Geschichte des I. Weltkrieges, Band 3 - Hermann Stegemann - E-Book

Geschichte des I. Weltkrieges, Band 3 E-Book

Hermann Stegemann

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Beschreibung

Hermann Stegemanns vierbändige "Geschichte des I. Weltkrieges" gehört zu den umfangreichsten und detailliertesten Werken über die Jahre 1914 - 1918 mit insgesamt über 2200 Seiten in dieser Neuausgabe. Stegemann arbeitete während der Kriegsjahre für die Schweizer Zeitung "Der Bund" und schrieb die Kolumne "Zur Kriegslage", die in Teilen im Anhang der jeweiligen Bände zu finden ist. In diesem dritten Band betrachtet er die Ereignisse im Westen und im Osten von Februar 1915 bis Anfang 1916.

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Seitenzahl: 962

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Geschichte des I. Weltkriegs

 

 

Band 3

 

 

HERMANN STEGEMANN

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Geschichte des I. Weltkriegs, Band 3, Hermann Stegemann

Jazzybee Verlag Jürgen Beck

86450 Altenmünster, Loschberg 9

Deutschland

 

ISBN: 9783849680129

 

www.jazzybee-verlag.de

[email protected]

 

 

INHALT:

Vorwort1

Der Seekrieg vom 2. August 1914 bis 24. Februar 1915. 5

Zusammenhänge. 5

Die Freiheit der Meere. 7

Deutschlands und Englands  strategische Lage zur See. 10

Kämpfe und Maßnahmen in der Nordsee. 15

Das Treffen bei Helgoland. 17

Die allgemeine strategische Lage und der Seekrieg. 20

Unterseeboot, Seemine und Handelskrieg. 23

Der Abbau der Londoner  Seerechtserklärung und Amerika. 25

Torpedoboote im Gefecht27

Der Überfall von Scarborough und die Luftangriffe auf Cuxhaven und Yarmouth30

Das Treffen an der Doggerbank. 33

Nordseesperre und Unterseebootkrieg. 36

Kämpfe und Maßnahmen in der Ostsee. 39

Der Kreuzerkrieg in fernen Meeren. 41

Die strategische Lage im Stillen Ozean. 43

Die Belagerung Tsingtaus. 44

Admiral Graf Spee und seine Feinde. 48

Die Taten des Kreuzers "Emden". 49

Spees Fahrt von den Marschallinseln  zur Osterinsel54

Die Verfolger des deutschen Geschwaders. 57

Die Schlacht bei Coronel59

Spees Vorstoß gegen Falkland. 64

Britische Gegenmaßnahmen. 65

Die Schlacht bei den Falklandinseln. 68

Das strategische Verhältnis im Februar 1915. 76

Auf den äußeren Linien. 76

Die Gebundenheit des Stellungskrieges. 78

Der Feldzug im Westen vom  15. Februar bis 5. April 1915. 83

Die Kämpfe in den Vogesen. 83

Der Kampf um den Sudelkopf86

Der Kampf um den Reichackerkopf89

Der Kampf an der Vezouse. 97

Die Kämpfe in den Argonnen. 99

Die Kämpfe in Artois und Flandern. 104

Die Schlacht bei Neuve Chapelle. 105

Die Winterschlacht in der Champagne. 110

Betrachtungen zu den  Stellungskämpfen im Westen. 117

Der Feldzug im Osten vom  21. Februar bis 25. April 1915. 121

Die Kämpfe zwischen Weichsel und Orzyc. 121

Der Kampf um Prasznysz. 124

Die Kämpfe am Njemen. 127

Die Schlacht bei Simno—Bierzniki130

Die Kämpfe bei Memel und Tauroggen. 133

Die Kämpfe in den Karpaten. 136

Die strategische Lage um die Februarwende. 137

Zwischen Dnjestr und Pruth. 139

Um Zwinin und Ostry. 140

Zwischen Azsoker und Lupkowpass144

Gorlice und Dukla. 147

Die zweite Belagerung von Przemysl148

Die Karpatenschlacht151

Die strategische Lage am 16. März. 152

Der Angriff der Russen an der Pruthschranke. 153

Der Angriff der Russen im Laborczatal154

Der deutsche Gegenangriff im Laborczatal157

Die Erstürmung des Zwinin und des Ostry. 164

Der Feldzug im Westen vom 5. April bis 9. Mai 1915. 168

Die Frühlingsschlacht zwischen Maas und Mosel168

Der dritte Kampf um den Hartmannsweilerkopf173

Die zweite Schlacht bei Ypern. 174

Die politische und militärische Lage im April 1915 und Italiens Eintritt in den Krieg182

Der Feldzug im Osten vom 25. April bis 14. Mai 1915. 189

Die Offensive der Deutschen und Österreicher(erste Phase)189

Der Einfall in Kurland. 191

Der Durchbruch in Westgalizien. 193

Die Schlacht bei Gorlice-Tarnow.. 194

Die Verfolgungskämpfe zwischen  Wisloka und San. 201

Der russische Gegenangriff  zwischen Dnjestr und Pruth. 207

Die strategische Lage am 14. Mai 1915. 209

Betrachtungen zur Schlacht  bei Gorlice—Tarnow.. 210

Der Feldzug im Westen vom 9. Mai bis 28. Juni 1915. 214

Die Schlacht bei Carency-La Bassée. 214

Zwischenkämpfe des Stellungskrieges. 226

Der Feldzug im Osten vom 14. Mai bis 7. Juli 1915. 230

Die Offensive der Deutschen und Österreicher (zweite Phase)230

Die Schlachtenfolge um die Sanlinie. 230

Die Schlachtenfolge um die  Dnjestr- und Pruthlinie. 251

Nebenkämpfe auf den andern Fronten. 267

Die Schlacht an der Wereszyka. 272

Der Durchbruch bei Magierow.. 275

Der Fall Lembergs. 281

Die Schlachtenfolge um die  Dnjestr- und Pruthlinie. 282

Betrachtungen zu der Offensive der Deutschen und Österreicher in Galizien286

Der Feldzug im Osten vom  7. Juli bis 13. November 1915. 293

Die Offensive der Deutschen und Österreicher(dritte Phase)293

Die Schlachtenfolge in Südpolen. 296

Die Schlachtenfolge in Kurland und Nordpolen. 297

Der Kampf um die Weichsellinie. 307

Die Schlachtenfolge in Südpolen. 308

Die strategische Lage am 24. Juli314

Die Schlachtenfolge in Südpolen. 317

Die Schlachtenfolge in Kurland und Nordpolen. 324

Der Kampf um die Weichsellinie. 330

Die Schlachtenfolge in Südpolen. 335

Die Schlachtenfolge um die Bug- und Njemenlinie. 339

Die strategische Lage am 14. August339

Die Kämpfe an Nurzec und Pulwa. 340

Die Belagerung Kownos. 341

Die Belagerung Nowogeorgiewsks343

Der Kampf um Brest-Litowsk. 345

Die allgemeine Lage am 26. August352

Die Offensive der Deutschen und Österreicher (vierte Phase)355

Die Schlachtenfolge zwischen dem Njemen und den Pripjetsümpfen. 356

Die Kämpfe bei Kobryn. 356

Die Kämpfe im Urwald von Bielowiec. 358

Die Kämpfe an der Jasiolda. 360

Die Kämpfe um Grodno und Olita. 362

Die Schlachtenfolge in Litauen. 365

Von der Kodra bis zur Beresina. 367

Die Kämpfe an der Düna. 369

Die Kämpfe an der Wilija und Wileika. 370

Die Kämpfe an den litauischen Seen. 375

Die Schlachtenfolge in  Wolhynien und Ostgalizien. 377

Die Lage vor dem 27. August377

Die Kämpfe an der Strypa und am Styr379

Die Kämpfe am Sereth und der Putilowka. 382

Die Kämpfe an der Ikwa und am Stubiel385

Die Kämpfe im Styrbogen und auf  der podolischen Steppe. 387

Der Ausklang der großen Offensive. 390

Der Feldzug im Westen vom  16. Zuni bis 30. Oktober 1915. 392

Die strategische Lage an der  Westfront im Sommer 1915. 392

Vorkämpfe bei Ypern. 394

Zwischenkämpfe in den Argonnen. 395

Joffres Vorbereitungen zum großen Kampf397

Die Schlacht bei Loos und Souchez. 398

Die Herbstschlacht in der Champagne. 402

Betrachtungen zur Gestaltung des Stellungskrieges im Westen und Osten und der strategischen Lage im Oktober 1915411

Der Balkanfeldzug vom  28. Juli 1914 bis 25. Januar 1916. 413

Das politische Verhältnis  Serbiens und Bulgariens. 413

Die Offensive der Österreicher in Serbien. 416

Der Kampf um Schabatz und Valjevo. 417

Der Einbruch der Serben in Syrmien und ins Banat420

Die Schlacht an der Drina (erste Phase)421

Die Kämpfe in Bosnien. 425

Die Schlacht an der Drina (zweite Phase)427

Die Schlacht an der Kolubara. 430

Der Kampf um Belgrad und der  Rückzug der Österreicher439

Die Offensive der Deutschen, Österreicher und Bulgaren in Serbien und Montenegro441

Die strategische Lage im September 1915. 442

Der Übergang über Save und Donau. 445

Der Vormarsch der Deutschen und  Österreicher im Norden. 452

Der Vormarsch der Bulgaren im Osten und Süden. 455

Die Kämpfe um die Moravapforten. 459

Die Kämpfe bei Nisch und Leskovac. 463

Die Kämpfe auf dem Amselfeld und in Albanien. 468

Die Kämpfe um die Wardarengen und der Rückzug der englisch-französischen Orientarmee471

Die Kämpfe im Sandschak und in Montenegro. 478

Der Ausklang der Balkanoffensive. 483

Der Dardanellen-Feldzug vom  3. Dezember 1914 bis 10. Januar 1916. 485

Die Kämpfe in der Meerenge. 489

Der Kampf um Kum Kalo und Sid ul Bachr489

Die Schlacht bei Erenköi493

Die Kämpfe auf dem Land. 496

Die strategische Lage vom 19. März bis 25. April496

Die Landungsschlacht499

Der Aufmarsch. 499

Der Kampf bei Kum Kale. 502

Der Kampf bei Sid ul Bachr, Kap Helles und Ari Burnu. 504

Stellungskämpfe auf Gallipoli517

Die Landung in der Suvlabai521

Die Schlacht bei Anaforta. 524

Die strategische Lage  nach den großen Schlachten. 528

Die Räumung Gallipolis. 530

Schlusswort532

Vorwort

Der Weltkrieg ist zu Ende, und der Schriftsteller, der es unternahm, die Geschichte des Krieges aufzuzeichnen, wie sie sich ihm im Augenblicke des Geschehens darstellte, steht heute vor der Frage, ob er die im Jahre 1917 und 1918 erschienenen Bände seines Werkes einer Überarbeitung unterziehen soll. Ich glaube, diese Frage verneinen zu dürfen und verneinen zu müssen. Nicht, als ob ich nichts zu verbessern, nicht manches anders zu fassen, vieles zu ergänzen wüsste, sondern weil ich der Überzeugung lebe, dass die Grundanschauung des Werkes und die strategische Auffassung der kriegerischen Wandlungen unerschüttert sind. Ehe ich an eine Bearbeitung denken kann, muss ich die Aufgabe zu Ende führen, die ich mir selbst gestellt habe, und das Werk vollenden, das meine "persönliche, jedem fremden Einfluss entzogene Arbeit" war, ist und bleiben wird.

