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Hermann Stegemanns vierbändige "Geschichte des I. Weltkrieges" gehört zu den umfangreichsten und detailliertesten Werken über die Jahre 1914 - 1918 mit insgesamt über 2200 Seiten in dieser Neuausgabe. Stegemann arbeitete während der Kriegsjahre für die Schweizer Zeitung "Der Bund" und schrieb die Kolumne "Zur Kriegslage", die in Teilen im Anhang der jeweiligen Bände zu finden ist. In diesem zweiten Band betrachtet er die Ereignisse im Westen und im Osten von Mitte September 1914 bis Februar 1915.
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Seitenzahl: 929
Geschichte des I. Weltkriegs
Band 2
HERMANN STEGEMANN
Geschichte des I. Weltkriegs, Band 2, Hermann Stegemann
Jazzybee Verlag Jürgen Beck
86450 Altenmünster, Loschberg 9
Deutschland
ISBN: 9783849680112
www.jazzybee-verlag.de
Vorwort1
Der Feldzug im Westen vom 12. September bis 15. November 1914. 5
Die Schlacht an der Aisne. 5
Nach der Schlacht an der Marne. 5
Franzosen und Engländer auf der Verfolgung. 6
Joffres Hoffnungen. 13
Nachhutkämpfe an Vesle und Aisne. 15
Der strategische Rückzug der Deutschen. 20
Die Kämpfe um das Nordufer der Aisne. 24
Die Kämpfe bei Reims und Craonne. 32
Die strategische Lage am 13.—14. September37
Die Wende der Schlacht39
Die Neubildung der strategischen Lage. 42
Betrachtungen zur Schlacht an der Aisne. 43
Das Ringen um die Westflanke. 46
Die Umfassungskämpfe an der Oise. 47
Die Stirnkämpfe zwischen Oise und Maas. 49
Die Umfassungskämpfe zwischen Oise und Somme. 52
Die Entwicklung der Fronten. 56
Die Eroberung des Camp des Romains. 63
Auf den Maashöhen. 65
Die rückwärtigen Verbindungen und die allgemeine Lage am 25. September66
Die Umfassungskämpfe an der Ancre. 70
Die Verschiebung der britischen Armee. 72
Die Umfassungskämpfe bei Arras und Lens75
Die Belagerung von Antwerpen. 81
Der letzte Ausfall der Belgier81
Die Lage der Festung. 82
Der Angriffsplan. 84
Der Kampf um die Retheforts. 87
König Alberts Hilferufe. 89
Der Fall der Retheforts. 90
Die Kämpfe an der Schelde. 92
Der britische Entsatzversuch. 93
Der Fall der Rethelinie. 94
Der Fall der Scheldelinie. 97
Die allgemeine Lage am 6. Oktober 1914. 99
Antwerpens Fall99
Der Rückzug der belgischen Armee. 102
Die Schlachtenfolge in Flandern. 105
Die Entwicklung des Feldzuges vom 3. bis 10. Oktober106
Die Schlacht bei Lille. 110
Die Schlacht bei Ypern (erste Phase)119
Die Schlacht an der Yser (erste Phase)123
Die strategische Lage am 22. Oktober129
Die Schlacht an der Yser (zweite Phase)131
Die Schlacht bei Ypern (zweite Phase)135
Die Schlacht bei Ypern (dritte Phase)138
Die Entwicklung des Feldzuges um die Oktoberwende. 143
Das Gefecht bei Vailly. 143
Die Schlacht an der Yser (dritte Phase)145
Die Schlacht bei Ypern (vierte Phase)147
Die Auswirkung des Feldzuges im Westen. 152
Stellungskrieg und innere Linie. 153
Die strategische Lage am 15. November 1914. 154
Der Feldzug im Osten vom 12. September bis 5. November 1914. 160
Der deutsche und österreichisch-ungarische Vormarsch auf Weichsel und San160
Der Rückzug der Österreicher und Ungarn auf den Dunajec. 160
Die Russen auf der Verfolgung. 162
Hindenburgs Abmarsch nach Süden. 164
Nikolai Nikolajewitschs Pläne und Vormarsch. 164
Die Vorkämpfe in den Karpaten. 168
Die strategische Lage vom 26. bis 28. September170
Der Vormarsch der Verbündeten in Südpolen. 175
Die Gegenmaßnahmen der Russen. 176
Die Treffen bei Opatow und Klimontow.. 179
Der österreichische Vormarsch und Nachhutkämpfe in Galizien. 181
Die Belagerung von Przemysl188
Die strategische Lage am 8. und 9. Oktober192
Die Schlachtenfolge um die San- und Weichsellinie. 199
Hindenburgs strategischer Entschluss vom 8. Oktober199
Der Vorstoß auf Warschau. 202
Die Schlacht bei Warschau (erste Phase)202
Die Schlacht am San (erste Phase)205
Die Kämpfe zwischen Njemen und Angrapa209
Die Schlacht am San (zweite Phase)215
Die Kämpfe um die Übergänge des Sanflusses. 216
Die Kämpfe am Dnjestr und am Strwiaz. 218
Die strategische Lage vom 13. bis 14. Oktober219
Die Schlacht bei Stary-Sambor und Chyrow (erste Phase)220
Die Schlacht bei Stary-Sambor und Chyrow (zweite Phase)223
Der Angriff der Österreicher auf Stryj225
Der Angriff der Österreicher am Strwiaz. 226
Die Schlacht bei Iwangorod (erste Phase)229
Die Schlacht bei Warschau (zweite Phase)231
Hindenburgs strategischer Entschluss vom 17. Oktober233
Die Schlacht bei Warschau (dritte Phase).236
Die Schlacht bei Iwangorod (zweite Phase)238
Der Einbruch der Russen am San. 239
Die Lage in Polen vom 20. auf den 21. Oktober241
Der Angriff Dankls auf Iwangorod. 243
Die Kämpfe an der Rawka. 246
Die Schlacht bei Iwangorod (dritte Phase)247
Die Schlacht an der Opatowka. 250
Die strategische Lage am 1. November253
Die Schlacht bei Stary-Sambor und Chyrow (dritte Phase)254
Der Rückzug der Verbündeten von Weichsel und San. 260
Der Rückzug der Österreicher und Ungarn. 260
Der Rückzug der Deutschen. 262
Die strategische Lage nach dem Rückzug der Verbündeten. 265
Der Feldzug im Osten vom 6. November bis 17. Dezember 1914. 267
Der Vormarsch der Russen auf die Angrapa, die Warta. 267
Die Hoffnungen des Großfürsten. 267
Die Lage der Verbündeten. 271
Der Plan der Verbündeten. 272
Die Neuordnung des österreichisch-ungarischen Heeres. 274
Die Kämpfe an der Angrapa und an den masurischen Seen. 276
Der Vormarsch der russischen Hauptarmee. 278
Die Schlachtenfolge in Polen und Galizien. 282
Mackensens Vormarsch. 282
Die Treffen bei Wloclawek und Lipno. 283
Die strategische Lage am 14. November285
Die Schlacht bei Kutno. 286
Die Gegenmaßnahmen der Russen. 287
Die Schlacht bei Lodz (erste Phase)289
Die Schlacht bei Lowicz (erste Phase)290
Die strategische Lage am 17. November und Hindenburgs neuer Entschluss291
Die Schlacht bei Lodz (zweite Phase)295
Die Schlacht bei Lodz (dritte Phase)298
Der Durchbruch von Brzeziny. 298
Die Schlacht bei Krakau und Tschenstochau. 311
Der allgemeine Gegenangriff der Russen. 315
Die Schlacht bei Lodz (vierte Phase)319
Das Treffen bei Belchatow und die Räumung von Lodz. 320
Die Schlacht bei Limanowa-Lapanow.. 324
Die Schlacht bei Lowicz (zweite Phase)343
Der allgemeine Rückzug der Russen. 345
Die Auswirkung des Zusammenbruchs der russischen Offensive. 347
Betrachtungen zum Feldzug in Polen und Galizien. 349
Der Feldzug im Westen vom 16. November 1914 bis 15. Februar 1915. 354
Die allgemeine Lage im Westen. 354
Das strategische Verhältnis im Stellungskrieg. 354
Die strategische Aufgabe der Franzosen und Engländer357
Die französischen Angriffe. 362
Die Kämpfe an der flandrischen Küste. 362
Die Kämpfe bei Ypern. 364
Die Kämpfe bei Lille. 365
Die Kämpfe bei Lens. 368
Die Kämpfe bei Arras. 371
Die Kämpfe bei Albert und Chaulnes. 372
Die Kämpfe an der Aisne. 373
Die Kämpfe in der Champagne. 375
Die Kämpfe in den Argonnen. 378
Die Kämpfe bei Verdun. 383
Die Kämpfe in den Nordvogesen. 388
Die Kämpfe in den Südvogesen. 390
Die deutschen Gegenangriffe. 404
Die Schlacht bei Soissons. 404
Das Treffen bei La Creute. 416
Der erste Kampf um den Hartmannsweilerkopf419
Betrachtungen zu den Stellungskämpfen im Westen. 422
Der Feldzug im Osten vom 17. Dezember 1914 bis 21. Februar 1915. 425
Die Flügelunternehmungen der Russen. 425
Die Kämpfe zwischen Njemen und Weichsel425
Die Kämpfe in den Karpaten. 427
Die strategische Lage um die Jahreswende. 431
Die Kämpfe im Weichselbogen. 436
Die Flügelunternehmungen der Deutschen und Österreicher445
Der Angriff des Südflügels in den Karpaten. 448
Die Kämpfe in der Bukowina. 448
Die Kämpfe im Raume Nadworna. 451
Die Kämpfe am Azsok- und am Beskidpass452
Die Kämpfe am Lupkow- und am Duklapass461
Der Angriff des Nordflügels in Masuren. 465
Die Winterschlacht in Masuren. 468
Die Auswirkung der Winterschlacht in Masuren. 489
Betrachtungen zur Winterschlacht in Masuren. 490
Schlusswort492
Aus den Betrachtungen zur Kriegslage. 494
Ein Jahr ist vergangen, seit der erste Band dieses Werkes aus der Hand des Verfassers ging, um ungekürzt und unverändert dem Druck übergeben und veröffentlicht zu werden. Er war zu einer Zeit geschrieben, da die meisten Quellen noch nicht auffindbar waren, die gefundenen noch wild sprangen und nur wenige von ihnen so gefasst werden konnten, dass sie Klarheit spendeten. Mit diesen Verhältnissen hatte der Verfasser von vornherein rechnen müssen. Er war daher verpflichtet, im Vorwort des Werkes von dem Wagnis zu sprechen, das mit der Veröffentlichung eines Buches verbunden sei, in dem der große Krieg in seinen inneren Zusammenhängen dargestellt werden sollte.
