aber ich weiß es besser. Ich kenne meine dunklen Gefühle. Ich möchte es nicht wissen. Ich will nicht noch mehr lügen.
Eines Nachts wird es so schlimm wie nie. Dannie wirft sich hin und her, schreit. Als ich sie wachrüttle, schlägt sie um sich, flucht, wie ich es noch nie zuvor gehört habe.
„Dannie, bitte, komm zu dir! Ich will dir nur helfen.“
Die anderen schrecken ebenfalls hoch. Sie starren uns einfach nur an, rühren keinen Finger.
Diese verfluchten, gefühllosen Roboter, denke ich und stelle entsetzt fest, dass dieser Gedanke mir nicht neu ist, dass er von Anfang an in mir gelauert hat, um zum richtigen Zeitpunkt an die Oberfläche zu preschen.
Und jetzt ist der richtige Zeitpunkt. Der Zeitpunkt für negative Gefühle wie Zweifel, Ärger, Unsicherheit. Ich fühle mich wie an dem Tag meiner Wiedergeburt. Einsam und unsicher. Ängstlich und zweifelnd. In einem Moment zerbricht mein sicherer Hafen, meine Hoffnungen und Träume auf eine ideale Zukunft. Der Traum von einer perfekten Gemeinschaft zerbricht an mir selbst. Wie kann ich nur so willensschwach sein?
„Nein! Sie wollen mir alles nehmen. Das Bisschen, das ich habe, wollen sie mir wegnehmen!“, schreit Dannie. Meine süße Dannie verzieht das Gesicht in Hass, Wut und Angst. Als hätte sich ein Monster in sie geschlichen und alles aufgefressen, was ich an ihr schätze. Ihre Lebensfreude, die Leichtigkeit ihres Lächelns und die Fröhlichkeit ihres Lachens. Es ist so einfach einen positiven Menschen zu mögen, sich mit ihm zu umgeben und sich von seinem Licht zu nähren. Doch wie soll ich ein Monster in meinem Herzen toben lassen? Es wird mich von innen heraus zerfetzen.
Dannie bäumt sich auf, ich nehme sie gewaltsam in meine Arme, versuche an meinen Gefühlen festzuhalten, in dem keifenden Wesen, das nach mir schlägt, meine Dannie zu sehen. Ihr Körper ist schwach, sie kann sich nicht lange wehren, liegt zitternd in meinen Armen und ich treffe eine Entscheidung.
„Holt Sunshine!“, sage ich zu niemand bestimmten.
Werden die Apathen reagieren? Mehr tun, als einfach nur zu existieren, und endlich handeln? Können sie Befehle ausführen? Ein hässlicher Gedanke kommt mir: Gibt es Rettung für leere Geister, die über ein Jahr nur Wärme, Licht und Liebe erfahren haben und doch nicht wachsen? Ich schrecke vor dem Gedanken zurück, als hätte ich mich verbrannt. Sie sind hilfsbedürftig, sie brauchen Zuspruch und Führung.
Bevor ich mich in meine Negativität steigern kann, kniet Sunshine neben Dannies Bett.
„Was ist nur los mit Dannie?“, fragt sie voller Sorge und ich würge die Wahrheit aus mir heraus: „Sie erinnert sich.“ Alle Farbe weicht aus Sunshines Gesicht und sie befielt in einem harschen Ton, den ich noch nie bei ihr gehört habe: „Raus! Alle raus!“ Die Mädchen eilen zur gläsernen Tür. Ich will aufstehen und ebenfalls gehen, aber Sunshine sagt: „Du bleibst hier, Oktober Montag!“ Ich verharre. Als die anderen alle draußen sind, drückt Sunshine etwas an ihrem Armband, das rot pulsiert und die Welt um uns herum wird schwarz.
Angst füllt mein Herz, als zusätzliche Lampen angehen. Es dauert, bis mein Gehirn versteht, was passiert ist. Die Glaswände haben sich verdunkelt, wie in den Badezimmern. Sie riegeln die Krankheit ab! Werden sie die verseuchten Zellen mitsamt Arm amputieren? Sorge webt ihr giftiges Netz um mein Herz. Bin ich Teil des Geschwüres? Wird man auch mich entfernen?
Männer in schwarzen Anzügen betreten den Raum, reißen mich von Dannie weg. Seit meiner Wiedergeburt sind es die ersten männlichen Wesen, die ich sehe und sie machen mir Angst. Ihre Gesichter sind ausdruckslos, wie die der anderen. Sie sind grob und kräftig. Ihre Hände tun mir weh.
Ich habe nichts Falsches getan, will ich schreien und weiß es doch besser.
„Bringt Oktober in den Verhörraum! Dannie ins Labor!“ Die Männer hören auf Mutter Sunshine, packen Dannie an Armen und Beinen, schleppen sie zur Tür.
„Nein!“, schreit Dannie. Ihre Stimme schneidet wie Messer in mein Fleisch.
„Du hast es versprochen, Mo! Du hast versprochen, es niemandem zu sagen!“ Sie tritt um sich. Dann trifft mich ihr Blick und sie wird ruhig. Das letzte, was ich höre ist: „Sie werden mich wieder töten und es ist deine Schuld, Mo.“
Ich zittere. Ich bin erleichtert. Ich habe die Wahrheit wieder. Doch der Moment des Glücks hält nicht an. Mir wird klar, dass ich Sunshine die Wahrheit nicht um Dannies Willen gesagt habe. Purer Egoismus war mein Führer. Ich wollte die Schuld los werden, das schlechte Gewissen.
Die Tür öffnet sich und anstatt in eine Welt aus Glas, starre ich auf schwarze Wände. Schwarz, die Farbe der Trauer. Ich heule auf. Etwas pikst mich im Nacken und die Welt wird dunkel, wie mit Ruß bemaltes Glas.
Als ich zu mir komme, schmerzt mein Kopf. Ich bin an einen Stuhl gefesselt. Wie am Tag meiner Wiedergeburt, saugen sich Elektroden in mein Hirn. Ein Scheinwerfer blendet mich. Ich höre das Rascheln von Kleidung.
„Mutter Sunshine?“, krächze ich. Wo ist meine Sicherheit? Wo ist meine ideale Welt? Ich bin im freien Fall und suche nach einem Netz, das mich auffängt. Wird Sunshine mich auffangen oder auf der kalten Erde zerschmettern lassen?
„Ich bin hier, meine Tochter“, erwidert sie mit kalter Stimme. Alle Wärme ist verschwunden. Was habe ich nur getan?
„Was passiert mit Dannie? Wo hat man sie hingebracht?“, frage ich und kneife die schmerzenden Augen zusammen.
„Wir kümmern uns um Dannie. Es wird ihr bald wieder gut gehen. Doch jetzt solltest du an dich denken.“
Ich huste.
„Wie lange weißt du, dass sie sich erinnert?“ Es ist Sunshines Stimme und doch nicht. Sie ist bar jeder Emotion. So habe ich sie noch nie erlebt. Angst schwappt über mich und ich reiße an meinen Ketten.
„Wie lange weißt du, dass sie sich erinnert?“, fragt Sunshine erneut.