Meine Freunde wissen, dass mich der Ausgang des Krieges nicht überrascht hat, aber ich leite daraus nicht das Recht ab, aus der Zurückhaltung hervorzutreten, die ich mir auferlegt habe, um diesem Werk jede sensationelle Färbung fernzuhalten und es vor jedem fremden Eingriff zu bewahren.

Wer die ersten beiden Bände prüfend liest — vielleicht jetzt noch einmal liest — und dem Spiel von Licht und Schatten folgt, das in Schilderungen und Betrachtungen darüber gestreut liegt, wird heute, da der Weltkrieg der Geschichte angehört, gewiss manches schärfer sehen als zur Zeit des Geschehens. Ich muss es mit diesem Hinweis bewenden lassen und möchte nur noch ausdrücklich sagen, dass ich den dritten Band mit demselben Gefühl der Verantwortung und demselben Bewusstsein seiner Unfertigkeit aus der Hand gebe wie die früheren Bände.

Er umfasst, entsprechend der Anzeige im Vorwort des zweiten Bandes, die großen Feldzüge des Jahres 1915 im Osten und Südosten Europas und die Durchbruchsschlachten im Westen. Er gibt zugleich den entscheidenden Ausschluss über die Gliederung des Werkes, indem er erkennen lässt, in welcher Weise die einzelnen Feldzüge unter Wahrung der synchronistischen Darstellung einheitlich gefasst sind. So findet der Leser in diesem Band den Balkanfeldzug vom 28. Juli 1914, dem Tage der Kriegserklärung Osterreich-Ungarns an Serbien, bis zur Beendigung der deutschösterreichisch-bulgarischen Offensive und zur Eroberung Montenegros im Januar 1916 hintereinander erzählt, den italienisch-österreichischen Feldzug des Jahres 1915 aber noch nicht geschildert, da dieser im Zusammenhang mit der deutsch-österreichischen Offensive des Jahres 1917 dargestellt werden soll. Neu ist im dritten Band die an die Spitze gestellte Schilderung des Seekrieges vom Beginn der Feindseligkeiten bis zum Frühling 1915, von der ich im Vorwort des zweiten Bandes nichts sagte, weil ich den tragenden Gedanken nicht preisgeben wollte, aus dieser Perspektive den Krieg noch einmal vom Beginn bis zu der am Ende des zweiten Bandes stehenden Winterschlacht in Masuren zu überblicken, um zugleich in seine ursächlichen Zusammenhänge und in seine tragischen Tiefen zu leuchten. Da der Umfang des dritten Bandes den des ersten und zweiten Bandes übertrifft, musste ich diesmal darauf verzichten, Auszüge aus den Betrachtungen zur Kriegslage des "Bund" beizugeben, doch sei erwähnt, dass die Anschauungen, die in diesen Betrachtungen niedergelegt wurden, in der Darstellung selbst nicht verlassen worden sind.

Der vierte Band wird zunächst die Feldzüge des Jahres 1916 und 1917 umfassen, also die Entwicklung bis zum letzten großen Intervall darstellen, in dem der Weltkrieg noch mit etwelcher Aussicht auf eine minder schwere wirtschaftliche und gesellschaftliche Erschütterung und eine weniger katastrophal wirkende Umgestaltung des europäischen Kontinents beendet werden konnte. Wird der vierte Band hierdurch vollständig in Anspruch genommen, so bliebe einem fünften Band die Darstellung der Ereignisse vom November 1917 bis November 1918 und die Schilderung der Kolonialfeldzüge vorbehalten.

Die Frage, ob der Verfasser zu einem längeren Schlusswort genötigt wird, um die im ersten Bande gegebene Darstellung "Zur Vorgeschichte des Krieges" gewissermaßen einer Durchsicht zu unterziehen und dabei auch die sogenannte Schuldfrage zu erörtern, lässt sich heute noch nicht beantworten, doch ist gewiss, dass darüber nur dann mit Nutzen geschrieben werden kann, wenn sich die Archive aller Mächte gleich weit öffnen, wie sie sich im Jahre 1914 alle gleich eng öffneten.

Der Weltkrieg hat vier Jahre und elf Monate gedauert. Deutschland hat vier Jahre und zwei Monate mit den Waffen Widerstand geleistet und focht wie Osterreich-Ungarn, wie das von ihm zuvor besiegte Russland, wie Bulgarien und die Türkei, bis zur völligen Erschöpfung. Es ist den vereinigten Anstrengungen der ganzen gegen das artfremde Deutsche Reich gerichteten politischen Weltkoalition erlegen.

Die neue politische Machtverteilung bestätigt die Vorherrschaft Englands und der von angelsächsischen Anschauungen getragenen Vereinigten Staaten von Amerika. Das darf man angesichts der triumphierenden geschichtlichen Rückkehr Frankreichs an den Rhein nicht übersehen. Insofern entspricht der Ausgang des Krieges der politischen Entwicklung, die den alten Kontinent mehr und mehr in ein nachgeordnetes Verhältnis zu dem insularen Weltstaat und dem neuen Kontinent geraten sieht, und kennzeichnet die militärgeographischen Bedingungen, denen sich Deutschland im Jahre 1914 vergeblich zu entwinden trachtete.

Im Jahre 1893, also zu einer Zeit, da man in Deutschland wohl noch nicht an eine Gegnerschaft Englands oder gar Nordamerikas dachte und noch die Möglichkeit besaß, sich mit England zu verständigen, ist die Theorie der deutschen Kriegführung in einem Zweifrontenkrieg von Bismarck in einer Weise erörtert worden, die auch heute noch von Interesse ist, obwohl Deutschland im Weltkrieg unter veränderten Umständen eine andere Lösung des strategischen Problems gesucht hat. Es sei mir daher gestattet, diese solange zurückgelegte Reminiszenz zu jener Rede Moltkes über die Kriegsdauer in Beziehung zu setzen, die ich im Vorwort des ersten Bandes als warnendes Leitmotiv angeführt habe. Wir finden darüber in dem Werk "Fürst Bismarck 1890—1898" Hermann Hofmanns folgende Sätze des verabschiedeten Kanzlers:

"Feldmarschall Moltke war von der Stärke unserer Stellung auf der Westgrenze mit Rücksicht auf unsere Befestigungen in Straßburg, Metz, Mainz und Koblenz so überzeugt, dass er es, wenn der Krieg mit zwei Fronten ausbräche, für möglich hielt, sich an der Westgrenze so lange auf die Defensive zu beschränken, bis der russische Krieg zu Ende geführt sei. Er war der Ansicht, dass die französische Kriegführung unfähig sei, bei unseren Eisenbahnverbindungen und Befestigungen auf der Westgrenze letztere zu durchbrechen, und glaubte daher den russischen Krieg bis zum Abschluss führen und dann erst Frankreich gegenüber von der Defensive zum Angriff übergehen zu können."

"... es ist eine zweifellose Tatsache, dass Graf Moltke sich in diesem Sinne ausgesprochen hat und dass er der Meinung gewesen ist, Deutschland könne, im Besitz von Metz und Straßburg mit Mainz und Koblenz dahinter, für den Fall eines Doppelkrieges die Defensive gegen Frankreich auf unbestimmte Zeit hinaus aufrechterhalten und währenddessen seine Hauptkraft nach dem Osten verwenden.

... Wir müssen es als eine Überhebung ansehen, wenn wir die Auffassung des großen Strategen mit unserem Votum irgendwie unterstützen wollen; nur möchten wir den anzweifelnden Artikeln der "National-Zeitung" und analogen Presseäußerungen gegenüber hinzufügen, dass (bei) eine(r) defensive(n) Kriegführung Deutschlands gegen Frankreich, solange wir im Besitz von Metz und Straßburg sind und solange die Deckung durch das neutrale belgische und luxemburgische Gebiet besteht, nicht, wie die offiziösen Blätter, um für die Militärvorlage Stimmung zu machen, behaupten, das linke Rheinufer, sondern allein ein Teil des Elsasses den Schutz der deutschen Truppen entbehren würde."

Als Bismarck diese Sätze schrieb, stand Deutschland am Ende des ersten Lustrums der Regierung Wilhelms II. Ein Vierteljahrhundert später erlag es im größten aller Kriege der größten aller Koalitionen. Aber auf den Zusammenbruch des wilhelminischen Deutschlands, auf die Revolution und einen vollendeten Gewaltfrieden wird eine Erneuerung Deutschlands und des deutschen Geistes, und eine Auferstehung und Läuterung des Volkes — dieses Volkes "so kindlich, doch so groß" — Platz greifen, bewegt sich doch die deutsche Geschichte seit Jahrhunderten zwischen Gipfeln und Abgründen, um immer wieder aus tiefster Tiefe zur Höhe emporzusteigen.

Mit Gottfried Keller, der im Jahre 1844 am "alten großen Grabe Deutschland" um den "Riesenleichnam" des deutschen Volkes klagte, spreche ich heute:

"And ich erkannte! Ja, du bist ein Grab!

Jedoch ein Grab voll Auferstehungsdrang!

Oh deutsches Volk, ich ruf' es dir hinab

And mische mich in deiner Seher Gang!

Dir werden noch die Osterglocken schallen.

Wie keinem Volke sie geklungen find!

Dein still Ergeben hat dem Herrn gefallen

And hoch erheben wird er dich, sein Kind!"

Bern, den 24. Juni 1919.

Hermann Stegemann

Der Seekrieg vom 2. August 1914 bis 24. Februar 1915

Zusammenhänge

Krieg, der die breit und behaglich lebende Welt im Sommer des Jahres 1914 überfallen hatte, war schon im Februar des Jahres 1915 allen Vorstellungen entwachsen, die vor Beginn dieser längst erwarteten kriegerischen Auseinandersetzung der europäischen Großmächte Geltung gehabt hatten. Er forderte mehr Blut, als alle Kriegskundigen geahnt, verzehrte größere Werte, als alle Volkswirtschaftler berechnet hatten, und eröffnete politische Durchblicke, die in völlig unbekannte Fernen und auf gewaltsame Lösung der verwickeltsten Probleme deuteten. Neue, im Krieg entstandene und vom Krieg genährte nationale, politische und soziale Gedanken und Gefühle begannen in Kraft zu schießen. Aber noch lagen sie als Keime unter der Erde, noch triumphierte der alte, mächtige Geist, der den Krieg als Fortsetzung der Machtpolitik entfesselt hatte.