Seither sind manche Quellen sichtbar, manche geklärt und viele gefasst, sind Zuschriften an den Verfasser gerichtet worden, die über Einzelheiten Klarheit verbreiten, aber die politische und die strategische Auffassung, die im ersten Bande niedergelegt sind, haben dadurch keine Veränderung erfahren, so dass eine Bearbeitung des ersten Bandes — abgesehen von einzelnen Berichtigungen und Zurechtrückungen — unterbleiben konnte. Es scheint heute festzustehen, dass eine Überarbeitung des Werkes überhaupt erst in späterer Zeit nötig und möglich sein wird, denn die Grundzüge, die seinen Charakter bestimmen, beginnen sich aus dem Fluss des Geschehens und von dem wechselnden Hintergrund bewegter Empfindungen und beruhigter Betrachtungen allmählich so sehr abzuheben, dass sie sich der Wiederberührung entziehen, solange uns der Fluss das Ohr noch mit Brausen füllt und der Hintergrund noch von rasch ziehenden Gefühls- und Gedankenbildungen belebt wird.
Es liegt mir fern, in diesen Sätzen ein Werturteil in eigener Sache zu fällen, ich will nur eine Deutung zu geben suchen, die von den Einzelheiten zum Ganzen führt. Das geschieht, weil ich die Größe des Wagnisses und die Last der Aufgabe, die in der Herausgabe dieses Werkes aufgeschlagen liegen, heute noch stärker spüre als zu Beginn des Unternehmens, und weil ich noch sicherer als damals weiß, dass dieses Werk mehr der Ausdruck persönlichen Erfühlens, Erdenkens, Erforschens und Erschauens ist als die abschließende Verdichtung des ungeheuren Stoffes, dessen Bewältigung in Menschenaltern nur bruchstückweise erfolgen wird.
Zum ersten Band bemerke ich nur, dass die im geschichtlich-politischen Hauptstück "Aus der Vorgeschichte des Krieges" niedergelegte Auffassung völlig unberührt geblieben ist. Ich sehe mich nicht veranlasst, diese Darstellung der europäischen Politik zu ändern, und erblicke in der politischen Entwicklung, die seit Beginn des Krieges Platz gegriffen hat, eine Bestätigung der gegebenen Analyse. Seit dem Abschluss des ersten Bandes sind Urkunden und Aussagen bekannt geworden, die auf die unmittelbare Entstehung des Krieges helleres Licht werfen und meine Darstellung bekräftigen. Das gilt besonders von dem Prozess, den man in Russland dem gewesenen Kriegsminister Suchomlinow gemacht hat. In diesem Prozess ist der Nachweis geleistet worden, dass Russland die geleugnete Generalmobilmachung vom 29. auf den 30. Juli angeordnet, bei der Durchführung verharrt und dadurch Deutschland unter die Waffen gerufen hat. Damit ist völlige Klarheit über die Ausdehnung des serbisch-österreichischen und russisch-österreichischen Streitfalls zu einem europäischen geschaffen worden, der den europäischen Krieg und infolge der Beteiligung Japans und des im April 1917 erfolgten Eingreifens der Vereinigten Staaten von Amerika auf Seiten der Entente den Weltkrieg nach sich gezogen hat.
Es sei mir gestattet, diesen Umriss im Vorwort des zweiten Bandes aufzuzeichnen, um die Berührung mit der politischen Entwicklung aufrechtzuerhalten, ohne die Darstellung der Feldzüge zu durchbrechen.
Der erste Band schloss mit der Schlacht an der Marne und bezeichnete den Rückzug der Deutschen auf die Aisne und den der Österreicher und Ungarn auf den Dunajec als die erste große Wende des Krieges. Aber die Schlacht an der Marne sind wir seither durch die Erschließung neuer Quellen genauer unterrichtet worden, so dass die Verhältnisse am Westflügel sich schärfer bestimmen lassen. Die 1. deutsche Armee, die befehlsgemäß von Paris abbog, um den linken Flügel der englischen und französischen Armeen anzugreifen, ist, wie es scheint, mehr nach rückwärts gestaffelt gewesen, als aus meiner Darstellung ersichtlich war. Das bezieht sich auf das II., IV. und III. deutsche Korps, besonders auf die Pommern, die schon am 6. September in den Kampf am Ourcq eingegriffen haben, also gleich den anderen noch nicht mit stärkeren Kräften so weit nach Süden gelangt waren, als man annehmen möchte; offenbar haben die Spitzen der rechten Flügelgruppe die Abwehr der englischen Angriffe und des linken Flügels der 5. französischen Armee der Heereskavallerie schon früher überlassen. Am weitesten nach Süden gelangte von den Spitzen der Infanterie anscheinend die des III. Korps südwestlich Courtacon, während die Linie Nangis—Provins nur von der Heereskavallerie erreicht worden ist.
Aus den oben angeführten Gründen ist es untunlich, auf Einzelheiten einzugehen; fest steht, dass die strategische Analyse der Schlacht an der Marne und des Rückzugs der Deutschen — Operationen, über die das letzte Wort sicher noch nicht gesprochen ist und über die man sich hüben und drüben schwer wird verständigen können — durch diese Berichtigungen nicht berührt wird, und dass die großen Zusammenhänge, die im ersten Band von mir festgestellt worden sind, noch nirgends gelockert, sondern eher gefestigt erscheinen.
So ruht auch der zweite Band auf dem im ersten und mit dem ersten Bande dieses Werkes gelegten Unterbau und führt die Geschichte der großen Feldzüge bis zur zweiten großen Epoche, die ich auf den 15. Februar 1915 bestimmt habe. Der zweite Band umfasst also nur vier Monate des Krieges. Das gibt indes nicht den Maßstab für den Umfang des Werkes, das ich heute auf vier Bände schätze, da der Bewegungskrieg, der im zweiten Bande zur Höhe geführt und in gewissem Sinne abgeschlossen wird, mehr Raum in Anspruch nimmt als der Stellungskrieg.
Vielleicht reicht der vorliegende Band bis zur letzten Entwicklungsstufe, die heute schon mit sicherem Fuß betreten werden kann. Auch hierbei ist zu bedenken, dass es sich nur um die Aufhellung der großen Zusammenhänge, die ins Weite reichenden Ausblicke und die Gestaltung des kriegerischen Phänomens handeln kann, dass also die gegebenen Einzelheiten als flüssig zu betrachten sind und der Aggregatzustand im gewissen Sinne nur für die strategische Gliederung und Fassung behauptet werden kann. Da vom Januar 1915 an die deutschen Verlustlisten schweigsam werden — man muss sich überhaupt hüten, sie mechanisch und einseitig als Zahlenbilder zu verwerten —, so fällt ein Hilfsmittel fort, das bei Ortsbestimmungen zuweilen gute Dienste geleistet hat, aber schon bei der Schilderung des ersten Herbstfeldzuges im Westen nicht mehr so sehr in Betracht fällt, da das große strategische Prinzip der Bewegung sich mehr und mehr in den Vordergrund drängt und die einzelne Handlung in den Bereich der Taktik zurückkehrt. Das trifft in noch höherem Maße auf die Feldzüge im Osten zu, wo die große Strategie mit Adlerschwingen über dem Kriegstheater schwebt und die Verschiebungen und Verstrickungen ganzer Armeen nur als Aushilfe erscheinen.
Wie den ersten, so gebe ich auch diesen zweiten Band mit dem Bewusstsein seiner Unfertigkeit aus den Händen. Er endet mit dem Ausblick auf die neue Epoche. Der dritte soll die großen Feldzüge des Jahres 1915 im Osten und Südosten Europas, also die Karpatenschlacht, den Durchbruch bei Gorlice und den Rückzug der Russen hinter die Pripjetsümpfe, die Feldzüge in Serbien und an den Dardanellen und die Durchbruchschlachten im Westen behandeln. Es wird von der Entwicklung des Krieges und der Bereitstellung des Stoffes abhängen, wann dieser dritte Band abgeschlossen werden und erscheinen kann.
Als ich den ersten Band aus der Hand gab, war ein Ende des Krieges noch nicht abzusehen, und ich durfte nur die Hoffnung ausdrücken, dass Moltke die Dauer des großen Krieges zu weit erstreckt habe, als er am 14. Mai 1890 die sinnvolle Behauptung aufstellte, dass es ein siebenjähriger Krieg werden könne. Mehr zu sagen, wäre auch heute noch vermessen, so große Verbreitung und Anerkennung das am 9. Januar 1917 im Vorwort des ersten Bandes ausgesprochene Wort, dass dieser Krieg längst für den Frieden reif sei, inzwischen auch gefunden hat.
Bern, 2. Oktober 1917.
Hermann Stegemann
Als die deutschen Armeen die Schlacht an der Marne abbrachen, um sich auf einer neuen Walstatt zu stellen, war die allgemeine strategische Lage im Westen noch nicht allen Zweifeln entrückt, im Osten, wo Osterreich-Ungarns Wehrmacht wundenbedeckt über den San abzog, auf beiden Seiten noch von unbekannten Drohungen verschüttet. Während die Entente die Wendung benutzte, um die Beziehungen zu Italien enger zu gestalten und ihre Kriegsziele weiter zu stecken, sahen sich Deutschland und Österreich-Ungarn genötigt, ihre Kräfte zu einem Ringen aufzubieten, das das Letzte von ihnen forderte.
Die neue Entwicklung kündigte sich nicht durch einen symbolischen Ruheakt an. Breitschwellend blieb die kriegerische Wandlung im Fluss, der strudelnd kreiste und die verstrickten Heere am San und an der Aisne im Wirbel schwang, bis sich neue strategische Bewegungen abzeichneten. Nur der ordnende Sinn nachspürender Betrachtung bestimmt daher den 15. September 1914 als das ideale Datum, an dem die große Epoche sichtbar geworden ist.