Löst man sich von den Leidenschaften des Tages und sucht man einen Standpunkt zu gewinnen, der über die Gegenwart und das Erlebnis hinaus-ragt, so erscheint der Krieg — wie man sich auch zur äußeren Veranlassung und zur sogenannten Schuldfrage stellen möge — als Frucht und Krise des Imperialismus. Er entsprang einer Politik, die von allen auf Bewahrung und Ausdehnung ihrer Macht und ihres Einflusses bedachten Nationen mit mehr oder minder großem Geschick betrieben worden ist. Er erschien erst dann als eine besondere Art gewaltsamer Auseinandersetzung, und zwar als Ideenkrieg, als er so viele Opfer gefordert hatte, dass eine höhere begriffliche Bestimmung notwendig wurde, um die Völker zur Durchwatung eines solchen Blutmeeres willig zu machen.

Die Atmosphäre des Weltkrieges war zu Beginn des Kampfes anders zusammengesetzt als im Frühling des Jahres 1915 und erfuhr im Laufe der Zeit eine völlige Umwandlung, so dass die Umwertung des Weltkrieges in einen Ideenkrieg schließlich Weltgeltung erlangt hat. Das wurde Deutschland zum Verhängnis. Der Gegensatz innerer staatlicher Auffassungen und Ordnungen, der Preußen-Deutschland von den Westmächten mit ihrer Demokratie trennte und der Bildung einer gemeinsamen politischen Weltanschauung und Weltstimmung gegen Deutschland in der Zeit vor dem Kriege so förderlich gewesen war, trug zu dieser begrifflichen Bestimmung des Krieges als eines Ideenkampfes, eines Kampfes "für Recht und Gerechtigkeit" und gegen den "preußischen Militarismus" mächtig bei, und die Verletzung der belgischen Neutralität nahm Deutschland die Kraft, dagegen Berufung einzulegen.

Deutschland und Osterreich-Ungarn besaßen gegenüber solchen Triebkräften zum Kriege zunächst nichts als die Überzeugung, für ihren staatlichen Bestand und ihre Selbstbestimmung zu kämpfen, eine Überzeugung, die sie festhalten mussten wie das Herz in der Brust, und von der sie nicht lassen durften, so verführerisch die Kriegskarte auch lockte. Doch genügte dieser Glaube auf die Dauer nicht zur Beharrung im feurigen Ofen des Völkerkrieges, wenn das deutsche Volk sich nicht zugleich zu neuen politischen Idealen durchrang. Aber — ach — das war unsäglich schwer, denn man musste den Ideenkampf auskämpfen, ohne die kriegerische Kraft zu schwächen, die erfahrungsgemäß stets auf völlige Sammlung aller geistigen und körperlichen Fähigkeiten gestellt ist und die Eingabe jeder Lebensfaser fordert.

Die Kriegführung hatte vom 2. August 1914 bis 21. Februar 1915 gewaltige Feldzüge entbunden. Sie trug Gewicht auf Gewicht herbei und ließ die Waagschalen unter dem Aufprall der Schlachten klirrend auf und nieder schwanken, blieb aber im Grunde dem elementarsten aller Gesetze, dem der Erhaltung der Kräfte, und zwar sowohl der seelischen als auch der körperlichen Kräfte, unterworfen. Da die seelische Kraft und das geistige Spannvermögen eines Volkes in hohem Maße vom Ernährungszustand abhängig sind, waren die Mittelmächte auch auf diesem Gebiet von vornherein im Nachteil gegen ihre Feinde, die, ringsum gelagert, das Meer beherrschten und sich seiner zum eigenen Nutzen und zum Schaden der eingekreisten Völker Deutschlands und Osterreich-Ungarns nach Gefallen bedienten. Davon gibt die Führung des Seekrieges und des mit diesem verbundenen Handelskriegs beredte Kunde.

Die Darstellung der Kämpfe zu Wasser und der Bekämpfung des freien Handels muss daher von dem Begriff der Freiheit der Meere ausgehen, wenn man den großen Problemen dieses Weltringens gerecht werden und das Verhältnis der inneren Spannung in den kriegführenden Staaten zu der äußeren Politik und die daraus sich ergebende Wirkung auf Gang und Verlauf des Krieges richtig erkennen will.

Da uns diese Darstellung zu den Anfängen des Krieges zurückführt, sei darauf Bedacht genommen, den Seekrieg mit den Geschehnissen des Landkrieges zu verweben und die Landfeldzüge noch einmal in großen, von taktischen Einzelheiten gereinigten Zügen heraufzubeschwören, gleichsam als spiegelten sie sich im Meere, von dem aus wir die strategischen Zusammenhänge mit größerer Freiheit betrachten können.

Die Freiheit der Meere

Die Freiheit der Meere, das Recht aller, den Ozean zu befahren und friedlichen Handel zu treiben, ob auch Krieg herrsche zwischen zwei oder mehreren Nationen, ruht auf der Anschauung, dass das Weltmeer den Menschen keine bleibende Stätte bietet, sondern dazu bestimmt ist. Schiffe auf seinem Rücken zu tragen und die Länder zu verbinden, die es zu trennen scheint. Das Weltmeer ist Gemeinbesitz der Menschheit. Nur die Küstengewässer sind besonderen Hoheitsrechten unterworfen und gehören zu den Herrschaftsgebieten derjenigen Staaten, an deren Landfeste die Woge schlägt. Sind die Meere nach allgemeiner Anschauung die öffentlichen Verkehrsstraßen der Völker, gehören sie außer einem drei Meilen breiten Küstenstreifen keiner Nation, so muss die Freiheit der Meere im Frieden wie im Kriege gewährleistet und die gemeinsame Benutzung des Ozeans unter allen Umständen gesichert werden, denn mit der Antastung der Freiheit der Schifffahrt wird ein völkerverbindendes Gesetz gebrochen und der Krieg aus einem Zusammenstoß erklärter Gegner zum allgemeinen Konflikt.  So wie die Dinge noch heute liegen, ist die Freiheit der Meere nicht nur von veralteten Kriegsregeln, vor allem von der Ausübung des Beuterechts, sondern auch von der Verteilung der Seegewalt unter den Völkern der Erde abhängig. Besitzt eine einzelne Nation auf dem Meer so große Macht, dass sie allen anderen Völkern darin überlegen ist, so bleibt die Freiheit der Meere dem souveränen Ermessen dieser maritimen Vormacht überliefert und wird dadurch je nach den politischen Absichten und Interessen der seebeherrschenden Nation zur Tatsache oder zur Schimäre.

Als Großbritannien im achtzehnten Jahrhundert die führende Rolle auf dem Weltmeer an sich nahm, wurde ihm von der Geschichte die Aufgabe auferlegt, sich mit diesem Konflikt der Gewalten und der Rechte auseinanderzusetzen und ihn im Sinne der Gerechtigkeit und im Geiste der Menschlichkeit zu lösen. Das war leichter gedacht als getan, doch darf man nicht verkennen, dass England die Seepolizei mit Größe und Würde geübt hat. Darüber hinaus gelang die Lösung nicht. And das ist zu begreifen, denn der Grundsatz, dass die Meere frei seien, vertrug sich weder mit der Vorherrschaft einer einzelnen Macht, noch mit der von allen Machtstaaten betriebenen Ausdehnungspolitik. England war als die maritime Vormacht und als das von der See am meisten abhängige Land gezwungen, sich eine gewisse Handlungsfreiheit zu sichern. Es wahrte sich gewissermaßen das Recht, den Grundsatz, dass die Meere frei seien, auf besondere Art auszulegen und die völkerrechtlichen Übereinkünfte und Verabredungen über die Freiheit der Meere zu ändern und zu kürzen. Die Freiheit der Meere blieb also in Englands Belieben gestellt und wurde der Wohlfahrt Englands untergeordnet, mit anderen Worten: Englisches Recht brach Völkerrecht.

Jeder Krieg rief solchen Gefahren. England hielt sich von der Beteiligung an Festlandskriegen nicht nur deshalb möglichst fern, weil es seinen Degen lieber einem Verbündeten in die Hand drückte, sondern auch, weil es als Seemacht dem Landkrieg fernstand und seine politischen Ziele meist auf andere Weise zu erreichen wusste. Admiral Mahan hat in seinem berühmten Buch vom "Einfluss der Seemacht auf die Geschichte" den Satz geprägt: "Die natürlichen Triebe einer Seemacht gelten dem Frieden, da außerhalb ihrer Meeresküsten so vieles auf dem Spiel steht." Das ist richtig, kennzeichnet aber nur die Verletzlichkeit eines auf seine Seemacht gestellten Staates und nicht etwa die moralische Grundsätzlichkeit der von diesem Staate befolgten Politik.

Englands herrschende, aber verletzliche Weltstellung ruhte zu Beginn des Weltkrieges auf der Seegewalt, die es durch die Entente cordiale befestigt und mehr als je zuvor zum ausschlaggebenden Faktor seiner Politik gemacht hatte. Solange die Welt sich zum Imperialismus bekannte, durfte es cm dieser Hegemonie nicht rütteln lassen. Dadurch wurde das Problem von der Freiheit der Meere zum Kardinalproblem der Weltpolitik erhoben. Keine seefahrende Nation, kein handeltreibendes Volk, kein auf Zufuhr oder Ausfuhr angewiesener Staat war an der Lösung des Problems unbeteiligt. Es bedurfte eines Weltkrieges, diese weltwirtschaftliche Interessenverflechtung klarzustellen.

Die weltgeschichtliche Bedeutung des maritimen Übergewichts Englands ist im neunzehnten Jahrhundert ins Riesenhafte gewachsen. Als die Dampfschifffahrt den Seemann von Äolus' Launen unabhängig machte, reiste Englands Überlegenheit zur Allgegenwärtigkeit. Zu diesem wunderbaren Ergebnis der modernen Technik tat die britische Seestrategie das Ihre. Getragen von der welterfassenden egozentrischen Politik ihres Landes, schuf sich Englands Flotte im Laufe eines Menschenalters ein Netz von Kohlenstationen und Stützpunkten, das fein verzweigt die ganze Erde umspannte und die britische Seemacht zum Hernn der "kleiner" gewordenen Welt machte.

Man bedurfte freilich der Erfindung der Dampfmaschine nicht, um die Lage zu erkennen, in die die politische Welt durch die britische Vorherrschaft zur See versetzt worden war. Die Machtvollkommenheit Englands, den Begriff der Freiheit der Meere nach eigener Rechtsanschauung zu bestimmen, war schon im Jahre 1778 so groß, dass die übrige Welt die englische Seeherrschaft schon damals als eine Verneinung der Freiheit der Meere empfand und sich dagegen auflehnte.