Die Rückzüge von der Marne und der Wereszyca, die am 9. und 11. September begonnen hatten, überfluteten im Augenblick des Geschehens diesen geschichtlichen Tag. Im ungestümen Lauf kriegerischer Gewalten begannen sich die Kämpfe zwischen dem 10. September und dem 15. September im Westen und im Osten wieder zu Schlachten zu verdichten, in deren Blitzfeuer neue strategische Ausblicke erkennbar wurden. Doch leuchteten diese nur geisterhaft und undeutlich auf, denn die Schlachten an den beiden Schicksalsflüssen flammten rasch als ein so gewaltiges Abringen ungebrochener Kräfte empor, dass die Kampfhandlungen zunächst die großen Ausblicke verstellten.
Im Westen war die Lage am 11. September durch den allgemeinen Rückzug der Deutschen scheinbar so sicher bestimmt worden, dass der Überschwang, mit dem Frankreich die große Wendung begrüßte, begreiflich war. Paris, das am 2. September noch vom Falle bedroht war, sah am 12. September englische und französische Truppen durch seine Straßen nordwärts ziehen und den Feind über die Marne weichen.
Das französische Heer und die englische Armee traten als Verfolger auf den Plan, um den Rückzug der Deutschen in eine Katastrophe zu verwandeln und ihre frisch erhobenen Fahnen an den Rhein zu tragen. Aus der Marneschlacht war den Franzosen ein großer Erfolg erwachsen. Er erscheint als eine Wiederaufrichtung und Neuordnung der strategischen Verhältnisse, durch die dem französischen Heere das Feld freigegeben und Frankreich gestattet wurde, den Feldzug mit erneuter Spannkraft fortzusetzen.
Da Frankreich aber an der Marne keinen Sieg in durchgekämpfter Entscheidungsschlacht errungen, sondern nur die Vorteile an sich gebracht hatte, die ihm aus dem Rückzug der Deutschen erwachsen waren, so trug es den Gewinn der zweiten Septemberwoche nicht ungeschmälert nach Hause. Doch ehe das französische Volk seine Siegesfreude so weit bemeistert hatte, dass es die Lage nüchtern prüfen konnte, ehe Deutschlands und Österreich-Ungarns Völker den Widerhall der Schlachten an der Marne und in Galizien in sich aufnehmen und der großen Wendung innewerden konnten, die sich im Rückzug auf die Aisne und den San ankündigte, schlugen die Flammen der neuen Schlachten empor und fraßen die Vergangenheit.
Die Verfolgung, welche die englisch-französischen Armeen am 10. September eingeleitet hatten, war auf der ganzen Linie vom Ourcq bis zum Ornain in Fluss gekommen. Nur Sarrail sah sich noch an die Stelle gefesselt. Am lebhaftesten war der Vorwärtsdrang der Armeen Joffres in der Mitte ausgeprägt. Die 5. und 9. französische Armee folgten dem plötzlich weichenden Gegner nach kurzem Stutzen mit frischem Schwung. Auch die britische Armee setzte sich nun in raschere Bewegung und schloss sich dem Vorgehen Franchet d'Espéreys und Fochs an.
Aus fallendem Regen stiegen farbige Dünste und malten den vorwärts drängenden englischen und französischen Zentrumsarmeen neue Siegeshoffnungen an den Himmel. Engländer und Franzosen folgten der Armee Kluck und der Armee Bülow in der Überzeugung, der Feind sei geschlagen und suche sich der Berührung zu entziehen und die Maas zwischen sich und den Verfolger zu bringen. Das musste nach Joffres Befehl verhindert werden, da man die Deutschen nicht geordnet abziehen lassen durfte, sondern verfolgen und niederhetzen musste. Wie die Deutschen die bei Mons geschlagenen Engländer und die bei Charleroi, an der Maas, der Sémois, bei Longwy und Saarburg geschlagenen Franzosen vor sich Hergetrieben hatten, wollten jetzt Engländer und Franzosen die Sieger des Augustmondes verfolgen.
French und Franchet d'Espérey waren am 11. September bemüht, das Zaudern vergessen zu machen, das die britische Armee so lange am Grand Morin und an den Marne- und Ourcqübergängen festgebannt und die 5. französische Armee auf der Hügelflur von Montolivet einen Tag hatte säumen lassen. Da Maunoury die Berührung mit der Armee Kluck schon auf dem Schlachtfeld am Oureq verloren und am 11. September noch nicht wiederhergestellt hatte, war man im französisch-englischen Lager umso eher bereit, an eine vollständige Feldräumung Klucks und des ganzen deutschen Heeres zu glauben und schritt nun siegesbewusst auf den Spuren des Feindes, um die deutschen Heeresmassen in Auflösung über die Aisne zu werfen. Die Verfolgung sollte mit vorgenommenem linkem Flügel durchgeführt und den Deutschen zwischen Aisne und Maas das Schicksal bereitet werden, dem sie im Marnebecken entgangen waren.
Unterdessen fanden auf dem rechten Flügel der französischen Angriffsarmeen heftige Gefechte um die Wälder statt, aus denen die Kronprinzenarmee auf ihrem Rückzug ungebrochen hervortrat, um den Rückweg durch die Täler der Biesme, der oberen Aisne, der Aire und im Raume zwischen der Aire und der Maas nach Norden zu suchen. General Sarrail hatte am Abend des 11. September Laimont durch das V. Korps wieder besetzen lassen und war dem abziehenden Feind vorsichtig gefolgt. Am 12. September drang sein XV. Korps über Revigny nach Brabant vor. Hier geriet es in heftiges Artilleriefeuer. Dieses verstummte erst, als die Nachhutbatterien des XVIII. deutschen Korps von allen Seiten gefasst und zum Abzug veranlasst wurden. Aus dem Wald von Belnoue sprühte noch am 12. September Abwehrfeuer des abziehenden VI. deutschen Korps, so langsam wich die ungebrochene, nur dem Befehle folgende 5. Armee. Vor Souilly kam Sarrails VI. Korps sogar unversehens wieder völlig zum Stehen.
Erst als der trübe 12. September seine schweren Abendwolken über die Argonnen wälzte, wurde der allgemeine Rückzug der Armeen des Kronprinzen und des Herzogs Albrecht von den Generalen Sarrail und de Langle de Cary genauer erkannt. Sarrail spürte jetzt auch die Erleichterung, die ihm durch die Entlastung seiner Maasflanke zuteilgeworden war, wo Chauvancourt und St. Mihiel plötzlich keinen Feind mehr sahen, und griff daraufhin die deutschen Nachhuten in der Front entschiedener an. De Langle de Cary fand an diesem Tage den Weg über die Saulx und die Marne, indem er seine verstärkte linke Flügelgruppe eine umfassende Bewegung ausführen ließ, die Albrechts rechten Flügel und das XIX. Sachsenkorps in die Argonnen werfen sollte. Er setzte das Kolonialkorps und das II. Korps auf Possesse und Charmont in Gang und führte das XII., XVII. und XXI. Korps zwischen Vitry-le-François und Mairy mit vorgenommenem linkem Flügel in nordöstlicher und östlicher Richtung über die Marne. Aber er traf nur noch auf Nachhuten, die auf Ste. Ménehould wichen, indem sie das Geschütz spielen ließen. Die Umfassung griff ins Leere. Die 4. französische Armee musste sich daher wieder geradeziehen und den Nachhuten Albrechts nach Norden folgen. Am 13. September sahen sich Sarrail und de Langle, die jetzt Schulter an Schulter vorrückten und endlich freie Bahn zu finden hofften, plötzlich vor einer Linie von Verschanzungen. Die Südargonnen starrten von eilfertig aufgeführten Befestigungen.
Die Straßen, die von Nubecourt über Clermont und von Triaucourt über Les Islettes nach Varennes ziehen, sind von der 5. deutschen Armee verrammelt worden, die Straßen, die von Brabant-le-Roi und von Possesse über Remirecourt nach Ste. Ménehould führen, werden von den Nachhuten der 4. Armee verteidigt. Sogar südlich des Cheerflüsschens und des Belnoueforstes ragen noch Widerstandsinseln aus der Verfolgungsflut. Louppy-le-Château und Rembercourt-aux-Pots speien Feuer und halten Sarrails Vortruppen fest, um den abziehenden Armeen mit ihrem Tross und dem Belagerungsgerät von Verdun das Durchschreiten der Argonnenengen und des Hessewaldes zu ermöglichen. Auf den wenigen Straßen, die sich im Waldgebirge verlieren und in den Talfurchen der Aire, der Biesme und der Aisne verflechten, vollzieht sich die Rückbewegung der Armee des Kronprinzen und eines starken Teils der Armee des Herzogs Albrecht unter großen Schwierigkeiten. Die ersten Herbstregen haben die Rinnsale gefüllt, die Bäche geschwellt und den Boden durchweicht. Mühsam quälen sich die Kolonnen vom Fleck. In drangvoller Enge suchen sie die Ausgänge nach Norden zu gewinnen. Sie streben unbestimmten Zielen zu, die jenseits dieser zerrissenen Waldhügel liegen mögen, vielleicht erst dort, wo das Maastal die Aussicht freischneidet.
Dieser Rückzug wird mit Aufbietung aller Kräfte ausgeführt und erreicht am 13. September die Linie Vienne-la-Ville—Varennes—Consenvoye, während die Nachhuten sich noch standhaft südlich der Linie Ste. Ménchould—Les Islettes—Clermont schlagen. Damit ist es den Deutschen geglückt, ihre linke Flügelgruppe aus den Südargonnen herauszuziehen. Sie haben damit aber auch die Argonnen selbst aufgeben und den Franzosen die wichtige Verbindungslinie Verdun—Clermont—Ste. Ménehould—Châlons überlassen müssen. General Joffre sieht am 13. September seinen rechten Angriffsflügel schon in die Flanken der zur Maas und Oise eilenden deutschen Armeen greifen.
Auch auf dem äußersten linken Flügel warf die launisch gewordene Sonne am 12. September noch Siegesstrahlen, die lockend über die Karten des französischen Generalstabs glitten. Pariser Vortruppen rückten in Amiens ein, das von der deutschen Heereskavallerie geräumt wurde. Nach kurzem Gefecht verschwanden die Deutschen aus den Straßen, die nach Péronne und St. Quentin führen. Sie setzten über die verträumt ziehende Somme und suchten Anschluss an Klucks rechten Flügel. Es handelte sich hier auf beiden Seiten nur um Seitendeckungen, die außerhalb der eigentlichen Kampfsphäre fochten. Wichtiger war, was auf dem linken Kampfflügel Joffres geschah, der immer noch durch Maunourys 6. Armee gebildet wurde.
Maunoury war am 10. September nicht über Nanteuil-Le Haudouin und Levignen hinausgekommen. Er lagerte entkräftet auf dem blutigen Schlachtfeld, auf dem ihn Kluck allein gelassen hatte, als der Rückzugsbefehl der 1. Armee nach Norden rief. Nur die Kavalleriebrigade Gillet saß auf und zog am Ourcq aufwärts gen Norden und Nordosten, um Fühlung mit dem Feind zu suchen und die Verbindung mit der Armee French herzustellen.
Seltsame Stille, seltsame Lage. Kluck hat den Wald von Villers-Cotterêts zwischen sich und die schlachtmüde Armee Maunourys und Frenchs gemessen folgende Engländer gebracht. Seine Nachhuten ziehen unbelästigt von Bonneuil-en-Valois, Bargny und Autheuil ab, nachdem sie stundenlang auf den Verfolger gewartet haben um ihn blutig zu schrecken. Marschall French nächtigte am 10. September erst in La Fère-en-Tardenois. Er hatte also den Oberlauf des Ourcq, der von seiner Quelle bis nach Ferté-Milon von Osten nach Westen fließt und erst dann nach Süden schwenkt, noch nicht überschritten. Am 11. September gingen seine drei Korps auf das Nordufer über und rückten gegen die Aisne vor. Allmählich schob sich die britische Armee nach Nordosten und erreichte am 12. September den Unterlauf der Vesle. Maunoury hielt mühsam Verbindung. Seine zusammengeschossene, vollständig verbrauchte Armee wurde nur noch vom Herzschlag der Leidenschaft in Bewegung gesetzt und bedurfte dringend der Verstärkung. Sie war nicht imstande, dem Feind dichtauf zu folgen, und noch weniger fähig, ihm so kräftig nachzustoßen, dass sie ihn festhalten oder gar umfassen konnte, um an der Aisne für die Schlacht am Ourcq Vergeltung zu suchen.
Joffre war darüber nicht im Unklaren. Er hatte das XIII. Korps schon vor Maunourys Zusammenbruch am Ourcq aus Lothringen abberufen und stellte es nun auf den linken Flügel. Ehe sich diese Verstärkung geltend machte, erreichte die 6. Armee die Zugänge zur Aisne. Hier fand sie feste Anlehnung an die britische Armee, die allmählich in die Linie gerückt war und zwischen Maunoury und Franchet d'Espérey über den Unterlauf der Vesle vorstrebte. Am 12. September gelangte die 6. französische Armee zwischen Soissons und Vic an den Aisnefluss. Die 54. Division bildete den rechten Flügel Maunourys und nahm die Richtung aus Soissons, gegen das auch Frenchs III. Korps in Anmarsch war. Als die französischen und englischen Spitzen am Morgen des 12. September die Höhen von Belleu und Billy erreichten, ruhte Soissons mit seinen Giebeln und Türmen friedlich im Herbstdunst, der die Talmulde zwischen Venizel und Crouy füllte. Man stieß auf verlassene deutsche Grabenstellungen, die mit Laub verkleidet waren.
Klarer Tau lag darauf und erzählte, dass die Armee Kluck hier nicht mehr genächtigt hatte, sondern auf das Nordufer übergegangen war. Kurz darauf fuhr französische und englische Artillerie auf und streute ihre Saat auf die Höhen des rechten Ufers, wo deutsche Nachhutstellungen vermutet wurden.
Die französischen und englischen Generäle sahen sich einer schwierigen taktischen Aufgabe gegenüber, wenn Kluck starke Kräfte auf diesen Höhen aufgepflanzt hatte, glaubten aber noch nicht an eine Neubildung der strategischen Lage. Sie wandelten immer noch im Licht des an der Marne erfochtenen Sieges.
Die britische Armee, die die Verbindung mit Maunoury und Franchet d'Espérey sichergestellt hatte, war am 11. September zuversichtlich über den Ourcq vorgerückt. French hatte befohlen, die Aisne am 12. September zwischen Bucy-le-Long und Bourg-et-Comin zu erreichen, war aber am Unterlauf der Vesle, westlich von Reims, aufgehalten worden. Deutsche Nachhuten erstritten hier einen Tag Frist und sicherten dadurch den Übergang über die Aisne.
Während die Engländer den Raum Braisne gewannen und sich am 12. September zum Angriff auf die Aisnebrücken zwischen Arcy und Soissons fertigmachten, war die 5. französische Armee rechts von den Briten vorgegangen und mit dem linken Flügel an die Aisne, mit dem rechten bis Reims gelangt. General Franchet d'Espérey hatte diese Linie nicht ohne Kämpfe erreicht. Als er am Abend des 10. September mit dem XVIII. Korps, drei Reservedivisionen, dem III., X. und dem I. Korps dem weichenden Feind nachstieß, war er schon an der Marne zum Stehen gekommen. Dort juchte er zunächst bessere Fühlung mit French. Zu diesem Zwecke ließ er seine Kavallerie den Fluss überschreiten und stellte durch sie bei La Fère-en-Tardenois die Verbindung mit den Engländern her. Am 11. September durchmaß die 5. Armee den Raum zwischen Marne und Vesle. Die Nachhuten der 2. deutschen Armee hielten den Vormarsch im waldigen Gelände südlich Reims noch eine Weile auf und zogen dann nach Norden ab, indem sie Reims preisgaben. Als das I. Korps Franchet d'Espéreys am 12. September vor Reims erschien und in die entfestigte Stadt eindrang, ohne auf Widerstand zu stoßen, schien auch hier, im Achsenpunkt der vorwärtsschreitenden Verfolgung, die Frucht des französischen Sieges zur Süße zu reifen. Man wähnte die Armee Bülow in einem Rückzug begriffen, der sich unaufhaltsam nach Norden wälzte, und folgte mit brennender Begier.
Da stieß das I. Korps an den Nordausgängen von Reims plötzlich auf Widerstand. Heftiges Feuer eingegrabener Schützen verriet den Entschluss, die Verfolgung zum Stehen zu bringen. Aber auch der Führer der 5. französischen Armee war der Überzeugung, dass es sich nur um die Sicherung des Übergangs über die Aisne handelte, nachdem Bülow den Unterlauf der Vesle aufgegeben hatte; war doch das XVIII. Korps, das Franchet d'Espéreys linken Flügel bildete, unter dem feurigen Maudhuy schon gegen die Aisne vorgedrungen. Die 5. Armee vollführte also eine Drehung um Reims und den dort gefesselten rechten Flügel und bedrohte dadurch die Armee Bülow mit Abdrängen von der Armee Kluck. Da setzte sich die Gardekavallerie bei Vailly und hielt die Verbindung der beiden Armeen aufrecht.
Am 13. September stand die 5. französische Armee in der Linie Reims— Blanzy. Sie trat zum Angriff an, um die Übergänge über die Aisne zu erzwingen, und war überzeugt, dass sie den Widerstand der Nachhuten Bülows überwinden und zwischen Bülows rechten und Klucks linken Flügel einbrechen werde. In dieser Hoffnung trugen d'Espéreys Regimenter ihre Fahnen an dem Reiterbild der Jungfrau von Orleans und an der Kathedrale von Reims vorüber. Das Standbild war bekränzt, in der Kirche, die von Baugerüsten umgeben war, lagen deutsche Verwundete und Gefangene und hörten den federnden Marschschritt der französischen Truppen. General Franchet d'Espérey fühlte sich stark genug, den Durchbruch zu erzwingen, der die deutschen Armeen auseinanderwerfen und in die Vernichtung treiben sollte.
Sein rechter Flügel fand bei diesem Unternehmen in der 9. Armee eine tüchtige Schulterstütze, denn General Foch hatte seine Korps am 11. und 12. September mit raschem Schwung auf die Spuren des abziehenden Gegners gesetzt und ihnen im Marnebogen die Straßen nach den Brücken zwischen Châlons und Epernay gewiesen.
Die Armee Foch musste über das Schlachtfeld vorrücken, auf dem sie vom 7. bis 9. September gestritten hatte und von dem sie in einer Tiefe von 10 Kilometer von Stellung zu Stellung auf den Mauriennebach geworfen worden war. Durch die Mulde von St. Gond, durch die Wälder der Soude ging ihr Vormarsch nach Norden über das verlassene Feld. Sengende Hitze und tiefe Stille brüteten über den ausgestorbenen Dörfern der Morin- und Soudelandschaft. Die verlorenen Schüsse, die zwischen der Nachhut der Garde und des XII. Korps und den Spitzen des französischen XI. und IX. Korps gewechselt wurden, zerrissen das Schweigen nur auf Augenblicke. Süßlicher Leichengeruch hing in der dunstigen Luft. Fochs Vortruppen standen noch unter dem Eindruck des Kampfes und durchschritten schaudernd die ungeräumte Walstatt. Falscher Lärm, rasch untertauchende Nachhuten, sogar tot hingestreckte deutsche Schützen, die wie im Anschlag lagen, machten den Vormarsch unruhig und lockten den französischen Jägern ein prasselndes Gewehrfeuer ab. An der Soude lieferte reitende deutsche Artillerie ein Rückzugsgefecht und entwich.
Auch Foch bekam den Gegner nicht mehr recht zu fassen. Die 9. französische Kavalleriedivision, die am 10. September Befehl erhalten hatte, von Mailly nach Châlons vorzustoßen und den Sachsen den Rückzug abzuschneiden, wurde nördlich von Sompuis abgewiesen. Am 12. September fand die 9. Armee stärkeren Widerstand. Die Marne war nordwestlich von Châlons erreicht und sollte sofort überschritten werden. Da legte der Feind plötzlich einen Riegel vor. Am rechten Ufer waren deutsche Batterien aufgefahren und zwangen die Armee Fochs, sich auseinanderzuziehen. Der Übergang konnte angesichts dieser Artillerieschranke nicht dicht aufgeschlossen vollzogen werden, obwohl das geringe Brückengerät zum Zusammenfassen der Heeressäulen zwang. Im Lauf des Tages wuchs der Geschützkampf zur allgemeinen Gefechtshandlung. Nachhuten der Sachsen standen nördlich von Châlons eisenfest und überschütteten die Flussschleife zwischen Châlons und Epernay mit Feuer. Der Geschützkampf flammte an den Übergängen von Châlons, Matugues, Juvigny, Aulnay, Braux, Jâlons, Athis und Oiry lebhaft auf. Schwere Regengüsse peitschten die französischen Marschkolonnen und breiteten große Wasserlachen vor ihnen aus. Als die Infanterie über die Wiesen vorrückte, um zunächst die Brückenköpfe zu besetzen, wurde sie vielfach abgewiesen. Erst am späten Abend gaben die Sachsen den Kampf auf und zogen ab. Es wurde Mitternacht, bis die Armee Foch den Übergang erzwungen hatte. Die Marne war vom Regen der letzten Tage angeschwollen und stieg noch mehr, da fortgesetzt neue Güsse herabschlugen. Auf scheiternden Schiffbrücken bewirkten die letzten Staffeln der 9. Armee den Übergang.