England hatte während des Krieges mit den Vereinigten Staaten von Amerika, Frankreich und Spanien das Seebeuterecht rücksichtslos wahrgenommen und seinen Kapern freie Hand gelassen, Bannware und Feindesgut auch von den Schiffen befreundeter Nationen wegzunehmen. Da trat Katharina II. als Schützerin des freien Handels auf. Sie verlangte in einem 1780 veröffentlichten Manifest, dass neutrale Schiffe von Hafen zu Hafen und in den Küstengewässern ungehindert fahren, dass sie alle Güter, auch die von Untertanen kriegführender Länder, bis auf Kriegsbannware verfrachten, dass nur Waffen und Schießvorräte als Kriegsbannware gelten dürften und endlich, dass ein Hafen nur dann als gesperrt anzusehen sei, wenn die feindlichen Schiffe das Ein- und Auslaufen wirklich verhindern könnten. Da England im Gegensatz zu Amerika, Frankreich und Spanien diese vier Grundforderungen ablehnte, schloss Katharina mit Schweden, Dänemark und Holland eine Liga der "bewaffneten Neutralität", um dem Drucke Englands wirksam zu begegnen. Der Bund trat ins Leben, erreichte aber nichts, weil er keinen Waffenbund darstellte, und erstarb, ehe er recht geatmet hatte. Katharinas Nachfolger, Zar Paul, erneuerte das Neutralitätsbündnis im Jahre 1800, indem er statt der inzwischen von England niedergeschlagenen Niederlande Preußen zum Beitritt gewann. Aber England ließ sich von diesem "Nordischen Bund" nicht einschüchtern. Pitt erklärte, dass die von Katharina aufgestellten Grundsätze eine jakobinische Folgerung aus den Menschenrechten seien, erhöhte durch großzügige Maßnahmen den Ertrag der englischen Landwirtschaft und die Zufuhren aus Indien und verließ sich im Übrigen auf Britanniens "hölzerne Mauern". Die Flotte gestattete ihm, dem ganzen Festland zu trotzen. Kurz darauf machte die Ermordung des Zaren Pitts letzten Besorgnissen ein Ende. Der Bund löste sich auf, und es wurde still von der "Freiheit der Meere", einen, Ausdruck, der schon durch Hugo Grotius seine volle begriffliche Prägung erhaltet, hat. So ist auch auf einem Fest, das die französischen Konsuln im Oktober 1800 zu Ehren der Abgesandten der Vereinigten Staater, von Amerika in Paris veranstaltet hatten, ein Trinkspruch ausgebracht worden, der in die Worte mündete: "Nous buvons à l’union de l’Amérique avec les puissances du Nord pour faire respecter la liberté de la mer." Amerika leistete übrigens der Aufforderung zum Beitritt zur Liga des Nordens keine Folge, sondern hielt sich damals von einer Verflechtung seiner Politik mit der Politik europäischer Staaten fern.

Das neunzehnte Jahrhundert versuchte die Freiheit der Meere ans andere Weise sicherzustellen. Es brachte völkerrechtliche Verträge zustande und stellte Grundsätze auf, die für alle beteiligten Staaten bindend sein sollten. Vergebliche Liebesmühe — als der Weltkrieg ausbrach, wurden die im Lauf von hundert Jahren geschaffenen Bestimmungen, die man in de, Pariser Deklaration vom Jahre 1856, der zweiten Haager Konferenz vom Jahre 1899 und der Londoner Seerechtserklärung vom Jahre 1909 niedergelegt hatte, binnen wenigen Wochen entwertet, verstümmelt und zerpflückt und das Meer dem Krieg in beispielloser Weise dienstbar gemacht. Der eigentliche Seekrieg, d. h. die Bekämpfung der feindlichen Streitkräfte auf dem Meere, und der Handels- oder Wirtschaftskrieg, das ist das Bestreben, dem Feinde die Zufuhr abzuschneiden und seinen Willen durch Aushungerung zu brechen, entwuchsen, wie von einer unhemmbaren Elefantiasis befallen, allen völkerrechtlichen Bestimmungen, rissen sich von allen Regeln los und schritten nicht nur über die Rechte der Neutralen, sondern auch über die Gesetze der Menschlichkeit hinweg. Daran war nicht zuletzt das eigentliche Missverhältnis, richtiger die Inkongruenz der Verhältnisse, schuld, vor die sich Deutschland und England als Feinde gestellt sahen.

Deutschlands und Englands strategische Lage zur See

Der Verlaus des Seekriegs ist von vornherein durch das strategische Missverhältnis bestimmt worden, in dem sich Deutschland gegenüber England befand, ein Missverhältnis, das so einseitig bestimmt war, dass der Krieg zu Wasser als ein ungleicher Zweikampf Deutschlands und Englands ausgetragen wurde und die übrigen Teilhaber der feindlichen Koalitionen nur als Helfer im Streit erschienen. Diese Feststellung erinnert an die Wurzeln des Weltkrieges.

Als England in den Krieg eintrat, war seine vollkommene militärische Überlegenheit zur See gegenüber Deutschland so fest gegründet, dass es sich die Aufgabe stellen konnte, Deutschland vom Meer abzuschneiden, ohne seine eigene Flotte durch eine klassische Blockade der deutschen Küste aufs Spiel zu setzen. Die britische Staatskunst hatte sich diese Überlegenheit gesichert, als sie die französische Republik veranlasste, die Bewachung des Mittelmeeres zu übernehmen und die eigene Flotte in den britischen Heimatgewässern sammelte. Gestützt auf diese ungeheure Macht, verschloss England die Nordsee, indem es seine Hauptflotte zwischen der norwegischen Küste und den Orkneyinseln aufstellte und den Ärmelkanal durch leichtere Kräfte sperrte. Das war ein strategischer Angriff, der sich auf die insulare Grundstellung stützte und aus der Entfernung wirkte, ein Angriff, der seine erdrosselnde Offensivwirkung unter der Hülle einer Verteidigungsanstalt verbarg.

Der Durchführung des großen Planes, Deutschland auf diese Weise völlig vom freien Meer abzuschneiden, stellten sich lediglich völkerrechtliche Bedenken in den Weg, denn die Nordsee war ein freies Meer und bespülte die Küsten neutral gebliebener Staaten, aber militärischen Erwägungen gehorchend, schritt England darüber hinweg, wie Deutschland über die Neutralität Belgiens hinweggeschritten war. Die Briten fanden dabei wohl Widerspruch, aber niemand, der ihnen in den Weg getreten wäre. Die Zeiten des Nordischen Bundes waren vorbei.

Der englische Operationsplan war meisterhaft ersonnen und wurde mir überlegener Ruhe ins Werk gesetzt. Eine Flotte, die 56 Linienschiffe mit mehr als einer Million Tonnen Gewicht, 43 Panzerkreuzer, 55 geschützte Kreuzer, 260 Zerstörer und 40 Hochseetauchboote ins Feld führte, konnte es wohl wagen, die Nordsee zu blockieren und zugleich das Weltmeer im Auge zu behalten, um über der Weltgeltung der britischen Vormachtstellung zu wachen.

Die zahlenmäßige Überlegenheit der britischen Flotte hätte freilich nicht genügt, den Plan durchzuführen. Das strategische Missverhältnis zwischen den beiden Hauptgegnern wurde nicht so sehr durch die Zahl als vielmehr durch geographische Bedingungen bestimmt. Die englische Flotte verfügte über alle Häfen und Flussmündungen Englands als Ausfallsstellungen und erfreute sich voller strategischer Freiheit und Bewegungsfähigkeit, die deutsche dagegen lag im Nordseewinkel zwischen Jütland und Friesland eingeklemmt und war wohl fähig, wie ein Kettenhund aus ihrem Schlupfwinkel herauszufahren und die Deutsche Bucht vom Feinde freizuhalten, aber nicht imstande, gegen die breit vorgespannte britische Grundstellung anzugehen, ohne ihre einzige Rückzugslinie zu gefährden.

Auch wenn die deutsche Flotte beträchtlich stärker, selbst wenn sie der britischen Flotte nahezu ebenbürtig gewesen wäre, hätte sie sich diesem geographischen Zwangsverhältnis nicht entwinden können. Die deutsche Seemacht bildete also, im Zusammenhang der Kriegserscheinung betrachtet, von Anfang an und bis zum Ende des Krieges nichts anderes als eine starke Verteidigungsflanke. Nur die deutschen Heere, nicht die Flotte waren fähig, die Entscheidung im Sinne Friedrichs des Großen zu suchen, der lange vor der Erörterung der "attaque brusquée” als erster die Ansicht vertreten hatte, dass Preußens Kriege "kurz und vif" sein müssten, da ein langwieriger Krieg die vortreffliche preußische Mannszucht zerstöre, das Land entvölkere und seine Hilfsquellen erschöpfe.

Zwischen den beiden Flotten bestanden tiefgehende Unterschiede. Die britische Flotte schwamm im stolzen Gefühl einer von der Geschichte zweier Jahrhunderte bekräftigten Überlegenheit auf der weiten See, die deutsche trat als eine neue Schöpfung zum Daseinskampf an. Jene war das natürliche Instrument einer weise, kraftvoll und rücksichtslos geführten Weltpolitik und als Waffe seemännisch veranlagt, diese war der maritime Ausdruck der militärischen Macht und als solche gegründet, um Deutschland gewissermaßen in die Weltpolitik einzuführen und die Weltgeltung Deutschlands sinnfällig zu verkörpern, also nicht organisch gewachsen, sondern zweckbewusst organisiert.

Als der Krieg ausbrach, besaß Deutschland 30 Linienschiffe, 14 Panzerkreuzet, 35 kleine Kreuzer, 100 Torpedoboote und 28 Tauchboote, von denen 20 Linienschiffe, 5 Panzerkreuzer, 25 leichte Kreuzer, 84 Torpedoboote und 12 Tauchboote modernen Anforderungen entsprachen. Die deutsche Seerüstung hatte England schon im Jahre 1901 beunruhigt und zu größeren Rüstungen veranlasst, war aber trotz aller Anstrengungen Wilhelms II. noch nicht weit genug gediehen, England von einem Kriege abzuschrecken, wenn der politische Augenblick zur endgültigen Auseinandersetzung rief. Die Flottenpolitik Wilhelms II. und seines Beraters, des Admirals v. Tirpitz, war auf der Erwägung ausgebaut, die deutsche Seemacht könne so stark gemacht werden, dass England das Wagnis eines Krieges scheuen werde, da es einen Teil seiner eigenen Armada aufs Spiel sehen müsste, um in diesem Kriege obzusiegen. Diese Schlussfolgerung hat sich sowohl in politischer als auch in strategischer Beziehung als falsch erwiesen. England scheute dieses Wagnis ebenso wenig, wie es den Wettbau gescheut hatte, bei dem es zur Schaffung einer Großkampfflotte von ungeahnten Ausmaßen übergegangen war.

Die Politik Edwards VII. erleichterte England dieses Wettrüsten, denn England verfügte seit dem Abschluss der Entente cordiale im strategischen Sinn über die Flotte Frankreichs. Auch die Schlussfolgerung, dass England seine Armada aufs Spiel sehen müsse, um der deutschen Flotte Herr zu werden, traf nur unter gewissen Voraussetzungen zu. Sie gründete sich wohl auf die Tatsache, dass die britische Seestrategie seit mehr als hundert Jahren das Clausewitzsche Vernichtungsprinzip vertrat und stets darauf ausgegangen war, den Gegner zum Kampf herauszufordern, mit Übermacht anzugreifen und vom Meer zu vertilgen. Man übersah, dass die Strategie der britischen Admiralität keine souveräne war, sondern wie ihr Instrument, die Flotte, der Staatskunst dienstbar wurde. Forderte diese, dass die britische Flotte nicht aufs Spiel gesetzt werde, so erfuhr die Strategie eine Änderung in dem Sinne, dass die Admiralität erwog, wie der Feind bezwungen werden könne, ohne die eigene Armada, dieses kostbare Werkzeug der britischen Weltpolitik, einer gefährlichen Schwächung auszusehen.

Es fehlt nicht an Beispielen in der britischen Seekriegsgeschichte, die von einer solchen risikolosen Strategie berichten. Hatte doch Admiral Lord Torrington schon im Jahre 1690 — also in der Frühzeit britischer Seeherrschast— den Ausdruck "fleet in beeing" geprägt, als Rechtfertigung einer Strategie, die durch das stumme Vorhandensein der Flotte und zuwartendes Verhalten den Sieg erringt, ohne die Flotte aufs Spiel zu sehen. Wurde der Grundsatz der "fleet in beeing" im Jahre 1914 hervorgeholt, um die englische Armada über den Krieg hinaus zu erhalten, so war die deutsche Berechnung falsch. Das sollte die deutsche Flotte bald erfahren.

Verglichen mit den Briten, die das Weltmeer als einen Binnensee betrachten konnten, der überall an englisches Ufer schlug, schwammen die Deutschen fremd und heimatlos auf der See, denn sie besaßen auf der weiten Erde nur einen einzigen befestigten Stützpunkt, das entlegene Tsingtau. And Tsingtau war zwar ein trefflicher Hafen, eine aufblühende Handelsstation und eine von der Natur mit köstlichen Reizen geschmückte Stadt, aber kein Exponent ausschauender Weltpolitik. Das Pachtgebiet von Kiautschou, Bülows "Platz an der Sonne", konnte nur gedeihen, wenn Deutschland mit England zusammenging und Japan sich mit der Niederlassung Deutschlands in seiner Interessensphäre abfand. Das war nicht geschehen.

So blieb als einziger wirklicher Flottenstützpunkt nur noch Helgoland, das indes nichts anderes war als ein vorgeschobener Posten, eine schwimmende Batterie, die den Aufmarsch der Flotte sichern, den leichten Seestreitkräften als Zuflucht dienen und dein Gegner das Ansteuern der Deutschen Bucht unmöglich machen konnte, aber keine über See reichende Geltung besaß.

Die englische Flotte war schon lange vor dem Ausbruch des Krieges zum Waffengang bereit. Sie war seit dem September 1912 in den heimischen Gewässern versammelt und wurde im Juni 1914 zu einer großen Probemobilmachung aufgeboten, die alle Schiffe in Bewegung brachte. Als der politische Himmel sich im Juli vollends verdüsterte, beschloss die britische Admiralität, die Flotte nach Beendigung der Manöver und der großen Flottenschau auf der Reede von Plymouth zusammenzuhalten. Winston Churchill ging sogar noch weiter. Er befahl dem kommandierenden Admiral Sir John Jellicoe, die eingeschifften Reserven nicht zu entlassen, die Vorräte zu ergänzen und sich Tag und Nacht zur Ausfahrt bereit zu halten. In der Tat fuhr am 26. Juli ein Teil der Armada in Gestalt der 1. Flotte, 29 Linienschiffe, 4 Schlachtkreuzer und 9 Panzerkreuzer stark, plötzlich aus und nahm Kurs nach Osten. Als die Schiffe am Tage darauf auf ihren Ankerplatz zurückkehrten, erschien diese kurzläufige Bewegung im Licht einer Erkundung, die auf größere Dinge schließen ließ. Um dieselbe Zeit jagte die deutsche Hochseeflotte, die an der norwegischen Küste manövriert hatte, mit äußerster Kraft den heimischen Gewässern zu, um ihre strategische Grundstellung zu beziehen. Am 28. Juli lag schon verhaltene Spannung über den Ankerplätzen der beiden Flotten, obwohl man auf den deutschen Schiffen noch nicht an England als Gegner glauben wollte. Am 29. Juli trafen beide Armaden die letzten Vorbereitungen zum Kriege, am 2. August fielen zu Lande die ersten Schüsse, und am 4. August erklärte England an Deutschland den Krieg. Englands und Deutschlands Flaggen, die sich im Lauf der letzten 25 Jahre achten gelernt hatten, waren über Nacht zu Feinden geworden.

Die englische Kriegsflotte deckte in erster Linie die Überführung der Armee Frenchs nach Frankreich. Sie erblickte darin mit Recht die Voraussetzung zur Sicherstellung Frankreichs, denn dieses erschien durch den Einmarsch der Deutschen in Belgien und die in die linke Flanke des französischen Heeres zielende Umfassung schwer bedroht und — was für England ungleich wichtiger war — die flandrische Küste, Albions Festlandsglacis, drohte in deutsche Hand zu fallen. Die deutsche Flotte war nicht in der Lage, ihre Gegnerin an der Lösung dieser gewaltigen Aufgabe zu hindern. Sie musste sich damit begnügen, Nordflanke und Rücken des eigenen Heeres zu decken, wenn sie nicht zu einer Vernichtungsschlacht auslaufen wollte, die der Brite annehmen oder verweigern konnte. Das war ein bitterer strategischer Verzicht.

Die britische Flotte löste ihre Aufgabe glatt. Unter ihrem Schutze erreichte die alte britische Feldarmee, erreichten die kanadischen, australischen und indischen Hilfsvölker, die Divisionen Kitcheners und das große englische Volksheer nacheinander die französische Küste und warfen das Gewicht ihrer von Mond zu Mond anschwellenden Masse in die unsicher schwankende französische Waagschale, die dadurch vor dem Aufschnellen bewahrt wurde. Während Joffre die französischen Armeen sammelte und zurechtschob, überbrückten die Briten gewissermaßen den Ärmelkanal und schlossen die britische Operationsbasis unmittelbar an die französische Grundstellung an.

Gleichzeitig legte die britische Flotte einen Sicherungsgürtel um die Nordsee und sandte Kampf- und Begleitgeschwader über den Ozean, um die deutschen Kreuzer zu jagen, die deutschen Handelsschiffe aufzubringen, Truppen aus aller Welt herbeizuholen und die Eroberung der deutschen Kolonien einzuleiten.

Alle Häfen des Mutterlandes, alle Schlupfwinkel der Orkneyinseln und der Irischen See, alle Kohlenstationen der britischen Herrschaftsgebiete, alle Reeden der verbündeten und befreundeten Mächte standen der britischen Flotte zur Bewältigung dieser Riesenausgabe zur Verfügung und — was das Entscheidende war — sie bedurfte keiner Schlacht, um sie ungestört durchzuführen, solange Deutschland seine Geschwader nicht zum Kampf auf Leben und Tod gegen den Feind sandte. Zu einer solchen Herausforderung fehlte der deutschen Flotte zwar weder Mut noch Wille, wohl aber die zahlenmäßige Stärke, die strategische Freiheit und die Einwilligung der Obersten Heeresleitung, die den Krieg zu Lande auskämpfte. Unter diesen Umständen konnte eine große Seeschlacht nur aus Zufälligkeiten oder aus einer Strategie hervorgehen, die nach Hoffen und Harren alles auf einen Wurf setzte, um dem kraftverzehrenden Schwebezustand ein Ende zu machen.

Aber wenn auch die deutsche Flotte nicht dazu überging, die britische Armada auf hoher See zu einer Entscheidung herauszufordern, so drückte sie doch trotz ihrer strategischen Gebundenheit auf die Entwicklung des Krieges. Tirpitz sammelte seine Hauptmacht in der Deutschen Bucht und ließ sich nicht zu einer Zweiteilung seiner Kräfte verleiten, obwohl die Ostsee und der Kaiser-Wilhelm-Kanal zu doppeltem Spiel lockten. Der Kaiser-Wilhelm-Kanal wirkte umso stärker auf die strategische Lage, je weniger sich der deutsche Admiralstab im Vertrauen auf diese "innere Linie" zu einer Teilung seiner Kräfte hergab. Er gestattete der deutschen Admiralität, die Hauptkraft in der Nordsee zu vereinigen, ohne die Ostsee zu entblößen. Es war nicht mehr die 62 Meter breite, 9 Meter tiefe Fahrrinne, die Kiel und Brunsbüttel seit dem Jahre 1896 miteinander verband, sondern eine ungleich leistungsfähigere Wasserstraße. Der Kanal war in den letzten Jahren vor dem Kriege vertieft, verbreitert und mit weit größeren Schleusen ausgestattet worden und bildete einen Wasserweg, auf dem die größten Linienschiffe in zehn Stunden von der Nordsee in die Ostsee gelangen konnten. Der Kaiser-Wilhelm-Kanal war in dieser Gestalt die einzige strategische Operationslinie von Bedeutung, über die die deutsche Marine verfügte. Er allein setzte die Deutschen instand, das "fleet in beeing"-Prinzip" in gewissem Ausmaß auch in ihren Kriegsplan aufzunehmen.

Die Deutschen führten den kleinen Krieg zur See mit frischem Eifer und ungekühltem Mut. Kreuzer, Torpedoboote und Unterseeboote durchfurchten die Nordsee, um den Feind zu beunruhigen, zu ermüden, ihm Nadelstiche und kleine Schläge zu versehen, ihm den Schlaf zu rauben und ihn wenn möglich in Kanonenschussweite von Helgoland zur Schlacht zu locken. Es war die Taktik des Schwächeren. Sie führt zwar selten zum Sieg, entsprach aber den Bedingungen, unter denen Deutschland zur See zu fechten verurteilt war, wenn es nicht alles auf einen Wurf sehen wollte.