Die Armee Fochs nächtigte am rechten Ufer des Flusses und erwartete ungeduldig den Morgen und den 13. September. Dieser stieg glückverheißend herauf. Da die Marne bezwungen war, die Sonne auf Augenblicke wiederkehrte, die ungeräumten Schlachtfelder dahinten geblieben waren und nun die weite Ebene der Champagne mit ihren breiten Heerstraßen und den sanften Hugeln von Moronvillers und Prosnes voll aufgeschlagen lag, wuchs die Zuversicht der 9. Armee auf eine siegreiche Verfolgung. Foch hatte ihr schon das neue Tagesziel gewiesen. Es galt die Tiefenlinie der Beste, den Marne-Aisne-Kanal und die Bahnlinie Suippes—Reims zu überschreiten und die Römerstraße Reims—Vienne-la-Ville zu gewinnen. Griff man über diese nach Norden bis zur Suippes und zum Brückenkopf von Pont Faverger, so waren die Deutschen nicht mehr fähig, sich in der Champagne zu behaupten. Man versah sich keines großen Widerstandes mehr, nachdem die deutschen Batterien, die an der Marne einen Marschtag Aufenthalt erkämpft hatten, im Dunkel der Nacht verschwunden waren.
Da de Langles linker Flügel am 12. September ebenfalls die Marne erreicht und oberhalb Châlons mit dem XXI. und XVII. Korps zwischen Sogny und Thogny übergegangen war, um die 4. deutsche Armee nach Nordosten abzudrängen, hofften Generalissimus Joffre und seine Armeeführer in die Mitte der zurückflutenden deutschen Armeen ein Loch zu reißen und so das Geschick dieses vermeintlich geschlagenen und durch die Verfolgung auf den Flügeln schon von Umfassung bedrohten Heeres zu besiegeln, die Masse entschart in die Maas zu treiben und den rechten Flügel abzuschneiden. Dass es der 9. Kavalleriedivision nicht geglückt war, die Sachsen von Châlons abzudrängen, wurde nicht schwer genommen, obwohl diese Laune Fortunas zum Nachdenken mahnte.
Der frühe Morgen des 13. September sah daher die 9. französische Armee in beherztem Vormarsch, der sie beschwingten Schrittes an den Oberlauf der Vesle führte. Auf dem großen Übungsfeld zwischen Châlons und Mourmelon-le-Grand hatten sich zwar noch schwache deutsche Kräfte ein. genistet, darunter ein paar Haubitzenbatterien, die ihre Eisentöpfe auf die französischen Anmarschstraßen warfen, aber Foch glaubte nicht an ernsten Kampf. Er erwartete dort und an der Vesle nur Nachhutgefechte, die bei der geringen Bedeutung dieser schwach ausgebildeten Tiefenlinie rasch erlöschen mussten, und trieb zum Vormarsch, um sich fester an den Feind zu hängen und das Hügelgebiet von Moronvillers und Prosnes zu erreichen. Die Verfolgung schien auch hier zu gedeihen. Auf der ganzen Linie rüsteten Franzosen und Engländer sich, sie zwischen der Aisne und der belgischen Maas zu krönen.
Im französischen Hauptquartier beschien die blasse Morgensonne des zweiten Septembersonntages eine reich besteckte Übersichtskarte. Die Blicke der Generäle weilten mit Befriedigung auf dem bunten Blatt. Die Fähnchen der deutschen Nordarmeen zogen in zwei Gruppen ins Maastal ab, die Fähnchen der eigenen Stoßarmeen standen in schön gespanntem Bogen von Compiègne bis Verdun aufgereiht und wurden in der Mitte zwischen Soissons und Reims von Stunde zu Stunde nördlich verpflanzt. Die französischen Angriffspfeile deuteten auf Umfassung und Durchbruch in der Mitte.
Legt man bei der Betrachtung dieser Karte die Auffassung zugrunde, die aus den Siegesbulletins Joffres vom 11. und 12. September spricht, so muss man annehmen, dass die französische Heeresleitung die Armee Kluck im Rückzug über Laon auf Hirson vermutete und die Armee Haufen auf Réthel abfluten sah, während die Armeen des Herzogs Albrecht und des Kronprinzen sich mühsam über Vouziers und Varennes forthalfen, um die rettende Maas zu erreichen. Der große Ausfall, den die Belgier am 9. September eingeleitet hatten und der alle verfügbaren deutschen Reserven band, war noch bei Liers und Leuwen abgesteckt, schien also dauernd wirksam. Das Vorrücken der Armeen Castelnau und Dubail war durch Vortragen der Trikoloren von St. Dié, Lunéville, Raon l'Etape, Baccarat, Réméréeville, Nomeny und Pont-à-Mousson auf die elsässische und lothringische Grenze gekennzeichnet. Die Ausfallstellungen Thann, Maasmünster und Dammerkirch waren wieder in französischer Hand. Gewiss —hier und dort, zwischen der Nordwestflanke von Verdun und der Mündung der Aisne in die Oise hielten sich anscheinend noch deutsche Nachhuten — aber der linke Heeresflügel war schon im Begriffe, die Aisne oberhalb der Mündung zu überschreiten, der Übergang von Soissons, der durch den Josiennegrund und über Clamecy unmittelbar nach Laon und Anizy führte, lag schon unter den Kanonen Maunourys, die englische Armee stand bereits dicht vor den Aisnebrücken zwischen Arcy und Venizel, de Langles linker Flügel war sogar hart an den Fluss gelangt und ebenfalls daran, ihn zu überschreiten; das königliche Reims war wieder besetzt und die 9. Armee im Vormarsch über das Hügelgebiet von Moronvillers, um mit diesem die Ausfallstore der Champagne zu erstreiten, und in der Ost-Champagne und in den Argonnen war der Feind ins Gleiten gekommen.
Die Kämpfe, die sich an dieser neugesteckten Front entsponnen hatten, erschienen dem französischen Feldherrn als eine dünne Feuerlinie, die von den Südargonnen über Châl ns und an der Vesle entlang zur Aisne lief und sich im Mündungswinkel von Compiègne zwischen Ribécourt und St. Crépin verheißend nach Nordosten bog. Vermutlich war man in Joffres Lager der Auffassung, dass Foch, Franchet d'Espérey, French und Maunoury auf verhältnismäßig starke Nachhuten gestoßen seien, die an der Aisne und in der Champagne den letzten Zeitgewinn erkämpfen sollten, und fand das vom Feind vernünftig gehandelt, denn die Deutschen durften sich nicht von hinten die Rippen zerdrücken lassen, während sie sich um Laon und Vouziers in zwei großen Marschsäulen zusammendrängten, um glücklich ins Maastal zu gelangen. Brach Franchet d'Espérey unter diesen Voraussetzungen auf Sissonne durch, so war die Ausführung dieser Absicht der deutschen Heeresleitung vereitelt. Da auch vom russischen Kriegsschauplatz wieder günstige Nachrichten einliefen und den Rückzug der österreichisch-ungarischen Armeen hinter den Sanfluss meldeten, wurde der Regenbogen, der sich am 12. September über der Marne spannte, den Franzosen zum farbigen Symbol baldigen siegreichen Friedens. Der nächste Morgen brachte ihnen eine größere Überraschung und bereitete Joffres Hoffnungen ein frühes Ende.
Die Helle des 13. September stieg zögernd herauf, und mit dem Tage steigerte sich plötzlich der Gefechtslärm. Als er zu einem gewaltigen Schlachtgetöse schwoll, das die Champagne und das Aisnetal von Moronvillers bis Soissons erfüllte, war kein Zweifel mehr möglich — die Verfolgung war zum Stehen gekommen. Über Nacht waren die flüssig gewordenen Verhältnisse in neue Gestalt geschossen. Der erste Sonntag, der seit dem denkwürdigen Flankenangriff am Ourcq heraufzog, verknüpfte die abgebrochenen Marnekämpfe mit den flackernden Gefechten an der Aisne und in der Champagne zu einer großen strategischen Operation und gebar eine neue Schlacht.
Wie damals erhielt General Joffre zu Beginn des Zusammenstoßes Meldungen von wachsenden Erfolgen. Nur in den Südargonnen und in der Champagne pouilleuse schien sich die Verfolgung nicht mehr recht einzufädeln. Sarrail und de Langle kämpften immer noch um Wegsperren und Verhaue, die längst hätten fallen sollen. Doch das tat nichts, denn der Flankendruck, den das befreite Verdun ausübte, zwang die 5. deutsche Armee voraussichtlich auch ohnedies, die Nordargonnen zu räumen und ins Maastal abzufluten. Die Entscheidung lag zunächst in der Mitte, wo Foch, Franchet d'Espérey und French über die Vesle und die Aisne drängten. Fochs 9. Armee durfte keinen Tag versäumen, um auf Prosnes und Pont Faverger zur Suippes durchzubrechen.