Kämpfe und Maßnahmen in der Nordsee

Während die Landheere in Belgien und Frankreich um die strategische Überlegenheit rangen, begegneten sich deutsche und englische Schiffe auf der von kurzen Wellen gepeitschten, nebelverhängten grauen Flut der Nordsee und lieferten einander zahlreiche Erkundungsgefechte und zwei größere Treffen. Die Deutschen suchten dem Gegner zunächst die Handlungsfreiheit zu schmälern, indem sie die britischen Gewässer mit Minen spickten. Schon am Tage nach der englischen Kriegserklärung schlich sich der deutsche Dampfer "Königin Luise" in die Themsemündung und streute Minen in die Fahrrinne, die von den Kriegsdocks Sherneß und Chatam seewärts führte. Zwei Tage verhüllte der Themsenebel das gefährliche Schiff, dann wurde das Fahrzeug von der 3. Zerstörerflottille entdeckt und nach kurzem Kampf vernichtet. Am 8. August bereitete eine der von ihm gelegten Minen dem kleinen Kreuzer "Amphion" den Untergang. England zieh Deutschland alsbald der Verletzung des Völkerrechts, weil es durch diese Minenstreuung friedliche Kauffahrer gefährdet habe, und sicherte sich dadurch die moralische Überlegenheit bei der Befreiung von den Fesseln der Londoner Deklaration.

Unterdessen brachen sich die deutschen Westarmeen durch Belgien Bahn. Während Lüttich fiel und bei Mülhausen mit wechselndem Erfolg gekämpft wurde, pflügten starke britische Zerstörer von 800 Tonnen Gehalt und kleine deutsche Torpedoboote, die nur 400 bis 600 Tonnen verdrängten, die schäumende Nordsee. Vorsichtig begaben sich die ersten Tauchboote auf den Kriegspfad. Am 18. August sichtete der kleine Kreuzer "Birmingham" das deutsche Tauchboot U 15 und brachte es durch Geschützfeuer zum Sinken.

Vergebens warteten die deutschen Küstenwerke auf den Feind. Die Engländer hatten Wichtigeres zu tun. Sie häuften ihre leichten Streitkräfte im Kanal, um French ungestört Verstärkungen und Erhaltungsmittel zuzuführen, denn die britische Feldarmee war durch den Vormarsch der 1. und 2. deutschen Armee auf Tirlemont und Brüssel in Gefahr geraten, erdrückt zu werden, ehe sie ihren Aufmarsch an der Sambre vollzogen hatte.

Rasch wuchs der Krieg in die erste Krise. Im Westen wurden die großen Grenzschlachten geschlagen. Der Vormarsch des deutschen Nordflügels hatte Raum gewonnen, die Belgier waren nach tapferem Widerstand bei Haelen, Tirlemont und Aerschot zum Weichen gebracht worden. Ramm reif zum Fall und die belgische Feldarmee unter die Mauern Antwerpens geflüchtet, um dort eine Flankenstellung zu beziehen. Die Südflügel der Westheere waren in heftige Vorkämpfe verwickelt. Am 17. August war General Pau vor Mülhausen erschienen und hatte die zum Gegenangriff vorgeführten Brigaden Gaedes in den Hardtwald zurückgeworfen, während General Bataille durch die Vogesen auf Colmar rückte und Dubail und Castelnau sich zwischen St. Dié und Toul zum großen Zentrumsstoß bereitstellten. Zwischen Verdun und Maubeuge ordneten sich die Armeen Ruffey, Lanrezac und French, um dem deutschen Vormarsch die Spitze abzubrechen und die Maas—Sambre-Linie zu verteidigen, bis Castelnau das Schicksal gewendet hatte. Der französische Feldzugsplan ging, wie heute mit größerer Sicherheit dargestellt werden kann als vor zwei Jahren, auf eine Durchbrechung der deutschen Westfront zwischen Metz und Straßburg aus und zielte in gerader Richtung auf Mainz und die Maingrenze. Er bedrohte die großen Rochadelinien des Rheintales, die durch 'die Verschiebung des Schwergewichtes des deutschen Angriffs nach dem Nordflügel zur Unterbrechung lockten, und erschien als klassischer Gegenzug zu der weitausholenden Schlieffenschen Umfassungsbewegung. Dieser "coup droit" hatte in dem französischen Aufmarschplan "mit doppeltem Boden" wohl verborgen gelegen, schoss aber zu spät und zu unvollkommen in Gestalt, um die englisch-französische Nordflanke vor dem Zusammenbruch zu bewahren.

Angriff und Gegenangriff verflochten sich vom 19. bis 24. August zu der großen Schlachtenfolge, die ihre Donner von Mons und Charleroi bis Mülhausen sandte. Die Schlacht bei Mörchingen und Saarburg und die Schlacht in den Vogesen endeten mit dem Rückzug der Franzosen über die Seille und die Nordvogesen auf Nancy und die Mortagne, die Begegnungsschlachten an der Semois und bei Longwy endeten mit dem Rückzug der Franzosen über die Maas, und die Schlachten bei Mons und Charleroi führten zu überstürztem Rückzug des schwergeprüften englisch-französischen Nordflügels auf die Oise.

In diesem Augenblick schritten die Engländer zu ihrem ersten größeren Unternehmen in der Nordsee.

Das Treffen bei Helgoland

Vizeadmiral Beatty erschien am 28. August vor der Deutschen Bucht und forderte die deutsche Kreuzerflotte zum Kampf heraus. Da die deutsche Flotte nur wenige große Panzerkreuzer besaß, lag die Versuchung nahe, diese aus den Flussmündungen zu locken, in einer Lauerstellung zu überfallen und zu vernichten und die deutsche Flotte dadurch zu verkrüppeln. Beatty traf hierzu die trefflichsten Anstalten. Er beschränkte sich nicht darauf, den Panzerkreuzern einen Hinterhalt zu legen, sondern spannte ein feingewobenes Retz, um alle deutschen Kräfte, die sich zum Kampf lockenließen, zum Schlagen zu zwingen. Zu diesem Zwecke teilte er seine Streitkräfte, ohne sie aus der Hand zu geben, in zwei starke Geschwader. Konteradmiral Christian erhielt den Befehl, die Tauchboote des Kommodore Keyes, zwei Zerstörerflottillen und ein Panzerkreuzergeschwader zwischen der Jade- und der Emsmündung aufzustellen und den auslaufenden Feind aus der Flanke anzugreifen, während Beatty selbst zwei Zerstörerflottillen, ein Geschwader leichter Kreuzer und das 1. Geschwader britischer Schlachtkreuzer zwischen Helgoland und Langeoog zum Kampf entwickelte. Am 27. August stießen Beattys Zerstörerflottillen unter Führung des Kommodore Tyrwhytt, der seine Flagge auf dem leichten Kreuzer "Arethusa" gehisst hatte, gegen die Helgoländer Postenkette vor, die sich als Kreisbogen von Langeoog in nördlicher Richtung um Helgoland zog und einen Sicherungsschleier vor die Deutsche Bucht legte. Der britischen Meereskavallerie folgte das 1. Geschwader der leichten Kreuzer, "Birmingham", "Lowerstoft", "Southampton", "Falmouth" und "Liverpool". Auf dem rechten Flügel marschierten Christians Panzerkreuzer "Euryalus", "Cressy", "Hogue", "Aboukir" und "Bacchante" auf, Schiffe von 12000 Tonnen, die hinter den Zerstörern Tyrwhytts langsam gen Wangeroog zogen. Kommodore Keyes brachte die Tauchboote in Stellung und begab sich dann mit den Zerstörern "Lurcher" und "Firedrake" auf die Suche nach dem Feind. Beattys Hauptmacht harrte, von vier Zerstörern begleitet, in sicherer Entfernung auf den Augenblick zum Eingreifen. Das 1. Geschwader britischer Schlachtkreuzer bestand aus den Riesen "Lion", "Tiger" und "Prinzess Royal" und war durch "Invincible" und "New Zealand" verstärkt worden. Das Flaggschiff "Lion" verdrängte 30000 Tonnen, lief 28 Seemeilen und schleuderte Breitseiten von 4536 Kilogramm Gewicht. Das ganze Geschwader verdrängte 124000 Tonnen und trug als schwerste Kaliber 24 Geschütze zu 30,5 Zentimeter in den Kampf.

Am frühen Morgen des 28. August erfolgte der erste Zusammenstoß. Er mischte seine Donner mit der Schlacht bei St. Quentin—Guise. Die See lag ruhig, an der Küste schien die Sonne, Helgoland verschwamm in Dunst, auf der Doggerbank ballte sich die Trübe zu Nebel. Um 7 Uhr brachen die britischen Zerstörer unter der Führung der Kreuzer "Arethusa" und "Fearless" nordwestlich von Helgoland in die deutsche Vorpostenlinie und schwenkten scharf nach Südwesten, um die Flottille von ihrem Stützpunkt Helgoland abzuschneiden. Die deutschen Torpedoboote standen unter der Führung des Korvettenkapitäns Wallis, der sein Wimpel auf V 187 gesetzt hatte. Sie wurden von dem Einbruch in ihre rechte Flanke völlig überrascht. Die schlechte Sicht hatte den Feind verborgen, bis er dicht neben ihnen auftauchte. Als sie sich von Abschneidung bedroht sahen, gaben sie dem Stoß nach und wichen in der Richtung auf Helgoland aus. Dabei wurde V 187 im Nebel abgeschnitten und zum Kampf gezwungen. Als Wallis sich von Feinden umringt sah, machte er kehrt und stieß gegen die Verfolger vor. Nach kurzem, heldenmütigem Widerstand erlag das Boot dem Kreuzfeuer seiner Bedränger und sank in die Tiefe. Wallis fiel.

Während die deutschen Torpedoboote von den Zerstörern gejagt wurden, traten die kleinen Kreuzer "Stettin" und "Frauenlob" auf den Plan und nahmen den Kampf mit "Arethusa" und "Fearless" auf. Das Gefecht zog sich in südwestlicher Richtung und näherte sich allmählich dem Feld, auf dem Beatty die Streitkräfte Christians bereitgestellt hatte. Da verhüllte tief streichender Nebel die Kämpfenden und zwang sie, das Gefecht abzubrechen. Der Vorhang fiel, das Vorspiel war zu Ende.

Die deutschen Torpedoboote sammelten sich unter den Batterien von Helgoland, nur "Frauenlob" und der Kreuzer "Stettin" suchten im Nebel nach "Arethusa", die sie stark angeschossen hatten und mit den Zerstörern auf mühsamer Flucht wähnten.