Aber was ist dort geschehen? Gerade Foch kommt auf einmal nicht mehr vom Fleck. Ist es wirklich nur das XII. Korps der Sachsen, das sich zwischen Mourmelon und Beine als starke Nachhut aufgebaut hat und alle Versuche des IX. und XI. Korps Fochs, ja sogar seiner wild anlaufenden Marokkaner bricht? Als Hauptsitz des deutschen Widerstandes erscheinen die Höhen nördlich von Prosnes, wo schwere Artillerie 150 Meter über der Ebene aufgepflanzt steht und aus sicherer Deckung schießt. Vor den Gehölzen, die sich vom Hügelrand von Nogent l'Abbesse, dem sanften Cornilletberg und dem wenig über 100 Meter messenden Hochberg zur Suippes ziehen, vor den Fichtenwäldchen, die Moronvillers und Souain umgeben, liegt deutsche Infanterie mit Maschinengewehren im Schlagschatten eingegraben und empfängt die Franzosen mit wohlgenährtem Feuer. Das IX. Korps wird im Kampfe um die Marquiseferme bös zugerichtet. Foch führt die Marokkaner, Jäger zu Fuß und Zuaven als Kerntruppen vor; es ist vergeblich, die deutschen Dorf- und Waldstellungen spotten des Stirnangriffs, während deutsche Haubitzen die Aufmarschräume mit Granaten belegen und die Sammeldörfer an der Vesle in Brand schießen. Als es Abend wird, ist die Armee Foch nicht über Prosnes und Beine hinausgelangt. Foch muss zum ersten Mal, seit er am Abend des 10. September in La Fère-Champenoise eingezogen ist, seine Truppen rückwärts sammeln. Die Verfolgung ist in dem versumpften Angelände der Vesle und vor den Höhen von Prosnes und Auberive, südlich der Suippes, steckengeblieben. Die 9. Armee hat ihr Tagesziel nicht erreicht. Ist es ein Nachhutgefecht gewesen, so haben die Deutschen abermals 24 Stunden gewonnen, ist es eine neue Schlacht, so ist der französische Angriff auf dem rechten Flügel der großen Kampfgruppe Foch-Franchet-French als gescheitert zu betrachten.
General Joffre ließ sich durch solche Erwägungen nicht entmutigen. Er blickte auf die Erfolge, die am 13. September von Franchet d'Espérey, von Marschall French und Maunoury erstritten wurden, und entnahm diesen die Berechtigung, das Siegesbewusstsein zu Pflegen.
Den Armeen Franchet d'Espérey, French und Maunoury war der 13. September noch lächelnd entgegengekommen. Franchet d'Espérey und Maunoury wurden an diesem Kampftag des starken Haltes inne, den ihnen die britische Armee gewährte. Was die Engländer an der Marne versäumt hatten, wo die operative Zaghaftigkeit ihrer Führung und die Schwerfälligkeit ihrer Bewegungen den strategischen Plan Joffres sehr geschädigt hatten, machten sie an der Aisne durch tatkräftiges Zupacken wieder wett. Als sie sich zwischen Courcelles und Billy zum Angriff auf die Brückenköpfe der Aisne entwickelten, rechts von französischer Kavallerie und Maudhuys XVIII. Korps gedeckt, links von der Armee Maunourys auf gleicher Höhe begleitet, sahen sie sich vor eine Aufgabe gestellt, deren räumliche Begrenzung und taktische Bestimmtheit ihnen unbedingte Sicherheit des Handelns gestattete. Sie standen, drei Korps stark, auf den beiden Seiten der Besle, hatten gute Straßen unter den Füßen und sahen vor sich die Aisne blinken. Der Fluss zog in sanften Windungen durch das breite Tal und lief von Bailly bis Soiffons dicht am Südrand der Mulde, die unter den britischen Kanonen lag. Das Südufer gestattete den Briten raschen Abstieg und das Nordufer die Entfaltung starker Kräfte. Der Angriff auf die Höhen, die drüben zu welligen Hügelflächen schwollen, schreckte die englische Armee nicht. Als der Tag graute, begannen englische und französische Batterien das Gelände auf dem Nordufer planmäßig zu beschießen, um den Übergang vorzubereiten. Man hatte den 12. September mit der Bereitstellung der Armeen zum Übergang verbracht, deutsches Geschützfeuer ertragen und war gesonnen, jetzt die Höhen zu gewinnen, die als Südhang der Kochfläche von Laon zwischen der Aisne und der Mette aufgebaut waren.
French vermutete auf den sanften, von Buschwald umsäumten Hochflächen, von denen sich die weißen Straßen als feine Zeichnungen abhoben, die Nachhuten Klucks. Bald kam von drüben die Antwort schwerer Kaliber. Aus den Schluchten von Chivres, den Wäldchen von Brégny, den Steinbrüchen von Crouy und den Gehölzen von Cuffies schnoben die ersten Haubitzgranaten, und als eine weiße, stechende Sonne den Regendunst zu verzehren begann, wurde der Sonntag von einem mächtigen Artilleriekampf erschüttert, der auf beiden Ufern widerhallte. Engländer und Franzosen bereiteten sich zum Angriff und fassten ihre Kräfte auf der ganzen Front zwischen Courcelles und Attigny und darüber hinaus zu einem einheitlich geordneten Angriff zusammen, während die Armee Foch östlich von Reims um die Linie Beine— Prosnes—Auberive im Kampf lag.
Die zwischen den Engländern und der Armee Foch kämpfende 5. französische Armee war gehalten, die Linie Reims—Pontavert zu überschreiten und mit dem rechten Flügel das alte Festungsgelände von Reims zwischen Regent l'Abbesse und Brimont zu erstreiten, mit der Mitte die Suippesbrücken zwischen Boult und Aguilcourt zu gewinnen, mit dem vorgestaffelten linken Flügel die Aisneübergänge von Berry-au-Bac und Pontavert zu erkämpfen, Juvincourt und Craonne zu besehen und ihre Kavallerie auf Corbeny und Siffonne vorzutreiben.
Wie Foch vor Auberive und Prosnes festgebannt wurde, so gelangte auch Franchet d'Espéreys rechter Flügel nicht vom Fleck. Pompelle und Vitry, die alten Nordostfesten von Reims, blieben in der Hand der Deutschen, die die französischen Anläufe abschlugen, obwohl die veralteten Werke in den offenen, der Stadt zugekehrten Kehlen angegriffen wurden. In der Mitte quälten sich Franchet d'Espéreys Angriffe am Brimonter Hügelklotz und am Marne-Aisne-Kanal mühsam fort. Umso tätiger erzwang General Maudhuy mit dem vorgestaffelten linken Flügel der 5. Armee zwischen Berry-au-Bac und Pont Arcy den Übergang über die Aisne. Zwei Kavalleriedivisionen ritten, zu einem einzigen Harst zusammengefasst, auf Siffonne. Kraftvoll schritt das XVIII. Korps zum Angriff und gewann bis Craonne— Cerny Raum. Als es den Fuß auf den querlaufenden Höhenweg setzte, der den Namen der "Damenweg" trägt, und Hurtebise erreichte, vor ihm der Aillettegrund aufsprang und jenseits der Tiefenlinie die Zuwege nach Laon sichtbar wurden, winkte ihm ein großer Erfolg. Hinter ihm folgten die Reservedivisionen 51, 53 und 69 als zweites Treffen. Sie zogen sich allmählich den Hang hinauf und in die Mulde von Juvincourt gegen die Tiefenlinie des Mietteflüsschens. Dadurch gewann das in der Mitte fechtende III. Korps d'Espéreys bei Sapigneul in der Richtung auf Aguilcourt Raum, wenn es auch sein Angriffsziel nicht zu erreichen vermochte.
Immer deutlicher prägte sich die Schwenkung der Armee Franchet d'Espéreys nach Nordosten aus, die einer Drehung um den rechten, vor Reims gefesselt stehenden Flügel entsprach, immer tiefer bohrte sich auch der von Maudhuy geführte Bewegungsflügel in die Lücke, die zwischen Bourg-et-Comin und Berry-au-Bac zu klaffen schien, wo Frenchs rechter und d'Espéreys linker Flügel die Aisne in der Richtung auf Cerny und Craonne hatten überschreiten können. Hier verstärkte sich allerdings am Nachmittag plötzlich der Widerstand schwacher deutscher Kräfte zu verzweifeltem Ringen um den Chemin des Dames, der seiner höfischen Entstehung in galanter Zeit diesen zierlichen Namen verdankt und am 13. September 1914 zum ersten Mal als blutig gezeichnete Gefechtslinie in der Geschichte des größten aller Kriege erscheint.
Als die gealterten Schwestern König Ludwigs XV., des Vielgeliebten, im Jahre 1770 Lust bezeugt hatten, ihre Freundin, die Herzogin von Narbonne, in ihrem Schloss La Bove bei Bouconville auf den Hügeln des Laonnais, nördlich von Bouconville, zu besuchen, fehlte es an einer guten Zufahrt von Soissons nach Bouconville. Da ließ der Schlossherr einen Fahrweg anlegen, auf dem die königlichen Frauen La Bove ohne Beschwernis erreichen konnten. Der Weg zweigte bei La Malmaison auf der Hochfläche von Chavignon von der Straße Soissons—Laon ab und lief 20 Kilometer weit über den Höhenzug, der sich zwischen der Aisne und der Ailette aufrichtet, nach Osten, um bei Bauclerc ins Ailettetal abzusteigen und Bouconville zu erreichen. Die anmutige Flusslandschaft lag den Damen des königlichen Hauses zu Füßen, als sie in ihren Karossen an La Malmaison vorbei über Filain und Cerny nach Bauclerc und La Bove reisten. Die Revolution wischte den verblassten Glanz des sterbenden Rokokos hinweg, aber der Chemin des Dames behielt seinen galanten Namen. Er wurde überdies von Bauclerc nach Craonne und Chevreux verlängert, wo er in der Mulde von Corbeny die Straße Reims—Laon erreichte. Am 7. März 1814, dem zweiten Tage der Schlacht von Craonne, hat Napoleon an der Ferme Hurtebise südwestlich von Bauclerc auf dem Chemin des Dames gehalten, der damals das erste Blut stießen sah. Napoleon versuchte die auf Laon ausweichende und dort Fuß fassende Armee Blüchers zu überwältigen, um sich dann auf Schwarzenberg zu stürzen. Aber nach zwei Tagen vergeblichen Manövrierens und wechselnder Gefechte musste er sich überzeugen, dass er die Armee Blüchers nicht vernichtend schlagen konnte, und zum Abmarsch entschließen.