Unterdessen waren stärkere deutsche Kräfte in Bewegung geraten. Auf allen Schiffen tönten Trommel und Horn, und klar zum Gefecht stießen "Straßburg", "Ariadne", "Köln" und "Stralsund" aus der Weser, "Mainz" aus der Ems zum Angriff vor, um die nach Südwesten enteilenden englischen Zerstörer zu fassen. Die deutschen Kreuzer brannten darauf, an den Feind zu kommen. Niemand dachte daran, dass der Nebel schwerere Schiffe verberge. Unversehrt gewannen die kleinen Kreuzer die hohe See. Schliefen die britischen Tauchboote oder warteten sie auf edleres Wild? — Ungestüm jagten "Straßburg", "Ariadne", "Köln", "Mainz" und "Stralsund" in den dichter ziehenden Dunst, in dem "Arethusa", "Fearles" und die britischen Zerstörerflottillen untergetaucht und verschwunden waren. Kaum waren die unvorsichtigen Verfolger in die dichte Dunstschicht eingetreten, so prallten sie an die englischen Zerstörer, die nicht weggelaufen waren, sondern nur die Entfernung zwischen sich und der Hauptmacht verkürzt hatten, und, von dem 1. Geschwader ihrer leichten Kreuzer unterstützt, den Kampf alsbald wieder aufnahmen. Der Kreuzer "Mainz", der mit Nordostkurs heranbrauste, trat zuerst ins Gefecht. Das Schiff lief dem 1. Geschwader geradezu in den Rachen. Es gelang ihm noch, die Meldung abzusenden, dass schwere englische Streitkräfte im Anmarsch seien, dann schlugen die 15-cm-Geschosse der britischen Kreuzer auf ihm ein. Es war ein aussichtsloser Kampf. "Mainz" stritt bis zum letzten Atemzug und schwamm noch mit wehender Flagge, als Beattys Schlachtgeschwader heranrauschte. Der britische Admiral hatte sich entschlossen, seine ganze Stärke einzusetzen, da ihm das Erscheinen feindlicher Panzerkreuzer gemeldet worden war. Das war ein Irrtum. Die leichten Kreuzer der deutschen Städteklaffe, die durchschnittlich 4000 Tonnen Wasser verdrängten und als größtes Kaliber Geschütze zu 10,5 Zentimeter führten, verdienten diese Bezeichnung nicht. Der Nebeldunst hatte ihre Umrisse spukhaft vergrößert und den Feind zum Glauben gebracht, dass die großeir Kreuzer auf das Gefechtsfeld getreten seien. Der Kreuzer "Köln," der den Zerstörern am stürmischsten gefolgt war, hatte den Kurs Beattys bereits gekreuzt und lag mit "Arethusa" und der 3. Zerstörerflottille im Kampf verbissen, als ihn die schweren Salven der Schlachtkreuzer im Vorbeistreichen fassten und vernichteten. Kurz darauf stieß die kleine "Ariadne" im Nebel auf Beattys Flaggschiff. Sie drehte zwar rasch ab, um sich rückwärts zu retten, vermochte aber dem Feind nicht mehr zu entrinnen. Den Tod vor Augen, nahm sie den ungleichen Kampf heldenmütig auf sich und griff den Riesen "Lion" mit wehender Flagge an. Doch die erste Breitseite traf sie fürs Leben. Verkrüppelt und in Brand geschossen, wehrte sie sich noch, bis ihr letztes Geschütz im Wasser lag. Als sie verstummt war, drehte Beatty nach Westen ab. Er war den Minenfeldern nähergekommen, als ihm lieb war, und fürchtete auf deutsche Unterseeboote zu stoßen. Von dicken deutschen Schiffen war nichts zu hören, nichts zu sehen. Die kleinen Kreuzer "Stralsund" und "Straßburg" hatten beizeiteil einen Haken geschlagen und entgingen dadurch dem Verderben. "Stralsund" erschien noch rechtzeitig bei der sinkenden "Ariadne", um die Reste der Besatzung aufzunehmen. Sie gingen mit der Flagge, den Verwundeten und dem Lied "Deutschland, Deutschland über alles" von dem sinkenden Schiff. Die Überlebenden der Kreuzer "Mainz" und "Köln" wurden von den britischen Zerstörern gerettet.

Das erste größere Seetreffen ist nicht zur Reife gediehen, denn die britischen Unterseeboote und das Geschwader Christians waren nicht zum Schs gekommen, und die deutschen Schlachtkreuzer hatten ihre Ankerplätze nicht verlassen. Als "Köln" den letzten Hilferuf aussandte, war es zu spät, auszulaufen und das Schicksal der kleinen Kreuzer zu wenden. So endete das von den Deutschen tapfer, aber zusammenhanglos geführte erste Seetreffen mit einem Sieg der Briten, die ihre alte Meisterschaft in der Heranführung überlegener Streitkräfte und der Verwendung der verschiedenen Schiffstypen im Gefecht aufs Neue bewiesen hatten.

Die allgemeine strategische Lage und der Seekrieg

Das Treffen bei Helgoland hatte auf die allgemeine strategische Lage keinen Einfluss. Diese war inzwischen zu Lande neu bestimmt worden, und zwar hatte der Umschwung, der sich dort angebahnt hatte, der zurückhaltenden englischen Seestrategie durchaus recht gegeben. Hierüber schafft ein einziger Blick auf die Schlachtfelder des Ostens und des Westens Klarheit.

General Joffre hatte sich am 30. August nach dem Verlust der Schlacht bei St. Quentin—Guise vom Verfolger losgerissen und den erkämpften Zeitgewinn zur Sammlung von Verstärkungen benutzt. Er wich über die Aisne und die Marne ins Seinebecken und verankerte sich zwischen Paris und Verdun. Durch diesen Rückzug machte er dem Feind endlich die Umfassung seiner ausgesetzten strategischen Flanke unmöglich. Da der linke Flügel der deutschen Westarmeen sich zwischen Nancy und St. Die festgerannt hatte, war Joffre instandgesetzt, seinen eigenen linken Flügel um eine ganze Armee zu verstärken und nach den Umständen zu handeln.

Nun kam alles auf Moltkes Verhalten an. Das Problem des Feldzuges war in ein Trilemma gepresst und spiegelt sich in einem Fragesatz folgendermaßen: "War Moltke in der Lage, seine Angriffsmasse rechtzeitig zu zügeln oder ihr eine andere Richtung zu weisen und gestützt auf den Ourcq und die Marneübergänge dem Feind im Marnebogen Schach zu bieten, während eine neugeballte Streitmacht gegen die schwachbewehrten englischen Grundstellungen an der französischen Nordküste vorging, oder stürmten die deutschen Armeen von Siegen und Hoffnungen trunken über den Gipfelpunkt ihrer Offensive dem Feinde nach und suchten die Entscheidung in einer Hauptschlacht zwischen Paris und Verdun, um diese um jeden Preis auszukämpfen?

Es war ein spannungsvoller Augenblick, ein Augenblick, der über den Feldzug, vielleicht sogar über den Krieg entschied. Die gefährliche Lage der Österreicher, die am 28. August an der Zlota-Lipa geschlagen worden waren und sich bei Lemberg verzweifelt ballten, um trotz ihrer ungünstigen Lage eine neue Schlacht zu liefern und nach zwei Seiten Front zu machen, erschwerte den Deutschen den Angriffsfeldzug im Westen, aber noch mehr hatten sie ihn sich selbst erschwert, indem sie drei Korps vom Umfassungsflügel wegnahmen und nach Ostpreußen sandten, weil die preußische Grenze von den Russen überflutet worden war. Hindenburg hatte zwar die Russen bei Tannenberg vernichtend geschlagen und dem Feldzug im Osten dadurch eine neue bestimmende Wendung gegeben, aber der Feldzug im Westen war durch den unzweckmäßigen, am falschen Punkt erfolgten Kraftentzug und das Scheitern des Angriffs auf die Maas-Mosel-Flanke zum Stillstand verurteilt worden. Darüber gab man sich im deutschen Lager erst Rechenschaft, als Joffre zum Angriff schritt und die Schlacht an der Marne entbrannt war.

Moltke hatte ihr nicht mehr ausweichen können. Die Zügel waren ihm durch die Finger geglitten, und der rücksichtslos vorprallende rechte Heeresflügel in die Zange geraten, statt in der Staffel zu folgen, während das Zentrum am Mittellauf der Marne mühsam Raum gewann. Aber jetzt kam Moltke rasch zu neuem Entschluss. Hasstig brach er die Schlacht ab und entzog die Armee der Umfassung, die sie auf den Katalaunischen Feldern mit Vernichtung zu bedrohen schien, durch eiligen Rückzug nach Norden.Er wusste kein anderes Mittel, die zerfahrene strategische Lage wieder zu befestigen, verzichtete auf rücksichtslose Durchführung der ungünstig eingeleiteten Schlacht und opferte den vorgefassten Angriffsplan, dem General Foch, der feinste Kopf der französischen Schule, dieses Schicksal schon vor dem Kriege vorausgesagt hatte.[1]

Während das deutsche Westheer sich mühsam aus der Marneschlacht löste und den Rückzug antrat, wichen die Österreicher schwer geschlagen vom San auf den Dunajec, um sich dort in der Verteidigung zu stellen. Um dieselbe Zeit gewann Hindenburg in der Schlacht an den masurischen Seen seinen zweiten Sieg und damit Zeit und Raum zur Durchführung eines neuen deutschen Kriegsplanes.

Auf alle diese grundstürzenden Ereignisse übte der Seekrieg keinen Einfluss.

Unterseeboot, Seemine und Handelskrieg

Da wurde die Stille, die über der Nordsee lagerte, plötzlich durch drei weithin hallende Entladungen unterbrochen. Ein deutsches Tauchboot rächte das Torpedoboot und die kleinen Kreuzer, die am 28. August bei Helgoland verlorengegangen waren, durch eine unerhörte Tat.

U 9 steuerte am 21. September unter der Führung des Kapitänleutnants Otto Weddigen von Helgoland westwärts, um gegen den Ärmelkanal und die Themsemündung vorzustoßen. In der Morgenfrühe des 22. September sichtete Weddigen an der holländischen Küste drei britische Panzerkreuzer. Er tauchte und ging zum Torpedoangriff auf die großen Schiffe über, die mit 9 Knoten Geschwindigkeit gemächlich einherzogen. Es waren Christians Panzerkreuzer "Hogue", "Aboukir" und "Creffy". Sie kreuzten zwischen der Themsemündung und Hoek van Holland, versahen sich keines Feindes und fühlten sich so sicher, dass sie ihre Zerstörer-Begleitflottille gegen 6 Uhr entlassen hatten, obwohl die Ablösung noch nicht zur Stelle war. Das Meer lag glatt, die Sicht war gut, ein paar Fischerbarken am Horizont und kein Periskop zu sehen.

Weddigen wartete, bis der Feind querab stand, und schoss dann den Kreuzer "Aboukir" aus der Mitte heraus. Schwerfällig drehte sich der wunde Riese auf die Seite und verschwand nach zwölf Minuten in der Tiefe. "Hogue" und "Creffy" vergaßen ihre eigene Sicherheit und suchten die Besatzung zu retten. "Creffy" stoppte und "Hogue" wendete, während der Ausguck das feindliche Tauchboot zu entdecken suchte. Da fuhr Weddigens zweiter Schuss aus dem Rohr und traf "Hogue" so schwer, dass das Schiff binnen vier Minuten kenterte und sank. Kalten Blutes ging U 9 trotz Wirbel und Trümmer an "Creffy" heran und schleuderte sein drittes Geschoss. Man sah die Blasenbahn an Bord des Engländers näher und näher kommen, konnte sich aber des Torpedos nicht mehr erwehren. Die Maschinen lagen still, das Schiff war nicht bewegungsfähig und der stählerne Fisch schoss spitz darauf zu. Vergebens peitschte "Cressys" leichte Artillerie das Meer, der Torpedo fand seilt Ziel und schlug dem Schiff eilte schwere Wunde. Trotzdem hielt es sich mit starker Schlagseite aufrecht und schoss wütend um sich, während es die Maschinen in Gang zu bringen suchte. Da traf es Weddigens vierter Torpedo ins Leben. Das Panzerschiff bäumte sich hoch auf, schlug seitlings ins Wasser und begann sich dann rasch zu füllen und zu sinken. Was noch lebte, glitt an der Bordwand ins Meer. Es war 10 Minuten nach 8 Uhr, eine halbe Stunde nach dem Untergang des ersten Schiffes. Während holländische Fischerboote sich daran machten, die im Wasser Treibenden zu retten, entwich U 9 mit äußerster Kraft, denn jetzt nahten voll allen Seiten britische Zerstörer, um die Tat zu rächen. Sie kamen viel zu spät. Weddigen wurde zwar am Nachmittag erspäht und gejagt, entrann aber im Abenddunkel den mahlenden Schrauben, tauchte unter der englischen Postenkette hindurch und kehrte an, 23. August unbeschädigt nach Helgoland zurück. Englands 7. Kreuzergeschwader war gesprengt, von 2265 Mann wurde knapp ein Drittel gerettet.

Die Tatsache, dass England zwar die Wogen beherrschte, aber des Gegners zur See noch nicht so Herr geworden war, dass er aufgehört hätte, seinen Angriffsgeist zu betätigen, wurde durch die gleichzeitige Vernichtung dieser drei schweren Schiffe auf einen Schlag offenbar. Das Unterseeboot ward von diesem Tag an der Schrecken einsam ziehender großer Schiffe. Weddigens Tat rief in Deutschland himmelstürmende Hoffnungen nach, und mit Feuereifer warf man sich auf den Bau einer Tauchbootflotte, der die deutsche Marineleitung vor den, Kriege allzu lange ablehnend gegenübergestanden hatte.

In England übte der Verlust der Schiffe und so vieler Seeleute tiefe Wirkung, aber man fasste sich rasch und suchte sich den als gefährlich erkannten Feind mit Minen und Fangvorrichtungen vom Leibe zu halten, doch war kein Zweifel mehr, dass der Seekrieg in eine neue Epoche getreten war. Alle kriegerischen Bewegungen, alle Schlachten zwischen hochbordigen Schiffen in der Nordsee und auf den fernen Meeren mussten verblassen, wenn Deutschland die Tauchbootwaffe im Handelskrieg verwandte und als Kaper ausrüstete, um für die Aushungerung Mitteleuropas durch die Versenkung feindlicher Handelsschiffe Vergeltung zu üben.

Dazu lockte nicht nur der Erfolg Weddigens, sondern auch die Besetzung der flandrischen Küste, die im Oktober vollzogen wurde. Die Eroberung Antwerpens und die Besetzung der flandrischen Küste verlängerteil zwar die strategische Flanke des deutschen Westheeres und stellten die deutsche Flotte vor größere Aufgaben, setzten diese aber in die Lage, ihre Ausfallstellung zu erweitern und ihre Basis gegen den Ärmelkanal vorzuschieben. See- und Landkrieg wuchsen allmählich in eins. Die Kriegführung zur See litt darunter. Während im Westen nach der Erstarrung der Aisneschlacht und der Beendigung des Wettlaufes zum Meere um die Yserübergänge gekämpft wurde, im Osten Hindenburg zusammen mit den Österreichern an der polnischen Weichsel und am San um die Entscheidung rang und die Wage, schwer und schwerer von vergossenem Blut, unsicher hin und her schwankte, begann die Kriegführung zu Wasser zum rücksichtslosesten Minenkrieg auszuarten.

Der Abbau der Londoner Seerechtserklärung und Amerika

England und Deutschland trieben sich gegenseitig immer tiefer in ein Labyrinth völkerrechtsfeindlicher Vergeltungsmaßregeln. England hatte die Hoffnung aufgegeben, dass der Gegner durch das Schwert Russlands und den Degen Frankreichs fallen werde, und dehnte deshalb die Blockade immer weiter aus, um dem belagerten Deutschland alle Hilfs- und Erhaltungsquellen abzuschneiden, Deutschland rächte sich, indem es dem Gegner mit Tauchbooten und Streuminen zu Leibe ging.

Die Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika hatte sich vergeblich ins Mittel gelegt, um im eigenen Interesse das Äußerste zu verhüten und die Freiheit der Meere wenigstens in beschränktem Umfang sicherzustellen, und den Kriegführenden schon zu Beginn der Feindseligkeiten vorgeschlagen, sie möchten die nicht vertraglich gebundene Londoner Deklaration als Grundlage für ihr Verhalten gegenüber den Neutralen annehmen. Deutschland und Österreich-Ungarn hatten dem Vorschlag zugestimmt, Russland und Frankreich dagegen hatten die Antwort aufgeschoben, um sich mit England über ein gemeinsames Vorgehen zu verständigen. England sprach für sie und sich, als es am 20. August 1914 erklärte, dass es der Londoner Deklaration grundsätzlich beitrete, dass die Vorschriften des als Londoner Erklärung bekannten und am 26. Februar 1909 unterzeichneten Abkommens von den Regierungen der Entente "so weit als möglich" innegehalten werden sollten, dass aber eine Reihe von Zusätzen und Einschränkungen dazu zu machen seien. Eine Verfügung des britischen Kronrates, "Order in Council" genannt, schuf zu diesem Zwecke neues Recht. Man schlug kurzerhand die bedingten Bannwaren zu den unbedingten und machte dadurch Nahrungsmittel und Kleidungsstücke zu Konterbande. Ferner erklärte England, dass von bedingter Bannware stets angenommen werden müsse, sie sei für die deutschen Streitkräfte bestimmt, falls sie "an oder für einen Agenten des feindlichen Staates" oder "an oder für einen Handeltreibenden oder irgendeine andere Person, die unter der Kontrolle des feindlichen Staates stehe", gerichtet sei. Aus diesem Paragraphennetz gab es kein Entrinnen; Deutschlands überseeischer Handelsverkehr wurde durch diese einseitige Neuordnung der Dinge mit einem Zuge bis auf die Wurzel ausgerottet.

Im engmaschigen Gewebe dieser einschränkenden Zusätze zur Londoner Deklaration fing sich fortan alles, was noch von neutralen Ländern unmittelbar nach den kriegführenden Staaten Mitteleuropas verschifft wurde. Aber auch der mittelbare Handelsverkehr der Neutralen mit Deutschland wurde im Schleppnetz britischer "Orders in Council" gefangen. Die britischen Verordnungen hoben die Verkehrsfreiheit der Neutralen unter sich auf, indem sie bestimmten, dass die Kriegsfahrzeuge der Entente das Recht hätten, bedingte Bannware auch dann wegzunehmen, wenn sie von einem neutralen Hafen zum anderen verschifft werde. Das britische Prisengericht entschied also aus eigenem Recht, ob die aufgebrachten Sendungen, die von einem neutralen Land in das andere unterwegs waren, für Deutschland bestimmt waren.

Da Amerikas Handel dadurch am stärksten getroffen wurde, erhoben die Vereinigten Staaten gegen das Vorgehen Englands Einspruch und erreichten, dass die Verordnung vom 20. August durch eine Verfügung vom 29. Oktober ersetzt wurde, kamen aber dadurch aus dem Regen unter die Traufe. Die neue Verordnung enthielt nämlich die Bestimmung, dass Sendungen "an Ordre", d. h. für ungenannte Empfänger, von nun an auch im Handel mit Neutralen unzulässig seien. So schuf England, von "Order in Council" zu "Order in Council" weiterschreitend, im Lauf der Jahre nach Bedürfnis neues Recht, um Deutschland unmittelbar und mittelbar von der Außenwelt abzuschneiden. Da England und seine Bundesgenossen im Vertrauen auf die eigene Seegewalt und getragen von der gemeinsamen politischen Grundstimmung gegen das militaristische Deutschland vor dem schwersten Druck auf die Neutralen, die überdies selbst auf den Bezug überseeischer Waren angewiesen waren, nicht zurückschreckten, so gelang es der Entente in der Tat, Deutschland und Österreich die Zufuhr von Erhaltungsmitteln und Rohstoffen vollständig abzuschneiden. Deutschland und Osterreich-Ungarn wurden zu wirtschaftlichen Binnenstaaten herabgedrückt, die aus sich selbst leben und die mit ihrem Schwert eroberten Gebiete bis aufs Blut aussaugen mussten, um den Krieg um Sein oder Nichtsein durchzukämpfen.

Doch was England auch zum Zwecke der Niederwerfung Deutschlands tun mochte, die Beherrschung des Ozeans sicherte ihm einen unschätzbaren moralischen Vorteil, denn es verletzte durch seine Übergriffe wohl internationale Verträge und kränkte die Rechte der Neutralen, brachte aber — abgesehen von der Ausstreuung von Minen — durch seine Maßnahmen kein Menschenleben in Gefahr. Deutschland hingegen setzte Menschenleben aufs Spiel, wenn es seine U-Boote als Kaper verwendete, denn das Tauchboot war nicht geeignet, die Besatzung und die Fahrgäste aufgebrachter Schiffe an Bord zu nehmen und nur in wenigen Fällen und unter schwerer eigener Gefährdung in der Lage, eine Prise zu bemannen und wegzuführen. Ging Deutschland auf dem Wege der Vergeltung so weit, die überseeische Fernblockade durch eine unterseeische Belagerung Englands zu beantworten, so öffnete es unberechenbaren Gefahren Tür und Tor.

Im Spätherbst 1914 besaßen die deutschen Tauchboote noch nicht genügende Armfreiheit, sich der Bekämpfung des englischen Seehandels zu widmen, aber sie begännen sich jetzt drohend im Kanal zu zeigen und die britische Küstenwacht ernstlich zu beunruhigen. Die englischen Tauchboote waren vom Glück weniger begünstigt, blieben aber nicht müßig. Am 13. September war dem englischen Boot E 9 bei Helgoland die Vernichtung des kleinen Kreuzers "Hela" gelungen und am 6. Oktober vernichtete ein Schuss des Bootes E 3 das Torpedoboot S 116. Arn 15. Oktober schlug sich das Glück wieder auf die Seite der Deutschen. Weddigen griff den Kreuzer "Hawke" an und brachte ihn mit einem einzigen Torpedo zur Strecke.

Torpedoboote im Gefecht