Stand General de Maudhuy, dessen Angriffskolonnen am Nachmittag des 13. September den 200 Meter hohen Rücken des Chemin des Dames zwischen Hurtebise und Craonne erstiegen, vor einem größeren Sieg als der Schlachtenkaiser, der am 7. März 1814 Blüchers Vorhut, das Korps Woronzow, zwischen Bauclerc und Hurtebise von Osten umfassend angegriffen hatte, um es zu werfen und dann auf Cerny vorzurücken, Blücher bei Laon zu schlagen, aber die Entscheidungsschlacht nicht durchführen konnte? Jedenfalls besaß Maudhuy in der Armee French eine stärkere Stütze und kräftigere Hilfe, als Napoleon sie an Marmont gefunden hatte: Napoleon wartete am 9. und 10. März vergeblich auf seinen Marschall, der vom Ourcq heranrückte, um der Armee Blüchers in den Rücken zu fallen, sich von Kleist und Borck aber bei Festieux und Athies fesseln und in der Nacht auf den 10. März in Athies überfallen und in wilde Flucht schlagen ließ. Maudhuy spürte Frenchs Stütze unmittelbar an der rechten Schulter und sah das I. Britenkorps schon den Hang von Courtecon hinaufsteigen. Gedieh das Vorrücken der englischen Armee, so war seine Aufgabe, Corbeny und Craonne zu nehmen und über Neuville und Montherault in den Rücken Klucks und über Juvincourt und Siffonne in den Rücken Bülows durchzubrechen, zum Gelingen reif. Die schwachen Kräfte, die die Deutschen bis dahin vor seiner Front gezeigt hatten, waren nicht imstande, ihm den Sieg streitig zu machen, so verzweifelt sie auch fechten mochten.
Die Engländer waren zwischen Bourg-et-Comin und Venizel mit starken Kräften über die Aisne gegangen. Sie hatten sich auf der Linie Courcelles— Billy entwickelt. Das I. Korps stieg von Courcelles—Vauxéré zu den Brücken von Bourg und Arcy hinunter, das II. Korps brach von Braisne— Serches gegen Chavonne, Bailly, Condé und Missy vor, und das III. Korps schritt von Billy—Rozières zum Angriff auf die Übergänge von Venizel und Soissons. Links von French entwickelte sich die 6. französische Armee und griff mit verstärktem rechtem Flügel Soissons und die Übergänge von Pasly und Pommiers, mit dem linken Flügel Fontenoy, Vic und Attichy an. Maunoury rang sich allmählich an den Hügellehnen unterhalb Soissons empor. French erkämpfte die breite Talmulde, durch die sich der Fluss von Chivres nach Soissons schwingt, und begann den Aufstieg zu den Höhen von Ostel, Bailly, Condé und Brégny. Trotz mangelhafter Erkundung schritt er beherzt zum Angriff auf die bewaldeten Hänge. Der Morgennebel hatte die Entwicklung der Armeen begünstigt und die Brückenbauten der Engländer erleichtert. Um die Infanterie zu unterstützen, schütteten zahlreiche englische Batterien ihren Schrapnellregen über die Kanten und Waldmasken der Hochfläche, auf denen die Briten die Nachhuten Klucks vermuteten, und sicherten durch ihr unaufhörliches Streufeuer das Vorrücken des Fußvolkes. Als deutsche Feldartillerie eingriff und die Schützenschwärme ebenfalls mit Füllkugeln übergoss, lösten sich die britischen Linien in lichte Ketten auf, alle zehn Meter ein Mann, die gelassen aus den Weidenpflanzungen am Flussufer tauchten und allmählich gegen die Straße Soissons—Missy—Bailly Raum gewannen. Welle auf Welle brach in schönen Abständen aus den Weiden hervor und flutete im spritzenden Granatfeuer nach vorn. Im Laufe des Tages bemächtigten sich die Engländer der Dörfer, die im Wiesenplan dicht am Fuße der Hochfläche von Brégny aufgereiht liegen, und setzten sich darin fest. Erst als sie weiter vorstießen, empfing sie heftiges Feuer aus Wäldchen und Schluchten, das auf stärkere Kräfte deutete. Englische Kompagnien, die unbekümmert darum bei Chivres und Missy durchbrachen, wurden mit dem Bajonett angefallen und vernichtet. Der Gipfelpunkt des Angriffs war erreicht. Der sinkende Abend sah das I. Korps im Besitze von Pont d'Arcy und Bourg-et-Comin und das II. Korps in Missy und Bailly. Das III. Korps war hängen geblieben. Es hatte sich begnügt, den Brückenkopf Venizel und die Südostzugänge von Soissons zu besetzen. In Soissons war ein großer Brand ausgebrochen und stand lohend über dem wuchtigen Schattenriss der alten Kathedrale.
Maunoury hatte die Süd- und Südwestzugänge der Stadt erreicht, die Straße nach Crouy indes noch nicht erstritten. An den Brückenköpfen von Pasly und Pommiers war die deutsche Abwehr weniger starr, aber die anstoßenden Höhen schienen ebenso stark besetzt wie die Steilränder von Vrégny. Von Nouvron bis St. Crépin-aux-Bois und Rethondes sprühte das Feuer deutscher Schützen, die von Maunoury allmählich bergan gedrängt wurden. Tastend suchte sein linker Flügel über Tracy die Flanke Klucks zu erkunden. Graue, violett geränderte Abenddämmerung legte sich auch hier mit ernstem Druck auf die kämpfenden Armeen.
Im großen französischen Hauptquartier war an diesem Tage das klassische Siegesbulletin abgefasst worden, in dem die Schlacht an der Marne als ein vollständiger Sieg gefeiert, die Aisne auf dem linken Flügel als überschritten bezeichnet und zuversichtlich erklärt wurde, dass die Verfolgung mit ganzer Spannkraft fortgesetzt werde.
Als diese Botschaft in Bordeaux eintraf, war aus der Verfolgung und den Nachhutkämpfen eine neue Schlacht geworden, deren Flammenschrift auf den Höhen von Nouvron, Vrégny, Ostel und Courtecon, auf dem Höhenrücken von Craonne und in der Senke von Corbeny und Juvincourt, vor den Nordtoren von Reims sowie im Hügelgebiet zwischen dem Marne-Aisne-Kanal und der Suippes die Neubildung der strategischen Lage bestimmte.
Wie man auch im französischen Heerlager den an der Marne erfochtenen Sieg und die daraus fließende Verfolgung ansehen, wie hoch man die unzweifelhaft zurückgekaufte Freiheit des Handelns einschätzen mochte — verständlich und klar erkennbar wird die Lage nur, wenn man die englisch, französischen Armeen an diesem Tage verlässt, um sich in das deutsche Lager zu versetzen und die Entwicklung von dieser Seite noch einmal ins Auge zu fassen.
Mit verbissenem Groll waren die Armeen Kluck, Bülow, Hausen, Herzog Albrecht und Kronprinz vom Ourcq, vom Grand Morin, vom Mauriennebach, vom Ornain und der Saulx über die Marne, die Aisne, die Vesle und in die Argonnen zurückgewichen. Da sie auf dem Rückzug zu Marschkreuzungen genötigt wurden, langten sie mit durcheinandergeratenen Korps hinter der Aisne und an der Suippes an. Doch blitzschnell entwirrten sie sich, als der Befehl zur Kehrtwendung eintraf, der ihnen erlaubte, dem Feinde nach achtundvierzig bitteren Stunden wieder die Brust zu zeigen.
Während sie in strömendem Regen von der Marne auf die Aisne zurückwichen und dem Kanonendonner aus dem Wege gingen, rückte der Führer der 7. Armee, Generaloberst v. Heeringen, mit dem XV. Korps und dem VII. Reservekorps ihnen in Gewaltmärschen entgegen. Der Befehl, sein XIV. Korps und das XIV. Reservekorps an die 6. Armee abzugeben und sich den Angriffsarmeen anzuschließen, hatte ihn schon am 6. September erreicht. Das Hauptquartier Heeringens befand sich damals im Schlöffe Cirey, die 7. Armee lag mit ihren vier Korps in schwerem Kampfe um die Vorstellungen von Spinal und suchte in würgendem Ringen die Entscheidung. Da löste der Befehl der Obersten Heeresleitung ihren Verband und rief den Armeeführer mit dem XV. Korps an den Bewegungsflügel der Nordarmee, die damals in das Marnebecken eingedrungen war. Am Tage, da General Maunoury die Schlacht an der Marne einleitete und zum Flankenangriff auf Klucks ungestüm vorwärtsdrängende 1. Armee schritt, um das IV. Reservekorps kurzerhand in den Ourcq zu werfen, löste Heeringen die Verstrickung bei St. Die und Baccarat, indem er das XV. Korps aus der Kampflinie zog, und eilte mit diesem der Marne zu.
Als Generaloberst v. Moltke den Befehl ausfertigte, der dem rechten Flügel der Angriffsarmeen diese wertvolle Unterstützung zuführte, lagen die Verhältnisse noch im ungewissen. Die Schlacht an der Marne war erst auf dem rechten Flügel im Entbrennen. Aus diesem Befehl spricht aber die Einsicht, dass der rechte Flügel durch die Abgaben nach Osten geschwächt worden war und vor Paris einer Flankenbedrohung ausgesetzt erschien. Gelangte Heeringen mit dem XV. Korps und anderen Truppenkörpern, die auf dem weiten Weg über Trier, Aachen, Brüssel und Maubeuge noch zu ihm stoßen mochten, rechtzeitig an den Ourcq, so erhielt der Bewegungsflügel neue Spannkraft. Dann schwand die Gefahr, vom Gegner überflügelt und umfassend angegriffen zu werden, wie dies am 28. August bei Combles geschehen war.
In fliegender Hast wurde das XV. Korps in Bewegung gesetzt. Die Kunstbauten der Ardennenbahn lagen noch in Trümmern, die Verbindungsstraßen, die über Metz nach Mézières führten, waren verstopft — die auf ein Korps zusammengeschmolzene Armee suchte daher mosel- und rheinabwärts auf dem Umweg durch Belgien den Anschluss an die Sturm- und Wetterecke der marschierenden Schlachtfront zu gewinnen. Als das Hauptquartier Heeringens am 7. September Trier erreichte, kämpften Klucks Flügelkorps am Ourcq ums Leben. General Joffre hatte das Netz geworfen, um die deutschen Armeen zwischen Ourcq und Marne zu verstricken. Am 8. September erreichte Heeringen Brüssel. An diesem Tage erfolgte die Übergabe der Festung Maubeuge. Dadurch wurde das VII. Reservekorps frei, an dem Heeringen wertvollen Zuwachs gewinnen konnte. Die oberste deutsche Heeresleitung aber erwog und fasste in diesen drangvollen Stunden, als zu den Meldungen von der Verstrickung Klucks die Nachricht vom Zusammenbruch der österreichisch-ungarischen Offensive trat, den Entschluss, die Schlacht an der Marne abzubrechen, und hielt das XV. Korps in Brüssel an, um es im Falle der Not gegen die belgische Armee einzusetzen, deren Ausfall aus Antwerpen sich deutlich abzuzeichnen begann. Das XV. Korps warf in der Tat am 9. September eine Kampfgruppe in das wilde Gefecht, das sich aus dem Ausfall der belgischen Armee am Dyle-Leuwen-Kanal entwickelt hatte. Um die Fahnen des Württembergischen Regiments 176 geballt und von Oberst v. Schimpf geführt, nahm dieses Hilfskorps tätigen Anteil an der Abwehr des belgischen Ausfalls.
Unterdessen wartet Heeringen in Brüssel auf neue Befehle. Sie rufen das XV. Korps am 10. September nach St. Quentin und vertrauen ihm den Flankenschutz der 1. Armee und des zurückgehenden Westheeres an, das am 11. September an die Beste gelangt ist. Gleichzeitig wird Heeringen das VII. Reservekorps unterstellt, das im Gewaltmarsch von Maubeuge nach Laon vorauseilt.
Die Entwicklung hatte dem Befehl, der Heeringen mit dem XV. Korps am 6. September aus den Vogesen abrief, einen anderen Sinn gegeben. Die neugebildete 7. Armee eilte nicht mehr an den Ehrenplatz am Omfassungsflügel des siegreich stürmenden Heeres, um dem Adlerschwung der großen Offensive den letzten entscheidenden Antrieb zu geben, sondern war nunmehr bestimmt, die Verteidigung an der Aisne gegen Umfassung und Aufrollung des rechten Flügels zu sichern.
Die deutsche Heeresleitung war entschlossen, sich auf den Höhen zwischen der Aisne und der Oise zur Schlacht zu stellen und hier die Entscheidung zu suchen, der sie an der Marne und am Ornain ausgewichen war. Als Heeringen am 12. September in St. Quentin eintraf, waren an der Vesle und vor Soissons schon die Geschütze in Tätigkeit, die die große Schlacht um die Flussübergänge einleiteten. Während die englisch-französischen Armeen noch vom Gedanken an eine Vernichtung des vermeintlich geschlagenen Feindes in den Talengen der Ardennen getragen wurden, wuchs aus den Höhen von Soissons und Laon, in der Champagne und am Nordsaum der Argonnen die deutsche Schlachtordnung wieder zusammen. Sie war noch nicht lückenlos geordnet, als Franchet d'Espéreys linker Flügel und Frenchs I. und II. Korps am 13. September zwischen Venizel und Berry-au-Bac den Übergang über die Aisne erzwangen und Maunoury Klucks rechten Flügel im Mündungswinkel der Aisne zu umfassen suchte, aber schon zum Kampfe bereit. Die Wage wurde zur neuen Schlacht aufgestellt und rasch von wechselnden Gewichten hin- und hergeschwungen.
Als die deutschen Armeen am 12. September kehrtmachten und dem Feind wieder die Stirn zeigten, lag ihnen der strategische Rückzug noch in den Gliedern. Mit verbissenen Zähnen waren sie an ihren Toten und Verwundeten vorbei über die Kampfstätten der letzten August- und ersten Septembertage nach Norden gezogen. Das Feuer schwerer französischer Geschütze begleitete den Rückzug aus der Ferne. Nachhuten hatten anreitende britische und französische Schwadronen mit Maschinengewehren abgewiesen, Schützengräben ausgehoben und die verschlammten Löcher meist nach einigen Stunden kampflos wieder verlassen, weil die Hauptkräfte samt dem Tross inzwischen über das nächste Marschziel hinausgelangt waren und Artillerie und Heereskavallerie genügte, dem Verfolger Halt zu gebieten — kurz, ein strategischer Rückzug, dessen Zwang niemand erkannte, weil ihn keiner spürte. Die Heereskavallerie, die Klucks und Bülows innere Flanken deckte, war die letzte Truppe am Feind. Mit abgehetzten Pferden, die im kalten Regenwind zitterten, rückte sie ab. "Sonst, wenn wir ritten, ging die Sonne immer links vor uns auf, aber diese ganze Woche rechts," sagte ein Gardekürassier bitter, als die Gardekavallerie am 12. September aus dem Talkessel von Mailly nach Norden abzog, um der Infanterie Platz zu machen. Dieser Gedanke fraß die Stimmung und prüfte Zucht und Vertrauen; die Stimmung wandelte sich und verlor den sonnigen Glanz, doch Vertrauen und Zucht hielten stand.
Vom 9. bis 12. September dauerte die quälende Ungewissheit der sieggewohnten Truppen. Die Regimenter waren seit dem 4. September noch mehr geschmolzen, Bataillone zu Kompagnien zusammengelegt, die Offiziere dahingerafft worden, aber die Kampflust hatte nicht gelitten. And doch war etwas verändert, eine seelische Umwandlung eingetreten, die in diesen Tagen der Vollendung entgegenreifte. Die jauchzende Begeisterung, mit der die vom Kriegsrausch erfassten Armeen an strahlenden Sommertagen und in milden Sternennächten durch Belgien und Frankreich gestürmt waren, ging zur Ruhe. Gehaltener Ernst erfüllte dieses von großen Entbehrungen und Verlusten heimgesuchte und von der Siegessonne im Stich gelassene Heer, als der Missmut über den Rückzug und die ungeheuren Anstrengungen verdampft war. Dieser feierliche, aus vaterländischer Ergriffenheit geborene Ernst, der die Individuen auflöste und das ganze Heer im Flammenelement des Krieges läuterte, durchdrang die ausgemergelten Leiber mit neuer, reinerer Glut. Was die Franzosen in den Tagen vom 24. August bis 5. September gewandelt hatte, die Erkenntnis von der Not des Vaterlandes, das gedieh den Deutschen zwischen Marne und Aisne zum Heil.
Als die Armee Kluck am 11. September Soiffons und die Armeen Bülow und Hausen die Vesle erreichten, während die 4. und 5. Armee noch in den Argonnen fochten, traf der erlösende Befehl der Obersten Heeresleitung bei den Armeeführern ein und riss die Armeen gegen den Feind herum. Die Kanonen, die der Armee Foch an der Vesle Halt geboten, und der Widerstand, den Franchet d'Espéreys rechter Flügel nördlich von Reims und am Unterlauf der Vesle fand, waren die Auftakte zu neuer Schlacht. Auf den Höhen hinter der Aisne und den Bodenwellen nördlich der Suippes machten sich die deutschen Armeen zur großen Verteidigungsschlacht fertig, um den Gegner anrennen zu lassen und ihn ins Flusstal zurückzuwerfen.
Die Übergänge von Soissons führen auf eine Scharte in dem welligen Höhengelände, das den Raum zwischen Aisne und Oise füllt. Diese Scharte legt die Zugänge von Laon bloß und muss vor jedem Einbruch behütet werden, wenn man zwischen Noyon und Reims schlagen will. Die Höhen von Cuffies und Vrégny, die das Tal von Soissons beherrschen, sind die Riegel dieses Einbruchtores. An der Riegelstellung von Vrégny vorbei führen Straße und Bahn über Anicy nach Laon, über Cuffies und Clamecy laufen die Straßen nach Coucy und Folembray und von dort über das Waldmassiv von St. Gobain nach La Fère. Die Ailette, ein zum großen Teil kanalisierter Flusslauf, zerlegt die ganze Felsen- und Höhenlandschaft in zwei große Abschnitte und bildet zwischen den südlich gewendeten Uferhöhen von Vrégny, Vailly und Craonne und den dahinter ansteigenden breitgelagerten Hochflächen von Neuville-Monthenault, Chavignon-Malmaison und St. Gobain einen Graben, der die Uferhöhen an der Aisne als den Außenwall, die Hochflächen als die Hauptstellung einer mächtigen natürlichen Verteidigungsanlage erscheinen lässt.
Wollten die Deutschen hier eine große Schlacht liefern, so schlug der Hauptpuls ihrer Verteidigung im Ailettetal und das Herz in Laon. Eine Durchbrechung der Aisnefront zwischen Vailly und Soissons war daher gleichbedeutend mit dem Verlust der Schlacht, in der der Feldzug auf eine neue Grundlage gestellt werden sollte. Von diesen Erwägungen geleitet, ballten sich die deutschen Korps am 11. September um Soissons zur Verteidigung.
Generaloberst v. Kluck hatte dem Führer des II. Korps, General v. Linsingen, aufgetragen, die von Südwesten und Süden um Soissons zusammem rückenden Truppen des III. und II. Korps unter dem Schutz starker Nachhuten über den Fluss zu führen und die Brücken gegen jede Überraschung zu sichern. Während die Artillerie über die alte Steinbrücke fegte und mit keuchenden Gäulen die Rampen von Cuffies und Vrégny erklomm, während die Fuhrparkkolonnen im Hohlweg von Crouy verschwanden und die 4. División sich an der Höhenrandstraße festsetzte, die an der Nordflanke der Talmulde von Soissons über Bucy und Missy nach Vailly und Pontavert zieht, grub sich die 5. Division auf den Kuppen des linken Aisneufers südlich von Soissons in die Erde, sicherte den Übergang des II. Korps und erwartete den Feind. Es war am Abend des 11. September, jenes düsteren, regenverhangenen Tages, an dem der Sommer des Jahres 1914 plötzlich starb. In gedrängten Massen quollen die Regimenter Linsingens und Lochows durch die Gassen von Soissons. Grau lag die Kathedrale im Regengrau, gelb strudelte die Aisne. Die Pioniere hatten Brücken und Stege gebaut, um die Entwirrung der Armee zu beschleunigen. Aber die kampfbereite 5. Division wartete vergebens auf den Feind; der war immer noch nicht heran. Als es Nacht wurde, war der Übergang der Hauptmacht vollzogen, Nachzügler schlichen über die Brücken — der Feind drängte selbst jetzt noch nicht nach. Da gab die Nachhut ihre Stellung bei Belleu auf und rückte nach Soissons. Im Schutze der Dunkelheit traten Linsingens und Lochows letzte Bataillone den Rückzug an, um ihren Posten in der allgemeinen Schlachtlinie auf dem rechten Ufer einzunehmen.
Nur zwei Bataillone des Grenadierregiments Nr. 12 blieben noch eine Weile stehen und sicherten die Brücken. Im Morgengrauen ist auch ihre Aufgabe erfüllt, kein Feind zu sehen, sie rücken ab. Eine einzige Kompagnie märkischer Grenadiere bleibt in der Vorstadt St. Paul zurück, deckt die Sprengkommandos und nimmt die letzten Nachzügler auf. Als sie abzieht, ist es heller Tag geworden.